Steht die Christenheit wirklich unter der Leitung Christi?
DIE Christenheit hat seit langem, besonders ungefähr seit dem Jahr 800 u. Z., einen entscheidenden Einfluß auf das Weltgeschehen ausgeübt. Das englische Wort für Christenheit, nämlich Christendom, ist ein zusammengesetztes Wort, das Christ’s domain, das heißt „unter der Leitung Christi“ oder „unter der Oberaufsicht Christi“, bedeutet. Die Christenheit hat behauptet, unter der Leitung Christi zu stehen, und hat in heidnische Länder Missionare ausgesandt, die sich angestrengt bemüht haben, die ganze Erde zu bekehren, damit sie das Gebiet der Christenheit werde. Die Missionare der Christenheit haben absichtlich oder unwissend dazu beigetragen, daß die Christenheit die Aufsicht über die Politik und den Handel vieler dieser Länder übernommen hat. Haben diese Missionare durch ein solches Vorgehen, die Christenheit auszubreiten, unter der Leitung Christi gestanden? Wenn die Christenheit wirklich unter der Leitung Christi steht, dann ist sie eine Erweiterung des Christentums, das Christus gepredigt hat und das auf den Lehren und Grundsätzen aufgebaut ist, die Jesus und seine Apostel gelehrt haben. Wir möchten untersuchen, ob das wohl stimmt.
Wir werden diese Frage klären, indem wir als erstes unser Augenmerk auf die Grundlage der Lehren der Christenheit richten und danach ihre Grundlage vom geschichtlichen Standpunkt aus sehen und dadurch untersuchen, daß wir einem kurzen Auszug der Geschichte über die Art und Weise folgen, wie die Christenheit zu einem so gewaltigen Einfluß auf die Angelegenheiten der Welt gelangte. Somit werden wir das Zeugnis von zwei zuverlässigen Zeugen haben, von der Bibel und der Geschichte.
Gleich von Anfang an möchten wir erwähnen, daß wir durch diese beiden Zeugen zu dem gleichen Ergebnis gelangen, nämlich, daß die Christenheit nicht unter der Leitung Christi steht und niemals unter seiner Leitung gestanden hat. Wenn an dieser Stelle eine Schlußfolgerung angeführt wird, wird dem Leser geholfen, leichter und einfacher zu erkennen, warum die verschiedenen Tatsachen der Geschichte angeführt werden und wie sie so klar und eindeutig beweisen, daß die Christenheit nicht unter der Leitung Christi steht, sondern vielmehr der schlimmste Feind des Christentums ist und zu dem großen Weltreich der babylonischen Religion gehört. Erstens stammen die grundlegenden Lehren der Christenheit aus Babylon, nicht von Christus; zweitens ist das schlaue Vorgehen der Christenheit in politischer Hinsicht und ihre Sucht sich einzumischen Christus genau entgegengesetzt. Christus erklärte: „Mein Königreich ist kein Teil dieser Welt.“ Über seine Nachfolger sagte er außerdem: „Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin.“ — Joh. 18:36; 17:16.
DIE BABYLONISCHE GRUNDLAGE DER LEHREN
Die Bibel ist nicht babylonisch und enthält deshalb nicht den Ausdruck „Dreieinigkeit“ oder „Dreifaltigkeit“. Diese Lehre war eines der auffallenden Merkmale der Religion Babylons, in der es Götter- und Dämonentriaden gab. Es waren vielmehr religiöse Schreiber, die Christen zu sein beanspruchten, die in der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in ihren Schriften den Ausdruck „Dreifaltigkeit“ einzuführen begannen. Das beschwor religiöse Streitigkeiten herauf, die schließlich so weit gingen, daß das Römische Reich eingriff. Da man der Lehre der Dreieinigkeit in der Christenheit eine so große Bedeutung beimißt, zitieren wir ein katholisches Lexikon (The Catholic Encyclopedia, Band 15):
Dreifaltigkeit, DIE HEILIGE ... I. DAS DOGMA DER DREIFALTIGKEIT. — Der Ausdruck Dreifaltigkeit bezeichnet die Zentrallehre der christlichen Religion — die Wahrheit, daß in der Einheit der Gottheit drei Personen sind: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, drei deutlich voneinander unterscheidbare Personen. Daher heißt es im Athanasianischen Glaubensbekenntnis: „Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, und der Heilige Geist ist Gott, und doch sind sie nicht drei Götter, sondern e i n Gott.“ ...
In der Schrift gibt es keinen einzigen Ausdruck, in dem die drei göttlichen Personen gemeinsam angeführt wären. Das Wort τριας (trinitas ist das entsprechende lateinische Wort) findet man zuerst bei Theophilus von Antiochien, etwa um das Jahr 180 n. Chr. Er spricht von „der Trinität Gottes [des Vaters], Seines Wortes und Seiner Weisheit“. („Ad Autolycum“, II, 15, P. G., VI, 1078) Der Ausdruck mag natürlich schon vor dieser Zeit gebräuchlich gewesen sein. Kurz darauf erscheint er in seiner lateinischen Form trinitas bei Tertullian. („De pudicitia“, c. xxi, P. G., II, 1026) Im nächsten Jahrhundert ist das Wort allgemein im Gebrauch. — Seite 47.
Nun kam das vierte Jahrhundert und damit der Aufstieg Konstantins des Großen. Nachdem Konstantin seinen letzten Opponenten geschlagen hatte, wurde er am 28. Oktober 312 u. Z. auf Beschluß des römischen Senats oberster Augustus und Pontifex maximus. Man sagt, daß er bei seinem Feldzug gegen seinen Opponenten Maxentius am Himmel, unterhalb der Sonne, ein flammendes Kreuz erscheinen sah, das die Worte trug: In hoc signo vinces, das heißt, „In diesem Zeichen wirst du siegen“. (Man erinnere sich, daß das Kreuz ein Symbol des Sonnengottes Sol war.) Beachte den Aufstieg der Christenheit auf der babylonischen Grundlage falscher Lehren und die Verwicklung in die Politik nach diesem Zeitpunkt.
13. Januar 313 u. Z. Konstantin gibt als heidnischer Pontifex maximus sein berühmtes Toleranzedikt zugunsten der sich als Christen Bekennenden heraus, die damit auch in öffentliche Dienste gewählt werden konnten.
321 u. Z. Der Sonntag, Dies solis, der Tag des Sonnengottes Sol, der das Kreuz als Symbol hat, wird zu einem Tag gemacht, an dem keine gerichtliche Tätigkeit ausgeübt werden sollte; die Beobachtung des Sonntags wird zur gesetzlichen Pflicht.
325 u. Z. Konstantin wird das Haupt über die östlichen und westlichen Gebiete des Römischen Reiches. Er beruft ein religiöses Konzil ein, um den Streit über die τριας oder „Dreifaltigkeit“ beizulegen, der den Zusammenhalt seines Reiches bedroht. Als heidnischer Pontifex maximus, der noch nicht als Christ getauft worden war, führt Konstantin den Konzilsvorsitz, und nur etwa ein Drittel oder 318 der christlichen epískopoi oder Aufseher des ganzen Reiches kommen in Nizäa bei Nikomedia zusammen. Die Begleiter der Bischöfe mitgerechnet, beträgt die Zahl der anwesenden Männer zwischen 1500 und 2000. Nachstehend zitieren wir aus dem Buch „Babylon die Große ist gefallen!“ Gottes Königreich herrscht!a, von den Seiten 474 und 475, folgendes:
„Die Dreieinigkeitsverfechter wurden von dem jungen Archidiakon Athanasius von Alexandrien (Ägypten) vertreten. Die andere Seite, die aus den Schriften bewies, daß Jesus Christus unter Gott, seinem Vater, stehe, wurde von Arius einem Presbyter, angeführt. Etwa zwei Monate lang stritten sich die beiden Parteien. Arius behauptete, der Sohn sei ‚ein Gott von aller Zeit durch den Willen des Vaters aus Nichts hervorgebrachtes Wesen‘, und ‚da ... der Sohn von Gott gezeugt, erschaffen worden sei, ... [müsse] es auch eine Zeit gegeben haben, in der er noch nicht dagewesen‘ sei. Demgemäß sei ‚die Aussage, „der Sohn sei ewig“, nicht in demselben Umfange zu verstehen wie beim Vater.‘b Als Arius einmal aufstand, um zu sprechen, schlug ihm ein gewisser Nikolaus von Myra ins Gesicht. Als Arius später mit seinen Ausführungen fortfuhr, hielten sich viele die Ohren zu und rannten hinaus, um ihre Abneigung gegen die „Häresien“ dieses alten Mannes zu demonstrieren.
Schließlich traf der Pontifex maximus Konstantin seine Entscheidung, die sich zugunsten der Verfechter der athanasianischen Dreieinigkeitslehre auswirkte. So wurde das Nizäische Glaubensbekenntnis über die ‚Dreieinigkeit‘ verfaßt und durchgesetzt. Später wurde der Widerstand leistende Arius auf Befehl Konstantins nach Illyrien verbannt, wurde jedoch fünf Jahre später zurückgerufen. Neben anderen Bestimmungen entschied das Konzil zu Nizäa auch, an welchem Sonntag (Dies solis) des Jahres regelmäßig Ostern gefeiert werden sollte.“
337 u. Z. Konstantin wird auf das Krankenbett geworfen. Er wird getauft und stirbt in Nikomedia. Nach seinem Tod reiht der römische Senat (der immer noch heidnisch war) ihn unter die Götter ein. Die östlichen Kirchen rechnen ihn zu den Heiligen. Die griechischen, koptischen und russischen Kirchen feiern am 21. Mai das Fest des Heiligen Konstantin. Konstantin hatte während seines Lebens Erfolg, eine Verschmelzung zwischen Heidentum und Christentum herbeizuführen, indem er das abgefallene Christentum wirklich babylonisch machte. Geschichtsschreiber berichten eingehend über die Auswirkungen davon folgendes:
„Ganz gleich, welche eigentliche Bewandtnis es mit der Bekehrung Konstantins zum christlichen Glauben hatte, so waren doch die Folgen sowohl für das Reich als auch für die Kirche Christi von weitreichender Bedeutung. Sie eröffnete den Weg für die ungehinderte Verkündigung des Evangeliums wie nie zuvor zu irgendeiner früheren Zeit seiner Geschichte. Alle Schranken, die einem öffentlichen Bekenntnis des Christentums entgegenstanden, wurden beseitigt, und es wurde zur befestigten Staatsreligion. Oftmals aber begann es in verschiedener Hinsicht, zum Beispiel durch die Vorteile, die ihm durch diesen Wechsel erwuchsen, zu leiden, indem es in engen Kontakt mit der ihm gegenüber wohlwollend eingestellten weltlichen Gewalt gebracht wurde. Die Einfachheit des Evangeliums wurde verdorben. Pompöse Riten und Zeremonien wurden eingeführt. Die Lehrer des Christentums empfingen weltliche Ehrungen und Gehälter, und aus dem Königreich Christi wurde in hohem Grad ein Königreich dieser Welt.“ — Theological Dictionary von Henderson und Buck. Siehe auch M’Clintock und Strongs Cyclopædia, Band 9, Seite 488a, und Gibbons Decline and Fall of the Roman Empire, Band 1, Seite 454 ff.
Weil die Geistlichkeit Ausdrücke aus der Bibel übernommen hat, beispielsweise die griechischen Wörter epískopos, was sich einfach auf einen „Aufseher“ einer Versammlung bezieht, und diákonos, was „Diener“ bedeutet, und diese Wörter als hochtönende Titel, wie „Bischof“ und „Diakon“, in unserer heutigen deutschen Sprache gebraucht hat, hat sich die Geistlichkeit des abgefallenen Christentums selbst erhöht. Weil sie die Wahrheit verwässert hat, hat die abgeschwächte Wahrheit beim Heidentum mehr Anklang gefunden, wirkte auf den heidnischen Sinn eindrucksvoller und wurde nicht angefochten; die Geistlichkeit hat dadurch mehr Menschen gefesselt und ist dadurch zu größerer politischer Macht gekommen. Als Auswirkung trug das Christentum in immer größerem Umfang den Stempel Babylons und wurde im Laufe der Geschichte immer mehr verdorben. Durch folgendes freimütige Eingeständnis von John Henry Newman, den Papst Leo XIII. 1879 zum Kardinal erhoben hatte, in seinem Buch Abhandlung über die Entwicklung der christlichen Lehre, das 1878 in Englisch veröffentlicht wurde, wird der Leser die babylonische Grundlage der Christenheit erkennen:
Bauend also auf die Macht des Christentums, der Infektion des Bösen zu widerstehen und die eigenen Instrumente und Anhängsel des Dämonengottesdienstes zum evangelischen Gebrauch umzugestalten, und im Gefühl auch, daß diese Gebräuche ursprünglich aus frühesten Offenbarungen und aus dem natürlichen Instinkt entstanden seien, wiewohl sie korrumpiert worden waren; und daß sie das erfinden müßten, was sie nötig hatten, wenn sie nicht verwenden würden, was sie vorfanden; und daß sie überdies im Besitz eben der Archetypen seien, deren Schatten nur das Heidentum nachjagte — waren von frühen Zeiten an die Lenker der Kirche darauf vorbereitet, bei erstehender Gelegenheit die existierenden Riten und Sitten des niederen Volkes ebenso wie die Philosophie der gebildeten Klassen zu adoptieren, nachzuahmen oder sanktionieren.
Der Gebrauch von Tempeln, und diese einzelnen Heiligen geweiht und bei Gelegenheit mit Baumzweigen geschmückt; Weihrauch, Lampen und Kerzen; Votivgaben bei Genesung aus Krankheit; geweihtes Wasser; Asyle; Feiertage und -zeiten; Gebrauch von Heiligenkalendern; Prozessionen, Feldersegen; Priestergewänder, die Tonsur, der Ehering, das Sich-wenden nach Osten, zu einer späteren Zeit Bilder, vielleicht der Kirchengesang und das Kyrie eleison — sind alle heidnischen Ursprungs und geheiligt durch die Aufnahme in die Kirche. — Deutsche Ausgabe, München 1922.
DAS UNAUFGEFORDERTE EINMISCHEN IN DIE POLITIK FÜHRT ZU SPALTUNGEN IN DER CHRISTENHEIT
Die Christenheit hat schon immer die Meinung vertreten, das Recht zu haben, über andere zu herrschen, und meint auch, daß jene, die in den Ländern der Christenheit herrschen, Könige oder Herrscher mit göttlichem Recht seien. Einem derartigen Gedanken gab man sich einmal in der Christenversammlung in Korinth in den Tagen des Apostels Paulus hin, doch brachte er die Angelegenheit schnell in Ordnung, indem er eine sehr scharfe Zurechtweisung erteilte. Mit beißendem Spott sagte er: „Seid ihr etwa schon gesättigt? Seid ihr etwa schon reich? Habt ihr etwa ohne uns als Könige zu herrschen begonnen? Und ich wünsche in der Tat, ihr hättet als Könige zu herrschen begonnen, damit auch wir mit euch als Könige herrschen könnten.“ (1. Kor. 4:8) Die Christenheit hat diese Worte des Apostels Paulus vollständig außer acht gelassen, und ihre Geschichte ist ein langer Bericht über Kompromisse, durch die sie allgemein beliebt wurde und politischen Einfluß und Macht ausübte, was zu Spaltungen führte, die in einem Geist der Verbitterung vorgenommen wurden und nicht wiedergutzumachen sind.
378 u. Z. Gratian, der im Jahre 375 im westlichen Teil des Römischen Reiches zu herrschen begann, macht nach dem Tode des Valens, des Kaisers des östlichen Teils des Reiches, General Theodosius zum Herrscher des östlichen Teils des Reiches. Danach verbietet Gratian in Rom die Ausübung heidnischer Anbetung und weist die Insignien des Pontifex maximus zurück. Damasus, „christlicher Bischof“ von Rom, übernimmt den Titel mit all seinen heidnischen Anhängseln und Verpflichtungen. Die Päpste von Rom tragen diesen Titel bis auf diesen Tag.
381 u. Z. Das ökumenische Konzil zu Konstantinopel (der östlichen religiösen Organisation) wird einberufen, weil der Streit um die „Dreifaltigkeit“ heftig weitergeführt wurde. Auf dem Konzil wird das trinitarische Glaubensbekenntnis von Nizäa erweitert. Nektarius wird zum Patriarchen von Konstantinopel ernannt. Das Konzil erklärt den Bischof von Konstantinopel an Rang als nach dem Bischof von Rom kommend.
395 u. Z. Theodosius (der Alleinherrscher über das ganze Reich geworden war) stirbt; sein Reich wird aufgeteilt. Die Bischöfe der Ost- und Westkirchen werden verschiedenen politischen Autoritäten untertan, die der Christenheit von Anbeginn wichtiger gewesen sind als die Einheit der Kirche; die Christenheit wird dadurch als unchristlich gekennzeichnet. — 1. Kor. 1:10-13.
440 u. Z. Leo I. wird Papst der katholischen Kirche. Er äußert sich zu den ehrgeizigen politischen Plänen der Kirche, als er erklärt: „Ich werde abermals auf dieser Erde eine Herrschaft ins Leben rufen, nicht indem ich die Cäsaren zurückbringe, sondern durch die Ausrufung einer neuen Theokratie, indem ich mich kraft der Verheißung die an Petrus erging, dessen Nachfolger ich bin, selber zum Statthalter Christi mache, um das Gesetz wiederherzustellen, Verbrechen zu bestrafen, Streitigkeiten zu schlichten, Gelehrsamkeit zu schützen, an Liebe zu appellieren, aber durch Furcht zu herrschen. Wer kann dies tun als nur die Kirche? Eine Theokratie wird eine neue Zivilisation schaffen. Nicht ein Diadem, sondern eine Tiara werde ich tragen, ein Sinnbild universeller Souveränität, vor der das Barbarentum fliehen und die wieder glückliche Zustände herbeiführen wird.“ — John Lord, Beacon Lights of History (Leuchtfeuer der Geschichte), Bd. III, Seiten 244, 245.
476 u. Z. Die Spaltung zwischen den östlichen und westlichen Kirchen wird vertieft, als Papst Felix III. von Rom den Patriarchen von Konstantinopel exkommuniziert.
553 u. Z. Auf dem dritten allgemeinen Konzil zu Konstantinopel führt trotz Protesten des Bischofs von Rom der Patriarch von Konstantinopel den Vorsitz.
726 u. Z. Kaiser Leo III. von Konstantinopel verbietet die Bilderverehrung und gebietet, die Bilder zu vernichten. Papst Gregor II. von Rom, der den westlichen Teil der Kirche vertritt, exkommuniziert deshalb den Ostkaiser, der der Ostkirche angehört; das führt zur Trennung zwischen den östlichen (griechischen) Kirchen und den westlichen (römischen oder lateinischen) Kirchen.
800 u. Z. Die römische Kirche mischt sich in solch einem Ausmaß in die Politik ein, daß sie sich anmaßt, über den Herrschern zu stehen. Kaiserin Irene herrscht in Konstantinopel. Der Papst von Rom jedoch krönt den Frankenkönig Karl (Charlemagne). Die Aufrichtung des „Heiligen Römischen Reiches“ datiert in das Jahr 800; es überlebte bis in das Jahr 1806. Die Catholic Encyclopedia, Ausgabe 1929, Band 3, Seite 615, schreibt:
„Zwei Tage später (Weihnachten 800) spielte sich die wichtigste Begebenheit im Leben Karls ab. Während der vom Papst zelebrierten Pontifikalmesse ging der Papst auf den König zu, der vor dem Hochaltar, unter dem sich die Gebeine der Heiligen Petrus und Paulus befanden, kniend betete, und setzte ihm die Reichskrone auf das Haupt, erwies ihm auf herkömmliche Weise die Ehrbezeigung, grüßte ihn als Kaiser und Augustus und salbte ihn, während die anwesenden Römer in Beifall ausbrachen und dreifach ausriefen: ‚Carolus Augustus, von Gott gekrönt, dem mächtigen und friedlichen Herrscher, sei Leben und Sieg.‘“ (Auf Seite 774 spricht die Catholic Encyclopedia von diesem Ereignis als von „seiner Krönung zum Nachfolger Konstantins“.)
988 u. Z. Wladimir der Große wird von der Ostkirche getauft. Er befiehlt dem Volk, die Götzenbilder in den Dnjepr zu werfen, obwohl es bei diesem Vorgehen Tränen vergoß; Wladimir zwingt sie, sich als Christen taufen zu lassen. Die Encyclopedia Americana schreibt:
„Das russische Heidentum verschwand nicht, als man anfing, das christliche Evangelium zu verkündigen. Es überlebte in der Sprache des Volkes, in Redensarten und Traditionen, im häuslichen Leben und selbst in religiösen Vorstellungen. Bis hinab in das 18. Jahrhundert wurden in einigen entlegenen Dörfern Schlangen verehrt. Eugenius Golubinskij, der größte Historiker der russischen Kirche, erklärte, Rußland sei wohl im neunten Jahrhundert getauft, aber nicht christianisiert worden.“
1054 u. Z. Der griechische Patriarch Michael Cerularius wird von päpstlichen Legaten, die von Papst Leo IX. gesandt worden waren, exkommuniziert, nachdem versucht worden war, den östlichen Kirchen das Joch des römischen Papstes, des mit angeblich göttlichen Rechten ausgestatteten Souveräns der katholischen Kirche, aufzuerlegen. Historiker vertreten die Ansicht, daß diese Spaltung eine der Ursachen war, die zu den römisch-katholischen Kreuzzügen führte, jenen Kriegen im Osten, die in entsetzlicher Vernichtung und einem scheußlichen Blutbad unter Mohammedanern, Juden und auch Katholiken endeten.
1453 u. Z. Mohammedaner unter Mohammed II. nehmen Konstantinopel in Besitz. Dem Patriarchen von Konstantinopel wird gestattet, zu bleiben und sein Amt auszuüben. Rußland wird in religiöser Hinsicht davon betroffen. Darüber schreibt die Encyclopedia Americana, Ausgabe 1929, Band 24, Seite 38b:
„Der Gedanke an die Errichtung eines russischen Patriarchats folgte natürlicherweise aus dem Sturz des Byzantinischen Reiches und der Ausdehnung des moskowitischen Rußland. Moskau wurde als das Dritte Rom gepriesen.“
1587 u. Z. Eine unabhängige russische Kirche wird errichtet. Darüber schreibt die Cyclopædia von M’Clintock und Strong: „In jenem Jahr willigte der Patriarch Jeremias von Konstantinopel anläßlich eines Besuches in Rußland, von wo aus er Unterstützung erhoffte, ein, den Metropoliten Hiob von Moskau zum Patriarchen von Rußland zu machen, der damit nach Ansicht der östlichen Bischöfe den Platz des abtrünnigen Patriarchen von Rom einnahm.“ (Man beachte hier, daß der Papst von Rom als „abtrünnig“ angesehen wird.)
1696 u. Z. Peter der Große wird zum Alleinherrscher Rußlands. Er schafft das Patriarchat ab und ersetzt es durch eine ständige Synode, die sich aus Prälaten unter dem Vorsitz des Herrschers oder seines Sekretärs zusammensetzt.
1721 u. Z. Der „Heilige Synod“ wird in der russischen Kirche ins Leben gerufen. Sie wird zu einer Staatskirche, die in der Staatsbürokratie des russischen Reiches von einem Ministerium verwaltet wird; sie wird zu einem Werkzeug, das den Zarismus unterstützt.
1829 u. Z. Ein unabhängiges Königreich von Griechenland wird aufgerichtet.
1833 u. Z. Der weltliche Herrscher Griechenlands erklärt die Orthodoxe Morgenländische Kirche Griechenlands für unabhängig von jeder fremden kirchlichen Autorität.
1850 u. Z. Der Patriarch von Konstantinopel anerkennt die unabhängige Konstitution der griechischen oder hellenischen Kirche.
1869/70 u. Z. Auf dem Ersten Vatikanischen Konzil wird die Unfehlbarkeit des römischen Papstes verkündet.
November 1917 u. Z. Die Bolschewisten kommen nach einer zweiten Revolution an die Macht, beschließen die Entstaatlichung der russischen Kirche, ziehen verschiedene Kirchengüter ein und schmähen Geistliche jeden Ranges und aller Denominationen und machen sie verächtlich. Das Schlagwort wird geprägt, Religion sei Opium für das Volk.
1918 u. Z. Moskau wird die Hauptstadt des neuen Rußland. In den folgenden Jahren erweisen sich die großangelegten Bemühungen, die Religion in Rußland auszurotten, als zu kostspielig. So gebraucht die Sowjetregierung die russische Kirche für ihre politischen Ziele, indem sie den Kirchenmitgliedern durch die Kirche patriotisches Gedankengut einhämmern läßt. Die russisch-orthodoxe Kirche gibt sich dafür her.
1945 u. Z. Ein russisch-orthodoxes Kirchenkonzil findet in einem Vorort von Moskau statt. Der Metropolit Benjamin, Exarch des Moskauer Patriarchats für Nordamerika, sagte, es könne sein, daß Moskau noch zu einem „Dritten Rom“ werde, und Moskau werde in Zukunft der Sammelpunkt „der ganzen Kirche“ werden. Sowjetische Regierungskreise sympathisieren mit solchen Gedanken, denn sie begünstigen einen russisch-orthodoxen Kirchen-Imperialismus, durch den ihre politische Hauptstadt Moskau zu dem bedeutendsten kirchlichen Zentrum der Welt würde.
1962—1965 u. Z. Das Zweite Vatikanische Konzil wird in vier Sessionen durchgeführt. In der Absicht, Keile in die östliche Orthodoxie zu treiben, sendet der Vatikan seine Einladungen nicht über den Patriarchen von Istanbul (Konstantinopel), sondern direkt an die einzelnen Ostkirchen. Die russisch-orthodoxe Kirche entsendet Delegierte. Erzbischof Iakovos, der griechisch-orthodoxe Primas in Amerika, erklärt über das Vorgehen des Vatikans, Entzweiung herbeizuführen, laut einem Bericht der New York Times vom 4. November 1962 unter der Überschrift „Iakovos enthüllt die Taktik des Vatikans — Behauptet, die Einladungen zum Konzil bedeuten eine Nichtachtung des orthodoxen Oberhauptes“ folgendes:
„‚Nur bei der Kirche von Moskau hatte der Vatikan Erfolg mit dieser Taktik.‘ ... Die Gründe die die russische Kirche veranlaßten, ‚ihre Einstellung plötzlich zu ändern und die Einladung Papst Johannes’ XXIII. anzunehmen, sind ohne Zweifel eindeutig politischer Natur‘.“
BEUNRUHIGENDE ENTWICKLUNG
Auf dem erwähnten Konzil zeigte es sich, daß unter den über 2000 Kardinälen und Bischöfen über viele grundlegende Fragen der Lehre und Bräuche große Meinungsverschiedenheiten bestanden. Die Konservativen wurden von der Römischen Kurie, der zentralen und mächtigsten Verwaltungsbehörde, geleitet; die Mehrheit der Kardinäle und Bischöfe bestand aus Liberalen. Im Verlauf des Konzils wurde ein Schema über die Einheit der Kirche entworfen. Das Dokument beschäftigte sich lediglich mit den östlichen orthodoxen Kirchen und ließ die protestantischen Kirchen außer acht. Laut Berichten der New York Times wiesen einige Redner, die sich auf dem Konzil über dieses Schema äußerten, darauf hin, daß
das Problem der Einheit in Verbindung mit den Fragen, denen ein geteiltes Christentum gegenüberstehe, betrachtet werden muß und nicht einfach im Lichte theologischer „Wälzer“ aus vergangenen Jahrhunderten. Sie [die Redner] spielten klar auf die Ausbreitung des Kommunismus an, die doppelte Bedrohung durch Materialismus und Weltlichkeit und das Wachstum nichtchristlicher Religionen. — New York Times vom 1. Dezember 1962, unter der Schlagzeile „Würdenträger beenden Diskussion über die Einheit mit den Orthodoxen“.
Gegenwärtig sind die katholischen Gläubigen in Lateinamerika sehr beunruhigt darüber, daß viele Heiligenbilder aus ihren Kirchen entfernt werden; die Bilder von Maria und von Christus am Kreuz werden dagegen nicht entfernt. Ein weiterer Wechsel beunruhigt sie ebenfalls sehr, nämlich, daß man jetzt freitags Fleisch essen darf. Sie fragen sich, wozu sie denn jahrelang die Bilder oder Heiligen verehrt haben und wozu sie sich vom Fleischgenuß am Freitag enthalten haben. Waren sie von der Kirche irregeführt worden, und waren alle ihre Opfer vor Gott ohne Nutzen?
Über die weitere Entwicklung, die zur Beunruhigung vieler beiträgt, berichtet das Britannica Book of the Year, 1965, Seite 706, folgendes:
Die anhaltende Tendenz, eine einstweilige Abmachung mit kommunistischen Regierungen einzugehen, kam dadurch zum Ausdruck, daß im September in Budapest ein Abkommen zwischen Vertretern des Papstes und der ungarischen Regierung unterzeichnet wurde. Rom willigte ein, Priestern zu gestatten, einen Treueid zu leisten, und ernannte sechs Bischöfe.
[Während des Zweiten Vatikanischen Konzils] ... Die Erklärung über die Religionsfreiheit kam nicht zur Abstimmung, trotz der Versuche von mehr als tausend Bischöfen, die von Kardinal Albert Meyer von Chicago, Joseph Ritter von St. Louis und Paul Émile Léger von Montreal geführt wurden, um sie [die Erklärung] zu einer Abstimmung zu bringen.
Durch eine genaue Prüfung zweier zuverlässiger und maßgebender Zeugen — der Bibel und der Geschichte — werden die Grundlagen der Christenheit bloßgelegt. Der Beweis läßt keinen Zweifel zu, daß die Christenheit nicht auf den Grundsätzen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, aufgebaut ist, der erklärte: „Mein Königreich ist kein Teil dieser Welt.“ (Joh. 18:36) Mit der Lehre der Dreieinigkeit, dem Gebrauch von Bildern, dem Brauch, Ketzer zu verbrennen, der erzwungenen Bekehrung von Völkern und ihren Bündnissen mit politischen Regierungen, selbst mit nichtchristlichen, spiegelt die Geistlichkeit den Geist Babylons und seines Gottes, Satans, des Teufels, wider.
Nun ist es bald soweit, daß ihr unaufgefordertes Einmischen in die Politik und die Kompromisse sich an der Christenheit rächen. Ihre Probleme nehmen in zunehmendem Maße kritischere Formen an. Wenn die Christenheit wirklich unter der Leitung Christi stehen würde, dann wäre sein Königreich ein Fehlschlag. Wir können dankbar sein, daß Christen sich über die Krise der Christenheit und ihr Versagen keine Sorgen machen brauchen, sondern eifrig den Menschen über das wirklich vorhandene Königreich Christi erzählen, das jetzt vom Himmel aus regiert und bald seine Herrschaft ausdehnen soll, um über die ganze Erde in Frieden und Einheit zu regieren.
In diesem Artikel wurde die andere bedeutende Splittergruppe der Christenheit — der Protestantismus — nur kurz erwähnt, aber in unserer nächsten Ausgabe werden wir auf Fragen eingehen, die du dir vielleicht auch schon gestellt hast, nämlich: Wie steht es mit dem Protestantismus, dem Teil der Christenheit, der im 16. Jahrhundert absplitterte? Wurde er auf neuen Grundlagen aufgebaut? Wurde durch die protestantische Reformation wirklich die wahre Anbetung wiederhergestellt?
[Fußnoten]
a Veröffentlicht in Deutsch 1965 von der Watch Tower Bible & Tract Society of Pennsylvania, Brooklyn, New York.
b Kirchliches Handlexikon, herausgegeben von Dr. ph. Carl Meusel, Ausgabe 1887, Band 1, „Arius und arianischer Streit“.