„Altes Testament“ oder „Hebräische Schriften“ — Was ist richtig?
IN DER Christenheit ist es heute üblich, den hebräisch-aramäischen Teil der Bibel als „Altes Testament“ und den griechischen Teil als „Neues Testament“ zu bezeichnen. Gibt es aber eine biblische Grundlage für diese Ausdrücke? Aus welchen Gründen vermeiden Jehovas Zeugen gewöhnlich diese Bezeichnungen in ihren Veröffentlichungen?
Zugegeben, die Bezeichnungen scheinen durch die Wiedergabe von 2. Korinther 3:14 in der englischen King James Version und in einigen anderen älteren Übersetzungen wie dem deutschen Septembertestament (der ersten Übersetzung Martin Luthers) gestützt zu werden. Der Vers lautet in der Lutherbibel (Ausgabe 1975): „Aber ihr Sinn wurde verstockt. Denn bis zum heutigen Tag liegt diese Decke über der Verlesung des alten Testaments und wird nicht aufgedeckt, weil sie nur in Christus beseitigt wird.“
Spricht der Apostel jedoch hier von den 39 Büchern, die gewöhnlich das „Alte Testament“ genannt werden? Das mit „Testament“ wiedergegebene griechische Wort lautet diathḗké. Die wohlbekannte Theologische Realenzyklopädie erklärt zu 2. Korinther 3:14, „in der alten diathḗké“ zu lesen, was in diesem Vers erwähnt wird, sei dasselbe, wie wenn „Mose gelesen“ werde, wovon im folgenden Vers die Rede ist. Daher wird gesagt, „die alte diathḗké“ bezeichne das Gesetz Mose oder allenfalls den Pentateuch. Sie steht mit Sicherheit nicht für die Gesamtheit der vorchristlichen inspirierten Schriften. Der Apostel bezieht sich nur auf einen Teil der Hebräischen Schriften, nämlich auf den Gesetzesbund, der von Moses im Pentateuch aufgezeichnet wurde; er bezieht sich nicht auf die Hebräischen und Aramäischen Schriften als Ganzes. Außerdem will er damit nicht sagen, die inspirierten Christlichen Schriften des ersten Jahrhunderts u. Z. seien ein „Neues Testament“, denn dieser Ausdruck erscheint nirgendwo in der Bibel.
Man sollte auch beachten, daß das griechische Wort diathḗkē, das Paulus hier benutzt, eigentlich „Bund“ bedeutet. (Weiteren Aufschluß findet man in der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, 1986, Anhang 7E, Seite 1649.) Deswegen heißt es in vielen modernen Übersetzungen richtigerweise „alter Bund“ statt „altes Testament“.
In diesem Zusammenhang war im National Catholic Reporter zu lesen: „Die Bezeichnung ‚Altes Testament‘ läßt unweigerlich den Gedanken aufkommen, es sei minderwertig und veraltet.“ Doch die Bibel ist nur e i n Werk, und kein Teil davon ist veraltet oder „alt“. Ihre Botschaft stimmt vom ersten Buch im hebräischen Teil bis zum letzten Buch im griechischen Teil überein (Römer 15:4; 2. Timotheus 3:16, 17). Wir haben somit gute Gründe, diese auf falschen Voraussetzungen beruhenden Ausdrücke zu vermeiden, und wir gebrauchen lieber die korrekteren Ausdrücke „Hebräische Schriften“ und „Christliche Griechische Schriften“.