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Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1972
w72 1. 6. S. 338-343

Gutes und liebende Güte folgten mir

Von Janet MacDonald erzählt

AN EINEM Frühlingstag im Jahre 1911 arbeiteten meine Mutter und ich in unserem Heim in Belleville (Ontario, Kanada) in der Küche. Da klopfte jemand an die Tür. Meine Mutter öffnete. Ein älterer Herr stand vor ihr und stellte ihr die merkwürdige Frage: „Glauben Sie an Schismen, Madame?“

Etwas erstaunt fragte meine Mutter: „Meinen Sie in den Kirchen?“

Er antwortete: „Ja. Ich spreche von den Spaltungen in den christlichen Kirchen. Glauben Sie, daß Christus geteilt bestehen kann?“

„Bitte, treten Sie ein. Das interessiert mich“, erwiderte meine Mutter. Ich sehe den Mann immer noch vor mir, wie er an unserem Küchentisch saß und, die Bibel und verschiedene Bücher vor sich ausgebreitet, eifrig mit ihr über die Heilige Schrift sprach. Bevor der Besucher wegging, nahm meine Mutter von ihm den Göttlichen Plan der Zeitalter in Zeitschriftenform entgegen, ein Hilfsmittel zum Bibelstudium.

JEHOVAS GÜTE ANNEHMEN

Ich war damals elf Jahre alt. Ich hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt, hätte aber nie daran gedacht, daß dadurch eine Kettenreaktion ausgelöst würde, die die Gestaltung meines Lebens in den darauffolgenden sechzig Jahren weitgehendst beeinflussen sollte. Es war ein denkwürdiger Tag: der Tag, an dem Jehovas Güte in unser Haus einzog.

Meine Eltern waren Anglikaner. Meine Mutter las fleißig in der Bibel. Wir wurden gelehrt, Ehrfurcht vor Gott zu haben. Auch mein Vater bemühte sich, nach guten Grundsätzen zu handeln. Meine Mutter war mit der anglikanischen Kirche nicht zufrieden. Einige Lehren und Bräuche — zum Beispiel die Höllenlehre und die Bevorzugung der Reichen in der Kirche — gefielen ihr nicht. Auf ihrer Suche nach Gottes Wahrheit hatte sie schon fast alle Kirchen in Belleville besucht, war aber immer wieder enttäuscht.

Sie las die Publikation Der göttliche Plan der Zeitalter begierig durch und prüfte die einzelnen Punkte anhand ihrer Bibel sorgfältig nach. Schon nach wenigen Tagen sagte sie zu uns: „Das ist die Wahrheit. Das ist das, was ich gesucht und worum ich gebetet habe. Gott hat meine Gebete erhört.“

Einige Wochen später hielten die Internationalen Bibelforscher, wie Jehovas christliche Zeugen damals genannt wurden, in Belleville ihre ersten Zusammenkünfte ab. Meine Mutter nahm drei von uns Kindern zu allen drei Vorträgen mit. Ich war tief beeindruckt, denn der Redner sprach von den Segnungen der Tausendjahrherrschaft Christi. Obwohl ich noch jung war, bewahrte ich diese Wahrheiten in meinem Herzen.

Danach fanden regelmäßig zweimal in der Woche Zusammenkünfte statt. Joseph Frappy, ein Lehrer aus Stirling, das über fünfundzwanzig Kilometer entfernt lag, leitete sie. Im Sommer kamen er und seine Frau mit dem Buggy, der von einem schönen schnellen Rappen gezogen wurde, und im Winter kamen sie, in warme Büffelfelle eingewickelt, mit einem leichten Schlitten, der schnell über den gefrorenen Schnee glitt. Der Klang der Schlittenschellen war in der reinen Winterluft schon von weitem zu hören und kündigte ihre Ankunft an. Joseph Frappy kam gern; nichts konnte ihn davon abhalten!

STANDHAFTIGKEIT TROTZ DER VERLEUMDUNGEN EINES GEISTLICHEN

Anfänglich lehnte sich mein Vater ziemlich heftig gegen diese biblischen Wahrheiten auf. Er war sonst ein gütiger Mensch, aber sein anglikanischer Geistlicher hatte ihn glauben gemacht, daß C. T. Russell, der damalige Präsident der Watch Tower Society, die Religion benutze, um zu Geld zu kommen. Mein Vater verbrannte die Bücher meiner Mutter. Sie blieb jedoch standhaft. Wenn ihren Schriften etwas geschah, besorgte sie sich neue.

Mein Vater war mit der Zeit so verbittert, daß er im Jahre 1917 sehr krank wurde. Organisch fehlte ihm eigentlich nichts, aber seine Wutanfälle, besonders bei den Mahlzeiten, wirkten sich schädlich auf seinen Körper aus. Er nahm sehr stark ab.

Gerade zu jener Zeit berichtete die Lokalzeitung, daß C. T. Russell, der kurz vorher gestorben war, ein Vermögen von nur 200 Dollar hinterlassen habe. Schließlich erkannte mein Vater, daß unser Familienleben und seine Gesundheit nur dadurch ruiniert worden waren, daß er den Lügen des anglikanischen Geistlichen geglaubt hatte.

Auf Anraten des Arztes fuhr meine Mutter mit dem Vater für einige Zeit aufs Land, damit er sich erholen konnte. Dort las sie ihm aus den Schriften der Wachtturm-Gesellschaft vor. Er erkannte, daß die Bibelforscher Gottes Wahrheit lehrten. Er lehnte sich nicht mehr dagegen auf; er erholte sich, und das Glück zog wieder bei uns ein. Wie ganz anders war es nun! Sogar die Zusammenkünfte fanden jetzt in unserem Haus statt. Wiederum hatte Jehova seine Güte kundgetan!

TAUFE UND GRÖSSERE VORRECHTE

Im August 1916 besuchte ich den Kongreß der Wachtturm-Gesellschaft in Niagara Falls (New York) und symbolisierte dort meine Hingabe an Gott durch die Taufe. C. T. Russell hielt die Taufansprache. Er richtete an jeden einzelnen Taufanwärter einige sehr ermunternde Worte.

Einige Monate später bot sich mir eine wunderbare Gelegenheit: das Vorrecht, mich am „Hilfspionierwerk“ zu beteiligen, was bedeutete, mindestens sechzig Stunden im Monat mit anderen über Gottes Wort zu sprechen. Ich ließ mich eintragen, und vom Jahre 1916 bis zum Beginn des Jahres 1917 arbeitete ich hauptsächlich in Belleville.

Im Jahre 1917 kam das Buch Das vollendete Geheimnis heraus. Nachdem ich Belleville mit diesem Buch durchgearbeitet hatte, fuhr ich mit dem Zug in die umliegenden Ortschaften, um Das vollendete Geheimnis dort zu verbreiten.

In Picton bot ich dieses Buch einem Mann an, der sagte: „Ich bin Pfarrer. Ich habe bis jetzt gegen euch gepredigt und werde es weiterhin tun.“ Obwohl ich damals erst siebzehn Jahre alt war, fürchtete ich Jehova und erwiderte ihm in tiefstem Ernst: „Ich würde mich nicht trauen, dies zu tun, mein Herr; ich hätte Angst, Gott würde mich töten.“ Nicht lange danach begegnete ich einer Frau, die zur Gemeinde dieses Geistlichen gehörte. Sie erzählte mir, sie habe während einer Predigt, die er gegen die Zeugen Jehovas gehalten habe, die Kirche verlassen, weil sie mit dem, was er gesagt habe, nicht einverstanden gewesen sei. Dadurch ließ sie sich etwas Eigenartiges entgehen. Während der Pfarrer nämlich von der Kanzel herab gegen Jehovas Volk sprach, starb er. Die Zeitungen berichteten, sein Tod sei zufolge eines Herzanfalls eingetreten.

Wir verbreiteten das Buch Das vollendete Geheimnis sehr schnell. Dann kam der Schlag: Am 12. Februar 1918 wurde es in ganz Kanada verboten. Die Presse meldete: „Wer im Besitz irgendwelcher verbotener Bücher ist, hat eine Höchststrafe von 5 000 Dollar und fünf Jahren Gefängnis zu gewärtigen.“

Sobald wir dies erfuhren, schafften wir unseren Büchervorrat in den Hühnerstall. Wir steckten die Bücher zwischen die Wände — die wir mit Zeitungen verkleidet hatten, damit die Bücher nicht schmutzig wurden — und nagelten diese dann zu. Am darauffolgenden Tag kam der Ortspolizist und fragte meinen Vater, ob wir auch einige dieser Bücher im Haus hätten. Die Antwort war: „Nein.“ Unser Vorrat blieb unversehrt im Hühnerstall, bis das Verbot im Jahre 1920 aufgehoben wurde, worauf wir die Bücher hervorholten und verbreiteten.

PREDIGTTÄTIGKEIT IN QUEBECK

Im Jahre 1924 wurde ich eingeladen, die Predigttätigkeit in der Provinz Quebeck aufzunehmen. Zuerst arbeitete ich in Montreal, wo es damals nur eine kleine Versammlung gab. In Quebeck erlebte ich noch mehr Freude, wurde aber auch mehr verfolgt. Eine unserer ersten Aufgaben bestand darin, eine Resolution zu verbreiten, die im Jahre 1924 auf dem Kongreß in Columbus (Ohio) veröffentlicht worden war. Die Resolution erschien in Traktatform unter dem Titel „Offene Anklage gegen die Geistlichkeit“ und zeigte, daß die falsche Religion zum Tode führt.

Wir folgten der von der Gesellschaft aufgestellten Route und arbeiteten dabei viele kleinere und größere Städte durch, zum Beispiel Granby, Magog, Asbestos und andere in den östlichen Grafschaftsbezirken. Um Angriffe zu vermeiden, begannen wir mit der Verbreitung des Traktats von Tür zu Tür um 3 Uhr morgens, und um 7 oder 8 Uhr, wenn es in den Orten lebendig wurde, war unsere Arbeit beendet. Wir wurden mehrmals von der Polizei festgenommen, und man wollte uns damit erschrecken, daß man uns aus der Stadt zu jagen drohte. In Magog zum Beispiel stellte man uns vor Gericht. Es wurde keine Klage gegen uns erhoben, aber wir sollten 15 Dollar bezahlen, bevor wir freigelassen würden. Wir sagten, wir hätten keine 15 Dollar, und so wurde der Betrag auf 10 Dollar herabgesetzt. Wir sagten, wir hätten keine 10 Dollar, und so wurde er auf 5 Dollar herabgesetzt. Wir sagten, wir hätten auch keine 5 Dollar, und so ließ man uns gehen.

In Coaticook stießen wir im Mai 1925 auf größere Schwierigkeiten. Ein Pöbelhaufen, angeführt vom Hauptritter der Columbusritter, umringte uns und wollte uns zwingen, einen Lastwagen zu besteigen. Wir liefen zum Bahnhof und nahmen im Warteraum Zuflucht. Der Bahnhofsvorsteher sah die wütende Menge herannahen und verschloß beide Türen. Unsere Gegner liefen um das Gebäude herum, drohten mit den Fäusten und trommelten gegen das Fenster. Nach kurzer Zeit kam der Anführer mit der Polizei zurück.

Wir wurden verhaftet und zum Rathaus geführt, wo wir sogleich vor ein Gericht gestellt wurden. Man beschuldigte uns der „Veröffentlichung einer Schmähschrift“, weil darin Kritik an der Geistlichkeit geübt wurde. Der einzige Zeuge, der vernommen wurde, war der katholische Ortsgeistliche. Wir wurden nach Sherbrooke gebracht und für eine Nacht in eine schmutzige, von Wanzen verseuchte Zelle gesperrt, wo ich so schlimm gebissen wurde, daß ich mich nachher mehrere Wochen behandeln lassen mußte.

Die Verhandlung fand am 10. September vor Richter Lemay statt, der beschloß, das Gesetz zu befolgen. Er sagte: „Es handelt sich hierbei nicht um eine Schmähschrift, und ich weise die gegen die Angeklagten erhobene Anschuldigung ab.“

NACH DEM NORDEN

Im Jahre 1926 nahm ich den Dienst im Grubenbezirk im Norden von Ontario und Quebeck auf. Die Straßen waren schlecht und die Verhältnisse noch ziemlich rückständig, aber welch ein begeisterndes Gebiet zum Predigen des Wortes Gottes! Wir besuchten Bergarbeitersiedlungen und Arbeiterbaracken, ja wir gingen überallhin, wo Menschen zu finden waren. Jehova erwies uns seine liebende Güte in einem solchen Maße, daß wir, während wir von Haus zu Haus gingen, zu singen pflegten!

Wir reisten viel mit dem Zug. Wenn wir einen Ort verließen, erfuhr der Priester von dem Beamten am Fahrkartenschalter oft unser Reiseziel. Er rief dann den Priester in dem betreffenden Ort an, damit dieser seine Gemeindeglieder warnen konnte. Trafen wir vor der Warnung ein, so waren die Leute meist sehr interessiert, kamen wir danach, so wurden wir manchmal sogar angegriffen.

Nachdem meine Gefährtin und ich einmal mehrere Tage hintereinander Ortschaften durchgearbeitet hatten, wo die Leute vor uns gewarnt worden waren, trafen wir in Larder Lake ohne Geld im Hotel ein. Als wir aber einem Mann in dem Hotel Schriften anboten, nahm er sie entgegen und gab uns eine Spende von 10 Dollar. Unser Herz floß vor Dankbarkeit über, und wir sahen darin ein Zeichen dafür, daß Jehovas Güte uns folgte. Danach kamen wir nach Rouyn (Quebeck), wo wir in zwei Wochen über 1 500 Stück Literatur abgaben. Das war wirklich eine Zeit der Freude!

Dann kamen wir nach Amos. Hier hatte der Priester die Leute ebenfalls gewarnt und ihnen gesagt, sie sollten sich nicht mit uns einlassen, aber diesmal bewirkte die Warnung das Gegenteil. Sie erweckte erst recht Interesse; in ungefähr einer Stunde hatte ich alle meine Bücher abgegeben, und ich mußte schnell in unser Zimmer zurück, um neue zu holen. Ich erinnere mich noch an einen Ladenbesitzer, der als Gegner erscheinen wollte, gleichzeitig aber auf die Hilfsmittel zum Bibelstudium begierig war. Er hatte Kunden im Laden, und so sagte er laut: „NEIN, DAS INTERESSIERT MICH NICHT.“ Dann flüsterte er: „Sie scheinen sehr interessant zu sein. Legen Sie sie einfach auf den Ladentisch.“ Laut sagte er: „NEHMEN SIE SIE WIEDER MIT, ICH WILL SIE NICHT HABEN.“ Leise sagte er: „Ich lasse einen Dollar auf dem Ladentisch liegen. Nehmen Sie ihn einfach, und gehen Sie dann.“ Solche Erfahrungen und viele unerwartete Freundlichkeiten erweckten in uns den Wunsch, diesen von Natur bescheidenen und gastfreundlichen Frankokanadiern zu helfen.

HEIRAT UND WEITER IM VOLLZEITDIENST

Im Jahre 1928 begegnete ich in Timmins (Ontario) Howard MacDonald, einem begeisterten jungen Mann, der mit der dortigen Versammlung zusammenarbeitete. Wir heirateten noch in jenem Jahr und setzten unsere Vollzeitpredigttätigkeit gemeinsam fort. Unser erstes Gebiet erstreckte sich über die 320 Kilometer zwischen Sudbury und Sault Sainte Marie (Ontario) und schloß auch diese beiden Städte ein. Das Leben im kanadischen Norden war hart, aber interessant. Es war für uns eine glückliche Zeit. Wir übernachteten gewöhnlich im Freien gerade da, wo die Nacht hereinbrach. Unsere Bedürfnisse waren gering, aber die Segnungen zahlreich! Gewöhnlich übernachteten wir bis Mitte November im Freien und suchten uns dann für die kalten Tage eine warme Unterkunft. Wir verbrachten in diesem Gebiet vier glückliche Jahre.

Nachdem wir dann fünf Jahre in Montreal tätig gewesen waren, kehrten wir im Jahre 1937 nach Sudbury zurück. Hier stießen wir auf zwei irische katholische Priester, die offenbar dachten, sie seien das Gesetz. Als Howard eines Tages in der Wohnung einer Italienerin in Coniston eine Schallplatte mit einer biblischen Botschaft, betitelt „Rebellion“, abspielte, kam der Ortsgeistliche unaufgefordert herein und riß die Platte vom Gerät. Er schlug sie auf den Tisch, und als sie nicht zerbrach, nahm er sie und noch zwei andere Platten und ging weg.

Der Priester reichte dann eine Klage wegen „Verleumdung“ ein, und unser kleiner Lieferwagen, die Literatur und unsere persönlichen Sachen wurden beschlagnahmt. Bei der Verhandlung sagte der Priester McCann: „Der Kragen wäre mir fast geplatzt [zur Betonung lockerte er sich den Kragen], als ich sah, daß diese gute Katholikin sich einen Schallplattenvortrag anhörte, der zur Auflehnung anstachelte.“ Der Vortrag handelte in Wirklichkeit von der Auflehnung Adams und Evas im Garten Eden.

Der Fall wurde abgewiesen, aber Howard erstattete am darauffolgenden Tag Strafanzeige gegen den Priester wegen Entwendung fremden Eigentums. Der Priester bekannte sich schuldig; er mußte die Schallplatten bezahlen und erhielt eine Strafe, die für ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine kirchlichen Vorgesetzten waren peinlich berührt und versetzten ihn in einen anderen Bezirk.

Damit endete aber der Kampf nicht. Am darauffolgenden Sonntag sprach in Sudbury der Priester O’Leary in seiner Kirche über Jehovas Zeugen und empfahl seiner Gemeinde: „Werft sie die Treppe hinunter, auch wenn sie dabei das Rückgrat brechen.“ Viele Katholiken sagten uns, dieser Haß habe „die Kirche in zwei Lager gespalten“. Gerechtdenkende Menschen waren nicht für Gewalttat. Und der Priester O’Leary? Er wurde von seinen Amtspflichten entbunden, und in einem Artikel in der Lokalzeitung hieß es, er sei wegen eines Nervenleidens auf eine Seereise geschickt worden.

EIN WEITERES VERBOT

Im Jahre 1940 war mein Mann Zonendiener und besuchte verschiedene Versammlungen der Zeugen Jehovas, um sie zu ermuntern und im Glauben zu stärken. Am 4. Juli jenes Jahres verbot der katholische Justizminister in Ottawa das Werk der Zeugen Jehovas. Wir erfuhren, daß die Polizei auf unsere biblischen Schriften Jagd mache, um sie zu vernichten. Ein Zeuge Jehovas sagte Howard im Vertrauen: „Es ist gerade eine große Sendung Bücher und Bibeln mit der Bahn angekommen. Der Spediteur ist freundlich. Wenn wir sie heute bis Mittag abholen, benachrichtigt er die Polizei nicht. Sie ist in einer Ecke versteckt und mit einer Plane zugedeckt.“

Unverzüglich fuhren Howard und ich zusammen mit ihm mit unserem Lieferwagen hin, um die Literatur zu holen. Eilends luden wir sie in den Wagen, der unter dem Gewicht fast ächzte, und dann fuhren wir aufs Land hinaus. Was nun? Die Zeugen waren alle gut bekannt, und so mußte damit gerechnet werden, daß ihre Wohnungen durchsucht wurden. Doch ein Zeuge hatte eine Schwester, die auf einem Bauernhof wohnte. Ob wir die Schriften dieser Frau, die kein Gott hingegebener Christ war und einen Mann hatte, der ein Trinker war, anvertrauen konnten?

Es blieb uns nichts anderes übrig. Die Frau war freundlich und hatte nichts dagegen, daß wir einige Kartons in ihrem Keller unterbrachten. Wir fuhren deshalb mit dem Wagen rückwärts an das Haus heran und trugen die Kartons hinein. Die Nachbarn dachten, der trinkfreudige Mann der Frau erhalte seinen Wintervorrat. Die biblischen Schriften waren dort sicher untergebracht, bis das Verbot aufgehoben wurde und sie wieder verwendet werden konnten, um die gute Botschaft von Gottes Königreich zu verbreiten.

ZURÜCK NACH QUEBECK

Als das Verbot der nichteingetragenen Gesellschaft der Zeugen Jehovas im Oktober 1943 aufgehoben wurde, kehrten wir nach Quebeck zurück. In dieser Provinz verging in den Jahren 1944 bis 1946 fast kein Tag, ohne daß Zeugen Jehovas verhaftet, von Pöbelrotten angegriffen, gerichtlich verfolgt oder sonst irgendwie belästigt wurden. Nach einer Überprüfung des Berges von Ungerechtigkeiten, die an Jehovas Volk verübt worden waren, veröffentlichte die Wachtturm-Gesellschaft das Flugblatt, betitelt „Quebecks lodernder Haß gegen Gott, Christus und die Freiheit ist eine Schmach für ganz Kanada“. Das Flugblatt stellte die Regierung Quebecks und ihre geistigen Herren bloß. Maurice Duplessis, der Premier von Quebeck, forderte zum „erbarmungslosen Krieg gegen Jehovas Zeugen“ auf.

Tag und Nacht wurden die Flugblätter verbreitet. Wir jagten durch die verschneite Winterlandschaft, wobei uns die Polizei oft auf den Fersen war. Ein Auto voll Zeugen die ihre Taschen mit Flugblättern gefüllt hatten, fuhr jeweils mitten in der Nacht in ein Dorf. Wir liefen zu den uns zugeteilten Häusern, verteilten die Flugblätter, eilten zum Wagen zurück, und weg waren wir! Während die Polizei uns in einem Dorf suchte, waren wir bereits in einem anderen.

In ihrer Verzweiflung drang die Polizei in den Königreichssaal in Sherbrooke ein und beschlagnahmte alles, was ihr in die Hände kam. Neun von uns wurden wegen Verbreitung aufrührerischer Schriften angeklagt. Als wir gegen Kaution aus der Haft entlassen wurden, besorgten wir uns neue Flugblätter und gingen gleich wieder an die Arbeit. Es gab keinen Stillstand.

Dann gab die Gesellschaft das zweite Flugblatt, Quebeck, du hast dein Volk im Stich gelassen!, heraus. Es handelte sich dabei um eine gut durchdachte Antwort auf die Reaktion der Regierung auf das Flugblatt Quebecks lodernder Haß. Das zweite Flugblatt wurde wie das erste verteilt: nachts in aller Eile, und oftmals war es ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Das waren aufregende Zeiten!

Die Fälle wegen Verbreitung aufrührerischer Literatur waren bis 1950 anhängig. Dann entschied das Oberste Bundesgericht, daß das Flugblatt Quebecks lodernder Haß keine aufrührerische Schrift sei. Die Anklagen wegen Verbreitung aufrührerischer Schriften, auch die gegen uns eingereichten, wurden abgewiesen.

Im Jahre 1951 kehrten Howard und ich nach Neubraunschweig zurück, wo ich in den vergangenen zwanzig Jahren die meiste Zeit tätig war. Howard, mein treuer Gefährte, starb 1967, nachdem wir achtunddreißig Jahre gemeinsam im Vollzeitpredigtdienst gestanden hatten. Er ließ sich durch nichts erschüttern, war immer fröhlich und trat Problemen mit einem unbezähmbaren Mut entgegen.

Der Verlust war für mich sehr hart, aber meine christlichen Brüder waren lieb und freundlich zu mir und standen mir bei. Ich war weiterhin eifrig im Dienste Jehovas tätig. Das war für mich ein Segen. Jehova hat mein Herz getröstet.

Inzwischen ist mein Haar weiß geworden, und mit meinen einundsiebzig Jahren komme ich nicht mehr so schnell voran. Doch welch ein glückliches, segensreiches Leben habe ich hinter mir! Jehova hat mein Leben mit liebender Güte gekrönt, denn er hat mich in seiner Barmherzigkeit weiter in dem Werk wirken lassen, das ich so sehr liebe. Noch nie habe ich es bedauert, schon in meiner frühen Kindheit diesen Weg eingeschlagen zu haben. Im Vertrauen auf Jehova sage ich wie David dankbar: „Sicherlich wird mir lauter Gutes und liebende Güte folgen alle Tage meines Lebens.“ — Ps. 23:6.

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