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Schriftgelehrter, SchreiberEinsichten über die Heilige Schrift, Band 2
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Abschreiber der Heiligen Schrift. Erst in den Tagen Esras, des Priesters, traten die Schreiber (ßopherím, „Sopherim“) als besondere Gruppe in den Vordergrund. Als Abschreiber der Hebräischen Schriften arbeiteten sie sehr sorgfältig; sie fürchteten sich davor, einen Fehler zu machen. Mit der Zeit gingen sie so genau vor, dass sie sogar nicht nur die abgeschriebenen Wörter, sondern auch die Buchstaben zählten. Noch Jahrhunderte nachdem Christus auf der Erde war, wurden im Hebräischen nur die Konsonanten geschrieben, und durch das Auslassen oder Hinzufügen eines einzigen Buchstabens hätte oft aus einem Wort ein ganz anderes werden können. Wenn man den geringsten Fehler entdeckte, einen einzigen falsch geschriebenen Buchstaben, wurde der ganze Abschnitt der betreffenden Rolle als untauglich für den Gebrauch in der Synagoge abgelehnt. Dieser Abschnitt wurde dann herausgeschnitten und durch einen neuen, fehlerfreien ersetzt. Jedes Wort wurde laut gelesen, ehe man es niederschrieb. Nur ein einziges Wort aus dem Gedächtnis zu schreiben galt als grobe Sünde. Mit der Zeit kamen absurde Bräuche auf. Es heißt, dass die religiösen Abschreiber unter Gebet ihre Feder abwischten, bevor sie das Wort ʼElohím (Gott) oder ʼAdhonáj (Souveräner Herr) schrieben.
Obschon man also einerseits sorgfältig darauf achtete, unabsichtliche Fehler zu vermeiden, nahmen sich aber andererseits die Sopherim im Lauf der Zeit die Freiheit, Textänderungen vorzunehmen. An 134 Stellen änderten sie den im ursprünglichen hebräischen Text vorkommenden Namen JHWH auf ʼAdhonáj ab. An anderen Stellen ersetzten sie den Namen durch das Wort ʼElohím. Viele Änderungen nahmen die Sopherim vor, weil sie in Verbindung mit dem göttlichen Namen gewisse abergläubische Vorstellungen hatten und um einen Anthropomorphismus, d. h. eine Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Gott, zu vermeiden. (Siehe JEHOVA [Aus Aberglauben verschwiegen].) Die Abschreiber, die Jahrhunderte nach den Tagen Jesu unter dem Namen Massoreten bekannt wurden, berücksichtigten die von den Sopherim früher vorgenommenen Änderungen und vermerkten sie am Rand oder am Schluss des hebräischen Textes. Diese Vermerke wurden als Massora bekannt. An 15 Stellen des hebräischen Textes haben die Sopherim gewisse Buchstaben oder Wörter mit außerordentlichen Punkten (Puncta extraordinaria) gekennzeichnet. Die Bedeutung dieser außerordentlichen Punkte ist umstritten.
In bedeutenden hebräischen Handschriften findet sich in der Massora, d. h. dem Kleingeschriebenen am Rand oder am Schluss des Textes, gegenüber einer Anzahl von Stellen folgender Vermerk: „Dies ist eine der achtzehn Verbesserungen der Sopherim“ oder ähnliche Worte. Diese Verbesserungen (Emendationen) wurden offenbar vorgenommen, weil der ursprüngliche Text Missachtung vor Jehova Gott oder Respektlosigkeit seinen irdischen Vertretern gegenüber zu verraten schien. Diese Verbesserungen wurden sicherlich in guter Absicht vorgenommen, dennoch waren das unberechtigte Änderungen des Wortes Gottes. Eine Liste der Stellen, die von den Sopherim verbessert wurden, ist im Anhang der Neuen-Welt-Übersetzung (S. 1633) zu finden.
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Schriftgelehrter, SchreiberEinsichten über die Heilige Schrift, Band 2
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Abschreiber der Christlichen Griechischen Schriften. Der Apostel Paulus gab in seinem Brief an die Kolosser die Anweisung, diesen Brief auch in der Versammlung der Laodicener vorzulesen und ihn gegen den, den die Laodicener erhielten, auszutauschen (Kol 4:16). Bestimmt hatten alle Versammlungen den Wunsch, sämtliche an die Versammlungen gerichteten Briefe der Apostel und der anderen Glieder der leitenden Körperschaft zu lesen; daher wurden zum späteren Nachlesen und zur weiteren Verbreitung Abschriften gemacht. Die alten Sammlungen der Paulusbriefe (Abschriften der Originale) beweisen, dass zahlreiche Abschriften gemacht und verbreitet wurden.
Gemäß den Bibelübersetzern Hieronymus (4. Jahrhundert u. Z.) und Origenes (3. Jahrhundert u. Z.) soll Matthäus sein Evangelium in Hebräisch geschrieben haben. Es war in erster Linie an die Juden gerichtet. Aber in der Diaspora lebten viele Griechisch sprechende Juden; vielleicht hat Matthäus deshalb später selbst sein Evangelium ins Griechische übersetzt. Markus schrieb sein Evangelium hauptsächlich für die Heiden, was man daran erkennen kann, dass er die jüdischen Bräuche und Lehren erklärt, gewisse Ausdrücke übersetzt, die seine römischen Leser nicht verstanden hätten, sowie an anderen Erklärungen. Sowohl das Matthäus- als auch das Markusevangelium sollten weite Verbreitung finden, daher mussten natürlich viele Abschriften gemacht und in Umlauf gebracht werden.
Die meisten christlichen Abschreiber waren keine berufsmäßigen Abschreiber, aber ihre Hochachtung vor den inspirierten Christlichen Schriften und ihre große Wertschätzung dafür veranlassten sie, sorgfältig zu arbeiten. Ein charakteristisches Beispiel für die Arbeit dieser frühchristlichen Abschreiber ist der Papyrus Rylands 457, das älteste vorhandene Fragment der Christlichen Griechischen Schriften. Es ist auf der Vorder- und der Rückseite beschrieben, enthält ungefähr 100 Buchstaben in Griechisch und soll aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts u. Z. stammen (BILD, Bd. 1, S. 323). Von dieser Handschrift wird gesagt, sie könne als eine sorgfältige Arbeit bezeichnet werden, obwohl sie den Eindruck eines zwanglosen Schriftwerkes erweckt und nicht den Anspruch erhebt, schön geschrieben zu sein. Interessanterweise stammt dieses Fragment aus einem Kodex, der sehr wahrscheinlich das ganze Johannesevangelium, etwa 66 Blätter oder insgesamt vielleicht 132 Seiten, enthielt.
Die Chester-Beatty-Bibelpapyri stellen noch ein umfangreicheres Zeugnis dar, allerdings stammen sie aus einer späteren Zeit. Sie bestehen aus Teilen von 11 griechischen Kodizes, die zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert u. Z. entstanden sind. Sie enthalten Teile von 9 hebräischen und 15 christlichen Bibelbüchern. Sie sind ziemlich repräsentativ, weil darin eine Vielfalt von Schreibstilen vorkommt. Von einem Kodex wird gesagt, er sei „die Arbeit eines guten Berufsabschreibers“. Von einem anderen heißt es: „Geschrieben ist er sehr korrekt, und obwohl nicht gesagt werden kann, er sei in Schönschrift geschrieben, ist er doch das Werk eines qualifizierten Abschreibers.“ Und von noch einem anderen wird gesagt: „Die Schrift ist einfach, aber im Allgemeinen korrekt“ (Frederic Kenyon, The Chester Beatty Biblical Papyri: Descriptions and Texts of Twelve Manuscripts on Papyrus of the Greek Bible, London 1933, Fasciculus I, Allgemeine Einführung, S. 14; 1933, Fasciculus II, Die Evangelien und die Apostelgeschichte, Text, S. ix; 1936, Fasciculus III, Offenbarung, Vorwort).
Wichtiger als diese Merkmale ist jedoch ihr Inhalt. Im Großen und Ganzen bestätigen sie die Pergamenthandschriften aus dem vierten Jahrhundert, Repräsentanten des „neutralen Textes“, die von Textkritikern wie Westcott und Hort am höchsten bewertet werden; zu diesen zählen der Codex Vaticanus (Hs. 1209) und der Codex Sinaiticus. Ferner enthalten diese Papyri keine der auffallenden Interpolationen oder Änderungen, die man in gewissen Pergamenthandschriften findet, welche man – vielleicht irrtümlich – als Vertreter des „westlichen Textes“ bezeichnet hat.
Es gibt Tausende von Handschriften, besonders vom vierten Jahrhundert u. Z. an. Die Gelehrten, die diese Handschriften sorgfältig studieren und vergleichen, stellen fest, dass sie mit der allergrößten Sorgfalt abgeschrieben wurden. Einige von ihnen haben, gestützt auf diese Vergleiche, Rezensionen oder Kollationen angefertigt. Solche Rezensionen bilden die Grundtexte unserer heutigen Übersetzungen. Die Gelehrten Westcott und Hort schreiben, dass „das, was man als wesentliche Varianten bezeichnen kann, nur ein winziger Teil der übrigen Varianten ist und kaum mehr als ein Tausendstel des ganzen Textes bildet“ (New Testament in the Original Greek, Graz 1974, Bd. II, S. 2). Sir Frederic Kenyon schrieb über die Chester-Beatty-Papyri: „Der erste und wichtigste Schluss, den man aus der Untersuchung [der Papyri] ziehen kann, ist die befriedigende Tatsache, dass sie die wesentliche Korrektheit der vorhandenen Texte bestätigen. Weder im Alten noch im Neuen Testament ist eine auffallende oder grundlegende Abweichung festzustellen. Es gibt keine bedeutenden Auslassungen oder Zusätze und auch keine Abweichungen, die wesentliche Tatsachen oder Lehren betreffen. Die Textabweichungen sind geringfügiger Art und betreffen z. B. nur die Wortfolge oder die Genauigkeit der verwendeten Wörter“ (Fasciculus I, Allgemeine Einführung, S. 15).
Aus mehreren Gründen ist heute von der Arbeit der frühesten Abschreiber nicht mehr viel übrig. Viele ihrer Bibelabschriften wurden in der Zeit vernichtet, in der Rom die Christen verfolgte. Auch wurden sie durch Gebrauch verschlissen. Ferner trug das heiße, feuchte Klima an manchen Orten dazu bei, dass sie rasch unbrauchbar wurden. Und als die Berufsabschreiber im vierten Jahrhundert u. Z. nicht mehr auf Papyrus, sondern auf Pergament schrieben, schien es nicht mehr erforderlich zu sein, die alten Papyrushandschriften aufzubewahren.
Die Tinte, die die Abschreiber benutzten, war eine Mischung aus Ruß und Gummi, aus der man Klümpchen machte, die dann der Schreiber mit Wasser anrührte. Die Feder war aus Rohr. Wenn die Spitze im Wasser aufgeweicht wurde, glich sie einem Pinsel. Man schrieb auf Leder- oder Papyrusrollen. Später kam der Kodex in Gebrauch; man beschrieb Blätter, die dann gebunden und häufig mit Holzdeckeln versehen wurden.
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