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Ehemänner und Ehefrauen — Reden sie aneinander vorbei?Erwachet! 1994 | 22. Januar
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Es ist ihr wichtig, solche Bindungen zu knüpfen und zu festigen. Das Gespräch ist ein wichtiger Weg, um Vertrautheit entstehen zu lassen und sie zu bestätigen.
Für Lisa ist es ganz natürlich, sich jemandem unterzuordnen. Sie fühlt sich geliebt, wenn Marco sie vor einer Entscheidung nach ihrer Meinung fragt, obschon sie möchte, daß er die Führung übernimmt. Muß sie eine Entscheidung treffen, bespricht sie sich gern mit ihrem Mann, nicht unbedingt, damit er ihr sagt, was sie tun soll, sondern, um ihre Verbundenheit mit ihm und ihr Vertrauen zu ihm zu zeigen.
Es fällt Lisa sehr schwer, geradeheraus über ihre Bedürfnisse zu sprechen. Sie möchte nicht an Marco herumnörgeln oder ihm das Gefühl geben, sie sei unglücklich. Darum wartet sie, bis er auf sie zukommt, oder macht versteckte Andeutungen.
Bei einem Gespräch interessiert sich Lisa für jede kleinste Einzelheit und stellt viele Fragen. Das ist nur natürlich für sie, denn sie besitzt großes Feingefühl und hat ein starkes Interesse an Menschen und Bindungen.
Lisa unterbricht ihren Gesprächspartner häufig durch Zwischenbemerkungen, Kopfnicken oder Fragen; dadurch zeigt sie, daß sie ihm zuhört und ihr das, was er zu sagen hat, wichtig ist.
Sie bemüht sich sehr, zu erahnen, was andere brauchen. Ungefragt Hilfe anzubieten ist für sie ein großer Liebesbeweis. Vor allem möchte sie ihrem Mann helfen, an innerer Größe zuzunehmen und sich zu verbessern.
Bei Problemen kommt es Lisa vielleicht so vor, als wachse ihr alles über den Kopf. Dann muß sie darüber reden, nicht so sehr, um eine Lösung zu finden, sondern, um ihren Gefühlen Luft zu machen. Sie braucht jemand, der sie versteht und Anteil nimmt. Ist Lisa aufgebracht, greift sie gern zu dramatischen Verallgemeinerungen. Aber sie meint es nicht so, wenn sie sagt: „Du hörst nie zu! “
Lisas beste Freundin in der Kindheit war ein Mädchen, mit dem sie über alles reden konnte, und nicht jemand, mit dem sie etwas gemeinsam unternommen hat. Ein mitfühlender Zuhörer, dem sie ihre Empfindungen mitteilen kann, ist ihr in ihrer Ehe weit wichtiger als jemand, mit dem sie etwas unternehmen kann.
Das Zuhause ist für Lisa ein Ort, wo sie sich frei äußern kann, ohne kritisiert zu werden. Ohne Bedenken erzählt sie Marco von ihren Ängsten und Sorgen. Benötigt sie Hilfe, geniert sie sich nicht, das zuzugeben, denn sie weiß, daß ihr Mann für sie da ist und ihr zuhört.
Im allgemeinen fühlt sich Lisa geliebt und sicher in ihrer Ehe. Doch von Zeit zu Zeit fühlt sie sich ohne ersichtlichen Grund unsicher und ungeliebt; dann hat sie die Freundschaft und die wiederholten Beteuerungen ihres Mannes, daß er sie liebt, besonders nötig.
Ja, Marco und Lisa ergänzen sich und sind doch so verschieden. Obgleich beide die besten Absichten haben und einander liebevoll unterstützen möchten, können diese Unterschiede zwischen ihnen zu schweren Mißverständnissen führen. Wenn sie uns sagen könnten, wie sie die oben erwähnte Situation eingeschätzt haben, was würden sie erzählen?
Aus dem eigenen Blickwinkel gesehen
„Schon gleich, als ich zur Tür hereinkam, sah ich Lisa an, daß sie etwas hatte“, würde Marco sagen. „Ich ging davon aus, daß sie mir schon alles erzählen würde, wenn sie dazu bereit sei. Mir schien das Problem nicht so groß. Ich dachte, sie würde sich besser fühlen, wenn ich ihr einfach zeigte, daß sie keinen Grund zur Aufregung habe und die Sache sich ganz leicht lösen ließe. Es hat mich wirklich verletzt, als sie zu mir sagte: ‚Du hörst mir nie zu! ‘, obwohl ich ihr doch die ganze Zeit zugehört hatte. Ich kam mir vor, als würde sie mich für ihre Frustration verantwortlich machen.“
„Der ganze Tag war eine einzige Katastrophe“, würde Lisa erklären. „Ich wußte, daß Marco nichts dafürkonnte. Aber als er so fröhlich zur Tür hereinkam, hatte ich das Gefühl, daß er völlig ignorierte, wie bedrückt ich war. Warum fragte er mich nicht, was los sei? Als ich ihm dann von dem Problem erzählte, sagte er mir im Grunde, ich sei albern und die ganze Sache sei nicht der Rede wert. Statt mir zu sagen, daß er meine Gefühle versteht, sagte Marco, der Problemlöser, was ich tun könne. Ich wollte aber keine Lösung, sondern Mitgefühl.“
Trotz dieses kleinen Zerwürfnisses lieben sich Marco und Lisa sehr. Welche Erkenntnisse könnten ihnen helfen, ihre Liebe deutlich zum Ausdruck zu bringen?
Aus dem Blickwinkel des anderen gesehen
Marco empfand es als zu aufdringlich, Lisa zu fragen, was passiert sei, und so tat er instinktiv das, was er sich selbst von anderen gewünscht hätte. Er wartete darauf, daß sie von allein redete. Lisa hingegen war nun nicht mehr nur wegen des Problems verstimmt, sondern auch, weil Marco ihren Hilferuf anscheinend ignorierte. Sie hielt sein Schweigen nicht für ein Zeichen von liebevollem Respekt, sondern von Gleichgültigkeit. Als Lisa endlich redete, hörte Marco ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Dennoch hatte sie das Empfinden, daß er ihre Gefühle nicht verstand. Dann bot er ihr eine Lösung an, statt Mitgefühl zu zeigen. Das hörte sich für sie so an: „Du hast keinen Grund, so zu fühlen; du siehst das Ganze überspitzt. Dieses kleine Problem läßt sich doch ganz leicht lösen!“
Wie anders wäre das Gespräch verlaufen, wenn jeder die Sachlage aus dem Blickwinkel des anderen gesehen hätte! Dann hätte sich das Ganze vielleicht folgendermaßen abgespielt:
Marco kommt heim und sieht, daß Lisa bedrückt ist. „Was ist los, Liebling?“ fragt er liebevoll. Die Tränen fließen, und die Worte purzeln nur so heraus. Lisa sagt nicht: „An allem bist nur du schuld!“ oder unterstellt Marco, daß er nicht genug tut. Marco hält sie fest im Arm und hört geduldig zu. Nachdem sie alles erzählt hat, sagt er: „Es tut mir leid, daß du dich deswegen so schlecht fühlst. Ich verstehe, warum du verärgert bist.“ Lisa erwidert darauf: „Vielen Dank, daß du mir zugehört hast. Ich fühl’ mich schon viel besser, weil ich weiß, daß du mich verstehst.“
Viele Ehepaare entscheiden sich heutzutage leider einfach für eine Scheidung, statt ihre Differenzen beizulegen. Schuld an dem Zerfall vieler Familien ist eine gestörte Kommunikation. Heftiger Streit bricht aus, der die Ehe grundlegend erschüttert. Wie kommt es dazu? Die Antwort darauf und was man tun kann, um es nicht soweit kommen zu lassen, erfahren wir im nächsten Artikel.
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Die Anatomie eines StreitsErwachet! 1994 | 22. Januar
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Die Anatomie eines Streits
SIE muß ihren Gefühlen Luft machen. Er möchte ihr die Lösung sagen. Millionen von Ehestreitigkeiten im Lauf der Geschichte haben vielleicht unterschiedlich geklungen, waren aber häufig lediglich Variationen einiger weniger, immer wiederkehrender Themen. Aus einem Waldbrand kann ein gemütliches Kaminfeuer in einem glücklichen Heim werden, wenn man den unterschiedlichen Blickwinkel und Gesprächsstil des Partners versteht.
„Schreib mir nicht vor, wie ich zu leben habe!“
So mancher Ehemann schlägt sich vielleicht mit dem Stereotyp einer herrischen, nörgelnden Frau herum und fühlt sich durch ihre Ratschläge, ihre Bitten und ihre Kritik in seiner Bewegungsfreiheit völlig eingeengt. Die Bibel bestätigt solche Gefühle, wenn sie sagt: „Die Streitigkeiten einer Ehefrau sind wie ein undichtes Dach, das einen forttreibt“ (Sprüche 19:13). Vielleicht kommt ein Mann der Bitte seiner Frau aus ihr unbekannten Gründen nicht nach, ohne ein Wort zu sagen. Da sie denkt, er habe sie nicht gehört, sagt sie es noch einmal, diesmal als Aufforderung. Sein Widerstand wächst. Eine Meckerliese und ein Pantoffelheld? Oder zwei Menschen, die einfach aneinander vorbeigeredet haben?
Die Frau meint, ihre Liebe zu ihrem Mann am besten dadurch zu beweisen, daß sie ihm praktische Ratschläge gibt. Für den Mann sieht es jedoch so aus, als wolle sie ihn herumkommandieren und andeuten, er sei unfähig. Sie will nur fürsorglich sein, wenn sie zu ihm sagt: „Vergiß deine Aktentasche nicht“, um sicherzugehen, daß er alles hat, was er braucht. Ihn erinnert das an seine Mutter, die ihm von der Tür aus nachrief: „Hast du deine Handschuhe mitgenommen?“
Eine müde Frau fragt möglicherweise: „Möchtest du heute abend essen gehen?“, obwohl sie in Wirklichkeit meint: „Würdest du mich heute abend zum Essen ausführen? Ich bin zu müde zum Kochen.“ Doch der ihr ergebene Mann nutzt die Gelegenheit, ihre Kochkunst zu rühmen, und schwört, daß er am liebsten bei ihr ißt. Oder er denkt: „Sie versucht, mich zu manipulieren.“ Mittlerweile fragt sich seine Frau verärgert: „Warum läßt er sich immer erst bitten?“
„Du liebst mich nicht!“
„Wie kann sie so etwas nur denken?“ stöhnt ein frustrierter, ratloser Ehemann. „Ich arbeite, bezahle die Rechnungen und schenke ihr manchmal sogar Blumen! “
Alle Menschen brauchen das Gefühl, geliebt zu werden, doch bei einer Frau ist das Bedürfnis, daß ihr Mann ihr seine Liebe immer wieder versichert, besonders ausgeprägt. Auch wenn sie es nicht sagt, kommt sie sich bisweilen wie ein lästiges Anhängsel vor, besonders wenn sie während ihrer Periode niedergeschlagen ist. In solchen Momenten zieht sich ihr Ehemann eventuell zurück, weil er denkt, sie brauche etwas Zeit für sich allein. Sie sieht in seinem gefühlsmäßigen Rückzug jedoch ihre größte Angst bestätigt — er liebt sie nicht mehr. Um seine Liebe und seine Unterstützung zu erzwingen, wird sie unter Umständen laut.
„Was ist los, Schatz?“
Ein Mann verarbeitet ein Problem, indem er in Ruhe darüber nachdenkt. Seine Frau spürt intuitiv eine gewisse Anspannung bei ihm und versucht instinktiv, ihn aus seinem Schneckenhaus herauszulocken. Das wird jedoch von dem Mann möglicherweise als aufdringlich und demütigend empfunden, auch wenn es noch so gut gemeint ist. Er zieht sich zurück, um über sein Problem nachzudenken, und muß bei einem Blick über die Schulter feststellen, daß seine treue Frau ihm dicht auf den Fersen ist. Er hört sie mit ihrer lieben Stimme hartnäckig fragen: „Liebling, hast du irgend etwas? Was ist los? Laß uns darüber reden.“
Kommt keine Antwort, ist die Frau vielleicht verletzt. Wenn sie ein Problem hat, möchte sie es mit ihrem Mann ausdiskutieren. Aber der Mann, den sie liebt, möchte ihr seine Gefühle nicht mitteilen. Sie schlußfolgert daraus: „Bestimmt liebt er mich nicht mehr.“ Kommt der nichtsahnende Mann dann endlich wieder aus seinem Schneckenhaus heraus, zufrieden mit der Lösung, die er gefunden hat, findet er nicht mehr den besorgten, liebevollen Partner vor, den er zurückgelassen hatte, sondern eine verärgerte Ehefrau, die ihm vorwirft, sie links liegengelassen zu haben.
„Du hörst mir nie zu!“
Diese Anschuldigung erscheint ihm lächerlich. Von seiner Sicht aus tut er nichts anderes als zuhören. Doch seine Frau hat das bestimmte Gefühl, daß ihre Worte von einem Computergehirn aufgefangen und analysiert werden, als ob es eine mathematische Aufgabe zu lösen gilt. Ihr Verdacht bestätigt sich, als er sie mitten im Satz unterbricht: „Tja, wieso machst du nicht einfach ...?“
Wenn eine Frau mit einem Problem zu ihrem Mann kommt, heißt das nicht, daß sie ihn dafür verantwortlich machen will oder eine Lösung von ihm erwartet. Was sie sich am meisten wünscht, ist ein offenes Ohr, das außer den nackten Tatsachen auch ihre Gefühle heraushört. Sie möchte dann keinen Rat hören, sondern in ihren Gefühlen bestätigt werden. Darum hat so mancher wohlmeinende Ehemann eine wahre Explosion ausgelöst, wenn er einfach sagte: „Liebling, mach dir nichts daraus. Es ist alles halb so wild.“
Oft erwartet man von seinem Partner, daß er Gedanken lesen kann. Ein Mann sagte: „Wir sind seit 25 Jahren verheiratet. Wenn sie immer noch nicht weiß, was ich möchte, dann ist es ihr entweder gleichgültig, oder sie macht die Augen nicht auf.“ Ein Autor schrieb in seinem Buch über die Ehe: „Teilen sich Paare nicht gegenseitig mit, was sie wünschen, und kritisieren einander ununterbrochen, weil der andere wieder einmal danebengegriffen hat, wundert es kaum, daß der Geist der Liebe und der Kooperation allmählich verschwindet. Statt dessen erfüllt die grimmige Entschlossenheit des Machtkampfes die so entstandene Leere, da jeder versucht, den anderen zu zwingen, seine Bedürfnisse zu erfüllen.“
„Du bist so verantwortungslos!“
Das sagt eine Frau zu ihrem Mann vielleicht nicht so direkt, aber sie läßt es ihn durch ihren Tonfall spüren. Die Frage „Warum kommst du so spät?“ könnte einfach eine Bitte um Information sein. Da sie ihren Mann dabei jedoch vorwurfsvoll ansieht und die Arme in die Hüften stemmt, klingt das für ihn sehr wahrscheinlich, als würde sie sagen: „Du verantwortungsloser kleiner Junge, ich hab’ mir wegen dir Sorgen gemacht. Warum hast du nicht angerufen? Du bist so rücksichtslos! Jetzt ist das Essen verkocht! “
Natürlich hat sie, was das Essen betrifft, recht. Wie steht es aber um ihre Beziehung, wenn ein Streit ausbricht? „Streit kommt oft nicht durch Meinungsverschiedenheiten zustande, sondern weil der Mann das Gefühl hat, die Frau lehnt es ab, wie er die Dinge sieht, oder weil die Frau der Art, wie der Mann zu ihr spricht, ihre Zustimmung entzieht“, schreibt Dr. John Gray.
Manche sind der Ansicht, man müsse zu Hause frei von der Leber weg sprechen können. Doch ein guter Gesprächspartner versucht, eine Einigung zu erzielen und Frieden herzustellen, indem er die Gefühle des Zuhörers berücksichtigt. Der Unterschied läßt sich in etwa damit vergleichen, ob man seinem Partner ein Glas kaltes Wasser reicht oder es ihm ins Gesicht schüttet. Ja, der Ton macht die Musik.
Wenn man die Worte aus Kolosser 3:12-14 befolgt, wird man Streit vermeiden und ein glückliches Heim haben. Dort heißt es: „Kleidet euch ... mit der innigen Zuneigung des Erbarmens, mit Güte, Demut, Milde und Langmut. Fahrt fort, einander zu ertragen und einander bereitwillig zu vergeben, wenn jemand Ursache zu einer Klage gegen einen anderen hat. So, wie Jehova euch bereitwillig vergeben hat, so tut auch ihr. Außer allen diesen Dingen aber kleidet euch mit Liebe, denn sie ist ein vollkommenes Band der Einheit.“
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