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Alkoholismus — Fakten und MärchenErwachet! 1982 | 8. Dezember
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Personen mit normalen Trinkgewohnheiten tun das nicht.
Der größte Unterschied zwischen der Trinkgewohnheit eines Alkoholikers und der eines Gesunden besteht jedoch in der Kontrolle. Der Geselligkeitstrinker und selbst der starke Trinker kann gewöhnlich entscheiden, wann und wieviel er trinken möchte. Der Alkoholiker kann das nicht. Er trinkt durchweg mehr, als er beabsichtigte.
Sind andere zunehmend besorgt über deine Trinkgewohnheiten? Sei ehrlich mit dir selbst. „Ich kann jederzeit aufhören, wenn ich will“, magst du sagen. Und du hast wahrscheinlich recht. Enthaltsamkeit beweist jedoch nicht, daß du kein Alkoholiker bist, denn selbst die fortgeschrittensten Alkoholiker schaffen das manchmal eine Zeitlang. Wie fühlst du dich außerdem während einer Abstinenz — ruhig und entspannt oder nervös und angespannt? Vergiß nicht, der Schlüssel liegt in der Kontrolle. Daher heißt es in dem Buch Alcoholics Anonymous: „Wenn Sie beim Trinken wenig Kontrolle darüber haben, welche Menge Sie konsumieren, dann sind Sie wahrscheinlich ein Alkoholiker.“
● Warum erkennt der Alkoholiker nicht, was mit ihm los ist?
Während sich der Zustand des Alkoholikers verschlimmert, wird sein Selbstwertgefühl abgebaut und statt dessen gedeihen Angst, Schuldgefühle, Scham und Gewissensbisse. Um mit sich selbst zurechtzukommen, bedient er sich unbewußt verschiedener Verteidigungsmethoden.
Vernunftargumente: Er führt für seine Trunksucht und deren Auswirkungen eine Vielzahl von Entschuldigungen an: „Ich bin nervös.“ „Ich bin deprimiert.“ „Ich habe auf leeren Magen getrunken.“
Verlagerung der Schuldgefühle: Er überträgt seine schmerzlichen Gefühle auf andere. Nun denkt er von anderen, sie seien „haßerfüllt“, „boshaft“ und „gemein“ und sie hätten etwas gegen ihn.
Verdrängung: Er geht über schmerzvolle Trinkerlebnisse hinweg und redet sich ein, sie seien nie Wirklichkeit gewesen. Wenn seine Frau sich über die Sauforgie der letzten Nacht aufregt, beugt er sich womöglich zu ihr hinüber und fragt sie: „Beunruhigt dich irgend etwas heute morgen?“ Und sie traut ihren Ohren nicht!
Euphorische Erinnerungen: Manchmal stimmt ihn die Erinnerung an Trinkerlebnisse euphorisch oder glücklich. Er mag sich sagen: „Ja, in der letzten Nacht habe ich schon einiges getrunken, aber mir ging es ganz gut“ — obwohl es ihm in Wirklichkeit nicht „ganz gut“ ging. Der Alkohol hat sein Wahrnehmungsvermögen verzerrt.
Mit diesen Verteidigungsmethoden baut der Alkoholiker um sich herum eine Wand auf, die ihn daran hindert, zu erkennen, was mit ihm los ist. Er braucht Hilfe.c
● Welche Art Hilfe ist erforderlich?
„Man muß ihm eben helfen, mit dem Trinken aufzuhören“, magst du denken. Aber er braucht mehr.
Körperlich: Er muß durch eine Entziehungskur „entgiftet“ werden. Das mag einen Krankenhausaufenthalt erfordern, damit auch alkoholbedingte Gesundheitsprobleme behandelt werden können. Doch eine körperliche Heilung reicht nicht aus. Sonst denkt er vielleicht, sobald er sich besser fühlt: „Jetzt kann ich damit fertig werden.“
Psychisch: Er sollte sich mit den Fakten des Alkoholismus vertraut machen und die logischen Gründe dafür, daß er sich des Alkohols enthalten muß, kennenlernen und akzeptieren. Dieses Wissen wird ihm eine Hilfe sein in seinem lebenslangen Kampf, nüchtern zu bleiben.
Sozial: Er muß lernen, mit sich selbst und anderen gut auszukommen.
Emotional: Er muß lernen, mit seiner Angst und seinen anderen negativen Gefühlen fertig zu werden. Er muß lernen, ohne Alkohol glücklich zu sein.
Geistig: Da er der Hoffnungslosigkeit und Furcht verfallen ist, braucht er eine Hilfe, die ihm Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen einflößt.
● Wo kann man solche Hilfe finden?
Es gibt die verschiedensten Behandlungsmethoden, aber eines ist unerläßlich: mit einem verständnisvollen und mitfühlenden Menschen zu sprechen, der möglicherweise das gleiche durchgemacht hat und entwöhnt worden ist. Das kann dem Alkoholiker Hoffnung vermitteln, denn dadurch weiß er, daß auch er genesen kann.
Vielen Alkoholikern ist durch ein Rehabilitationszentrum geholfen worden. Oft verfügen solche Einrichtungen über Mitarbeiter aus den verschiedensten Fachrichtungen, wie zum Beispiel Ärzte, Psychiater, Psychologen und Sozialarbeiter. Der Patient macht gewöhnlich einen Erziehungsprozeß durch, durch den er Tatsachen über den Alkoholismus auf eine Weise erfährt, die er akzeptieren kann.
Auch Gruppentherapie, die von geschulten Beratern geleitet wird, kann dem Patienten praktische Hilfe bieten, mit seinen Problemen fertig zu werden, zugänglich zu werden und die Verteidigungsmethoden zu erkennen, deren er sich unbewußt bediente. Da er nur das ändern kann, was er erkennt, wird ihm ein solcher Einblick eine Hilfe für seine Genesung sein. Doch welche Therapie auch immer angewandt wird, das Hauptziel besteht darin, daß der Patient lernt, mit seinen Emotionen fertig zu werden, ohne zum Alkohol zu greifen.
Aber sobald der Alkoholiker eine solche Behandlung beendet, sieht er sich vielleicht wieder den Realitäten gegenüber, denen er vorher durch Alkoholgenuß zu entfliehen suchte. Es könnten noch eine negative Selbstbewertung, Familienprobleme oder eine ungewisse Arbeitssituation vorhanden sein. Er braucht verständlicherweise weitere Hilfe. Daher wenden sich manche an Gruppen von Freiwilligen, die geheilte Alkoholiker sind und sich zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet haben.d
Allerdings gibt es auch eine Hilfe, die dem Alkoholiker eine Kraft verleiht, die in seinem täglichen Kampf, mit dem Leben fertig zu werden und nicht rückfällig zu werden, „über das Normale hinausgeht“. Welche Hilfe ist das? (2. Korinther 4:7, 8).
„Mein Erfolg“, sagte ein geheilter Alkoholiker, „ist auf meinen Glauben an Jehova, auf die Kraft des Gebets und die Hilfe zurückzuführen, die ich von meinen christlichen Brüdern erhalte. Ohne diese Hilfen wäre ich durch den Alkohol jetzt schon in der Gosse oder im Grab.“ Ja, dieser Mann gewann seine liebevollen christlichen Gefährten und seinen echten Glauben an Gott durch ein Bibelstudium mit Zeugen Jehovas und durch den Besuch christlicher Zusammenkünfte. Aber inwiefern kann das eine Hilfe sein?
Nun, ein Studium des Wortes Gottes kann dem Alkoholiker helfen, seine Denkweise zu ändern (Römer 12:1, 2). Seine Schuldgefühle und Gewissensbisse werden gelindert, da er Jehova als einen barmherzigen, verzeihenden Gott kennenlernt (2. Mose 34:6, 7). Außerdem zeigen ihm die biblischen Grundsätze, wie er sein Familienleben verbessern kann, ein Arbeiter sein kann, der seinem Arbeitgeber Freude bereitet, und wie er Gedanken und Handlungen meiden kann, die unnötige Angst und Sorge hervorrufen (Epheser 5:22-33; Sprüche 10:4; 13:4; Matthäus 6:25-34).
Während er ein vertrauensvolles Verhältnis zu Jehova Gott entwickelt, lernt er, im Gebet seine Sorgen und Bürden Jehova anzuvertrauen. Mit der Hilfe liebevoller christlicher Freunde lernt er, seine Gefühle und Bedürfnisse klar zum Ausdruck zu bringen, und erkennt allmählich, daß er anderen ohne Furcht näherkommen kann. Solche mitmenschlichen Beziehungen vermitteln dem Alkoholiker die Sicherheit und das Selbstwertgefühl, die er so dringend braucht (Psalm 55:22; 65:2; Sprüche 17:17; 18:24).
Bist du oder sind andere besorgt über deine Trinkgewohnheiten? Haben deine Trinkgewohnheiten zu Problemen in einem oder in mehreren Bereichen deines Lebens geführt? Dann tue etwas dagegen! Warum solltest du an etwas festhalten, was dir so viele Schmerzen und Schwierigkeiten bereiten kann? Wenn du die Fakten (nicht Märchen) kennenlernst und in Übereinstimmung damit handelst, ist es möglich, vom Alkoholismus frei zu werden und ein glückliches, produktives Leben zu führen.
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Frei werden vom AlkoholismusErwachet! 1982 | 8. Dezember
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Frei werden vom Alkoholismus
Seine Geschichte
DIE Zahlen auf der Wählscheibe schienen miteinander zu verschmelzen, als ich verzweifelt versuchte, meine eigene Nummer zu wählen. Die fünf Tabletten, die ich vorher genommen hatte, erreichten jetzt ihre stärkste Wirkung. Während ich mich am Fernsprecher festhielt, um nicht umzufallen, hörte ich die Stimme meiner Mutter: „Hallo. Wer ist dort?“
„Ich bin’s“, nuschelte ich mit der letzten Konzentration, die ich aufbringen konnte. „Ich komme heute abend nicht nach Hause; ich übernachte bei einem Freund.“ Jedes Wort war ein Kampf. Meine Zunge fühlte sich an, als wöge sie 50 Pfund.
„O nein!“ stieß Mama hervor. „Du hast wieder Tabletten genommen! Du hast einen Vollrausch!“
Ich hängte den Hörer ein und taumelte zu meinem Auto. Ich wollte nicht bei einem Freund übernachten. Statt dessen setzte ich mich ins Auto, um zum Strand zu fahren. Auf der Fahrt merkte ich auf einmal, daß ich auf der falschen Straßenseite war — auf einer Hauptverkehrsstraße. Nachdem ich nur um ein Haar einem Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr entkommen war, konnte ich gerade noch über den Mittelstreifen und in eine Straße fahren, die zum Strand führte. Ich parkte das Auto und schlief bis zum nächsten Tag.
Das ist lediglich e i n Vorfall, der zeigt, daß mich der Alkoholismus beinahe das Leben gekostet hätte. „Aber was haben Tabletten mit Alkoholismus zu tun?“ magst du fragen. Nun, damals erkannte ich die Verbindung auch noch nicht. Aber ich sollte sie noch herausfinden — durch bittere Erfahrung.
Zuerst möchte ich dir etwas von der Vorgeschichte erzählen: Schon als Teenager nahm ich Tabletten. Ich begann, indem ich Beruhigungsmittel stibitzte — meine Mutter hatte immer jede Menge davon. Einige Jahre später machte mich ein Arbeitskollege mit Secobarbital, einem sehr starken Sedativum, bekannt. Jetzt brauchte ich weniger Tabletten, um dieselbe Wirkung zu erzielen.
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