Bist du vertrauenswürdig?
„IN UNSEREM Land kann man einfach nicht zurechtkommen, wenn man ehrlich ist. Wer überleben will, muß sich durchs Leben schlängeln.“ Mit diesen Worten erklärte ein Afrikaner einem Missionar respektvoll, warum seiner Meinung nach die Bibel nicht immer praktisch anwendbar sei.
Manchmal wird eine solche Ansicht sogar von Geistlichen unterstützt. In der südafrikanischen Zeitung Rapport wurde der katholische Priester Hinwood aus Pretoria wie folgt zitiert: „Wenn ein Mann oder seine Angehörigen vom Hunger bedroht sind und niemand bereit ist, ihm zu helfen, dann, so glaube ich, ist es nicht verkehrt, wenn er etwas stiehlt. Ich bin überzeugt, daß Gott genauso denkt.“
Auch wenn du mit diesen Äußerungen nicht einiggehen magst, so weisen sie doch auf eines hin: Man neigt immer mehr dazu, Unehrlichkeit zu akzeptieren und zu praktizieren. Immer weniger Menschen kann man als absolut vertrauens- und glaubwürdig betrachten. Weltweit ist die Unehrlichkeit auf dem Vormarsch, und man begegnet ihr überall im Gemeinwesen und in allen Bereichen des Lebens. Da die Unehrlichkeit zunehmend üblich wird, fragt man sich vielleicht, ob das Sprichwort „Ehrlich währt am längsten“ noch stimmt. Welchen Nutzen hat es, vertrauenswürdig zu sein?
Der Nutzen der Vertrauenswürdigkeit
Betrachte einmal die Liste auf dieser Seite, die sich auf die Maßstäbe der Bibel stützt. Für wie zuverlässig und vertrauenswürdig hältst du dich selbst? Meinst du, die Maßstäbe seien zu hoch? Zugegeben, es kostet Mühe, vertrauenswürdig und zuverlässig zu sein, denn unvollkommene Menschen machen nun einmal Fehler. Es kann jedoch von größtem Nutzen sein und echtes Glück mit sich bringen, wenn man danach strebt, diesen Maßstäben zu entsprechen.
Wer schätzt nicht einen vertrauenswürdigen Freund? In der Gemeinschaft mit einem solchen Menschen fühlt man sich sicher, und man kann das Vertrauen haben, daß persönliche Angelegenheiten nicht öffentlich bekanntwerden. Auf zuverlässige Menschen kann man vertrauen, weil sie zu ihrem Wort stehen. Da sie auch in kleinen Dingen treu sind, nehmen sie ihre Verpflichtungen ernst, erfüllen ihr Eheversprechen und halten sich an geschäftliche Vereinbarungen (Lukas 16:10; Hebräer 13:4).
In einer Welt mit steigender Arbeitslosigkeit hat jemand, der vertrauenswürdig und zuverlässig ist, bessere Aussichten, seinen Arbeitsplatz zu behalten, da er von seinem Arbeitgeber geschätzt wird. Durch Nachlässigkeit und Verschwendung entstehen Firmen und Organisationen erhebliche Verluste. Den Arbeitern werden oft teure Ausrüstungen oder Maschinen anvertraut. Erweist sich jemand dieses Vertrauens würdig, indem er eine solche Maschine vorschriftsgemäß bedient und wartet, so spart er dem Arbeitgeber Geld. Es bedeutet auch eine Einsparung, wenn die Arbeiter wirklich arbeiten und die bezahlte Arbeitszeit nicht vergeuden. Vertrauenswürdige Arbeiter sind gesucht, und sie werden sehr geschätzt.
Ehrliche Eltern haben eine größere Erfolgschance bei der Erziehung ihrer Kinder. „Wenn Sie damit prahlen, daß Sie vorwärtsgekommen sind, weil Sie einen Kunden belogen haben, oder wenn Sie aus dem Büro nach Hause kommen und beladen sind mit Bleistiften, Kugelschreibern, Büromaterial und praktisch allem, was nicht niet- und nagelfest ist, dann dürfen Sie nicht besonders überrascht sein, wenn Ihr Kind Ihrem Beispiel folgt. Sie dürfen nicht vergessen, daß Sie das Vorbild sind und das Kind Ihnen durch seine Nachahmung eine Freude machen möchte“, heißt es in dem Buch Hold Them Very Close, Then Let Them Go; How to Be an Authentic Parent (Halte sie ganz fest, dann laß sie gehen. Wie man als Eltern zuverlässig sein kann). Ja, einem Kind fällt es leichter, Anweisungen zu befolgen, die durch das Beispiel ehrlicher Eltern unterstützt werden.
Der größte Vorteil der Vertrauenswürdigkeit ist jedoch das sich daraus ergebende reine Gewissen, daß man ausgeglichener wird und Selbstachtung gewinnt. Christen, die diese gute Eigenschaft offenbaren, werden größere Vorrechte in der Christenversammlung erhalten und gesegnet werden (2. Mose 18:21; 1. Timotheus 3:1, 2, 8-10).
Beispiele, die den Wert der Vertrauenswürdigkeit unterstreichen
Im Juli 1936 hielt sich der Engländer John bei Pedro und seiner Familie in Jaca (Spanien) auf. Da er nach England gehen mußte, aber dann wieder nach Jaca zurückkehren wollte, ließ er sein Fahrrad, einen tragbaren Plattenspieler und etwas spanisches Geld bei Pedro zurück. Einige Tage darauf brach in Spanien der Bürgerkrieg aus. Pedro und seine Angehörigen mußten sich in Höhlen in den Pyrenäen verbergen. Später gingen sie über die Grenze nach Frankreich, wo sie in einem Flüchtlingslager interniert waren. Nach vierzehn Jahren traf John wieder mit Pedro zusammen, der ihm sofort den Plattenspieler und die Peseten übergab und sich dafür entschuldigte, daß ihm das Fahrrad in den Bergen verlorengegangen war. Welch ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Freund!
Traurigerweise sind nicht alle Freunde so vertrauenswürdig (Psalm 41:9). Judas Iskariot hatte das wunderbare Vorrecht, als einer der 12 Apostel Jesu Christi, seiner engsten Gefährten, ausgewählt zu werden. Da Judas offensichtlich gewisse Fähigkeiten besaß, wurden ihm die gemeinsamen Geldmittel der Gruppe anvertraut. Er versäumte es jedoch, die Wertschätzung für dieses Vertrauen zu bewahren. Johannes, einer der treuen Apostel, schrieb, daß „er ein Dieb war und die Kasse hatte und die Einlagen wegzutragen pflegte“ (Johannes 12:6). Judas schritt vom Schlechten zum Schlimmeren fort und verriet seinen Meister für 30 Silberstücke. Sein Vertrauensmißbrauch brachte ihm jedoch keinen bleibenden Nutzen. Da er Gottes Gunst und jegliche Selbstachtung verloren hatte, beging er Selbstmord. Seine Stellung als eines der Gründungsmitglieder der Christenversammlung wurde von Matthias übernommen (Matthäus 26:14-16; 27:3-5; Markus 14:43-46; Johannes 13:18; Apostelgeschichte 1:26).
In welchem Gegensatz das doch zu dem Beispiel des Saulus von Tarsus steht, der der Apostel Paulus wurde! Als Saulus bekehrt wurde, sagte der verherrlichte Jesus: „Dieser Mann ist mir ein auserwähltes Gefäß, um meinen Namen sowohl zu den Nationen als auch zu Königen und den Söhnen Israels zu tragen“ (Apostelgeschichte 9:15). Als einstiger Verfolger der Nachfolger Jesu hielt sich Paulus gar nicht für wert, mit diesem besonderen Auftrag betraut zu werden. Doch mit großer Wertschätzung erfüllte er ihn und bewies dadurch seine absolute Vertrauenswürdigkeit und seine unerschütterliche Loyalität gegenüber seinem wunderbaren Meister und himmlischen Freund (1. Korinther 15:9, 10; Epheser 3:8; 2. Timotheus 4:7).
Fallgruben meiden
In bezug auf die Vertrauenswürdigkeit muß man sich — wie auch auf anderen Gebieten — vor dem Extrem hüten, zuviel zu erwarten. Eltern müssen es zum Beispiel vermeiden, ‘ihre Kinder zu reizen, damit sie nicht mutlos werden’, denn das könnte verhindern, daß sie zu zuverlässigen und vertrauenswürdigen Erwachsenen heranreifen (Kolosser 3:21). Der Schriftsteller V. Cline erklärt: „Eltern, die ständig aus der Mücke einen Elefanten machen und wegen belangloser Dinge an ihren Kindern herumnörgeln, werden zwangsläufig Kinder haben, die nicht nur lügen, sondern sogar gut lügen. ... Ständiges, langatmiges oder unbarmherziges Nörgeln hält Kinder kaum davon zurück, das zu tun, weswegen sie ausgeschimpft werden. Es hindert jedoch die Kinder daran, die Verantwortung für ihre Handlungsweise zu übernehmen.“
Durch Armut entstehen für viele Schwierigkeiten und Versuchungen; manchmal führt sie sogar zur Kriminalität. Ein Bibelschreiber, der dieses Problem erkannte, äußerte folgende Bitte: „Gib mir weder Armut noch Reichtum. Laß mich die mir beschiedene Speise verzehren, damit ich nicht satt werde und ich dich tatsächlich verleugne und sage: ‚Wer ist Jehova?‘ und damit ich nicht verarme und ich tatsächlich stehle und mich am Namen meines Gottes vergreife“ (Sprüche 30:8, 9). Dieses Gebet hat vielen wahren Christen geholfen, ehrlich zu bleiben, denn sie erkannten, daß Stehlen — selbst wenn man vom Hunger geplagt wäre — Schmach auf Gott bringen würde. Sollte Gott nicht in der Lage sein, für seine treuen Diener zu sorgen, ungeachtet wie schwierig die Verhältnisse sein mögen? (Matthäus 6:31-33). Natürlich dürfen Personen, die faul oder zu stolz sind, niedrige Arbeiten anzunehmen, nicht damit rechnen, daß Gott ihnen hilft (2. Thessalonicher 3:10).
Vertrauenswürdigkeit wird sehr geschätzt
Der anfangs erwähnte Missionar erklärte dem Afrikaner, daß in Zaire mehr als 28 000 Zeugen Jehovas froh seien, sich zur Ehrlichkeit verpflichtet zu haben. Wie im Fall der 57 000 Zeugen im benachbarten Sambia waren sie nämlich trotzdem in der Lage zu „überleben“. Es hat sich tatsächlich zu ihrem Guten ausgewirkt. Man beachte zum Beispiel folgenden Bericht aus der Times of Zambia:
„Die Leitung der sambischen Gewerbeausstellung stellt Mitglieder der Wachtturm-Sekte wegen ihrer Ehrlichkeit als Torwächter ein. ... In der Vergangenheit hatte man es offensichtlich mit Leuten anderer Organisationen versucht, aber die meisten zeichneten sich durch Unehrlichkeit aus, was die Leitung dazu zwang, sich auf die Glieder dieser Sekte zu beschränken.“
Und weiter südlich, in Mdantsane, einer der Townships für Schwarze in Südafrika, sagte Bürgermeister Mphepha: „Im Verlauf von sechs Jahren habe ich nicht ein einziges Mal gehört, daß ein Zeuge seine Miete nicht bezahlt, sich mit seiner Frau gestritten oder um Scheidung nachgesucht hätte. Aus diesem Grund habe ich Hochachtung vor ihnen.“ Ja, vertrauenswürdige Menschen werden wirklich geachtet.
Vertrauenswürdigkeit ist eine Eigenschaft, die von Menschen geschätzt wird. Als in den Tagen des persischen Weltreiches der Statthalter Nehemia Jerusalem wieder verlassen mußte, gehörte Hananja zu denjenigen, denen Befehlsgewalt übertragen wurde. Im Bericht heißt es: „Er war ein solch zuverlässiger Mann“ (Nehemia 7:2).
Noch wichtiger ist allerdings die Tatsache, daß Jehova, der Gott der Wahrheit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit fordert. Der Psalmist fühlte sich zu folgender Äußerung gedrängt: „Deine eigenen Mahnungen haben sich als sehr zuverlässig erwiesen“ (Psalm 93:5). Auch du kannst diese Erfahrung machen. Jene ‘zuverlässigen Mahnungen’ sind in Gottes Wort, der Bibel, zu finden. Wenn du sie befolgst, kannst du dich jetzt und in alle Ewigkeit vieler Segnungen erfreuen (Johannes 17:3).
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Vertrauenswürdige, zuverlässige Menschen
□ stehen zu ihrem Wort (Matthäus 5:37);
□ behalten vertrauliche Angelegenheiten für sich (Sprüche 25:9);
□ reden die Wahrheit (Epheser 4:25);
□ stehlen nicht und benutzen nichts ohne Erlaubnis (Epheser 4:28);
□ vergeuden keine Arbeitszeit (Kolosser 3:22, 23);
□ sind ihrem Ehepartner treu (Hebräer 13:4);
□ erkennen ihre Fehler (Sprüche 28:13);
□ halten sich an die Gesetze des Landes (Titus 3:1);
□ zahlen Gott zurück, was ihm gehört (Matthäus 22:21).
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Vertrauenswürdige Arbeiter werden sehr geschätzt und behalten in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten zumeist ihren Arbeitsplatz
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Einem vertrauenswürdigen Freund kann man sich anvertrauen, ohne befürchten zu müssen, daß persönliche Angelegenheiten öffentlich bekanntwerden