Zum Lernen zu alt? — „Nie!“
IST es möglich, daß man zum Lernen zu alt ist? Betrachte einmal, was einige hochbetagte Menschen geleistet haben. Mit 92 Jahren schrieb der Komponist Irving Berlin immer noch Musikstücke, und der Pianist Arthur Rubinstein gab noch mit 94 Jahren Konzerte. Der Schriftsteller Oliver Wendell Holmes fing mit 92 an, Griechisch zu studieren. Mit 80 Jahren begann Moses eine neue Laufbahn als Volksführer und Redner (2. Mose 7:7). Und der Apostel Johannes muß in den Neunzigern gewesen sein, als er im Auftrag Gottes sein bekanntes Evangelium und die Offenbarung schrieb.
Nein, die geistigen Fähigkeiten werden durch das Alter nicht notwendigerweise beeinträchtigt. Es gibt einige Krankheiten, die bei älteren Menschen den Denkprozeß verlangsamen können. Eine davon ist die Alzheimer-Krankheit, die einen physischen Verfall des Gehirns bewirkt. Einige andere Krankheiten sind mit ähnlichen Symptomen verbunden. Aber die große Mehrheit der älteren Menschen leidet nicht an solchen Krankheiten. Für sie gilt das, was ein Forscher sagte: „Kreativität ist nicht ans Alter gebunden.“
Bei Tests an der Universität von Cambridge in England haben einige betagte Personen genauso gute Leistungen gebracht wie junge Studenten. Dr. Weinberg, Psychiater und anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Alternsforschung, berichtete, daß der menschliche Geist, wenn nicht eine Krankheit dazwischenkommt, bis ins hohe Alter seine Leistungs- und Lernfähigkeit behält — besonders wenn ältere Menschen physisch aktiv bleiben und sich unter Leute mischen, die sich um sie kümmern. „Ältere Menschen haben eine glänzende Zukunft“, sagte der siebzigjährige Dr. Weinberg, „solange sie sich ihre Wißbegier und ihren Wunsch, zu lernen und zu wachsen, bewahren.“
Auf einige trifft das ganz bestimmt zu. Tatsächlich hat sich Dr. Weinbergs Erklärung zweifellos auf bemerkenswertere Weise bewahrheitet, als er je geahnt hat.
Ein neues Leben beginnen
Betrachten wir zum Beispiel den Fall von Alice Okon aus Nigeria. Ihr Sohn war praktizierender Christ, und er ermunterte seine Mutter, die Bibel zu lesen und die Hoffnung kennenzulernen, die sie bietet. Schließlich erklärte sie sich bereit, die Bibel zu studieren, erlangte einen festen Glauben und ließ sich im Alter von 80 Jahren im Wasser taufen, um ihren Entschluß zu bekunden, den Rest ihres Lebens dem Dienst für Gott zu widmen.
Sie ist fest von der biblischen Aussage überzeugt: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einziggezeugten Sohn gab, damit jeder, der Glauben an ihn ausübt, nicht vernichtet werde, sondern ewiges Leben habe“ (Johannes 3:16). Und da sie jetzt diesen Glauben ausübt, blickt sie zuversichtlich dem von Gott verheißenen ewigen Leben entgegen. Mit 80 Jahren war sie gewißlich zum Lernen nicht zu alt.
Entscheidungen treffen
Alte Menschen können schwierige Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben, die sich daraus ergeben. Der 79jährige Paul Iryang Atua, der ebenfalls in Nigeria lebt, hatte eine schwierige Entscheidung zu treffen. Sein ganzes Leben lang hatte er nach einer Religionsgemeinschaft gesucht, die die biblische Wahrheit lehrt. Schließlich sprachen christliche Zeugen Jehovas bei ihm vor, und er erkannte, daß er das gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. Doch andere waren mit seiner Entscheidung nicht einverstanden.
Paul wurde von einem Geistlichen der Religionsgemeinschaft besucht, der er vorher angehört hatte. Als dieser in Pauls Wohnung eine Bibel auf dem Tisch liegen sah, nahm er sie an sich, bezeichnete sie als ein Buch voller Irrlehren und zerriß sie. Nun mußte Paul den wütenden Mann beruhigen und gleichzeitig versuchen, einige der biblischen Wahrheiten zu verteidigen, die er kennengelernt hatte.
Der Geistliche gab sich damit aber nicht zufrieden. Er ging zornig weg und versuchte, andere aufzuhetzen, Paul zu schikanieren. Außerdem wollten die anderen Dorfbewohner Paul zum Dorfhäuptling ernennen, um ihn von seinem neugefundenen Glauben abzulenken. Doch er erkannte ihre Beweggründe und lehnte das Angebot ab.
Nun mußte Paul einen noch schwierigeren Schritt tun. Die Bibel sagt, daß ein Christ, der Gott wohlgefallen möchte, „Mann e i n e r Ehefrau“ sein muß (1. Timotheus 3:2). Paul mußte daher seine Verhältnisse in Übereinstimmung mit christlichen Grundsätzen regeln und Monogamist werden. Das tat er. Seine Ehe wurde legalisiert, und schließlich konnte er sich taufen lassen.
Bedenke, daß Paul 79 Jahre alt war, als er diese bedeutenden Änderungen in seinem Leben vornahm. Er sagt: „Obwohl ich diese Änderungen in meinem hohen Alter vorgenommen habe, bin ich Jehova dankbar, daß er mir die Gelegenheit geboten hat, meine letzten Tage seinem Dienst zu widmen.“ Auch Paul hat jetzt viel bessere Zukunftsaussichten als früher. Zum Lernen zu alt? Der 79jährige Paul Iryang Atua war es gewiß nicht!
Trotz Krankheit
Ältere Menschen haben manchmal gesundheitliche Probleme, aber das hindert sie nicht unbedingt daran, wißbegierig zu sein und Neues lernen zu wollen. Das stellte eine Vollzeitpredigerin namens Mitschiyo Fudschimi fest. Mitschiyo besuchte Leute im Norden der japanischen Insel Honschu, und eines Tages lernte sie einen älteren Herrn kennen, Iwadschi Kato.
Herr Kato fesselte Mitschiyos Aufmerksamkeit, als er sagte: „Der Gott des Christentums will, daß die Menschen leben, nicht sterben, nicht wahr?“ Das war eine faszinierende Feststellung. Eine Unterhaltung war jedoch sehr schwierig, weil der alte Herr fast völlig taub war. Er las aber gern, und so ließ ihm Mitschiyo biblische Zeitschriften zurück. Sie versuchte, ihm zu helfen, die Bibel zu studieren, aber er schien die Verfahrensweise nicht zu verstehen. So brachte sie ihm drei Jahre lang regelmäßig biblische Zeitschriften zum Lesen. Sie lernte, seine Fragen mit Hilfe von Papier und Bleistift zu beantworten.
Vor ein paar Monaten gab Herr Kato — inzwischen 90 Jahre alt geworden — zu verstehen, daß er einiges besprechen wolle. Er hatte durch das Lesen eine tiefe biblische Erkenntnis erlangt. Ein Zeitschriftenartikel enthielt nun die Anregung, sich mit Jehovas Zeugen in Verbindung zu setzen, da sie ihm helfen könnten, Gottes Willen zu tun. Er fragte: „Wie kann ich mit Jehovas Zeugen in Verbindung kommen?“
Mitschiyo zeigte mit ihrem Zeigefinger auf ihre Nase — eine japanische Geste, die soviel bedeutet wie „Das bin ich“. Ja, sie war eine Zeugin Jehovas. Der alte Herr war begeistert und wollte wissen, wo sich der Königreichssaal befand. Er hatte durch das Lesen auch davon erfahren. Jetzt studiert er trotz seiner Taubheit die Bibel und benutzt dabei zur Verständigung Papier und Bleistift. Er erlangt ein klares Verständnis der biblischen Wahrheiten und pflegt mit anderen Christen Gemeinschaft. Ist Herr Kato mit seinen 90 Jahren zu alt zum Lernen? Bestimmt nicht!
Auch Frau Takahaschi ist dazu nicht zu alt. Im Vergleich zu Herrn Kato mag sie noch jung erscheinen — sie ist „erst“ 73 Jahre alt! Aber sie hat ein Problem. Sie ist vor 43 Jahren erblindet und hatte nie Gelegenheit, die Blindenschrift zu lernen. Doch als sie mit Jehovas Zeugen in Verbindung kam, gab sie zu verstehen, daß sie die Bibel kennenlernen wolle, und so studierten zwei Predigerinnen mit ihr. Wegen ihrer Blindheit mußte sie das, was sie studierte, auswendig lernen; und so begann Frau Takahaschi mit 73 Jahren tatsächlich, Teile der Bibel auswendig zu lernen.
Jetzt wohnt sie trotz ihrer Behinderung und ihres Alters regelmäßig religiösen Zusammenkünften bei. Und obwohl ihr beim Reisen immer übel wird, ist sie 600 Kilometer weit gefahren, um an einem religiösen Kongreß teilzunehmen. Letztes Jahr ließ sie sich taufen. Zum Lernen zu alt? Frau Takahaschi war nicht dieser Meinung!
Warum sie „Nein!“ sagen
Es ist tatsächlich so, wie Dr. Weinberg sagte: „Ältere Menschen haben eine glänzende Zukunft, solange sie sich ihre Wißbegier und ihren Wunsch, zu lernen und zu wachsen, bewahren.“ Für diejenigen, die in ihrem hohen Alter den Wunsch entwickeln, Gott und seine Vorsätze kennenzulernen und im Glauben zu wachsen, ist die Zukunft wirklich glänzend.
Sie erkennen, daß ihr bisheriges Leben — ob sie nun 70, 80, 90 oder mehr Jahre alt sind — eine Gabe Gottes gewesen ist. Sie erkennen auch, daß es für sie immer noch etwas zu lernen gibt, obwohl sie bereits alt und erfahren sind. Nach Gottes Zeitrechnung sind sie in Wirklichkeit gar nicht so alt. Die Bibel sagt: „E i n Tag [ist] bei Jehova wie tausend Jahre ... und tausend Jahre wie e i n Tag“ (2. Petrus 3:8). Nach dieser Rechnung hat ein Achtzigjähriger erst zwei Stunden gelebt! Somit kann selbst ein alter Mensch von der Weisheit Gottes lernen, der „von unabsehbarer Zeit bis auf unabsehbare Zeit“ lebt (Psalm 90:2).
Darüber hinaus bietet Gott allen, jung und alt, die Aussicht, genauso lange zu leben wie er. Jesus Christus sagte: „Dies bedeutet ewiges Leben, daß sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus“ (Johannes 17:3). Könnte jemand zu alt sein, um dieses Angebot Gottes anzunehmen? Überall auf der Erde antworten betagte Männer und Frauen auf diese Frage: „Nie!“
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Bei Tests an der Universität von Cambridge in England haben einige betagte Personen genauso gute Leistungen gebracht wie junge Studenten.
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Iwadschi Kato war mit 90 Jahren nicht zu alt, die wahre Religion kennenzulernen, obwohl er fast völlig taub ist.
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Tei Takahaschi, die 73 Jahre alt und blind ist, spricht mit anderen über das, was sie gelernt hat.