Können Glücksbringer schützen?
DER Kristall in der Tasche eines Brasilianers. Der Glückspfennig eines amerikanischen Sportlers. Das Kreuz der heiligen Birgitta über einem Bett einer irischen Familie. Solche Gegenstände werden von Millionen von Menschen als Glücksbringer oder Amulette verwendet.a Sie glauben, derartige Glücksbringer könnten Unheil abwenden und ihnen Glück bringen.
Nehmen wir beispielsweise einmal Brasilien. Gemäß der Zeitschrift Veja tragen viele Brasilianer „Steine und Halbedelsteine, denen sie eine glückbringende und kraftverleihende Wirkung zuschreiben“. Aus Furcht davor, okkulte Mächte zu verärgern, hängen andere Brasilianer ein religiöses Symbol oder einen religiösen Spruch an die Wand. Manche verwenden sogar die Bibel als heiligen Glücksbringer; sie lassen sie aufgeschlagen — immer bei Psalm 91 — auf dem Tisch liegen.
Im Süden Afrikas wird muti, eine traditionelle Medizin, auf ähnliche Weise gebraucht; man verwendet sie nicht nur wegen ihrer Heilkraft, sondern auch zum Schutz gegen Unglück. Krankheiten, Tod, finanzielle Rückschläge und sogar unglückliche Romanzen werden oft auf Flüche von Feinden oder auf das Versäumnis, die toten Vorfahren besänftigt zu haben, zurückgeführt. muti erhält man in der Regel von einem Medizinmann vom Land, der aus verschiedenen Bestandteilen von Pflanzen, Bäumen oder Tieren einen Trank zusammenbraut. Interessanterweise vertraut jedoch nicht nur die Landbevölkerung auf muti; diese Medizin wird ebensoviel in den Städten Südafrikas verwendet. Auch Geschäftsleute und Hochschulabsolventen verlassen sich auf muti.
Die Suche nach dem Glück ist in europäischen Ländern gleichfalls weit verbreitet. In dem Buch Studies in Folklife Presented to Emyr Estyn Evans heißt es hierzu: „In fast allen Gemeinden und Städten Irlands hängt ein Hufeisen an beziehungsweise über der Tür einiger Häuser oder Nebengebäude.“ Noch üblicher in diesem Land sind Binsenkreuze, die man als Glücksbringer über das Bett und über die Tür hängt. Beobachter sagen, viele Irländer würden, oberflächlich betrachtet, derartige abergläubische Praktiken auf die leichte Schulter nehmen. Aber nur die wenigsten würden sie völlig ignorieren.
Auf der Suche nach Sicherheit
Warum finden abergläubische Vorstellungen solch einen Anklang? Offensichtlich stillen sie ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen — das Bedürfnis nach Sicherheit. Wer fühlt sich denn in seiner Wohnung noch sicher, ganz zu schweigen von einem nächtlichen Spaziergang? Dazu kommt die Belastung, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und für die Kinder zu sorgen. Ja, wir leben in Zeiten, die die Bibel „schwere Zeiten“ nennt (2. Timotheus 3:1, Wilckens). So ist es nur natürlich, daß der Mensch einen starken Drang nach Sicherheit hat.
Dieser Drang ist wahrscheinlich in Kulturkreisen besonders ausgeprägt, wo verschiedene Formen des Spiritismus und der Magie verbreitet sind. Aus Angst vor angeblichen Geistern der Toten oder aus Furcht, dem Fluch eines Feindes zum Opfer zu fallen, scheint der vermeintliche Schutz eines Glücksbringers oder Amuletts unentbehrlich zu sein. Zumindest heißt es in der World Book Encyclopedia: „Die meisten Menschen haben Ängste, die sie unsicher machen. Der Aberglaube hilft ihnen, solche Ängste zu überwinden, indem er ihnen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Er gibt ihnen das beruhigende Gefühl, das zu bekommen, was sie wollen, und sich Schwierigkeiten zu ersparen.“
Die dubiose Macht des Amuletts
Menschen in aller Welt hängen sich somit Amulette, Talismane und Glücksbringer der verschiedensten Arten und Formen um, tragen sie bei sich oder stellen sie sonst irgendwie zur Schau. Ist es jedoch vernünftig, zu denken, ein von Menschen gemachter Glücksbringer könne sicheren Schutz bieten? Viele Gegenstände, die allgemein als Glücksbringer verwendet werden, sind kommerziell hergestellte Massenartikel. Verstößt es nicht gegen jede Logik und gegen den gesunden Menschenverstand, zu glauben, Fabrikware könne magische Kräfte haben? Selbst ein von einem Medizinmann besonders zubereiteter Trank ist nichts anderes als eine Mischung aus ganz gewöhnlichen Zutaten: Wurzeln, Kräuter und ähnliches. Warum sollte eine derartige Mischung magische Wirkung haben? Ist darüber hinaus bewiesen, daß Personen, die Amulette verwenden, länger leben oder glücklicher sind als andere? Werden diejenigen, die solche Glücksbringer herstellen, nicht ebenfalls krank, und sterben sie nicht auch?
Statt den Menschen sicheren Schutz zu bieten und ihnen das Gefühl zu geben, sie hätten ihr Leben im Griff, hält die abergläubische Verwendung von Amuletten und Glücksbringern sie nur davon ab, ihren Problemen vernünftig zu begegnen, und animiert sie dazu, sich auf das Glück als Allheilmittel zu verlassen. Das Vertrauen auf die Macht von Amuletten kann dem Träger auch ein falsches Gefühl der Sicherheit geben. Ein Mann unter Alkoholeinfluß behauptet vielleicht, sein Reaktionsvermögen und seine Fahrtüchtigkeit seien unbeeinträchtigt, doch wenn er zu fahren versucht, kann es sehr gut passieren, daß er sich oder anderen Schaden zufügt. Wer sein Vertrauen auf die Macht von Amuletten setzt, könnte ebenfalls Schaden erleiden. Da er sich der Illusion hingibt, geschützt zu sein, läßt er sich unter Umständen auf unsinnige Risiken ein oder trifft unvernünftige Entscheidungen.
Der Glaube an die Macht von Amuletten birgt noch weitere große Gefahren in sich, die Millionen von Amulettträgern verborgen sind. Um was für Gefahren handelt es sich dabei, und kann man sich sonst irgendwie auf legitime Weise vor Unheil schützen? Diese Fragen werden im nächsten Artikel behandelt.
[Fußnote]
a Im Webster’s Ninth New Collegiate Dictionary wird das „Amulett“ definiert als „ein Glücksbringer (als Schmuckgegenstand), auf dem häufig Beschwörungsformeln oder -symbole angebracht sind, die den Träger vor Bösem (wie Krankheiten oder Hexerei) schützen oder ihm helfen sollen“.