Mein Lebensziel verfolgend
Von A. E. Tharp erzählt
DA ICH jetzt 25 Jahre im Vollzeitdienst für Jehova und seinen König gestanden habe, verweilt mein Sinn gerne bei dem Gedanken an die schöne, geschäftige Zeit, die ich verlebte.
Im Jahre 1929 war mein Vater ein Abonnent des Goldenen Zeitalters. Er besaß auch einige der Wachtturm-Bücher, die damals erschienen. Die Artikelserie im Goldenen Zeitalter „When the World Went Mad“ [„Als die Welt wahnsinnig wurde“] von Daniel Morgan fesselte mich sehr, und ich freute mich darüber. Im nächsten Sommer sah ich bei Nachbarn das Buch Schöpfung, das meinem Vater gehörte. Ich war damals 16 Jahre alt und hatte an einer höheren Schule Geologie-Unterricht erhalten. Ich nahm das Buch mit nach Hause und las es mit wachsendem Interesse. Als ich den Abschnitt über „Weihung“ gelesen hatte, gab ich mich Jehova rückhaltlos hin. In dem Sommer, der meiner Graduierung an der höheren Schule folgte, wurde ich in einem Biberteich getauft und begann mit einigen Brüdern des Ortes in den Dienst zu gehen und so mein Lebensziel zu verfolgen.
In jenem Herbst unterrichtete uns Der Wachtturm, daß wir von zwei reisenden Vertretern der Gesellschaft besucht werden würden, von A. H. Macmillan und seinem Begleiter G. Y. McCormick. Während jenes Besuches fragte mich Bruder Macmillan: „Warum bist du nicht Pionier?“ Er versicherte mir, daß mich die Gesellschaft trotz Minderjährigkeit in den Pionierdienst aufnehmen würde. So wurde unverzüglich ein Brief nach Brooklyn gesandt, und bald kam die begehrte Ernennung zum Pionier. Im Jahre 1932 wanderte ich „über den Berg“ in mein Gebiet, das etwa fünf Kilometer entfernt lag. Im folgenden Sommer benutzte ich das Fahrrad meines Bruders; dann erhielt ich eine alte Stute und fuhr bis zum Herbst mit dem Einspänner; schließlich schloß sich mir mein Bruder an, um bis zu seinem Tode, zwei Jahre später, mit mir Pionierdienst zu tun.
In Miles City, Montana, erwartete ich mit einem anderen Partner die Gebietszuteilung für den Sonderpionierdienst. Es stellte sich heraus, daß wir nach Milwaukee, Wisconsin, gehen sollten. Dort benutzten wir damals (1938) an den Türen das Grammophon und verbreiteten das Buch Feinde. Wir machten vielerlei Erfahrungen. Außergewöhnlich war, daß ich mit dem Generaldirektor der Allis Chalmers Corporation sprechen und die Platte „Resolution“ vor ihm und seinem Büropersonal abspielen konnte. Dann erlebten wir auch den Beginn der Pöbelaktionen, die zwei Jahre später im ganzen Lande aufflammten. Wir erhielten ferner wertvolle Schulung, indem wir mit einer großen Versammlung zusammenarbeiteten. Das war auch meine erste Schulung im öffentlichen Sprechen, das einige Jahre später in Gilead noch beträchtlich verbessert werden mußte.
Schließlich wurden Aarne und ich für immer getrennt, und ich erhielt eine Zuteilung als Zonendiener, darauf wieder als Sonderpionier und dann als „Diener für die Brüder“. Während dieser Zeit gab es in Kansas und Oklahoma öfters Angriffe von Pöbelrotten und auch Verhaftungen. Diese Erfahrungen verbanden uns noch fester und lehrten uns, den Organisationsanweisungen noch genauer zu gehorchen.
Nach Bruder Rutherfords Tod hörten wir, daß ein Gebäude, das von der Gesellschaft zu seinen Lebzeiten im Norden des Staates New York gebaut worden war, für eine Schule, Gilead genannt, verwendet werde und daß dort Brüder zum Missionardienst geschult werden sollten. Ob ich sie wohl besuchen sollte, wenn man mich dazu einladen würde? Wäre ich bereit, alle bestehenden Bande und Freundschaften wegen des Dienstes in einem anderen Lande aufzugeben?
Der unermeßliche Wert der Gileadschulung wurde mir im Herbst des Jahres 1943 klar, als ich in Danville, Kentucky, einen Absolventen der ersten Klasse traf. Er war als „Diener für die Brüder“ tätig. Wir hatten uns Jahre zuvor in Texas kennengelernt. Welch auffallender Unterschied, ihn jetzt zu hören, und wenigstens einen Teil seines Fortschrittes schrieb ich der Gileadschulung zu. Unsere Aussprache überzeugte mich davon, daß Gilead ein ernster Schritt wäre, doch ein Schritt, der es wert ist, getan zu werden.
Tatsächlich! Ich wurde eingeladen. Ich besuchte, zusammen mit den anderen, die für diese Klasse ausgelesen worden waren, die dritte Klasse der Gileadschule. Wie hart wir arbeiteten! Zum ersten Mal kam ich mit dem Lesen der Zeitschriften Wachtturm und Trost nicht mehr nach. Dennoch war die Arbeit angenehm, obwohl fast jeder sein Äußerstes tat, um den gestellten Anforderungen zu entsprechen. Die Güte und Geduld, die die Instruktoren an den Tag legten, beeindruckten uns. Es gab dort so viel zu studieren, daß wir wünschten, wir hätten ein Jahr Zeit, statt nur fünf Monate. Aber dann kam der Juli, und wir wurden graduiert, erhielten unsere Gebietszuteilung, und dann mußten wir uns trennen. Ich erhielt eine Zuteilung als „Diener für die Brüder“, und dieser Dienst brachte nach der Absolvierung der Gileadschule noch mehr Freude als vorher.
Etwa im Februar 1946 erreichte mich in McMinnville, Oregon, ein Brief von Bruder Knorr. Endlich erhielt ich eine Zuteilung — Trinidad, Britisch-Westindien. Ich fand es bald auf der Karte; es war eine kleine Insel vor der Küste Venezuelas, etwa 10 Grad nördlich des Äquators. Ich verbrachte einige Tage mit meinen Angehörigen, um ihnen auf Wiedersehen zu sagen; eine Woche weilte ich im Bethel in Brooklyn, um etwas über die Arbeitsweise im Büro zu lernen, und dann ging es nach Miami und weiter nach Trinidad!
Als wir bei Tagesanbruch auf dem Flugplatz in Trinidad landeten, erblickte ich einen schönen grünen Fleck, umgeben von lieblichen Bergen und Zuckerrohrfeldern — das war also meine neue Heimat! Ein Bruder, der mit mir Gilead besucht hatte und einer Nachbarinsel zugeteilt war, weilte auf Besuch in Trinidad. Mit zwei anderen war er zur Versammlung herübergekommen, die von Bruder Knorr und Bruder Franz bedient werden sollte. Der Zweigdiener war ebenfalls auf dem Flugplatz, und wir waren bald miteinander bekannt und begaben uns auf den Weg zur Stadt. Wie anders war es hier! Ochsenkarren, Palmen, kleine Hütten und dunkelhäutige Menschen. Dies erinnerte mich sehr an die in Laredo, Texas, verbrachten Tage. Bruder Knorr kaufte das Gebäude, welches das Missionarheim und Zweigbüro werden sollte. Dort war ich von Mai bis Oktober allein, ehe die übrigen Missionare eintrafen. Fast jeden Sonntag zog ich mit den einheimischen Brüdern zum gruppenweisen Zeugnisgeben aus. Oft veranstalteten wir öffentliche Vorträge, denn solche konnten leicht im Freien abgehalten werden und wurden damals (und sind auch heute noch) immer gut besucht. Nach Ankunft der anderen waren wir neun Personen im Heim. Es gab viel Arbeit zu tun, und schon bald zeigten sich die Resultate. Als das Heim eröffnet wurde, gab es eine Versammlung von 60 Verkündigern im Gebiet von Port of Spain. Jetzt gibt es dort etwa 400 Verkündiger, die auf sieben Versammlungen verteilt sind. Die gleichen Ergebnisse waren im ganzen Gebiet des Zweiges zu verzeichnen, denn zu den Kongressen, die hier ebenso regelmäßig wie überall in der Welt stattfinden, sind bis zu 3500 Personen erschienen.
Der Zweig ist gut organisiert und liefert den Beweis für den Segen Jehovas. Von den neun Missionaren und Missionarinnen, die ursprünglich ins Land kamen, sind einige immer noch da, und eine der Missionarinnen ist inzwischen meine Frau geworden.
Ich möchte einem jeden von euch jüngeren Brüdern, die ihr jetzt daran denkt, Jehova gefallen zu wollen, sagen, daß es gut ist, des Schöpfers schon in der Jugend zu gedenken. Werde Pionier und bleibe Pionier! Du wirst es niemals bereuen. Wenn du nach Gilead eingeladen werden solltest, so geh und kehre nicht zurück. Halte durch! Verfolgung schwächt nicht; durch sie werden reine Herzen, die Jehova fürchten, gestärkt. Bedenke, die Neue-Welt-Gesellschaft gehört Jehova, und er wird durch sie nach seinem Wohlgefallen handeln und in ihr alles korrigieren, was ihm nicht gefällt. Wir brauchen nicht beunruhigt zu sein. Wir müssen im Glauben wachsen, geduldig ausharren und als Diener Jehovas, die ihm ausschließlich ergeben sind, fortfahren, unser Lebensziel zu verfolgen. Wenn wir unseren Teil tun, können wir die Zuversicht haben, daß Jehova auch stets seinen Teil tun wird. Mögen wir nun alle arbeiten, um durch seine unverdiente Güte Gelingen zu haben, indem wir weiterhin seine Anerkennung zu erlangen suchen zur Rechtfertigung seines Namens und im Interesse nie endender Dienstvorrechte in seiner neuen Welt.