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Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1988
w88 1. 8. S. 23-26

‘Die Meßschnüre sind für mich an lieblichen Orten gefallen’

Von D. H. MacLean erzählt

STUNDE um Stunde saß ich neben dem Beamten der Königlichen Kanadischen Berittenen Polizei. Ich war sein Gefangener. Wir waren unterwegs in das 2 400 km entfernte Gefangenenlager bei Chalk River (Ontario, Kanada), und die Zugfahrt schien kein Ende zu nehmen.

Man schrieb das Jahr 1944, und der Zweite Weltkrieg hatte seinen Höhepunkt erreicht. Aber warum wurde ich ins Gefangenenlager gebracht? Nun, als Grund müßte man eigentlich das anführen, was mir mein Vater von Kindheit an beigebracht hatte. Am Ende jedes ernsten Gesprächs mit mir übertrug er stets folgende Worte des Psalmisten auf sein eigenes Leben: „Die Meßschnüre ... sind mir gefallen an lieblichen Orten.“ Und er forderte mich auf, darauf bedacht zu sein, dieselbe Erfahrung zu machen (Psalm 16:6).

Gottgefällige religiöse Erziehung

Das, was mein Vater im Ersten Weltkrieg in den vier Jahren als Feldwebel gesehen hatte, vor allem das heuchlerische Verhalten der Geistlichkeit, hatte ihm alle Illusionen genommen. Als ihm im Jahre 1920 ein begeisterter Bibelforscher Gottes Lösung für die Weltprobleme erklärte, berührten die biblischen Wahrheiten eine empfängliche Saite in seinem Herzen. Auch meine Mutter bekundete Interesse und wurde eine ergebene Dienerin Jehovas. Daher genossen meine Schwester Kay und ich den Vorzug einer gottgefälligen religiösen Erziehung.

Nach einiger Zeit verkaufte mein Vater sein Geschäft, und er und meine Mutter begannen, als Vollzeitprediger von Stadt zu Stadt zu reisen. Im Schuljahr 1928 besuchten Kay und ich — sie war damals acht Jahre alt und ich sechs — acht verschiedene Schulen. Wir führten dieses Wanderleben 18 Monate lang. Als es für uns aber immer schwieriger wurde, in der Schule mitzukommen, kauften meine Eltern eine Tankstelle mit Reparaturwerkstatt, zu der auch ein kleines Süßwarengeschäft gehörte. Die 18 Monate des Pionierdienstes hatten jedoch bei meiner Schwester und mir einen dauerhaften Eindruck hinterlassen.

Unser Haus in der Nähe von Halifax (Neuschottland) stand Pionieren und reisenden Aufsehern stets offen. Vater war großzügig und hilfsbereit, wenn an ihren Autos eine Reparatur vorgenommen werden mußte oder wenn Ersatzteile benötigt wurden, während sich unsere Mutter um die sonstigen Bedürfnisse der vielen Besucher kümmerte. Ich kann mich noch lebhaft an die glaubensstärkenden Erfahrungen erinnern, die jene Vollzeitdiener erzählten. Auch denke ich gern daran, daß ich als 18jähriger von einem reisenden Bruder eingeladen wurde, ihn drei Wochen lang zu begleiten, während er die Versammlungen in der näheren Umgebung besuchte. Dieses unerwartete Vorrecht hat sich in meinem Sinn unauslöschlich eingegraben.

Die aufregenden Verbotsjahre

Im Jahre 1940 (ich war damals gerade 17 Jahre alt) wurden Jehovas Zeugen in Kanada von den Behörden zu einer ungesetzlichen Organisation erklärt, und man verbot unser Predigtwerk. Die Zeitschrift Der Wachtturm wurde heimlich in unserem Haus gedruckt und von dort in der gesamten Provinz Neuschottland verteilt. Ich erinnere mich noch daran, welche Aufregung herrschte, wenn mitten in der Nacht ein Kurier kam, der Matrizen sowie Papier und Farbe brachte.

Zu Beginn des Verbots beteiligte sich unsere ganze Familie an der landesweiten mitternächtlichen Verbreitung einer besonderen Broschüre mit dem Titel End of Nazism (Das Ende des Nazismus). Doch ich muß gestehen, daß mein Herz heftig klopfte, als ich in jener dunklen, kalten Nacht aus dem Wagen stieg. Unser Vater gab uns rasch einige klare Anweisungen. Dann trennten wir uns, und jeder schlug eine andere Richtung ein.

Man kann sich unsere Besorgnis vorstellen, als Kay zur verabredeten Zeit nicht zum Auto zurückkehrte. Nachdem wir über eine Stunde gewartet hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren. Zu unserer großen Erleichterung war Kay bereits dort und wartete selbst voller Sorge auf uns. Sie war von der Polizei aufgegriffen worden, aber nicht wegen des Verteilens ungesetzlicher Literatur. Ein Polizist hatte sie gesehen und sich gewundert, warum ein attraktives junges Mädchen an einem kalten Wintertag frühmorgens allein durch die Straßen von Halifax lief. Als er Kay anbot, sie nach Hause zu fahren, nahm sie das Angebot an — sie hatte sowieso schon alle Broschüren verteilt. Der Feldzug war ein großer Erfolg und sorgte in ganz Kanada für Aufsehen.

Wieso ich ins Gefängnis kam

Nach meinem High-School-Abschluß (1941) ging ich etwa zwei Jahre einer weltlichen Arbeit nach. Dann besuchte ich einen Bezirkskongreß in den Vereinigten Staaten, wo ich Milton Bartlett, einen eifrigen Pionier in meinem Alter, kennenlernte. Seine Begeisterung für die Wahrheit und der Eindruck, daß ihm der Pionierdienst offensichtlich viel Freude machte, trugen wesentlich dazu bei, daß ich die Entscheidung traf, meine weltliche Arbeit aufzugeben und im März 1943 den Vollzeitdienst aufzunehmen.

Das Verbot bestand immer noch, und so war das Predigen mit der Bibel von Haus zu Haus ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. In einer neuen Zuteilung in Charlottetown (Prinz-Edward-Insel) konnte ich es nicht erwarten, in den Dienst zu gehen. Ich war auf die Reaktion der Menschen so gespannt, daß ich vergaß, mir die Adresse meiner Unterkunft zu notieren.

Ich hatte erst einige wenige Häuser bearbeitet, als mich Polizisten entdeckten. Sie durchsuchten meine Tasche und nahmen mich fest. Da ich keine Adresse angeben konnte, steckte man mich ins Gefängnis, wo ich vier Tage in Isolationshaft festgehalten wurde. Zum Glück hörte die Tochter eines Zeugen aus der Versammlung zufällig, daß der Polizeichef von einem jungen Zeugen sprach, der festgehalten wurde, woraufhin mich die Brüder gegen Kaution freibekamen.

Da das Gerichtsverfahren gegen mich um einige Monate verschoben wurde, fuhr ich mit dem Haus-zu-Haus-Dienst fort. Dann bekam ich eine neue Zuteilung: Glace Bay (Neuschottland). Ein paar Monate später erhielt ich die Vorladung, vor dem Gericht in Charlottetown zu erscheinen. Ich bereitete mich sorgfältig auf meinen Prozeß vor und hoffte, eindeutig beweisen zu können, daß ich als ordinierter Diener Gottes tätig war.

Der Richter mußte zugeben, daß ich alle Voraussetzungen für einen Religionsdiener erfüllte. Doch dann sagte er, daß es üblich sei, Jehovas Zeugen in Übereinstimmung mit den nationalen Militärdienstbestimmungen in die Gefangenenlager zu schicken. Deshalb befand ich mich in dem Zug nach Chalk River. Während der nächsten zwei Jahre war ich in drei verschiedenen Lagern.

Freiheit — aber weitere Kämpfe

Nach meiner Entlassung im Jahre 1946 ging ich zurück nach Glace Bay und setzte den Pionierdienst fort. Da in Kanada das Verbot der Zeugen Jehovas inzwischen aufgehoben worden war, konnten wir unser Werk wieder unter dem Schutz des Gesetzes durchführen. Die einzige Ausnahme bildete die französischsprachige katholische Provinz Quebec, wo eine heftige religiöse Verfolgung im Gange war. Es war der Auftakt der sogenannten Schlacht um Quebec.

Am Sonntag, dem 3. November 1946, fand in Montreal eine besondere Zusammenkunft statt, der der Präsident und andere Mitarbeiter aus dem Hauptbüro der Watch Tower Society beiwohnten. Das scharf formulierte Traktat Quebecs lodernder Haß gegen Gott, Christus und die Freiheit ist eine Schmach für ganz Kanada wurde freigegeben, und man umriß einen Zeitplan für seine landesweite Verbreitung. Außerdem lud man Pioniere ein, sich für die nächste Klasse der Gileadschule zu melden, um an einer Schulung für die Tätigkeit im Anschluß an den besonderen Feldzug in Quebec teilzunehmen. Ich gab meine Bewerbung ab, und schon nach wenigen Monaten erhielt ich die Einladung zum Besuch der neunten Klasse der Gileadschule.

Leben in einem neuen Land

Da ich geglaubt hatte, für Quebec vorbereitet zu werden, war ich ziemlich überrascht, bei der Abschlußfeier eine Zuteilung als Kreisaufseher für die englischsprachigen Versammlungen in Ontario (Kanada) zu erhalten. Doch das war noch gar nichts, verglichen mit dem Schock, als man mir sechs Monate später einen Brief von der Gesellschaft überreichte, der eine Zuteilung für Australien enthielt.

Meine erste Aufgabe in diesem neuen Land bestand darin, als Kreisaufseher in einem Gebiet zu reisen, das den gesamten Staat Westaustralien umfaßte — ein riesiges Gebiet von 2 528 000 km2. Zu einem anderen Kreis, den ich bediente, gehörte der einsame Außenposten William Creek (Zentralaustralien). Dort gab es nur einen Zeugen Jehovas. Er betrieb an dem Eisenbahnhaltepunkt den einzigen Laden weit und breit. Eines Tages staunte ich nicht schlecht, als mehrere Kamele, auf denen australische Ureinwohner ritten, vor dem Laden anhielten. Die Leute wollten einkaufen. Die Gespräche liefen folgendermaßen ab:

Kunde: „Möchte Stiefel.“

Ladenbesitzer: „Klein oder groß?“

Kunde: „Groß.“

Damit war das Geschäft abgeschlossen, und der Kunde marschierte aus dem Laden, um seine neuen Stiefel auf das Kamel zu laden. Ein anderer kam herein.

Kunde: „Ich möchte Kleid für lubra [Aborigine-Wort für Frau].“

Ladenbesitzer: „Dick oder dünn?“

Kunde: „Dünn.“

Das Kleid wurde gebracht, nach dem Bezahlen in einen Sack gesteckt und auf das wartende Kamel gelegt.

Mit Ehefrau

Nach drei Jahren in Australien heiratete ich June Dobson, ein hübsches Mädchen aus Brisbane. Anschließend arbeiteten wir ein Jahr lang als Pioniere, bis ich wieder eingeladen wurde, im Reisedienst tätig zu sein, zunächst im Kreis-, später im Bezirksdienst.

Als Lediger war ich in vielen der abgelegenen Gebiete mit dem Motorrad unterwegs. Jetzt reisten meine Frau und ich mit dem Auto. Die Straße durch die unwirtliche Nullarborebene, wo die Temperaturen gewöhnlich über 45 °C liegen, hatte auf einer Strecke von etwa 1 200 km keinen festen Belag und war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Der Staub wurde derartig aufgewirbelt, daß das Auto einem Rennboot glich, das durch das Wasser pflügt. Wir klebten alle Ritzen an Türen und Fenstern sorgfältig mit Klebstreifen zu, um uns den heimtückischen Staub vom Leib zu halten. Das ließ die Temperatur im Wagen zwar drastisch ansteigen, bewahrte uns aber davor, von einer Schicht aus Schmutz und Staub überzogen zu werden.

Im Bezirksdienst fuhren wir immer wieder kreuz und quer durch den australischen Kontinent, besuchten unzählige kleinere und größere Städte und dienten auf Kreiskongressen, die an allen möglichen Orten durchgeführt wurden. Als wir 1953 mit dem Bezirksdienst begannen, gab es in ganz Australien nur einen Bezirk. Heute sind es dagegen fünf.

Im Jahre 1960 erhielten wir unerwartet die Einladung, im australischen Zweigbüro in Strathfield (Sydney) mitzuarbeiten. Es war zwar etwas völlig anderes als der Reisedienst, aber ich gewöhnte mich schließlich an die Schreibtischtätigkeit. Bald gab es für uns jedoch eine weitere Überraschung. Nach 18 Monaten im Bethel wurden June und ich eingeladen, den neuen, 10monatigen Kurs der Gileadschule zu besuchen.

Im Gegensatz zu meinem ersten Gileadbesuch in South Lansing (New York) waren wir diesmal direkt im Hauptbüro der Zeugen Jehovas in Brooklyn. Anschließend wurden wir nach Australien zurückgeschickt, wieder in den Reisedienst. Wir führten diesen Dienst durch, bis man uns 1981 erneut ins Bethel nach Sydney einlud. Dort waren wir an den umfangreichen Arbeiten in Verbindung mit dem Umzug des gesamten Zweigbüros, der Druckerei und der Bethelfamilie von Strathfield in die neu errichteten Gebäude in Ingleburn, das etwa 50 km außerhalb von Sydney liegt, beteiligt.

„An lieblichen Orten“

Die Arbeit, die ich hier in der Dienstabteilung verrichte, bereitet mir jeden Tag Freude. Da ich aus den Jahren im Bezirksdienst viele Brüder und Schwestern auf dem ganzen Kontinent persönlich kenne, bin ich im Geiste bei den Kreisaufsehern, wenn allwöchentlich ihre Berichte eintreffen. Die Mitteilungen der Bezirksaufseher versetzen mich direkt in die Hallen und Kongreßsäle mit ihrer Kreiskongreßatmosphäre. Meine Frau und ich haben als Glieder der mehr als 110 Personen zählenden Bethelfamilie, die in einer fast ländlichen Gegend lebt — weit genug entfernt vom Lärm und Schmutz der Stadt —, den Eindruck, daß man im Bethel am ‘lieblichsten aller Orte’ wohnt.

An einem Spätherbsttag im Mai 1984 sagte mir H. V. Mouritz, der Koordinator des Zweigkomitees, in aller Ruhe, daß ich von der leitenden Körperschaft ernannt worden sei, als Glied des australischen Zweigkomitees zu dienen. An jenem Nachmittag hatte ich das gleiche Gefühl wie 1947, als ich den Brief las, in dem mir mitgeteilt wurde, daß ich in diesem schönen Land auf der entgegengesetzten Seite des Erdballs dienen sollte.

Ein Rückblick auf meine 65 Lebensjahre, die ich von klein auf in Jehovas Organisation verbringen durfte, läßt mich erkennen, daß ich die Erfüllung von Psalm 16:6 persönlich verspürt habe. Die „Meßschnüre“ sind für mich tatsächlich an sehr „lieblichen Orten“ gefallen. Könnte ich mein Leben noch einmal leben, würde ich, ohne zu zögern, wieder denselben Weg einschlagen. Es kann einem nichts Besseres widerfahren, und man könnte keine lohnenderen Erfahrungen machen.

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