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Wie groß ist die Gefahr des Alkoholmißbrauchs?Erwachet! 1978 | 8. April
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Wie groß ist die Gefahr des Alkoholmißbrauchs?
Noch nie haben so viele Leute Probleme mit Alkoholika gehabt wie heute. In der ganzen Welt gibt es Millionen, die alkoholabhängig geworden sind und sich langsam zugrunde richten. Aber durch den Alkoholmißbrauch gefährden sie nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern sie beeinträchtigen dadurch auch das Leben von Millionen Menschen, die keine Trinkprobleme haben.
DAS Wort „mißbrauchen“ bedeutet „von einer Sache nicht den richtigen Gebrauch machen, zu dem man verpflichtet ist, sondern sie in schädlicher Weise verwenden“. Aber es ist nicht notwendig, etwas für jedermann zu verbieten, nur weil es mißbraucht wird.
Bei Personen, die mäßig Alkohol trinken und sich in der Gewalt haben, treten gewöhnlich keine nachteiligen Folgen auf. Trinkt aber jemand übermäßig, ist man berechtigt, von einem Alkoholmißbrauch zu sprechen. Dieser hat sowohl für den Trinkenden als auch für andere schwere, ja tödliche Folgen.
Wie die Bibel zeigt, besteht kein Grund, den Genuß von Alkoholika zu verurteilen. Zum Beispiel lesen wir darin, daß Gott für die Menschheit eine glückliche Zeit herbeiführen wird, in der er unter anderem „ein Festmahl von Gerichten, reich an Öl ..., ein Festmahl von Hefenweinen“ bereiten wird (Jes. 25:6). Der Schöpfer würde den Wein sicherlich nicht als Sinnbild der Freude benutzen, wenn es dem Menschen nicht erlaubt wäre, Wein zu trinken. Von Jesus Christus wird berichtet, daß er auf einer Hochzeit „vortrefflichen Wein“ machte, was zeigt, daß der Genuß eines solchen Getränks zu bestimmten Zeiten angebracht sein kann (Joh. 2:1-10).
Welche Leute gehören zu den Alkoholikern?
Unter einem Alkoholiker stellt man sich gewöhnlich eine Person vor, die sinnlos betrunken auf dem Bürgersteig liegt. Aber das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Rund 95 Prozent der Personen, die ernste Trinkprobleme haben, sind keine unverbesserlichen Trunkenbolde. Auch handelt es sich bei ihnen nicht um einen bestimmten Menschentyp. Es ist ein Querschnitt der Bevölkerung: Leute, die berufstätig sind, einen Haushalt führen, Kinder großziehen.
Alkoholabhängige gibt es in allen Altersgruppen. Am stärksten nimmt die Zahl jedoch unter den Jugendlichen zu, aber auch unter den Frauen wächst die Zahl der Abhängigen. Besonders bedauerlich ist es, daß immer mehr Kinder dem Alkohol verfallen.
Natürlich ist jemand, der sich gelegentlich betrinkt, nicht unbedingt ein Alkoholiker. Jemand mag z. B. bei einem bestimmten Anlaß zuviel trinken und die Herrschaft über seine Sinne verlieren. Doch später passiert ihm das nie mehr, weil er sich sehr gut in der Gewalt hat.
Personen jedoch, die ein ausgesprochenes Trinkproblem haben, weisen folgendes gemeinsame Symptom auf: Sie sind mehr oder weniger alkoholabhängig. Sie möchten nicht ohne Alkohol sein, ja sie haben sogar das Gefühl, nicht mehr darauf verzichten zu können.
Außerdem haben sie gemeinsam, daß ihre Alkoholabhängigkeit schwere seelische, körperliche, wirtschaftliche oder soziale Schäden zur Folge hat.
Eine wachsende Gefahr
In der Zeitschrift Weltgesundheit (Magazin der Weltgesundheitsorganisation) hieß es: „An jedem beliebigen Maßstab gemessen, müssen alkoholbedingte Schäden als einer der größten Komplexe gesundheitlicher Probleme in der Welt gelten, wobei in den meisten Gebieten ihre Häufigkeit zunimmt, manchmal in explosiver Geschwindigkeit.“
In den Vereinigten Staaten beträgt die Zahl der vom Alkohol abhängigen Personen schätzungsweise 10 Millionen — eine Steigerung von mehreren Millionen in den letzten Jahren. Millionen weiterer Amerikaner entwickeln unvernünftige Trinkgewohnheiten, die zu Alkoholismus führen könnten.
Die Gefahr des Alkoholmißbrauchs sollte nicht belächelt werden. Er ist eine absolut reale Gefahr für das Leben und das Glück der Menschen. Ein Fahrzeugführer zum Beispiel, der unter Alkoholeinfluß steht, kann sein eigenes und das Leben anderer gefährden. Allein in den Vereinigten Staaten kommen jedes Jahr schätzungsweise 25 000 Personen bei alkoholbedingten Verkehrsunfällen ums Leben. Das ist ungefähr die Hälfte der Verkehrstoten. Und rund 500 000 Personen werden bei Unfällen, die durch alkoholisierte Fahrer verursacht werden, verletzt. Bei dem größten Teil der unter Alkoholeinfluß stehenden Fahrer handelt es sich nicht um „soziale Trinker“, sondern um „Problemtrinker“. (Die Meinung wird vertreten, für das Problemtrinken sei folgendes charakteristisch: häufiges Betrunkensein, Sauftouren, Wirkungstrinken, psychologische Abhängigkeit und Störungen des normalen Sozialverhaltens.)
Eine in Kalifornien durchgeführte Studie ergab, daß von 1 000 tödlich verunglückten Autofahrern 65 Prozent der schuldigen Fahrer unter Alkoholeinfluß gestanden hatten.
Außerdem finden in den USA jedes Jahr etwa 20 000 Personen bei anderen alkoholbedingten Unfällen den Tod. Fast zwei Drittel aller Morde und knapp ein Drittel aller Selbstmorde sind alkoholbedingt; dasselbe gilt für die Hälfte derer, die verbrennen oder ertrinken; und Tausende sterben an alkoholbedingten Krankheiten.
Die Zahl der Personen, die in den Vereinigten Staaten zufolge von Alkoholmißbrauch jedes Jahr getötet oder verletzt werden, liegt weit höher als die Zahl der in einem Jahr des Vietnamkrieges Verletzten und Getöteten. Nach Berichten des amerikanischen Bundeskriminalamtes erfolgen über 40 Prozent aller Verhaftungen aufgrund von alkoholbedingten Delikten.
In den Vereinigten Staaten ist das Trinken ein so verbreitetes Übel geworden, daß etwa jeder fünfte der befragten Amerikaner antwortete, auch in seiner Familie bilde der Alkohol ein Problem. Für viele ist er ein sehr großes Problem. Das zeigt die Tatsache, daß jetzt etwa 20 Prozent der amerikanischen Bevölkerung die Rückkehr zur Prohibition befürworten.
Der Alkoholmißbrauch stellt noch in einer anderen Weise eine Gefahr dar. Dr. Fritz Henn, Professor der Psychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität von Iowa, sagte: „Unsere Studien und auch die Studien anderer lassen erkennen, daß der Alkohol bei einer großen Zahl von Vergewaltigungen und Kindesbelästigungen eine Rolle spielt. Bei beiden Delikten ist er wahrscheinlich das am häufigsten wiederkehrende Merkmal.“
Ungefähr jeder zehnte berufstätige Amerikaner ist bis zu einem gewissen Grad alkoholabhängig. Die Verluste, die dadurch der amerikanischen Wirtschaft jährlich zufolge von Krankheit, Absentismus, verminderter Leistungsfähigkeit und von Unfällen erwachsen, werden auf etwa 25 Milliarden Dollar geschätzt. „Durch Alkoholabhängigkeit wird der Industrie mehr Schaden zugefügt als durch alle übrigen Krankheiten zusammen“, schrieb die Zeitschrift U.S. News & World Report.
In der Sowjetunion wird die Bevölkerung ständig durch die Presse daran erinnert, daß der Alkoholmißbrauch zu einem großen Teil verantwortlich ist für die Verbrechen, die Verkehrsunfälle, die Ehescheidungen, den Absentismus, die Jugendkriminalität und den Tod durch Ertrinken. Die Regierung hat den Preis für Alkoholika hinaufgesetzt, um des wachsenden Alkoholismus Herr zu werden.
In Frankreich gilt der Alkoholismus als Problem Nr. 1. In der Stadt Lille sagte ein Richter, daß die meisten scheidungswilligen Frauen als Scheidungsgrund Alkoholismus des Mannes angeben würden. In Brest erklärte ein Polizeichef: „Ich bin erschüttert über die vielen Fälle von Alkoholismus, die es bei uns gibt, dabei ist die Dunkelziffer wahrscheinlich noch weit höher.“ In Frankreich sind 60 Prozent der Betriebsunfälle alkoholbedingt.
In einem südamerikanischen Land erklärte ein hoher Beamter, daß dort der Alkohol „die gefährlichste Volksdroge“ geworden sei. Ähnliches wird aus vielen anderen Ländern berichtet.
Zweifellos verbreitet sich in vielen Ländern der Welt die Seuche des Alkoholmißbrauchs mit unheimlicher Schnelligkeit. Aber warum und wie entwickelt sich ein Mensch zum Alkoholiker? Wie kann man erkennen, daß jemand alkoholabhängig wird oder es bereits geworden ist? Wie kann man Personen, die ernste Trinkprobleme haben, helfen?
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Was führt zur Alkoholabhängigkeit?Erwachet! 1978 | 8. April
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Was führt zur Alkoholabhängigkeit?
WARUM kommt es zur Alkoholabhängigkeit? Gibt es Früherkennungszeichen dafür, daß jemand in Gefahr ist, Alkoholiker zu werden?
Der unmittelbare Grund für den Alkoholismus ist natürlich der Alkohol selbst. Würde kein Alkohol getrunken, geriete niemand in Abhängigkeit davon.
Doch heutzutage ist es fast überall ein leichtes, Alkoholika zu bekommen, und vermutlich wird sich das auch nicht ändern. Außerdem möchten die meisten Leute nicht, daß man ihnen das Recht abspricht, selbst zu entscheiden, ob sie Alkohol trinken oder nicht. In vielen Ländern ließe sich dieses Problem wahrscheinlich auch durch ein Verbot der Alkoholherstellung und -abgabe nicht lösen. Ein Beispiel dafür ist die Zeit der Prohibition in den Vereinigten Staaten.
Das einzige, was hilft, ist eine Erziehung zur Beherrschung der Trinkgewohnheiten. Doch nur wenige, die ernste Trinkprobleme haben, vermuteten jemals, ihren Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle halten zu können. Es gibt sogar viele Alkoholabhängige, die nicht glauben oder es nicht wahrhaben wollen, daß sie abhängig sind.
Die ersten Anzeichen
Der unverbesserliche Trunkenbold ist natürlich ganz offensichtlich alkoholabhängig und ohne weiteres als das zu erkennen. Aber in vielen Fällen ist der Alkoholiker für Außenstehende nicht ohne weiteres als solcher zu erkennen, besonders wenn er sich im Anfangsstadium befindet; sogar der Alkoholiker selbst mag nicht merken, daß er bereits abhängig geworden ist.
Es gibt indessen deutliche Anzeichen für eine Neigung zum Alkoholismus oder für den eigentlichen Alkoholmißbrauch. Wenn sich jemand ehrlich eine Anzahl Fragen beantwortet, kann er vielfach schnell feststellen, ob er in der Gefahr steht, sich zum Alkoholiker zu entwickeln, oder ob er es bereits ist.
Organisationen wie die Anonymen Alkoholiker (A.A.) haben die Erfahrung gemacht, daß jemand, der nur drei der folgenden Fragen mit Ja beantworten muß, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bereits ein Problemtrinker ist.
1. Trinken Sie jetzt häufiger als früher, und steigern Sie die Menge?
2. Genehmigen Sie sich täglich einige Gläser oder wenigstens an mehreren Tagen der Woche?
3. Ist Ihr Trinken Ihrem Ruf abträglich?
4. Ärgert es Sie, wenn Sie jemand wegen Ihres Trinkens zur Vorsicht mahnt?
5. Trinken Sie, um Sorgen oder Konflikte zu vergessen?
6. Trinken Sie manchmal hastig anstatt Schluck für Schluck?
7. Haben Sie gelegentlich ein unwiderstehliches Verlangen nach Alkohol?
8. Trinken Sie oft allein?
9. Hat Ihr Trinken schon zu Schwierigkeiten geführt, zum Beispiel mit Ihren Angehörigen?
10. Verteidigen Sie Ihr Trinken mit dem Hinweis, Sie könnten jederzeit damit aufhören, hören aber doch nicht auf?
11. Haben Sie versucht, zeitweise völlig abstinent zu leben, zum Beispiel einen Monat lang, haben es aber nicht geschafft?
12. Vernachlässigen Sie Ihre äußere Erscheinung; werden Sie beispielsweise zufolge des Trinkens immer dicker, trinken aber dennoch weiter?
13. Hat Ihr Trinken bewirkt, daß Ihnen Ihre Gesundheit und Ihre Arbeit gleichgültig sind, daß Sie leichtfertig Geld ausgeben oder daß Sie kein Interesse mehr am Wohl Ihrer Familie haben?
14. Suchen Sie nach Gelegenheiten, an einem geselligen Beisammensein teilzunehmen, oder veranstalten Sie selbst Parties, um einen Grund zum Trinken zu haben?
15. Bewahren Sie sich in einem Versteck Alkohol auf, um trinken zu können, wenn es niemand sieht?
Wenn man nur einige dieser Fragen mit Ja beantworten muß, mag das bedeuten, daß man auf dem besten Weg ist, Alkoholiker zu werden. Muß man viele Fragen bejahen, bedeutet es, daß man bereits bis zu einem gewissen Grad dem Alkohol verfallen ist.
Aber warum fängt ein Mensch an zu trinken? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Viele Faktoren
Es ist schwierig, einen einzelnen Faktor innerer oder äußerer Art zu nennen, der zur Entstehung der Alkoholabhängigkeit führt. Körper, Geist und Gemüt des Menschen sind äußerst kompliziert. Und die Leute unterscheiden sich stark voneinander in bezug auf ihre geistige, seelische und körperliche Beschaffenheit.
Sogar die Körpergröße spielt eine Rolle. Der Körper eines großen Menschen enthält mehr Wasser als der eines kleinen. Alkohol wird durch Wasser verdünnt. Deshalb verträgt gewöhnlich ein kleiner Mensch weniger Alkohol als ein großer.
Ferner hat es sich gezeigt, daß der eine, der anfängt, Alkohol zu trinken, schließlich süchtig wird, während der andere, der sich in der gleichen Lage befindet, dem Alkohol nicht verfällt, obschon sämtliche Faktoren wie Körpergröße, Vergangenheit, Probleme, Streßsituationen und Trinkgewohnheiten bei beiden anscheinend ähnlich sind. Man kann also nicht sagen, daß ein bestimmtes Problem, eine bestimmte seelische Veranlagung, bestimmte Kindheitserlebnisse oder eine bestimmte kulturelle Umgebung automatisch zum Alkoholismus führt.
Es gibt jedoch Faktoren, die für eine höhere Zahl von Alkoholikern verantwortlich sind. In einer Gesellschaft zum Beispiel, in der das Trinken allgemein üblich ist und in der der Verkauf von Alkoholika durch die Werbung gefördert wird — eine Werbung, die zeigt, daß Alkohol einfach zu gesellschaftlichen Anlässen und zu einem guten Essen gehört —, werden mehr Leute zum Trinken angeregt. Und wenn starkes Trinken oder gar Trunkenheit nicht nur als etwas Übliches, sondern manchmal sogar als etwas Amüsantes dargestellt wird, verliert der Alkoholismus etwas von dem Stigma, das ihm sonst anhaftet.
In einer solchen Umgebung, besonders bei gesellschaftlichen Anlässen, läßt man es denjenigen, der nicht mittrinkt, fühlen, daß er eine Art Spielverderber ist, sozusagen ein Außenseiter. Personen, die Trinkprobleme haben und deshalb versuchen, abstinent zu leben, mögen immer wieder zum Trinken aufgefordert werden.
Auch wirtschaftliche Faktoren können eine Rolle spielen. Unter der armen Bevölkerung, insbesondere in den Großstädten der Industrieländer, ist der Alkoholmißbrauch ein großes Problem. Armut kann ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit hervorrufen, und die beruhigende Wirkung des Alkohols kann vorübergehend über die harte Wirklichkeit hinweghelfen.
Andererseits hat der Wohlstand in einigen Ländern einen Anstieg des Alkoholverbrauchs unter der Bevölkerung, die dem Mittelstand und dem gehobenen Mittelstand angehört, gebracht. Auch Streß am Arbeitsplatz und sozialer Druck führen zu vermehrtem Trinken. Eine Studie über die Trinkgewohnheiten von 8 000 leitenden Angestellten in Amerika ergab, daß 27 Prozent sehr starke Trinker waren, daß sie im Durchschnitt täglich — an sieben Tagen der Woche — 0,17 Liter Alkohol tranken. Aus Japan wird berichtet, daß etwa 60 Prozent aller Personen in leitender Stellung Trinkprobleme haben. Und in den reicheren Ländern werden immer mehr Hausfrauen Alkoholikerinnen.
Ehe- und Familienprobleme sind oft ein Grund, warum einer der Ehegatten oder beide zur Flasche greifen, in dem Bemühen, ihr Leid zu vergessen. Auch Vereinsamung, Enttäuschungen, Angst vor der Zukunft, mangelndes Selbstvertrauen, ja sogar der Tod eines Angehörigen kann zu Alkoholmißbrauch führen.
Aber Leute, die trinken, um ihre Probleme, ihre Angst oder ihre Depressionen loszuwerden, haben hinterher nur noch größere Probleme, größere Angst oder größere Depressionen.
Das Trinkverhalten der Jugendlichen
Ein Ärzteteam schrieb in der New York Times: „Besonders beunruhigend in unserer Zeit ist die wachsende Zahl von Jugendlichen, die zur Flasche greifen, und die rapide Zunahme des allgemeinen Alkoholmißbrauchs, des Alkoholismus und der Mehrfachabhängigkeit.“
Das hauptsächliche Gesundheitsproblem der jungen Leute in den Vereinigten Staaten ist der Alkoholismus. Er bildet eine weit schlimmere Bedrohung als die Abhängigkeit von „harten“ Drogen wie Heroin. Ein Regierungsbeamter bezeichnete ihn als ein „verheerendes Problem ..., das epidemische Ausmaße erreicht hat“.
Eine statistische Erhebung ergab, daß in den USA etwa ein Drittel der Oberschüler Trinkprobleme haben. Und jetzt gibt es sogar Kinder, die alkoholabhängig sind.
Forscher der Universität Kiel erklärten, daß ein Sechstel der deutschen Jugend im Alter von 10 bis 18 Jahren vom „Alkoholismus bedroht ist“. Auch in anderen Ländern, in denen der Alkoholismus immer stärker überhandnimmt, hat sich der Jugendalkoholismus zu einem Problem entwickelt.
Über eine direkte Folge davon konnte man in der in Boston erscheinenden Zeitung Sunday Globe lesen: „Tödliche, durch angetrunkene jugendliche Fahrer verschuldete Verkehrsunfälle sind, seitdem die Altersgrenze für den Genuß von Alkohol herabgesetzt worden ist, um das Dreifache gestiegen.“
Warum greifen immer mehr Jugendliche zur Flasche? Ein Grund ist der „Peer-group“-Einfluß. „Alle meine Freunde trinken“, lautete die typische Erklärung eines Jugendlichen. Ein anderer sagte: „Ich wollte kein ,Spießer‘ sein, deshalb fing ich an zu trinken.“
Viele Jugendliche trinken aus denselben Gründen wie Erwachsene. So sagte einer: „Wenn ich trinke, bin ich glücklich. Der Alkohol trägt dazu bei, daß ich in Stimmung komme.“ Andere Gründe, die Jugendliche angeben, sind folgende: weil ihnen das Leben langweilig erscheint; weil sie zu Hause oder in der Schule Probleme haben; weil sie sich in einer kalten und ungewissen Welt vor der Zukunft fürchten.
Der häufigste Grund aber, den junge Leute für ihre Trinkgewohnheiten angeben, ist der Einfluß der Eltern und der übrigen Erwachsenen. In dem Buch Teen-Age Alcoholism wird gesagt: „Auf die Trinkgewohnheiten üben die Eltern den größten Einfluß aus, obschon auch der Einfluß der ,Peer-group‘ wichtig ist.“ In der Bundesrepublik hat man festgestellt, daß die Kinder aus Familien, in denen der Vater viel trinkt, ebenfalls häufiger trinken.
Aber es gibt auch eine große Zahl von Eltern, die nur mäßig trinken. Und sie erlauben den Kindern erst, wenn sie alt genug sind, um mit Alkohol vernünftig umgehen zu können, einigermaßen regelmäßig etwas Alkoholisches zu trinken. Studien haben ergeben, daß aus solchen Familien nur halb so viele Jugendliche eine Neigung zum Alkoholismus entwickeln wie aus Familien, in denen die Eltern selbst starke Trinker sind.
In einer Gesellschaft, in der es Sitte ist, daß die Erwachsenen Alkohol trinken, ahmen viele Jugendliche deren Beispiel nach. So erklärte ein Jugendlicher, der sich im Fernsehen Wildwestfilme angesehen hatte: „In diesen Filmen tranken die Männer Whiskey. Ich begann Whiskey zu trinken, um so hart zu werden wie sie.“
Man erntet, was man sät. In einer Gesellschaft, in der starkes Trinken toleriert wird und in der Millionen von Erwachsenen alkoholabhängig sind, werden auch mehr Jugendliche süchtig.
Wie wir gesehen haben, können viele Faktoren zur Entstehung der Alkoholabhängigkeit führen, doch was geht im Organismus eines Menschen vor sich, so daß er süchtig wird? Wie sehen die Folgen aus?
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
Es gibt viele Alkoholabhängige, die nicht glauben oder es nicht wahrhaben wollen, daß sie abhängig sind.
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
Leute, die trinken, um ihre Probleme, ihre Angst oder ihre Depressionen loszuwerden, haben hinterher nur noch größere Probleme, größere Angst oder größere Depressionen.
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
In einer Gesellschaft, in der starkes Trinken toleriert wird und in der Millionen von Erwachsenen alkoholabhängig sind, werden auch mehr Jugendliche süchtig.
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Folgen der AlkoholabhängigkeitErwachet! 1978 | 8. April
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Folgen der Alkoholabhängigkeit
WER nur gelegentlich und nur wenig trinkt, wird selten alkoholabhängig. Es gibt ganz wenige Leute, die überhaupt keinen Alkohol vertragen.
Die meisten Alkoholiker sind süchtig geworden, weil sie jahrelang zuviel getrunken haben. Es ist ganz sicher, daß das Risiko, alkoholabhängig zu werden, größer wird, je mehr man trinkt.
Arten der Abhängigkeit
Alkoholabhängig zu sein bedeutet, süchtig zu sein. Eine Art der Abhängigkeit oder Sucht ist die psychische Abhängigkeit. Das ist eine geistige oder emotionale Abhängigkeit.
Bei der psychischen Abhängigkeit empfindet der Mensch ein schwer bezwingbares Verlangen nach Alkohol, um seine Unlustgefühle zu verscheuchen. Er hat nicht den Mut, ohne die Krücke Alkohol dem Leben und seinen Problemen gegenüberzutreten. Allerdings besteht noch keine körperliche Abhängigkeit.
Aber die psychische Abhängigkeit führt oft zur körperlichen Abhängigkeit. Dann verlangen nicht mehr nur Geist und Emotionen nach Alkohol, sondern auch der Körper.
Jahrelanger Alkoholmißbrauch hat chemische Veränderungen im Körper zur Folge. Die Zellen und Gewebe werden buchstäblich vom Alkohol abhängig, und mit der Zeit funktionieren sie ohne Alkohol nicht mehr richtig. Diese körperlichen Veränderungen behindern die Selbstbeherrschung, so daß der Alkoholabhängige ein unbezähmbares Verlangen nach Alkohol verspürt.
Während er meint, die Bedürfnisse seines Körpers durch starkes Trinken zu befriedigen, schafft er tatsächlich die Voraussetzungen für seinen Zusammenbruch. Wenn er weiter trinkt, wird seine Sucht früher oder später zu schweren Organschäden führen und seine Lebenserwartung sicherlich verkürzen.
Man weiß noch nicht genau, warum es zu einer körperlichen Abhängigkeit kommt. Zu den Gründen, die angenommen werden, gehören folgende: Allergie gegenüber dem Alkohol; anomaler Zuckermetabolismus; mangelhafte Hormonabsonderung der Schilddrüse, der Hypophyse oder der Nebennieren; ein Mangel an Vitaminen, Mineralien, Enzymen oder Nährstoffen zufolge einer Fehlernährung oder einer Stoffwechselstörung; Leberfunktionsstörung und ein funktionsgestörter Hypothalamus, der ein unwiderstehliches Verlangen nach Alkohol hervorruft.
Wie lange dauert es, bis ein gewohnheitsmäßiger starker Trinker körperlich vom Alkohol abhängig wird? Meistens dauert es eine Reihe von Jahren. Es gibt Personen, die erst süchtig werden, nachdem sie zwanzig bis dreißig Jahre stark getrunken haben; bei anderen dauert es nur zehn Jahre, bei einigen nur drei bis fünf Jahre, und einzelne werden sozusagen von Anfang an süchtig.
Das Leben eines Alkoholikers wird besonders dann immer stärker beeinträchtigt, wenn es zu einer körperlichen Abhängigkeit kommt. Seine Leistungen lassen zu wünschen übrig, und sein Arbeitgeber merkt es. Zufolge von „Krankheit“ bleibt er immer häufiger dem Arbeitsplatz fern. Seine Selbstachtung schwindet, und sein Verhältnis zu anderen leidet immer mehr.
Er mag versuchen, das zu kompensieren, indem er übermäßig freigebig ist und Geld mit vollen Händen ausgibt, wodurch er aber in Schulden gerät. Wegen seiner Gereiztheit und weil es schwierig ist, mit ihm auszukommen, gerät er in immer größere soziale Isolation.
Schließlich verliert er Arbeit, Freunde und Familie. Das Trinken ist ihm wichtiger als alles andere, auch als das Essen. Er vernachlässigt seine äußere Erscheinung, seine Gesundheit und seine Pflichten.
In der Zeitschrift Weltgesundheit hieß es: „Ein Alkoholiker, der ständig weiter trinkt, schafft rund um seine eigene Abhängigkeit immer neue Schäden, und seine Lebenserwartung wird sicherlich verkürzt sein.“
Körperliche Schäden
Alkohol enthält zwar keine Vitamine, Mineralien oder Proteine, aber Kalorien. Wer also viel trinkt, kann, obschon er nicht richtig ernährt sein mag, das Gefühl haben, satt zu sein, und er mag zunehmen. Da sich der Alkoholiker vielfach nicht mehr für das Essen interessiert, mag sein Körper zufolge von Unterernährung für Krankheiten anfälliger werden.
Alkoholmißbrauch schädigt die Magenwände und den Dünndarm, verursacht Entzündungen und Geschwüre. Die Magenmuskeln können ihren Tonus verlieren, die Verdauung wird behindert, und Übelkeit stellt sich ein.
Auf den Bahamainseln, wo, wie die Zeitung Physician’s Alcohol Newsletter schreibt, der „Alkoholismus das Problem Nr. 1 der Gesundheitsfürsorge“ ist, sollen viele an dem sogenannten „Trinkerfuß“ leiden. Dieser Zustand — chronische Geschwürbildung und Brand — erfordert gelegentlich eine Amputation.
Eine besonders gefährliche Folge übermäßigen Trinkens ist die Leberzirrhose. Diese Erkrankung zählt zu den häufigsten Todesursachen bei der Altersgruppe von 25 bis 40 Jahren. Aus amtlichen Statistiken geht hervor, daß in Frankreich in einem Jahr über 22 000 Personen an Leberzirrhose gestorben sind. In den Vereinigten Staaten sind in dem letzten Jahrzehnt doppelt so viele Personen an Leberzirrhose gestorben wie in dem Jahrzehnt davor — größtenteils eine Folge des stärkeren Alkoholkonsums der Bevölkerung. In Dänemark stieg die Zahl der Todesfälle zufolge von Leberzirrhose im Laufe von drei Jahren um 40 Prozent. Auch in diesem Land ist der erhöhte Alkoholgenuß die Ursache. In Italien hat sich die Zahl dieser Todesfälle in den vergangenen elf Jahren verdoppelt.
Dr. Frank A. Seixas, medizinischer Leiter des Nationalrates für Alkoholismus in den Vereinigten Staaten, sagte: „Zum erstenmal erhalten wir medizinische Daten, die die Beobachtungen der Ärzte, die man jahrelang in Abrede gestellt hatte, bestätigen: Zwischen dem Alkoholismus und der Leberzirrhose besteht eine enge Beziehung.“
Bei einem Versuch ernährte Dr. Charles Lieber (New York) eine Gruppe freiwilliger Versuchspersonen achtzehn Tage lang mit einer vorzüglichen Kost. In dieser Zeit genehmigte sich jede täglich sechs „Drinks“, insgesamt 0,29 Liter 43prozentigen Whiskey. Man merkte, daß die Betreffenden unter Alkoholeinfluß standen, konnte aber von keiner Person sagen, sie sei so betrunken, daß sie ihrer Sinne nicht mehr mächtig sei. Aber schon nach wenigen Tagen zeigten sich bei allen deutlich beginnende Leberschäden.
Gewohnheitsmäßiges starkes Trinken ist auch die Ursache verschiedener Herzleiden — in einigen Ländern Todesursache Nr. 1. Durch übermäßigen Alkoholgenuß kann es sogar zu einer Lähmung der Herznerven und dadurch zu Herzversagen kommen. Er kann auch das Atemzentrum im Gehirn lähmen und so bewirken, daß sich die Atmung verlangsamt und vielleicht sogar ganz aufhört.
Gehirnschaden
Bei langzeitigem Alkoholmißbrauch werden auch die Gehirnzellen zerstört. Und der Körper vermag diese Zellen nicht in der Weise zu ersetzen, wie er andere Zellen ersetzt.
Bei der Öffnung von Leichen chronischer Alkoholiker hat man festgestellt, daß viele ihrer Gehirnzellen zerstört waren. Ein solcher Gehirnschaden kann verschiedene Geisteskrankheiten — zum Beispiel Paranoia (eine Form von Geistesgestörtheit, die sich durch Verfolgungswahn äußert) und Schizophrenie (Persönlichkeitsspaltung) — hervorrufen oder verschlimmern. Aus Frankreich wird zum Beispiel berichtet, daß jedes dritte Bett in den psychiatrischen Kliniken von einem Alkoholiker belegt ist.
In den letzten Stadien des Alkoholismus kommt es häufig zum Delirium tremens. Dieser Zustand tritt ein, wenn der Süchtige keinen oder nur noch ganz wenig Alkohol erhält. Er kann aber auch nach einer ausgedehnten „Sauftour“ eintreten. Zuerst beginnt der Süchtige am ganzen Körper zu zittern. Er hat keinen Appetit, sondern verspürt einen Brechreiz. Er beginnt zu fiebern und bewegt sich unruhig hin und her. Es treten Halluzinationen auf. Er sieht Dinge, die gar nicht vorhanden sind — zum Beispiel Spinnen, Ratten oder Fliegen —, aus den Wänden oder dem Fußboden kommen.
Das Grauen eines solchen Deliriums oder „Wahnsinns“ kann zu Selbstmord führen. Es kann auch eine Demenza hinterlassen oder zum Tod führen. Die Todesrate soll 20 Prozent betragen.
Einen Menschen, der schon längere Zeit Alkoholiker ist, kann man nur vor dem Tod retten, indem man ihn „entgiftet“. Er darf so lange nichts mehr trinken, bis sein Körper alle Spuren von Alkohol ausgeschieden und sich davon erholt hat. Das mag Wochen oder Monate erfordern. Und gewisse Schäden wie Leber- oder Gehirnschäden mögen irreparabel sein.
Bei jungen Menschen treten gesundheitliche Schäden durch übermäßiges Trinken schneller auf als bei älteren. Ihr Körper ist noch nicht ausgewachsen, er ist kleiner, deshalb verträgt ein junger Mensch weniger Alkohol als ein Erwachsener.
Unschuldige Opfer
Die bedauernswertesten Opfer des Alkoholismus sind die Babys. Eine Frau, die während der Schwangerschaft viel trinkt, mag ein Kind zur Welt bringen, das geistig behindert oder körperlich mißgebildet ist — oder beides.
Dr. Jaime Frias, Leiter eines der Universität von Florida angegliederten Instituts für Geburtsschäden, erklärte: „Aus den klinischen Daten, die uns jetzt zur Verfügung stehen, ist ersichtlich, daß eine Frau, die während der Schwangerschaft regelmäßig Alkohol trinkt, mit einer 50prozentigen Wahrscheinlichkeit damit rechnen muß, daß ihr Kind geistig behindert sein wird, und zudem mit einer 30prozentigen Wahrscheinlichkeit, daß es die verschiedensten Mißbildungen haben wird.“
Dr. David W. Smith, Professor für Kinderheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Washington, sagte: „Alkohol ist heute die Hauptursache für Mißbildungen bei menschlichen Embryonen.“
Wie Forscher berichten, ist es schon passiert, daß Kinder „betrunken“ zur Welt gekommen sind. Ihr Blutalkoholwert war höher als der Wert, der vielerorts als ordnungswidrig gilt. Bei einigen Neugeborenen hat man sogar Entzugserscheinungen festgestellt.
Über Schädigungen an Babys berichteten die Detroit News: „Die Ärzte erklären übereinstimmend, daß die Erscheinungen des Syndroms irreparabel sind und daß viele Opfer ihr Leben lang entweder zu Hause oder in Institutionen einer besonderen Pflege bedürfen.“
Was gilt bei einer Schwangeren als „starkes Trinken“? Darin ist man sich nicht einig. Dr. Smith sagt, als starkes Trinken sei eine tägliche Menge von fünf „Drinks“ anzusehen. Als „Drink“ gilt ein „Cocktail, der 0,029 Liter 50prozentigen Whiskey enthält“. Dr. Smith erklärte warnend, daß starker Genuß von Bier oder Wein während der Schwangerschaft die gleichen Folgen hat.
Vor kurzem berichteten die Medical World News: „Jetzt zeigt es sich immer deutlicher, daß auch der mäßige Alkoholgenuß das sich im Mutterleib entwickelnde Kind schädigen kann. Deshalb fordert das Nationalinstitut für Alkoholmißbrauch und Alkoholismus energisch, daß die Regierung einen Aufklärungsfeldzug starte und alle Schwangeren davor warne, mehr als zwei ,Drinks‘ täglich zu genießen.“ Das Institut fügte hinzu, die Beweise seien „absolut überzeugend und auch alarmierend“.
Die Kosten des Alkoholmißbrauchs sind also in jeder Hinsicht unerhört hoch. Und das Problem wird immer schlimmer, weil die Zahl der exzessiven Trinker ständig steigt.
Doch was kann man tun, um zu vermeiden, daß man alkoholabhängig wird? Wie kann man jemandem, der bereits abhängig ist, helfen?
[Fußnote]
a Erworbener Schwachsinn, auf organischen Hirnschädigungen beruhende dauernde Geistesschwäche.
[Bild auf Seite 11]
Eine Schwangere, die längere Zeit Alkoholmißbrauch treibt, kann ihr Kind schwer schädigen.
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Wie man der Gefahr des Alkoholmißbrauchs entgegenwirken kannErwachet! 1978 | 8. April
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Wie man der Gefahr des Alkoholmißbrauchs entgegenwirken kann
AUCH für den Alkoholmißbrauch gilt das Sprichwort: „Vorbeugen ist besser als heilen.“ Es ist viel, viel besser, man wird nicht alkoholabhängig, als daß man es wird und sich nachher mit dem Problem herumschlagen muß.
Mit dem „Vorbeugen“ sollte schon in der Kindheit begonnen werden. Kinder sollten von ihren Eltern die richtige Ansicht über alkoholische Getränke kennenlernen. Die Eltern üben auf ihre Kinder durch das, was sie sagen und tun, einen großen Einfluß aus. Wenn die Eltern selbst nur mäßig trinken, vermitteln sie den heranwachsenden Kindern nicht die Auffassung, es sei für Erwachsene ganz normal, gewohnheitsmäßig viel zu trinken.
Wenn die Eltern entscheiden, daß der Sohn oder die Tochter alt genug ist, um gelegentlich etwas Alkohol zu trinken (wobei die örtlichen Gesetze zu berücksichtigen sind), sollten sie den Kindern auch sorgfältig auseinandersetzen, warum beim Umgang mit Alkohol Vorsicht am Platz ist. Ein junger Mensch hat noch keine Erfahrung, sein Organismus ist noch nicht voll entwickelt und nicht an Alkohol gewöhnt, daher verträgt er weniger als ein Erwachsener.
Vorbeugen bei Erwachsenen
Auch für Erwachsene gilt das Sprichwort: „Vorbeugen ist besser als heilen.“ Sie sollten den Alkohol als das anerkennen, was er ist: ein Getränk, das ein gewisses Wohlbefinden hervorrufen kann, aber durch Mißbrauch zur tödlichen Gefahr wird.
Wer eine Party veranstaltet, sollte nicht meinen, er müsse große Mengen alkoholischer Getränke servieren. Wenn er überhaupt solche Getränke anbieten möchte, sollte er es mäßig tun. Man sollte auch alkoholfreie Getränke zur Verfügung haben und einen Gast, der lieber etwas Alkoholfreies trinkt, nicht in Verlegenheit bringen. Und wenn ein Gast schon einen oder zwei „Drinks“ gehabt hat, sollte ein kluger Gastgeber darauf verzichten, immer wieder etwas Alkoholisches anzubieten. Man sollte die Gäste nicht zum Trinken zwingen, indem man ständig ihre Gläser nachfüllt, ganz gleich, ob sie noch etwas möchten oder nicht.
Ist man Gast, so braucht man sich nicht verpflichtet zu fühlen, mehr zu trinken, als man möchte, nur weil immer wieder Alkoholika angeboten werden. Wenn ein Gastgeber dich zum Trinken drängt, kannst du höflich ablehnen, indem du beispielsweise sagst: „Nein danke, ich habe jetzt genug“ oder: „Bitte nichts mehr.“ Wenn der Gastgeber dennoch das Glas füllt, kannst du es ruhig stehenlassen. Laß dein „Nein“ ein „Nein“ sein. Ein guter Gastgeber sollte das anerkennen.
Besonders wenn die Zeit schon vorgerückt ist und die Gäste, die mit dem Auto gekommen sind, nach Hause müssen, sollte der Gastgeber zurückhaltend sein. Es ist keine gute Tat, wenn er bis spät in die Nacht hinein Alkoholika anbietet oder einem Gast noch „einen letzten ,Drink‘ mit auf den Weg“ gibt. Es mag diesem und anderen — Unschuldigen — das Leben kosten.
In den späten Abendstunden steigt die Zahl der Fahrer, die unter Alkoholeinfluß stehen. Wenn du zu einer solchen Zeit fahren mußt, solltest du besonders vorsichtig sein. Das gilt vor allem an Wochenenden und an Feiertagen, wenn die Leute geneigt sind, dem Alkohol übermäßig zuzusprechen.
Wenn du als Autofahrer unterwegs bist, solltest du auch nicht unbedingt auf deinem Vorfahrtsrecht beharren. Es kommt häufig vor, daß unter Alkoholeinfluß stehende Personen die Verkehrsregeln mißachten. Man sollte nicht vergessen, daß ungefähr die Hälfte der Verkehrstoten „im Recht“ waren. Sie hatten den Unfall nicht verschuldet. Aber tot waren sie trotzdem.
Im vergangenen Jahr hat der Kommandeur der amerikanischen Truppen in Europa ebenfalls eine vorbeugende Maßnahme ergriffen. Er schrieb an seine Offiziere: „Sie wissen alle, daß der Alkoholmißbrauch in der amerikanischen Armee in Europa solche Ausmaße angenommen hat, daß wir alles daransetzen müssen, dieses Problem zu bändigen.“ Der Kommandeur befahl, die „Glückliche Stunde“, die bis dahin in allen Armeeklubs in ganz Europa eingehalten wurde, abzuschaffen, um „nicht zum Trinken von Alkohol zu animieren und es zu glorifizieren“. Die „Glückliche Stunde“ war eine Periode von etwa zwei Stunden an einem Tag der Woche, in denen „Drinks“ zum halben Preis verkauft wurden. Mit dieser Maßnahme wollte man dem Alkoholmißbrauch steuern.
Den Organismus unterstützen
Es ist auch nützlich zu wissen, wie der Körper mit dem Alkohol fertig wird. Man versteht dann besser, auf welche Weise man es vermeiden kann, seinen Körper durch alkoholische Getränke zu überfordern.
Alkoholika werden vom Organismus nicht auf die gleiche Art abgebaut wie die Mehrzahl der Nahrungsmittel. Die meisten Nahrungsmittel werden in verschiedenen Phasen langsam abgebaut, zuerst im Magen und dann im Dünndarm. So können die Nährstoffe vom Blut resorbiert werden, das sie dann in andere Körperteile transportiert. Aber der Alkohol wird im Magen und im Dünndarm unverändert resorbiert. Darauf wird er vom Blut in die Leber befördert.
Die Leber braucht eine bestimmte Zeit, um ihn abzubauen. Wenn ihr mehr zugeführt wird, als sie verarbeiten kann, gelangt der restliche Alkohol über den Körperkreislauf in andere Teile des Körpers. Schließlich kehrt er in die Leber zurück, wo wieder ein Teil davon abgebaut wird, worauf der Rest erneut in den Körperkreislauf gelangt. Dieser Vorgang wird fortgesetzt, bis aller Alkohol abgebaut ist.
Wenn man ein „hartes“ Getränk, Bier oder Wein nicht hastig trinkt, sondern langsam schlürft, kann die Leber mit dem Alkohol besser fertig werden. Es sind Mengen, die sie abzubauen imstande ist. Das hat zur Folge, daß verhältnismäßig wenig Alkohol wieder in die Blutbahn gelangt.
Der Durchschnittstrinker kann den Alkoholabbau in der Leber nicht beschleunigen. Der Vorgang läuft nicht schneller ab, selbst wenn er schwarzen Kaffee trinkt, kalt duscht oder in der frischen Luft Atemübungen macht. Man kann den Körper am besten unterstützen, wenn man nur wenig trinkt, wenn man langsam trinkt und wenn man zwischen den einzelnen „Drinks“ einige Zeit verstreichen läßt. Das gilt nicht nur, wenn man Whiskey trinkt, sondern auch, wenn man Bier oder Wein trinkt, denn eine Dose Bier oder ein Glas Wein enthält soviel Alkohol wie ein Schuß Whiskey.
Problemtrinker
Was kann man tun, wenn man auf dem besten Weg ist, Alkoholiker zu werden, und wie können andere einem Süchtigen helfen?
Der Problemtrinker muß die Tatsache klipp und klar anerkennen, daß Alkohol für ihn zum Problem geworden ist. Er darf sich nicht einreden, er könne mit Trinken aufhören, wenn er wolle. Leider leben viele Alkoholiker in dieser Illusion, trinken weiter und weiter, zerstören ihre Gesundheit, werden schließlich geistesgestört und sterben vorzeitig.
Der erste Schritt für einen Problemtrinker besteht darin, zuzugeben, daß der Alkohol für ihn ein Problem geworden ist. Nur dann kann ihm geholfen werden. Gesteht er das nicht ein, so besteht wenig Aussicht, daß er rechtzeitig etwas dagegen unternimmt. Die meisten Alkoholiker sind nicht bereit, zuzugeben, daß sie dem Alkohol verfallen sind. Die Fehlhaltung, die zur Entstehung des Alkoholismus geführt hat, hindert sie daran, etwas dagegen zu tun. Deshalb sollten sich die Familienangehörigen und Freunde eines solchen bemühen, ihm zu helfen.
Darf erwartet werden, daß entsprechende Organisationen das Problem in den Griff bekommen? Natürlich gibt es in fast allen Ländern verschiedene solche Organisationen. Doch man beachte, was die Zeitschrift Weltgesundheit schreibt: „Die Zahl von Ländern, die auf Alkoholprobleme in adäquater Weise reagierten, war bisher gering. Eine solche Untätigkeit würde man angesichts einer infektiösen Erkrankung mit ähnlichen Verheerungen eindeutig als schuldhaft betrachten, und jedes ,Drogen‘-Problem gleichen Ausmaßes würde gewiß zu Alarm führen.“
Warum ist das so? Darauf antwortet die Weltgesundheit: „Alkohol ist eine Droge, doch für die Gesellschaft vieler Länder ist er die anerkannte, geschätzte und buchstäblich geheiligte Droge der Wahl ... Alkohol ist Freude, Gastlichkeit, Freundschaft, Fest, Nerventonikum, Männlichkeit, Romantik, Feier, die Besiegelung eines Geschäftsabschlusses, Gelächter, Snobismus und Sakrament. Was würden wir ohne ihn tun? Wie kann er überhaupt unsere Gesundheit bedrohen? Jeder, der anderer Ansicht ist, wird als Spielverderber abgetan.“
Wie die erwähnte Zeitschrift schreibt, ist der Alkoholmißbrauch eine der größten Gefahren für Gesundheit, Glück und Leben. Es darf jedoch nicht damit gerechnet werden, daß es einer Organisation gelingt, das Problem zu meistern.
Auch ist es verkehrt zu glauben, ein Alkoholiker könne durch ein Arzneimittel von seinem Alkoholismus geheilt werden. Es gibt kein Arzneimittel gegen den Alkoholismus. Wohl gibt es einiges, was nützlich sein kann, zum Beispiel eine bessere Ernährung, die Anhebung des niedrigen Blutzuckerspiegels, medizinische Behandlung- und Klinikeinweisung. Doch es ist mehr erforderlich. Das ursächliche Problem hängt nach wie vor mit dem Geist und dem Herzen des Alkoholikers zusammen.
Der Alkoholiker, der nur eine Entziehungskur durchgemacht hat, ohne daß der inneren Bereitschaft und anderen ähnlichen Faktoren genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wird fast immer wieder rückfällig. Die Hauptfaktoren für die Heilung sind folgende: Frühbehandlung, der ernsthafte Wunsch des Patienten und seine Entschlossenheit, sich zu bessern, sowie die Hilfe von Angehörigen und Freunden.
Es gibt Psychiater, die der Meinung sind, daß ein Alkoholiker zu der Überzeugung gelangen könne, er müsse aufhören zu trinken, wenn man mit ihm über seine Alkoholprobleme spreche und ihm sage, wie sich der Alkohol auf den Körper auswirkt. Doch Dr. Benjamin Kissin (New York) erklärte: „Hier in der Klinik habe ich die Erfahrung gemacht, daß das nicht ganz zufriedenstellend ist. Es reicht nicht aus.“ Er fügte hinzu: „Wir versuchen, die Lebensgewohnheiten des Alkoholikers zu ändern.“
Zweifellos ist es wichtig, die Lebensgewohnheiten zu ändern. Ferner ist es notwendig, einen Freundeskreis aufzugeben, der kein guter Umgang ist, sondern einen noch mehr zum Trinken verleitet. Doch wie kommt man zu der inneren Bereitschaft, die erforderlich ist, um seine Lebensgewohnheiten zu ändern?
Die größte Hilfe
Es gibt jemand, der bewiesen hat, daß er besser helfen kann als irgend jemand anders. Er hat vielen geholfen, zu einer richtigen Denkweise und Herzenseinstellung zu kommen. Es ist der Höchste im ganzen Universum, Gott, der Allmächtige.
Jehova Gott ist der Schöpfer des Menschen. Er weiß am besten, wie der Mensch seine Probleme lösen kann, wie er mit dem, was ihn belastet, und mit seinen Emotionen am besten fertig wird. Wenn sich ein Mensch an ihn um Hilfe wendet, hat er Aussicht, die allerbeste Hilfe, die es gibt, zu erhalten.
Unter anderem erhält er Hilfe durch den vorzüglichen Rat, der in dem Buch zu finden ist, das Gott als Anleitung für die Menschen verfaßt hat: sein Wort, die Heilige Schrift. Die Bibel erklärt, warum es heute so viele Probleme gibt und wie sie Gott seiner Verheißung gemäß lösen wird. Die Bibel zeigt, daß Gott vorhat, der gegenwärtigen Welt, die soviel zu wünschen übrigläßt und in der die Not so groß ist, ein Ende zu machen. Anstelle der gegenwärtigen Weltordnung wird er eine gerechte neue Ordnung errichten. Die Erde wird ein Paradies werden, und all das Schlechte, was heute überall zu sehen ist, wird es dann nicht mehr geben (Luk. 23:43; Offb. 21:4, 5). Dadurch, daß man den Sinn des Lebens kennenlernt und erfährt, was die Zukunft bringen wird, wächst die innere Bereitschaft, seine Lebensgewohnheiten zu ändern.
Aus der Bibel geht hervor, daß Personen, die einst Trinker waren, mit dieser Gewohnheit brachen, als sie eine genaue Erkenntnis der Vorsätze Gottes erhielten. Sie erwähnt Trunkenbolde zusammen mit Hurern, Götzendienern, Dieben und anderen Missetätern und fügt dann hinzu: „Und doch waren das einige von euch. Aber ihr seid reingewaschen worden, aber ihr seid geheiligt worden, aber ihr seid gerechtgesprochen worden“ (1. Kor. 6:9-11).
Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß man den Alkoholismus überwinden kann. Deshalb gibt die Bibel den Rat: „Streift die alte Persönlichkeit mit ihren Handlungen ab, und kleidet euch mit der neuen Persönlichkeit, die durch genaue Erkenntnis erneuert wird nach dem Bilde des Einen, der sie geschaffen hat“ (Kol. 3:9, 10). Diese „genaue Erkenntnis“ des Wortes Gottes kann zu der inneren Bereitschaft führen, die erforderlich ist, um die Lebensgewohnheiten zu ändern.
Aber es gibt noch etwas. Wenn jemand aufrichtig wünscht, mit dem Trinken aufzuhören, kann er Gott darum bitten, ihn mit seiner Kraft zu unterstützen. Gottes heiliger Geist, seine wirksame Kraft, steht jedem, der darum bittet, zur Verfügung. Jesus Christus sagte: „Bittet unablässig, und es wird euch gegeben werden; sucht fortwährend, und ihr werdet finden; klopft unaufhörlich an, und es wird euch geöffnet werden. ... wieviel mehr wird der Vater im Himmel denen heiligen Geist geben, die ihn bitten!“ (Luk. 11:1-13).
Ein Beispiel unter vielen ist ein Mann, der in einem südamerikanischen Land wohnt. Er war als Alkoholiker auf dem besten Weg, sein Leben zugrunde zu richten. Er war oft betrunken, verlor gute Arbeitsstellen, vergeudete sein Geld und brachte seine Familie an den Bettelstab. Häufig trank er tagelang hintereinander und landete schließlich im Gefängnis. Wiederholt bedrohte er auch seine Frau. Sie rächte sich auf verschiedene Weise, zum Beispiel drohte sie ihm, ihn zu verlassen und alle drei Kinder mitzunehmen.
Aber dann begann die Frau unter der Anleitung eines Zeugen Jehovas die Bibel zu studieren. Dabei lernte sie kennen, wie sich eine Frau ihrem Mann gegenüber, selbst wenn er Alkoholiker ist, verhalten sollte. Sie begann, ihn besser zu behandeln. Im Laufe der Zeit fiel ihm das auf, und er wollte wissen, wieso sie sich so zu ihrem Vorteil verändert hatte. Daher begann auch er, die Bibel zu studieren. Je mehr er lernte, desto schwächer wurde seine Sucht nach Alkohol.
Dann erklärte er sich zu einer Entziehungskur bereit. Aber er beendete die Kur nicht. Warum nicht? Er sagte, durch das, was er bisher gelernt habe, besitze er nun so viel Willenskraft, daß er mit Trinken aufhören könne. Und er hielt Wort. Er gab auch seinen bisherigen Freundeskreis auf und lehnte es ab, an ihren Trinkorgien teilzunehmen.
Das hatte zur Folge, daß sich seine ganzen Lebensverhältnisse besserten: Er führte ein glücklicheres Familienleben, hatte bessere Beziehungen zu seinen Mitmenschen, konnte seinen Arbeitsplatz behalten und schließlich mit seiner Familie in eine bessere Wohnung ziehen. Besonders interessant ist, was er über seinen Entschluß, mit Trinken aufzuhören, sagte: Nicht die medizinische Behandlung habe ihm geholfen, sondern das, was er aus der Bibel kennengelernt habe, ferner das Gebet, die Unterstützung seiner Frau und der Beistand von Freunden, die ihn in seinem Entschluß bestärkt hätten.
Das ist kein Einzelfall. Viele ähnliche Erfahrungen, die in verschiedenen Ländern der Welt gemacht worden sind, zeigen, daß der Alkoholismus besiegt werden kann.
Wenn jemand seine Abhängigkeit vom Alkohol überwunden hat, muß er sehr vorsichtig sein. Für die meisten ehemaligen Alkoholiker gilt es, den Rat zu beherzigen: Trinke keinen Tropfen Alkohol mehr! Fast alle Fachleute stimmen darin überein, daß es für einen ehemaligen Alkoholiker das beste sei, vollkommen abstinent zu leben. Ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz ehemaliger Alkoholiker vermag die Kontrolle wieder so weit zu erlangen, daß sie mäßig trinken können, ohne von neuem dem Alkohol zu verfallen. Die meisten schaffen es nicht.
Während also Alkoholika einerseits den Menschen erfreuen können, sollten sie andererseits wie ein Sprengkörper behandelt werden: mit allergrößter Vorsicht! Denn eine „Explosion“ könnte schwere Folgen haben, sogar Menschenleben könnte dabei zerstört werden.
[Bild auf Seite 15]
Wisse, wann du aufhören solltest. Fordert dich ein Gastgeber immer wieder zum Trinken auf, dann lehne einfach höflich ab.
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„... noch viel zu lernen“Erwachet! 1978 | 8. April
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„... noch viel zu lernen“
◆ In der ganzen Welt haben Wissenschaftler darüber nachgedacht, wie es den Zugvögeln gelingt, den Weg auf ihren weiten Wanderungen zu finden. Manchmal scheinen sich die Vögel nach markanten Landmarken wie Küsten oder Gebirgsketten zu orientieren. Aber offensichtlich reicht diese Erklärung nicht aus, denn diese Vögel überfliegen gelegentlich breite Gewässer, oder sie fliegen nachts, wenn solche Landmarken nicht zu sehen sind. Wie finden sie dann den Weg?
In den 1950er Jahren hat ein deutscher Wissenschaftler durch Versuche gezeigt, daß sich gewisse Vögel nach der Sonne orientieren. Die Versuche bewiesen sogar, daß die Vögel eine innere Uhr haben, die es ihnen ermöglicht, die scheinbare Bewegung der Sonne am Himmel auszugleichen.
Die Vögel, die nachts ziehen, richten sich anscheinend nach dem Stand der Sterne. Es gibt Vögel, die einen Stern oder eine Gruppe von Sternen anpeilen und in einem bestimmten Winkel dazu fliegen. Auch diese Vögel können, wie die Vögel, die am Tag ziehen und sich nach der Sonne orientieren, durch ein inneres Zeitgefühl den Winkel, in dem sie im Verhältnis zu den Sternen fliegen, ständig anpassen. Andere Vögel benutzen anscheinend ein unveränderliches Sternmuster, ähnlich wie der Mensch mit Hilfe des Großen Bären den Polarstern ermittelt.
Über die wunderbare Fähigkeit der Vögel, sich auf diese Weise zu orientieren, schrieb Dr. Stephen Emlen, außerordentlicher Professor für Tierverhalten: „Viele weisen auf diese Studien hin und ziehen den Schluß, daß die Geheimnisse der Tierwanderung gelüftet seien. Das stimmt aber nicht. Die gegenwärtigen Theorien erklären nicht, warum ein Tier eine Richtung einer anderen vorzieht. Und neue Forschungsergebnisse lassen erkennen, daß die Sterne und die Sonne für einige Zugvögel nicht einmal notwendig sind.“ Es gibt zum Beispiel Vögel, die nachts bei bedecktem Himmel fliegen, ja sogar zwischen zwei Wolkendecken. Dr. Emlen fügte hinzu: „Dadurch wird nicht widerlegt, daß sich die Vögel nach den Himmelskörpern orientieren, aber es läßt erkennen, daß sie vielleicht noch etwas anderes als Orientierungshilfe benutzen. Was es ist, wissen wir nicht. Benutzen sie vielleicht den Wind als Orientierungshilfe oder das Magnetfeld der Erde? Die jüngsten Forschungen legen die Vermutung nahe, daß beides möglich ist. Vielleicht werden wir es eines Tages wissen. ... Es gibt immer noch viel zu lernen.“
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