Wird sich das Gericht Gottes verspäten?
STELL dir einmal folgende Situation vor: Du erwartest einen Besucher von auswärts, der dir zwar den Tag, nicht aber die Stunde seines Kommens genannt hat. Die Zeit verstreicht, aber der Erwartete kommt nicht. Du fragst dich: Wird er sich verspäten? Wollte er wirklich heute kommen? Könnte nicht vielleicht ein Mißverständnis vorliegen? Allmählich steigert sich deine Unruhe, und du beginnst zu zweifeln.
So denken möglicherweise viele Menschen über das „Kommen“ der Zeit, in der Gott sein Urteil an den Bösen vollstrecken wird. Immerhin warten die Anbeter Gottes schon sehr lange darauf. Der treue König David zum Beispiel sagte bereits vor 3 000 Jahren: „Jehova selbst zu deiner Rechten wird gewißlich Könige zerschmettern am Tage seines Zornes. Er wird Gericht üben unter den Nationen.“ Kann man es daher jemand übelnehmen, wenn er fragt: „Wann?“ (Psalm 110:5, 6)?
Ernsthafte Erforscher der Bibel, die die Weltverhältnisse mit den biblischen Prophezeiungen vergleichen und die biblische Chronologie in Betracht ziehen, sind überzeugt, daß Gottes Gericht bevorsteht. Haben das aber nicht auch schon in der Vergangenheit viele geglaubt und dann feststellen müssen, daß sie sich geirrt hatten? Gibt es überhaupt eine sichere Methode, die Zeit für Gottes Gericht zu ermitteln?
Zu Gottes „bestimmter Zeit“
Jesus deutete an, daß das Gericht zu einer bestimmten Zeit vollzogen würde. Er sagte jedoch warnend zu seinen Nachfolgern: „Bleibt wach, denn ihr wißt nicht, wann die bestimmte Zeit da ist“ (Markus 13:33).
Auch Habakuk, den Gott bereits sechs Jahrhunderte früher beauftragt hatte, über den Vollzug des göttlichen Gerichts zu schreiben, sagte, es sei „für die bestimmte Zeit“ vorgesehen. Auf Gottes Anweisung hin warnte er davor, ungeduldig zu werden oder sogar zu zweifeln, indem er erklärte: „Sie wird keine Lüge mitteilen. Selbst wenn sie säumen sollte, so harre ihrer; denn sie wird sich bestimmt bewahrheiten. Sie wird sich nicht verspäten“ (Habakuk 2:2, 3).
Aber warum sagte Habakuk: „Selbst wenn sie säumen sollte“, wenn doch Gottes Gericht „für die bestimmte Zeit“ vorgesehen ist und „sich nicht verspäten“ wird? Damit sollte offensichtlich gezeigt werden, daß einige Glieder des Volkes Gottes das Gericht früher erwarten würden, als es tatsächlich käme. Warum? Weil ihnen die genaue Zeit seines Kommens unbekannt wäre.
Nicht einmal Jesus kannte während seines irdischen Dienstes den genauen Zeitpunkt, denn er sagte: „Von jenem Tage oder der Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater“ (Markus 13:32). Er wußte aber, in welchem Zeitabschnitt das Gericht kommen würde. Als seine Jünger ihn danach fragten, beschrieb er ihnen ein kombiniertes Zeichen, anhand dessen sie diesen Zeitabschnitt erkennen könnten, sobald er begonnen hätte. Die ersten Zeugnisse dafür wären gemäß den Worten Jesu „wie der Beginn der Geburtswehen“. Eine schwangere Frau weiß natürlich zu Beginn ihrer Wehen noch nicht genau, wann sie ihr Kind gebären wird. Sie weiß aber, daß die Geburt kurz bevorsteht (Matthäus 24:3-8, Die Bibel in heutigem Deutsch).
‘Diese Generation wird auf keinen Fall vergehen’
Jesus wußte aber nicht nur, in welchem Zeitabschnitt das göttliche Gericht kommen würde, sondern er wußte auch, daß er begrenzt ist. Er nahm den Feigenbaum als Beispiel und sagte: „Sobald sein junger Zweig weich wird und er Blätter hervortreibt, erkennt ihr, daß der Sommer nahe ist. Ebenso erkennt auch ihr, wenn ihr alle diese Dinge seht, daß er nahe an den Türen ist. Wahrlich, ich sage euch, daß diese Generation auf keinen Fall vergehen wird, bis alle diese Dinge geschehen“ (Matthäus 24:32-34).
Das Gericht würde daher irgendwann zu Lebzeiten der Generation vollzogen werden, die die ersten Beweise für den Beginn der von Jesus vorhergesagten Zeitperiode gesehen hätte. Der Anfang dieses Zeitabschnittes würde den Beginn des Endes der satanischen Welt kennzeichnen, an der das zu jener Zeit von Gott im Himmel aufgerichtete Königreich das göttliche Urteil vollstrecken würde. Die biblische Chronologie und die Erfüllung biblischer Prophezeiungen liefern genügend Beweise dafür, daß dieser Zeitabschnitt im Jahre 1914 begann.a
Gottes Gericht muß daher vollzogen werden, bevor die Generation von 1914 völlig ausstirbt. Von dieser Generation ist noch immer eine ganze Anzahl Menschen am Leben. Zum Beispiel lebten 1980 in der Bundesrepublik Deutschland noch 1 597 700 Personen, die im Jahre 1900 oder früher geboren wurden. Diese Zahl wäre zweifellos noch größer, hätten nicht Millionen Bürger dieses Landes in den beiden Weltkriegen einen frühen Tod gefunden.
Als Jesus versprach, daß „diese Generation auf keinen Fall vergehen wird“, gebrauchte er die beiden griechischen Negationen ou und me. Die Companion Bible erklärt ihren Gebrauch wie folgt: „Werden die beiden Negationen verbunden, so verlieren sie ihre charakteristischen Bedeutungen und bilden die stärkste und nachdrücklichste Beteuerung [Bestätigung].“ Erst jetzt, zu einer Zeit, da es scheint, daß die Generation vergehen könnte, bevor alles erfüllt ist, erhalten die Worte Jesu „auf keinen Fall“ wirklich Bedeutung.
Eine Glaubensprüfung
Habakuks warnende Worte deuteten bereits an, daß es eine anscheinende Verzögerung des Gerichts Jehovas geben werde, die zu einer Prüfung des Glaubens dienen sollte. Es ist logisch, daß diese vermeintliche Verzögerung erst gegen Ende der Generation, von der Jesus sprach, zu einer Prüfung werden könnte. Man könnte sich in Verbindung mit dem Beispiel zu Beginn dieses Artikels folgendes fragen: Wann würdest du ernsthaft zu zweifeln beginnen, daß dein Besuch noch kommt? Bestimmt nicht um 9 Uhr morgens, auch nicht mittags, vielleicht nicht einmal am späten Nachmittag. Dein Glaube würde bestimmt geprüft werden, sobald es Abend würde. Bedenke aber, daß dein Besucher selbst um 23.30 Uhr noch genug Zeit hätte, sein Versprechen zu erfüllen!
Es besteht daher kein Grund, sich darüber Sorgen zu machen, daß sich Gottes Wort nicht erfüllen wird. Das war noch nie der Fall. Die Worte, die Josua vor über 3 000 Jahren an die Israeliten richtete, bewahrheiten sich heute genauso wie damals: „Kein einziges Wort von allen guten Worten, die Jehova, euer Gott, zu euch geredet hat, [ist] dahingefallen ... Sie alle sind für euch eingetroffen. Kein einziges Wort von ihnen ist dahingefallen“ (Josua 23:14).
Im Wachtturm vom 1. Mai 1910 (engl.) hieß es: „Es scheint in unserer Natur und der aller Menschen zu liegen, in bezug auf die Erfüllung von Prophezeiungen ungeduldig zu sein und zu erwarten, daß etwas schneller getan wird, als es gewöhnlich geschieht.“ Es wurde ferner gesagt: „Das ist eine Verzögerung, soweit es unsere Erwartungen betrifft, doch können wir davon überzeugt sein, daß es keine Verzögerung gibt, was den göttlichen Vorsatz betrifft ... Wir bezweifeln nicht, daß die Ziele erreicht sein werden, wenn die Zeit erfüllt ist — zu Gottes Zeit.“
Wenn die jetzt lebenden treuen Christen zurückblicken, können sie die triftigen Gründe erkennen, warum Gottes Gericht noch nicht gekommen ist. Sie können sich darüber freuen, daß es noch nicht gekommen ist. Unser nächster Artikel wird erklären, warum.
[Fußnote]
a Eine detaillierte Erklärung ist in den Kapiteln 16 und 18 des Buches Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben zu finden, das 1982 von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben wurde.
[Bild auf Seite 4]
Viele Personen, die zu der Generation von 1914 gehören, hoffen zu erleben, daß „alle diese Dinge geschehen“