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  • Ich lebte als Verbannter in Sibirien
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Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1956
w56 15. 5. S. 292-295

Ich lebte als Verbannter in Sibirien

ALS deutscher Staatsangehöriger konnte ich im November 1955 nach 4 1/2jähriger Verbannung in Sibirien in mein Geburtsland zurückkehren. Doch viele Zeugen Jehovas aus dem Memellande, aus Litauen, Lettland, Estland, Bessarabien und der Ukraine wie auch aus anderen Teilen Rußlands, die nicht deutsche Staatsangehörige sind, befinden sich immer noch in diesem kalten Lande. Von vielen wurde ich gebeten, den Zeugen Jehovas in anderen Teilen der Welt einen Bericht zu übermitteln.

Während verschiedene Teile Deutschlands von den russischen Streitkräften besetzt wurden, befand ich mich in Ostpreußen (im Memelland). Unter dem Hitler-Regime hatte ich als Zeuge Jehovas bereits über sechs Jahre in verschiedenen Gefängnissen und anderen Einrichtungen gelitten. Als das Memelland [jetzt Klaipeda genannt] auf Befehl Hitlers geräumt werden mußte, flüchteten die meisten Bewohner dieses Gebietes nach dem Innern Deutschlands. An dieser Flucht nahm ich nicht teil, denn ich konnte es mit meiner Auffassung nicht vereinbaren, unter dem Hitler-Regime Zuflucht zu suchen, das Jehovas Zeugen so unsagbares Leid zugefügt hatte. Auch dachte ich, daß die Kommunisten den Zeugen Jehovas, die unter dem Regime Hitlers so sehr gelitten hatten, ein wenig Entgegenkommen erzeigen würden. Weit gefehlt! Mehr denn je bin ich überzeugt, daß diese Welt von ihrem unsichtbaren Oberherrn Satan geleitet und dirigiert wird.

Was die Verfolgung der Zeugen Jehovas betrifft, offenbarte sich die kommunistische Regierungsform als treue Nachfolgerin Hitlers und seiner nationalen Partei. Als die Russen kamen, flohen Geistliche und Prediger und ließen ihre zurückbleibenden „Schafe“ im Stich. Viele Zeugen Jehovas, die diese Menschen in Bedrängnis sahen, hatten Gelegenheit, ihnen Gottes Königreich zu verkündigen. Diese Gelegenheiten nahmen sie wahr. Die Folge war, daß in diesem Teil des Landes eine Anzahl neuer Versammlungen entstand. Auch ließen sich viele, die sich Jehova hingegeben hatten, taufen. Die wenigen Exemplare des Wachtturms, die wir hatten, wurden bei den regelmäßigen Zusammenkünften studiert, ja nicht nur studiert, sondern auch vervielfältigt und unter der Bevölkerung verbreitet. Der russischen Sicherheitspolizei blieb alles dies nicht verborgen. Wiederholt wurden wir abgeholt und nach langen Vernehmungen über die Lehren und die Organisation der Zeugen Jehovas wieder freigelassen. Wir wußten, daß die Geheimpolizei Spione in die Versammlungen sandte, um auszukundschaften, was gesprochen wurde. Wir hatten nichts zu verbergen. Wir predigten Gottes Wort und erblickten in Gottes Königreich die einzige Hoffnung der Welt. Noch im Jahre 1949 konnte ich zu fast 300 Personen sprechen, die bei einer einzigen Zusammenkunft zugegen waren. Jesaja 25:6-8a war mein Schrifttext. Anhand dieses Textes wies ich nach, wie reich Jehova jene segnet, die ihm dienen, daß ferner der Tod verschlungen wird in Sieg und daß Jehova die Tränen von jedem Angesicht abwischen und die Schmach seines Volkes von der Erde wegnehmen wird, denn er hat dies verheißen.

Einen Tag später wurde ich auf offener Straße verhaftet. Ich verbrachte zwei Tage im Polizeigebäude und wurde dann nach mehreren langen Vernehmungen wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch einige Tage später mußte ich wieder vor der Sicherheitspolizei erscheinen. Da erhielt ich den Auftrag, einen wahrheitsgetreuen Bericht über die Organisation der Zeugen Jehovas niederzuschreiben. Ein Bericht wurde über das bereits herbeigekommene Königreich Gottes Jehovas und auch über viele andere zeitgemäße Wahrheiten abgefaßt. Auch wurde mitgeteilt, daß Jehovas Zeugen unter dem Regime Hitlers in grauenhafter Weise verfolgt worden waren, und daß am 7. Oktober 1934 von den Versammlungen der Zeugen Jehovas aus vielen Ländern Telegramme an die Reichskanzlei in Berlin gesandt wurden, die alle den gleichen Wortlaut hatten, nämlich: „Ihre schlechte Behandlung der Zeugen Jehovas empört alle guten Menschen und entehrt Gottes Namen. Hören Sie auf, Jehovas Zeugen weiterhin zu verfolgen, sonst wird Gott Sie und Ihre nationale Partei vernichten.“

Ich bin überzeugt, daß dieser Bericht an die Zentrale der Sicherheitspolizei in Moskau gesandt wurde. Der erste schwere Schlag gegen Jehovas Zeugen in diesem Teile Rußlands kam im September 1950. Eines Nachts wurden alle arbeitsfähigen Brüder und auch verschiedene Schwestern von der Sicherheitspolizei geholt und in die Gefängnisse des Sicherheitsministeriums in Wilna gebracht. Nach halbjähriger Untersuchungshaft wurden die meisten von Moskau aus zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurteilt. Nach sechs Monaten nervenaufreibender Vernehmungen und Verfolgung zeigte es sich, daß die Nerven vieler Verurteilten durch die Drangsalierung während der Untersuchungszeit sehr gelitten hatten. Einige von ihnen wurden dann aus der Strafanstalt weggeholt und in verschiedene Arbeitslager gebracht. Viele mußten unter der Erde in Kohlengruben arbeiten. Einige wurden selbst bis in das hoch oben im Norden gelegene, berüchtigte Lager gesandt, das als Workuta bekannt ist. Eine Anzahl unserer Brüder arbeitet immer noch dort. Es ist dort sehr kalt. Jede Vegetation fehlt, und nach dem langen Winter folgt nur ein kurzer Sommer. Durch das grausame kommunistische Regime sind mehrere Brüder zufolge übermenschlicher Anstrengungen zu arbeitsunfähigen Invaliden geworden. Einige von diesen wurden dann zu ihren Familien in Sibirien gesandt.

Ende März 1951 kam die zweite Verfolgungswelle. Die noch nicht Verhafteten — ältere Männer, Frauen, Kinder und Säuglinge und andere, die noch nicht zusammengetrieben worden waren — wurden in russischen Gewahrsam gebracht. Niemand wurde verschont, sondern alle schaffte man in Lastautos zu den Transportzügen, die für Sibirien bereitstanden. Nur wenige Habseligkeiten durften mitgenommen werden: etwas Mehl, einige Kleider, und einige konnten ihre Betten mitnehmen. Alles andere fiel in die Hände der Polizeibehörden. Diesmal wurde alles Gepäck von den Kommunisten gründlich nach Bibeln und Wachtturm-Literatur durchsucht.

In Wilna erblickten wir zwei große Transportzüge. Jeder bestand aus etwa fünfzig Viehwagen. In diesen wurden Jehovas Zeugen aus allen Gebieten in ein Land weggeführt, in dem sie entweder sterben oder zu leben suchen sollten. Die Wagen waren überfüllt. Die Sitzplätze reichten nicht aus. Die Nahrung war ungewohnt und dazu minderwertig. Trotzdem priesen Jehovas Zeugen ihren himmlischen Vater und dankten ihm während all dieser schwierigen Zeiten. Einer ermunterte den anderen. Durch die Besprechungen des Wortes Jehovas erhielten alle Trost und den Mut, ungeachtet der Geschehnisse vorwärtszudrängen. Die Worte, die sie den Menschen gebracht hatten, um sie am Ende dieser Welt zu trösten, waren nun für diese Zeugen Jehovas, die in Viehwagen verschickt wurden, ein großer Trost. Laut sangen sie ihre Königreichslieder, doch wurde ihnen auch dies später von den Sowjetsoldaten verboten.

Nach 13 Tagen erreichten alle Zeugen Jehovas ihren Bestimmungsort, nachdem sie Tag und Nacht in Viehwagen gereist waren. Dann erging an sie die Meldung: „Als Staatsfeinde seid ihr lebenslänglich nach Sibirien verbannt. Gebt jede Hoffnung auf, noch einmal in eure Heimat zurückkehren zu können.“

Jehovas Zeugen wurden jetzt von Tomsk bis Irkutsk und einige noch darüber hinaus als Arbeitssklaven auf verschiedene Kolchosen verteilt. Allein Jehovas Schutz und Hilfe konnte sie stärken, um dieser Sachlage die Stirn zu bieten. Vor ihnen lag ein vom Gespenst des Hungers bedrohtes Leben. Die von einigen mitgenommenen Vorräte waren bald aufgebraucht. Die Kolchosen waren in nicht gerade gutem Zustande. Die Leiter dieser sowjetischen Tätigkeitszentren dachten nicht daran, vor der neuen Ernte an die an Unterernährung Leidenden Brot zu verabreichen. Wohlfahrtseinrichtungen gibt es im „Sowjetparadies“ nicht.

Aber bei Jehovas Zeugen herrscht Bruderliebe. Sie bewirkte, daß mit der kärglichen Nahrung auch den Ärmsten ausgeholfen werden konnte. In den ersten zwei Jahren starb eine Anzahl der Verbannten zufolge der schweren Leiden, die über sie kamen. Sehr schwere Arbeit wurde besonders auch den Frauen aufgebürdet. Zur Winterszeit schickte man sie bei hohem Schnee in die Wälder, in denen sie Holz schlagen sollten, weil es während des kurzen Sommers für diese Arbeit keine Zeit gab. Der sibirische Winter dauert ununterbrochen sieben Monate. Frühling und Herbst sind unbekannt. Dazu kommen Kältewellen, bei denen die Temperatur oft bis auf 50 Grad Celsius unter Null sinkt. In diesem Lande benötigt man viel Brennmaterial, und dies bildet auch eine der Hauptsorgen der in Sibirien lebenden Verbannten. Wohl gibt es dort viele große Wälder, aber das Holz aus dem Walde an den Wohnort zu schaffen, ist eine sehr schwierige Arbeit. Um Brennholz zu beschaffen, benötigt man eigentlich ein Pferd und einen Schlitten, aber diese armen Verschleppten müssen ihren Aufseher um Beistand hierzu bitten, ja direkt betteln. Für Ältere ist dieses Leben beinahe unerträglich. Für landwirtschaftliche Arbeiten reichen ihre Kräfte nicht mehr aus, und im Alter von 60 bis 70 Jahren Brennmaterial auf dem Rücken nach Hause zu schleppen, ist keine Kleinigkeit.

Es fällt mir schwer, etwas über die Wohnungsfrage in Sibirien zu berichten. Während der meisten Zeit meiner Verbannung wohnte ich mit vier Familien nebst Kindern in einem Raume. Außerdem hatten wir eine kleine Küche, in der sich ein von Blech erstellter Herd befand, auf dem wir unsere Speisen kochen mußten. Das Dach war schadhaft, und wenn der Schnee auftaute, gab es in unserem Haus eine Überschwemmung. Wann immer sich Jehovas Zeugen unter all diesen Umständen Hilfe leisten konnten, taten sie es. Außerhalb ihrer Kolchose-Arbeitszeit haben einige sich ihre eigenen kleinen Hütten gebaut. Doch wiewohl sie sich selbst ein eigenes Heim bauen und es etwas wohnlicher gestalten konnten, blieb noch viel zu wünschen übrig.

Während der ersten zwei Jahre, da ich in einem dieser Sklavenlager in Sibirien weilte, betrug der Tagesverdienst in meiner Kolchose für Arbeiter und Arbeiterinnen 1/2 bis 1 Kilogramm Getreide. Seit Stalins Tod hat sich der Lebensstandard etwas gebessert. Es ist ihnen etwas mehr Getreide zugeteilt worden, und den Arbeitssklaven wurde noch etwas Geld ausgehändigt, so daß sie jetzt nicht mehr allzusehr hungern oder frieren müssen. Unter all diesen Verhältnissen fahren Jehovas Zeugen fort, das Wort Gottes zu studieren, so wie sie die Gelegenheit dazu haben; dabei sind sie sehr von ihrem Gedächtnis abhängig, während sie, je nach Gelegenheit, miteinander reden und einander trösten. Unser Notschrei ist immer noch: „Hätten wir doch nur mehr Bibeln und neue Wachttürme!“

Alle Zeugen Jehovas, die sich überall in Rußland in solchen Sklavenlagern befinden, beten unablässig zu Jehova Gott und sind mit dem Glauben erfüllt, eines Tages von diesen Verhältnissen erlöst zu werden. In diesen Gefangenenlagern und auch außerhalb, überall in Rußland, nehmen russische Leute in wachsender Zahl die Wahrheit an. Eine Schwester berichtet: „Ich habe gegen 30 Studentinnen zu betreuen, die mir hungrig jedes Wort vom Königreich von den Lippen ablesen.“ Viele Leute in Rußland wünschen heute etwas über Gottes Königreich zu hören und sind begierig, die Wahrheit zu erfahren. Stets ist es eine Freude, einen Brief von anderen Königreichsverkündigern in Rußland zu lesen und ihre Erfahrungen aus den Gefangenenlagern zu hören. Weil sie zu Gefängnis verurteilt wurden, sind sie viel inniger zueinander und auch zu Jehova hingezogen worden. Mit jedem Tage erlangt jeder ein noch besseres Verständnis von Jehovas theokratischer Organisation, und alle sind noch entschlossener, dem großen Richter ihre Treue durch ihre Predigttätigkeit zu beweisen. Durch Jehovas unverdiente Güte sind sie entschlossen, ihre Lauterkeit zu bewahren und sich des ewigen Lebens würdig zu erweisen.

Ich weiß, daß diese Verschleppten in den Kolchosen ihr Licht nicht verbergen, indem sie es unter einen Scheffel stellen. Vielmehr lassen sie ihr Licht leuchten.

Im November 1954 berichtete die Prawda, eine Moskauer Zeitung, daß ein wohlbekannter kommunistischer Parteiführer gesagt habe, „der Kommunismus habe sich nun in der Welt soweit durchgesetzt, daß der Kampf gegen die verschiedenen Religionen eingestellt werden könne. In den vergangenen Jahren seit der Machtergreifung sei dieser Kampf nötig gewesen. Nun aber, da besonders die Jugend das nötige Maß von Bildung aufzuweisen habe, müsse jeder aus sich heraus zu der Überzeugung kommen, daß nur durch den Kommunismus der wahre Friede und die Wohlfahrt für die Völker verwirklicht werden könne.“ Aber Jehovas Zeugen sind fest davon überzeugt, daß es wahren Frieden und Wohlfahrt für die ganze Menschheit nur durch Gottes Königreich geben wird, das jetzt unter ihrem großen Friedefürsten, Christus Jesus, herbeigekommen ist.

Bald werde ich 77 Jahre alt sein. Im Jahre 1914, einige Monate vor Ausbruch des ersten Weltkrieges, wurde ich von der Gesellschaft durch ihre Prediger erreicht. Ich habe das Vorrecht gehabt, all diese Jahre ein predigender Diener Gottes zu sein, und jetzt, da ich aus Rußland zurückgekehrt bin, habe ich kein anderes Verlangen, als den Rest meines irdischen Lebens im Dienste Jehovas zu verbringen.

Glücklich sind die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, da das Königreich der Himmel ihnen gehört. Glücklich seid ihr, wenn die Leute euch um meinetwillen schmähen und euch verfolgen und lügnerisch allerlei Böses wider euch reden. Freut euch und springt vor Freude, da euer Lohn in den Himmeln groß ist; denn auf diese Weise verfolgten sie vor euch die Propheten. — Matth. 5:10-12, NW.

[Fußnote]

a In Jesaja 25:6-8 lesen wir: „Und Jehova der Heerscharen wird auf diesem Berge allen Völkern ein Mahl von Fettspeisen bereiten, ein Mahl von Hefenweinen, von markigen Fettspeisen, geläuterten Hefenweinen. Und er wird auf diesem Berge den Schleier vernichten, der alle Völker verschleiert, und die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. Den Tod verschlingt er auf ewig; und der Herr, Jehova, wird die Tränen abwischen von jedem Angesicht, und die Schmach seines Volkes wird er hinwegtun von der ganzen Erde. Denn Jehova hat geredet.“

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