Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • w95 1. 3. S. 20-23
  • Maimonides — Der Mann, der das Judentum neu gestaltete

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Maimonides — Der Mann, der das Judentum neu gestaltete
  • Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1995
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Wer war Maimonides?
  • Was schrieb er?
  • Was lehrte er?
  • Auswirkungen auf das Judentum und andere Religionen
  • Das Judentum — Die Suche nach Gott mit Hilfe der Bibel und der Tradition
    Die Suche der Menschheit nach Gott
  • Wer verdient es, Rabbi genannt zu werden?
    Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1996
  • Nachmanides — Widerlegte er das Christentum?
    Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1997
  • Juden, Christen und die messianische Hoffnung
    Erwachet! 1991
Hier mehr
Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1995
w95 1. 3. S. 20-23

Maimonides — Der Mann, der das Judentum neu gestaltete

„VON Moses bis Moses erstand niemand wie Moses.“ Viele Juden erkennen in diesem rätselhaften Spruch einen Ausdruck der Bewunderung für den jüdischen Philosophen, Kodifikator und Kommentator von Talmud und Heiliger Schrift Moses ben Maimon, der im 12. Jahrhundert lebte und auch als Maimonides oder Rambam bekannt ist.a Maimonides ist heute nur wenigen ein Begriff, doch seine Schriften wirkten nachhaltig auf das jüdische, muslimische und christliche Gedankengut seiner Tage. Er gab dem Judentum eine grundlegend neue Gestalt. Wer war Maimonides, und weshalb betrachten ihn viele Juden als einen „zweiten Moses“?

Wer war Maimonides?

Maimonides wurde 1135 in Córdoba (Spanien) geboren. Von seinem Vater Maimon, einem aus einer angesehenen rabbinischen Familie stammenden, geachteten Gelehrten, erhielt er einen Großteil seiner frühen religiösen Bildung. Nachdem Córdoba 1148 von den Almohaden erobert worden war, standen die Juden vor der Wahl, entweder zum Islam überzutreten oder zu fliehen. Damit begann für die Familie des Maimonides eine lange Zeit der Unrast. Gegen 1160 ließen sie sich in Fès (Marokko) nieder, wo Maimonides eine Ausbildung als Arzt erhielt. 1165 war seine Familie gezwungen, nach Palästina auszuwandern.

Doch die Lage dort war unsicher. Die kleine jüdische Gemeinde sah sich gleichermaßen von den Kreuzfahrern der Christenheit wie von den muslimischen Mächten bedroht. Nach weniger als einem halben Jahr im „Heiligen Land“ fanden Maimonides und seine Familie in Fustat (Alt-Kairo) in Ägypten Zuflucht. Hier kamen die Fähigkeiten des Maimonides voll zur Geltung. 1177 wurde er Vorsteher der jüdischen Gemeinde, und 1185 ernannte ihn der berühmte Sultan Saladin zu seinem Hofarzt. Beide Ämter behielt Maimonides bis zu seinem Tod im Jahr 1204. Er war derart berühmt für seinen medizinischen Sachverstand, daß sich sogar König Richard Löwenherz aus dem fernen England bemüht haben soll, Maimonides als Leibarzt zu gewinnen.

Was schrieb er?

Maimonides war ein sehr produktiver Autor. Sein erstes großes Werk, der Kommentar zur Mischna, entstand im wesentlichen während seines unsteten Lebens auf der Flucht vor den islamischen Verfolgern.b In Arabisch verfaßt, werden darin viele Begriffe und Ausdrücke der Mischna erläutert, wobei Maimonides mitunter zu Erklärungen seiner Philosophie über den Judaismus abschweift. In dem Teil, in dem er das Traktat Sanhedrin erklärt, formuliert Maimonides 13 Grundlehrsätze des jüdischen Glaubens. Das Judentum kannte kein formelles Kredo oder Glaubensbekenntnis. Nun wurden die 13 Glaubensartikel des Maimonides eine Art Urmuster für eine Reihe aufeinanderfolgender Fassungen des jüdischen Glaubensbekenntnisses. (Siehe Kasten auf Seite 23.)

Maimonides suchte die logische Ordnung aller Dinge — materieller wie geistiger — zu erklären. Blinden Glauben lehnte er ab; für alles verlangte er Erklärungen auf der Grundlage dessen, was er als rationale Beweise und Logik betrachtete. Diese natürliche Neigung veranlaßte ihn dazu, sein Hauptwerk zu verfassen — Mischne thora.c

Als „Thora“ oder „Gesetz“ betrachteten die Juden zur Zeit des Maimonides nicht nur die von Moses aufgezeichneten schriftlichen Worte, sondern auch alle über die Jahrhunderte hinweg entstandenen rabbinischen Auslegungen jenes Gesetzes. Diese Ansichten wurden im Talmud und in Tausenden von rabbinischen Entscheidungen und Schriften über den Talmud aufgezeichnet. Maimonides erkannte, daß der gewöhnliche Jude, wollte er Entscheidungen in seinem täglichen Leben treffen, mit dem Durcheinander und der ungeheuren Fülle an Informationen hoffnungslos überfordert war. Die wenigsten konnten ihr Leben einem Studium der gesamten rabbinischen Literatur widmen, die zudem weitgehend in schwierigem Aramäisch verfaßt war. Maimonides löste das Problem, indem er den Stoff — unter Betonung praktischer Entscheidungen — bearbeitete und systematisch in 14 nach Themen angeordnete Bücher gliederte. Dabei bediente er sich meisterhaft eines verständlichen, flüssigen Hebräisch.

Mischne thora war ein solch praktischer Leitfaden, daß manche jüdischen Führer befürchteten, dieses Werk werde den Talmud vollständig ablösen. Doch selbst diejenigen, die Einwände vorbrachten, erkannten die überwältigende Gelehrsamkeit an, die darin zum Ausdruck kam. Dieser bestens organisierte Kodex war eine geradezu revolutionäre Errungenschaft, durch die einem Judentum neues Leben eingehaucht wurde, mit dem sich der gewöhnliche Jude nicht mehr hatte identifizieren und das er noch viel weniger hatte praktizieren können.

Darauf machte sich Maimonides an die Niederschrift eines weiteren bedeutenden Werkes — der Führer der Unschlüssigen. In dem Maß, wie arabische Übersetzungen der griechischen Klassiker entstanden, wurden immer mehr Juden mit Aristoteles und anderen Philosophen vertraut. Manche waren verwirrt und unschlüssig, weil es ihnen schwerfiel, die wörtliche Bedeutung biblischer Begriffe mit der Philosophie zu vereinbaren. Im Führer der Unschlüssigen suchte Maimonides, der Aristoteles außerordentlich bewunderte, den Kern von Bibel und Judentum auf eine Weise zu erklären, die mit dem Gedankengut und der Logik der Philosophie harmonierte. (Vergleiche 1. Korinther 2:1-5, 11-16.)

Neben diesen Hauptwerken und anderen religiösen Schriften verfaßte Maimonides maßgebliche Abhandlungen über Medizin und Astronomie. Und nicht übersehen werden sollte noch ein weiterer Bereich seiner literarischen Leistung. In der Encyclopaedia Judaica wird bemerkt: „Die Briefe des Maimonides sind ein Markstein in der Geschichte des Briefeschreibens. Er ist der erste jüdische Briefeschreiber, dessen Briefwechsel weitgehend erhalten geblieben ist. ... Seine Briefe erreichten Sinn und Herz der Adressaten, und er paßte seinen Stil ihren Bedürfnissen an.“

Was lehrte er?

Maimonides schuf mit seinen 13 Grundlehrsätzen des Glaubens, von denen etliche in der Heiligen Schrift wurzeln, eine klare Übersicht der Lehre. Die Grundsätze 7 und 9 jedoch widersprechen im Kern dem biblisch begründeten Glauben an Jesus als den Messias.d Zieht man allerdings die abtrünnigen Lehren der Christenheit — wie die Lehre von der Dreieinigkeit — in Betracht sowie deren eklatante Heuchelei, für die das in den Kreuzzügen angerichtete Blutbad exemplarisch ist, dann überrascht es keineswegs, daß sich Maimonides nicht eingehender mit der Frage beschäftigte, ob Jesus der Messias gewesen ist (Matthäus 7:21-23; 2. Petrus 2:1, 2).

Maimonides schrieb über das Christentum: „Kann ein größerer Anstoß und Ärgernis sein? Denn alle Propheten haben geweissagt, daß der Messias Israels Erlöser und Heiland werden sollte ... Dieser aber ist vielmehr die Ursache gewesen, daß Israel durchs Schwert verderbet und die übrigen zerstreut wurden, da er sie auch veranlaßt, sich zu verringern und ihr Gesetz zu verändern, weiter einen großen Teil in Irrtum verführt in der Welt und etwas anderes zu verehren als den HErrn allein“ (Mischne thora, „Abhandlung über die Könige und ihre Kriege“, Kapitel 11).

Bei allem Respekt, der Maimonides gezollt wird, ziehen es viele Juden indes vor, ihn in gewissen Angelegenheiten, über die er sich besonders freimütig äußerte, geflissentlich zu ignorieren. Mit dem zunehmenden Einfluß des Mystizismus im Judentum (Kabbala) wurde die Astrologie unter den Juden immer populärer. Maimonides schrieb: „Wer aber durch astrologische Berechnungen sich zu irgend einer That veranlassen ließ, und seine Handlungen, oder Gänge bis zu derjenigen Zeit verschob, welche die Astrologie als die passendste bezeichnete, bekam die Malkoth-Geißelung ... Alle diese hier angeführten Zauberkünste sind Lügen und dummes Zeug ... Wer aber an dergleichen Dinge glaubt ..., der gehört unter die Zahl der Narren und Unvernünftigen“ (Mischne thora, „Götzendienst“, Kapitel 11; vergleiche 3. Mose 19:26; 5. Mose 18:9-13).

Auch folgenden Brauch der Rabbis kritisierte Maimonides aufs schärfste: „Man hat für Einzelne und für Gemeinden Verordnungen erlassen und es fertiggebracht, daß man völlig verblendet dachte, es gehöre sich und man sei verpflichtet, die Weisen und die vollberuflich Tora-Lernenden zu versorgen. Alles dies ist ein Irrtum; weder die Tora noch die Aussprüche der Weisen enthalten einen einzigen Anhaltspunkt, auf den man sich zur Bestätigung dieser Meinung stützen könnte. Wir finden in den Aussprüchen unserer Weisen nichts darüber, daß sie Geldspenden erbettelt hätten“ (Mischnakommentar, Aboth 4:5). Im Gegensatz zu jenen Rabbis arbeitete Maimonides angestrengt als Arzt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen; nie nahm er für religiöse Dienste eine Bezahlung an. (Vergleiche 2. Korinther 2:17; 1. Thessalonicher 2:9.)

Auswirkungen auf das Judentum und andere Religionen

Professor Yeschaiahu Leibowitz von der Hebräischen Universität Jerusalem erklärte: „Vom Zeitalter der Patriarchen und Propheten bis zur Gegenwart ist Maimonides die einflußreichste Persönlichkeit in der Geschichte des Judentums.“ In der Encyclopaedia Judaica wird gesagt: „Der Einfluß des Maimonides auf die künftige Entwicklung des Judentums ist von unermeßlicher Bedeutung. ... C. Tchernowitz vertritt sogar den Standpunkt, ohne Maimonides wäre das Judentum in unterschiedliche Sekten und Glaubensrichtungen zersplittert ... Seine großartige Leistung bestand darin, die verschiedenen Strömungen zu vereinen.“

Maimonides paßte das jüdische Gedankengut systematisch seinen Vorstellungen von Ordnung und Logik an und gestaltete so das Judentum neu. Für Gelehrte wie auch für das Volk im allgemeinen war diese Neugestaltung praktisch und ansprechend. Selbst seine Gegner übernahmen letztlich einen Großteil seiner Denkansätze. Und obgleich Maimonides die Juden durch seine Schriften davon befreien wollte, sich mit endlosen Kommentaren beschäftigen zu müssen, dauerte es nicht lange, bis man anfing, ausführliche Kommentare zu seinen Werken zu verfassen.

Die Encyclopaedia Judaica bemerkt: „Maimonides war ... der bedeutendste jüdische Philosoph des Mittelalters, und sein Führer der Unschlüssigen ist das wichtigste von einem Juden verfaßte philosophische Werk.“ Ursprünglich in Arabisch geschrieben, wurde der Führer der Unschlüssigen noch zu Maimonides’ Lebzeiten ins Hebräische übersetzt und kurz darauf ins Lateinische, so daß es überall in Europa studiert werden konnte. Als Folge davon fand Maimonides’ einzigartige Synthese von aristotelischer Philosophie und jüdischem Gedankengut schnell Eingang in die vorherrschende Denkrichtung der Christenheit. Albertus Magnus, Thomas von Aquin und andere Gelehrte der Christenheit aus jener Epoche nahmen häufig auf die Ansichten des Maimonides Bezug. Auch islamische Gelehrte wurden beeinflußt. Der philosophische Denkansatz des Maimonides veranlaßte spätere jüdische Philosophen wie Baruch Spinoza zu einem vollständigen Bruch mit dem orthodoxen Judentum.

Man könnte Maimonides als einen Mann der Renaissance bezeichnen — ein Mann, der seiner Zeit weit voraus war. Seine beharrliche Forderung, der Glaube müsse mit der Vernunft vereinbar sein, gilt heute nach wie vor. Dieser Standpunkt veranlaßte ihn, sich mit Nachdruck gegen religiösen Aberglauben auszusprechen. Allerdings hinderten ihn das schlechte Beispiel der Christenheit und der Einfluß der Philosophie des Aristoteles häufig daran, Schlußfolgerungen zu ziehen, die völlig mit der Wahrheit der Bibel übereingestimmt hätten. Nicht jeder wird der Inschrift auf Maimonides’ Grabstein — „Von Moses bis Moses erstand niemand wie Moses“ — zustimmen, doch muß man einräumen, daß Maimonides die Entwicklung und Struktur des Judentums neu gestaltete.

[Fußnoten]

a „RaMbaM“ ist ein hebräisches Initialwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben der Wörter „Rabbi Moses ben Maimon“ zusammensetzt.

b Die Mischna ist eine Sammlung rabbinischer Kommentare, die sich auf das stützen, was die Juden als „mündliches Gesetz“ ansehen. Ende des zweiten und Anfang des dritten Jahrhunderts u. Z. schriftlich fixiert, bildete sie die Grundlage für den Talmud. Weitere Informationen sind in der von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebenen Broschüre Wird es je eine Welt ohne Krieg geben? auf Seite 10 zu finden.

c Der Name Mischne thora ist ein aus 5. Mose 17:18 hergeleiteter hebräischer Ausdruck und bezeichnet eine Abschrift oder Wiederholung des Gesetzes.

d Weiteren Aufschluß über die Beweise dafür, daß Jesus der verheißene Messias war, findet man auf den Seiten 24—30 in der Broschüre Wird es je eine Welt ohne Krieg geben?, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.

[Kasten auf Seite 23]

MAIMONIDES’ 13 GRUNDLEHRSÄTZE DES GLAUBENSe

1. Gott ist der Schöpfer und Lenker aller Dinge. Er allein hat bewirkt, wirkt und wird wirken.

2. Gott ist einzig. Es gibt keine Einheit seinesgleichen, in keinerlei Hinsicht.

3. Gott ist unkörperlich, frei von jeder Möglichkeit, materiell vorgestellt zu werden. Auch kann ihm keine Gestalt beigelegt werden.

4. Gott ist der Erste und der Letzte.

5. Gott allein ist es, dem Anbetung gebührt. Es ist ungebührlich, außer ihm ein Wesen anzubeten.

6. Die Worte der Propheten sind alle wahrhaftig.

7. Die Prophetie des Moses ist die Wahrheit. Er war der Vater der Propheten vor ihm und nach ihm.

8. Die ganze Thora, wie wir sie jetzt besitzen, ist die gleiche, die Moses übergeben wurde.

9. Diese Thora ist unverwechselbar, und es wird nie eine andere Lehre von Gott her geben.

10. Gott kennt die Taten und Gedanken aller Menschen.

11. Gott erweist Gutes den Hütern seiner Gebote und bestraft die Übertreter seiner Gebote.

12. Der Messias wird kommen.

13. Die Toten werden auferstehen.

[Fußnoten]

e Maimonides legte diese Grundsätze in seinem Mischnakommentar (Sanhedrin 10:1) nieder. Später übernahm man sie im Judentum als offizielles Glaubensbekenntnis. Der obige Text gibt in verkürzter Form die Fassung wieder, wie sie im jüdischen Gebetbuch erscheint.

[Bildnachweis auf Seite 21]

Jewish Division / The New York Public Library / Astor, Lenox, and Tilden Foundations

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen