Die Nazis blufften — jedoch nicht die Zeugen
Der SS-Staat ist ein im Jahre 1946 erschienenes Buch, das einen eingehenden Bericht über Nazikonzentrationslager enthält. Es war in Deutschland jahrelang ein Bestseller, und im April 1955 kam eine englische Ausgabe heraus unter dem Titel The Theory and Practice of Hell. Von besonderem Interesse für Leser des Wachtturms ist das, was es in Kapitel XV, S. 211, unter dem Titel „Die Leiden der Bibelforscher“ zu sagen hat. Wir finden darunter folgendes:
„Am 6. September 1938 bot ihnen die SS die Möglichkeit, ihre Grundsätze, insbesondere die Verweigerung des Eides und des Wehrdienstes, durch Unterschrift zu widerrufen und sich dadurch die Freiheit zu erkaufen. Nur einige wenige haben der Versuchung nicht widerstanden. Gegen alle anderen setzte von da ab ein wüster Druck ein, um sie mürbe zu machen. Am 1. Ostertag 1939 wurde in Buchenwald ein weiterer Versuch von seiten des Rapportführers gemacht, die Bibelforscher zu überreden, ‚Staat und Führer‘ anzuerkennen … Der Erfolg war gleich Null. Zu Pfingsten mußte der gesamte Bibelforscherblock erneut auf dem Appellplatz antreten. Nach einer Ansprache Hackmanns begann ein furchtbares Exerzieren in zwei Abteilungen. Das Rollen, Hüpfen, Kriechen, Laufen dauerte eine Stunde und 15 Minuten, während die Blockführer mit Stiefelabsätzen und Stöcken nachhalfen.
Zu Kriegsbeginn wurden im KL Sachsenhausen die Bibelforscher aufgefordert, Wehrdienst zu leisten. Auf jede Weigerung hin wurden zehn aus ihren Reihen erschossen. Nach vierzig Opfern gab es die SS auf. In Buchenwald erfolgte der Aufruf der Bibelforscher am 6. September 1939. Der 1. Lagerführer Rödl erklärte: ‚Ihr wißt, der Krieg ist ausgebrochen, das deutsche Volk ist in Gefahr. Neue Gesetze treten in Kraft. Wenn einer sich weigert, gegen Frankreich oder England zu kämpfen, dann müßt ihr sterben!‘ Zwei Kompanien SS-Truppen in voller Ausrüstung standen am Tor. Nicht ein einziger Bibelforscher erklärte sich auf die Anfrage des Lagerführers hin [dazu] bereit … Nach einer Weile Schweigen kam plötzlich der Befehl: ‚Hände hoch! Taschen ausleeren!‘ Dann fielen die SSler über die ‚Violetten‘ her und nahmen ihnen den letzten Pfennig weg — eine groteske Szene nach dem, was zu erwarten gewesen war. Allerdings kamen die Bibelforscher dann in das Steinbruch-Kommando, und es gab während dieser Zeit keine Revierbehandlung für sie.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die SS psychologisch mit dem Problem der Bibelforscher nicht ganz fertig wurde …“