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Die Apokryphen — von Gott oder von Menschen?Der Wachtturm 1960 | 15. Juni
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Weisheit, die darin zum Ausdruck kommt, erkannt werden, so zum Beispiel an der schlechten Meinung, die der Schreiber von den Frauen hat. Im Gegensatz zu Gottes Wort, das unmißverständlich den Mann, Adam, für das Leid und Weh, das über uns gekommen ist, verantwortlich macht, sagt er: „Von einem Weibe kommt die Sünde her und alle sterben wir um seinetwillen.“ „[Gib mir] viel lieber alle Bosheit, als der Weiber Bosheit!“ (Warum sich denn überhaupt irgendwelche Bosheit wünschen?) „Gering ist alle Bosheit gegen Weiberbosheit.“ Trotzdem möchten einige diese beiden Bücher den „Weisheits“-Büchern der Bibel gleichstellen. — Sirach 25:24, 13, 19, Rießler.
TOBIAS, JUDITH UND DIE ZUSÄTZE
Das Buch Tobias möchte uns glauben machen, daß ein frommer alter Jude durch den Kot von Vögeln, der ihm in beide Augen fiel, blind geworden sei, daß ein Engel, der sich als Mensch verkörperte, der Reisegefährte des Sohnes des Alten wurde, den dieser eine Schuld einzukassieren sandte, daß der Sohn unterwegs in den Besitz des Herzens, der Leber und der Galle eines Fisches gelangte, daß er das Herz und die Leber verbrannte und dadurch einen Gestank erzeugte, durch den ein gewisser Dämon, der in seiner Eifersucht die sieben Männer einer Frau getötet hatte, vertrieben wurde, daß er diese Witwe dann heiratete und, nachdem er seine Mission erfüllt hatte, wieder nach Hause zurückkehrte und seinen Vater sehend machte, indem er ihm die Galle des Fisches auf die Augen strich. Könnte etwas unglaubhafter sein, im Lichte der Bibel betrachtet? Könnte dieses Buch wirklich von Gott stammen?
Auch das Buch Judith beweist, daß es menschlichen Ursprungs ist, allerdings aus anderen Gründen. Es berichtet von einer schönen Frau, die den führenden Feldherrn der Feinde der Juden enthauptet und diese dadurch befreit. Obwohl die Geschichte selbst nicht unglaubhaft ist, so sind doch die Einzelheiten so ungeschichtlich, daß sie unmöglich in den Strom der Zeit hineinpassen. Es berichtet einerseits von den Zuständen, die nach der Rückkehr der Juden aus der Gefangenschaft herrschten, erwähnt jedoch andererseits Ninive, die assyrischen Heere und König Nebukadnezar, die alle längst vor der Rückkehr der Juden nach Palästina umgekommen waren, ja es macht sogar Nebukadnezar zum König der Assyrer. Gewisse Autoritäten erklären, daß man „auch von den geographischen Ungenauigkeiten unangenehm berührt“ werde, und wenn sie von den apokrypischen Büchern kritisch sagen, sie zeigten, „daß es den Leuten an wahrer historischer Gewissenhaftigkeit gemangelt“ habe, so trifft das vor allem auf das Buch Judith zu. Welcher Zweifel kann angesichts all dieser Dinge über seinen Ursprung dann noch bestehen?
Was ist über die Zusätze zu Esther (10:4 bis 16:24) zu sagen, die in den Apokryphen erscheinen? Im Lichte einer sachlichen Kritik betrachtet, schneiden sie nicht besser ab. Sie möchten uns glauben machen, daß Mordokai „ein Mann von großem Ansehen“ war, der im zweiten Jahre Artaxerxes’ „am Hofe des Königs diente“, und zwar 150 Jahre, nachdem er in die Gefangenschaft geführt worden war, als Nebukadnezar zum erstenmal gegen Jerusalem hinaufzog. Die Behauptung, Mordokai habe diese Stellung schon so früh während der Regierung des Königs eingenommen, steht nicht nur im Widerspruch mit dem kanonischen Teil des Buches Esther, sondern auch mit dem, was in den Zusätzen zu Esther später über Mordokais Beförderung selbst gesagt wird. Die unzähligen Hinweise auf Gott und auf fromme Taten in den Zusätzen lassen vermuten, daß diese dem Buche Esther offenbar hinzugefügt wurden, um diesem einen religiösen Anstrich zu geben. Die Tatsache, daß Gott mehrmals erwähnt wird, beweist jedoch ebensowenig den göttlichen Ursprung eines Werkes, wie das Fehlen solcher Erwähnungen ein Beweis für dessen menschlichen Ursprung wäre.
Der Lobgesang der drei Jünglinge beginnt damit, daß einer von ihnen ein Gebet im Stil des Gebetes Esras oder Nehemias sprach, worauf der Engel des Herrn „die Feuerflammen aus dem Ofen“ hinaustrieb. Dann folgt ein Gesang, der große Ähnlichkeit mit Psalm 148 hat. In dem Gesang werden jedoch der Tempel Jehovas, die Priester und die Cherubim erwähnt, was alles nicht zu dem verödeten Zustand paßt, in dem sich Jerusalem damals befand. Der Zusatz besteht aus achtundsechzig Versen, die zwischen den Versen 23 und 24 des dritten Kapitels des Buches Daniel eingefügt wurden.
Das 13. Kapitel des Buches Daniel, Susanna (und die Ältesten), berichtet von zwei Ältesten, die gegen eine tugendhafte Frau Unheil schmiedeten, weil sie sich geweigert hatte, sich mit ihnen einzulassen, und die dann zum Tod verurteilt wurde. Der Jüngling Daniel stellt die Doppelzüngigkeit der Ältesten bloß, indem er sie getrennt verhört. Die Ältesten müssen sterben, Susanna bleibt am Leben, und Daniel wird berühmt. Wenn Daniel das wirklich erlebte, warum erscheint es dann als Anhang und warum wurde es erst in Griechisch geschrieben — wie übrigens auch die beiden anderen Zusätze zu Daniel —, während doch das Buch selbst in Hebräisch und Aramäisch geschrieben wurde?
Die letzte apokryphische Schrift, die noch zu betrachten wäre, ist die Zerstörung des Bel und die Tötung des Drachen. In der ersten Hälfte deckt Daniel einen Betrug auf, den die Priester Bels verübten, indem sie Speisen aßen, die dem Götzen Bel vorgesetzt und angeblich von diesem verzehrt wurden. Als ihm geboten wurde, einen lebenden Drachen anzubeten, bewirkte er, daß dieser entzweibarst, indem er ihn mit einem Gemisch von Pech, Fett und Haaren fütterte. Die Verehrer des Drachen warfen Daniel deswegen in die Löwengrube. Darauf kam ein Engel zum Propheten Habakuk, der sich ganz woanders aufhielt, faßte ihn bei den Haaren und versetzte ihn in die Löwengrube, damit er Daniel eine Schüssel Brei bringe. Sieben Tage später wurde Daniel befreit, und seine Feinde wurden den Löwen vorgeworfen. Wäre es vernünftig, anzunehmen, daß eine solche Geschichte zu Gottes Wort gehörte?
Eine Autorität faßte ihr Urteil über die Apokryphen wie folgt zusammen: „Sie wurden von der jüdischen und von der frühen christlichen Kirche nicht gutgeheißen … der prophetische Geist fehlt darin vollständig … nicht nur wird darin kein Anspruch auf Inspiration erhoben, sondern das Fehlen derselben beklagt; viele Stellen zeichnen sich aus durch einen Anflug von Romantik und Mythologie, den wir bei der einfachen Erhabenheit der Bibel nicht finden, sie sind nicht nur mit sich selbst in Widerspruch, sondern widersprechen auch gewissen geschichtlichen Tatsachen, lehren Dinge, die die Bibel nicht lehrt … und scheinen vom Herrn oder von seinen Aposteln nie als Autorität angeführt worden zu sein.“ — Dictionary of Religious Knowledge, Abbott, S. 50, 51.
Nein, die Apokryphen stammen nicht von Gott, sondern von Menschen. Wer sie den Büchern des Wortes Gottes, der Bibel, gleichstellen will, offenbart einen Mangel an Verständnis und Wertschätzung. Die warnenden Worte des Apostels Paulus, sich vor jüdischen Fabeln zu hüten, passen treffend auf die Apokryphen. — Titus 1:14.
WAS IN DER NÄCHSTEN AUSGABE ERSCHEINT
● Überall sehnen sich die Menschen nach einer neuen Welt. Du magst wissen, daß Gott eine gerechte, neue Welt schaffen wird; doch weißt du auch, was du tun mußt, um Leben in ihr zu erlangen? Die Antwort ist in der nächsten Ausgabe zu finden, und zwar in ihrem Hauptartikel „Jetzt für eine neue Welt leben“. Suche zu erfahren, welche Segnungen schon jetzt dein Teil sind, wenn du für die neue Welt lebst. Unterlaß nicht, diese Ausgabe zu lesen.
● „Taufe“ ist ein wichtiges Thema für Christen. Wie sollte sie vollzogen werden? Durch Untertauchen oder Besprengen? Ein kleiner geschichtlicher Rückblick macht die Sache klarer. Diesen findest du in der nächsten Ausgabe.
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Fragen von LesernDer Wachtturm 1960 | 15. Juni
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Fragen von Lesern
● Beziehen sich die Texte in Matthäus 19:30; 20:16, Markus 10:31 und Lukas 13:30, worin gesagt wird, daß die Ersten Letzte und die Letzten Erste sein werden, auf die Reihenfolge der Auferstehung? — H. E., Michigan.
Nein, Auferstehung ist nicht das hier behandelte Thema. Zwei Klassen von Menschen kommen hier zur Betrachtung. Eine Klasse, von der angenommen wurde, sie sei die Erste in Gottes Gunst, wird schließlich zur Letzten oder scheidet ganz aus, und die Klasse, von der gedacht wurde, sie sei die Letzte oder ganz Ausgeschiedene, kommt in die vorderste Stellung der Gunst. Die selbsterhöhten Religionsführer in Israel
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