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Argentinien: Für Freiheit oder religiöse Unduldsamkeit?Erwachet! 1978 | 22. September
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Argentinien: Für Freiheit oder religiöse Unduldsamkeit?
„JEHOVAS ZEUGEN IN ARGENTINIEN VERBOTEN!“ Diese Meldung verbreiteten in der ersten Septemberwoche des Jahres 1976 Presse, Fernsehen und Radio in ganz Argentinien sowie in vielen anderen Ländern der Welt.
Darauf beschritten Jehovas Zeugen den Rechtsweg, indem sie gegen das Verbot Berufung einlegten. Nach langwierigen Gerichtsverfahren wurde im Februar 1978 das Ergebnis durch die Nachrichtenmedien bekanntgemacht: „OBERSTER GERICHTSHOF BESTÄTIGT REGIERUNGSDEKRET ÜBER VERBOT DER ZEUGEN JEHOVAS.“
In den westlichen Ländern, in denen die christliche Tätigkeit der Zeugen Jehovas gut bekannt ist, rief diese Meldung Proteste hervor. Und viele fragten: „Warum werden in Argentinien Personen wegen ihrer Religion verfolgt und diskriminiert?“ Andere wollten wissen, ob die Glaubensfreiheit denn nicht in der argentinischen Verfassung verankert sei.
Antwort von offizieller Seite
Was antworteten die offiziellen Sprecher der Militärregierung? Diese Sprecher und viele Zeitungen wiesen unverzüglich darauf hin, daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit weiterhin zu den kostbarsten Traditionen Argentiniens zähle. Das taten sie trotz der Tatsache, daß kurz zuvor ein Verbot der christlichen Tätigkeit der Zeugen Jehovas bestätigt worden war.
Das vorgedruckte Schreiben der argentinischen Botschaft in Pretoria (Südafrika) ist ein Beispiel für die verwunderlichen Antworten, die von amtlicher Seite gegeben wurden. In dem Brief hieß es unter anderem: „In Argentinien ist die Gewissensfreiheit bis jetzt durch die Gesetze und die Verfassung voll und ganz gewährleistet worden, und sie wird es auch weiterhin sein. Wie alle übrigen Religionsgemeinschaften, so können auch Jehovas Zeugen ihren Glauben ungehindert praktizieren.“ Zu dieser Zeit waren Jehovas Zeugen indessen bereits verboten.
In dem erwähnten Brief hieß es außerdem: „Niemals hat die argentinische Regierung die Absicht gehabt, die Gewissensfreiheit einzelner ihrer Bürger zu beschneiden oder sie ihnen vorzuenthalten, und noch viel weniger besteht die Absicht, jemand wegen seiner religiösen Überzeugung zu verfolgen.“ Doch zu jener Zeit hatte man den Zeugen Jehovas gerade diese Freiheit beschnitten oder vorenthalten, auch wurden sie verfolgt.
Zahllose Widersprüche
Die führende argentinische Zeitung La Nación behauptete in einem Leitartikel der Ausgabe vom 17. Februar 1978: „Argentinien, das mit Recht auf seine Geschichte stolz ist, kann die Welt auf die Toleranz seiner Gesetze und seiner Bevölkerung gegenüber der Religionsausübung hinweisen.“ Ferner wurde darin gesagt: „Wie nur in wenigen Ländern der Welt ... erlaubt das Gesetz [den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften], im Rahmen des in der Verfassung verankerten Rechts ,ihren Glauben ungehindert zu praktizieren‘.“
Es wird behauptet, daß die Religionsfreiheit ein in der argentinischen Verfassung „verankertes Recht“ sei. In dieser Verbindung möchten wir einmal folgende Tatsachen unterbreiten:
Das im September 1976 ausgesprochene Verbot und der Entscheid, den der Oberste Gerichtshof im Februar 1978 fällte, haben Jehovas Zeugen in Argentinien der Glaubensfreiheit beraubt.
Die Behörden haben die Säle, in denen Jehovas Zeugen zusammenkamen, um die Bibel zu studieren, geschlossen.
Es ist Jehovas Zeugen verboten worden, Bibeln und biblische Schriften zu drucken und zu verbreiten.
Hunderte von Kindern von Zeugen Jehovas sind von der Grundschule oder von der höheren Schule verwiesen worden. Erwachsene Zeugen Jehovas, die im Dienst des Bundes, einer Provinz oder einer Gemeinde standen, auch Lehrer, sind, ohne ihr Gehalt ausbezahlt zu bekommen, entlassen worden.
Immer häufiger kommt es vor, daß die Polizei in Wohnungen von Zeugen Jehovas eindringt. Zeugen Jehovas sind verhaftet und stunden-, tage- oder sogar wochenlang in Haft behalten worden.
Jehovas Zeugen sind von Personen, die die rechtmäßige Regierung vertreten, beschimpft und geschlagen worden, auch hat man versucht, sie einzuschüchtern. In einigen Fällen hat man ihnen sogar das zur Befriedigung ihrer körperlichen Bedürfnisse Notwendigste vorenthalten.
Ist das die „in der Verfassung verankerte“ Religionsfreiheit?
Was steht in der Verfassung?
Was steht in der argentinischen Verfassung über die Freiheitsrechte der argentinischen Bürger? Man beachte folgende Artikel der Verfassung.
Artikel 14 lautet: „Jeder Argentinier genießt folgende Rechte in Übereinstimmung mit den Gesetzen, die ihre Ausübung regeln; ... seine Meinung in der Presse zu veröffentlichen ohne vorherige Zensur; ... sich zu einem guten Zweck zu versammeln und ungehindert seinen Glauben zu praktizieren und die Lehr- und Lernfreiheit“ (Kursivschrift von uns).
Artikel 19 lautet: „Die religiöse Tätigkeit des einzelnen, die innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung ist und keine dritte Partei verletzt, ist ein Gebiet, das Gott vorbehalten ist und auf das die Behörden nicht übergreifen dürfen.“
In Artikel 20 wird erklärt: „Ausländer ... dürfen ... ihre Religion ungehindert ausüben.“
Was haben sie getan?
Warum hat man Jehovas Zeugen verboten, wenn doch solche Freiheiten eindeutig garantiert sind? Wodurch haben sie sich die Feindschaft der Regierung zugezogen? Was haben sie in den vergangenen 54 Jahren gelehrt? Das möchten wir nun ermitteln.
In all diesen Jahren haben sich Jehovas Zeugen in Argentinien und auch in anderen Ländern bemüht, nach dem in Titus, Kapitel 3, Vers 1 niedergelegten Grundsatz zu handeln. Er lautet: „Erinnere sie weiterhin daran, Regierungen und Gewalten als Herrschern untertan und gehorsam zu sein.“
Hören sich diese Worte wie ein Revolutionsmanifest an, in dem die Absicht zum Ausdruck kommt, die bestehende Ordnung zu zerstören? Nein, sondern bibelgläubigen Personen — und dazu zählen auch Jehovas Zeugen — wird deutlich gesagt, daß sie den Gesetzen aller Regierungen gehorchen müssen. Sie sollten keinen Weg suchen, um die bestehende Regierung durch menschliche Mittel zu stürzen.
Das gehört zu den Lehren, die Jehovas Zeugen vom Jahre 1924 an in ganz Argentinien verbreitet haben. In jenem Jahr begann Juan Muñiz, der kurz zuvor aus Spanien eingetroffen war, in diesem Land die „gute Botschaft“ zu verkündigen. Diese Botschaft war für alle, die gebetsvoll nach dem Königreich Gottes Ausschau hielten, um das Jesus Christus seine Nachfolger beten lehrte (Matth. 6:9, 10).
Von jenem Jahr an wurde der von dem Gründer des Christentums erteilte Auftrag — „Jünger aus Menschen aller Nationen“ zu machen — auch in Argentinien erfolgreich ausgeführt (Matth. 28:19, 20). Die argentinische Bevölkerung nahm freudig Bibeln und bibelerklärende Schriften, die in vielen Sprachen angeboten wurden, entgegen. Außerdem wurden in Sälen und über Rundfunk unentgeltlich biblische Vorträge gehalten. Und im Jahre 1946 wurde La Torre de Vigía (Wachtturm-Gesellschaft) gegründet und später von der argentinischen Regierung auch anerkannt.
Gesetzliche Anerkennung 1950 rückgängig gemacht
Im Jahre 1949 schuf die Regierung ein Amt für Kultus und Religion, das dem Außenministerium unterstand. Alle Religionsgemeinschaften mußten sich bei diesem Amt eintragen lassen. Am 26. Mai 1950 wurde jedoch der Antrag der Zeugen Jehovas auf Eintragung abgewiesen. Und am 12. Juli jenes Jahres wurde ihre gesetzliche Anerkennung rückgängig gemacht.
In den vergangenen 28 Jahren haben sich Jehovas Zeugen wiederholt an die Behörden gewandt. Sie haben Eingaben an Außenminister, Gouverneure und sogar an Präsidenten gerichtet. Unter anderem haben sie darum gebeten, ihren Fall wenigstens darlegen zu dürfen. Doch gegen alle diese Gesuche war man taub. Man hatte Jehovas Zeugen gerichtet und verurteilt, ohne sie anzuhören!
Wie hat man diese Behandlung begründet? Man hat ihnen erklärt, ihre Organisation sei „gegen die heiligen Grundsätze der Magna Charta, weil sie [ihre Organisation] lehrt, daß man keinen Wehrdienst leisten und die Embleme des Staates nicht respektieren soll“.
Gewissensfragen
Jehovas Zeugen in allen Ländern der Welt beteiligen sich nicht an Zeremonien wie dem Grüßen der Fahne und dem Singen der Nationalhymne. Warum nicht? Weil das in ihren Augen ein Akt der Anbetung wäre, der das erste und zweite der Zehn Gebote verletzen würde (2. Mose 20:3-5).
Sie verhalten sich ähnlich wie die drei Hebräer in Babylon. (Siehe Daniel, Kapitel 3.) Bei Fahnengrußzeremonien stehen die Schüler, die Kinder von Zeugen Jehovas sind, still und respektvoll da. Auch hindern sie andere, die an solchen Zeremonien teilnehmen möchten, niemals daran.
Anlaß zur Kritik gibt oft auch die Tatsache, daß Jehovas Zeugen den Wehrdienst ablehnen. Doch die jungen Leute der Zeugen Jehovas sind weder Deserteure noch Anarchisten. An dem Tag, an dem sie einrücken sollten, melden sie sich pünktlich bei den Stellungsbehörden. Aber aufgrund ihres auf der Bibel beruhenden Glaubens ersuchen sie um Befreiung vom Wehrdienst. Und in vielen Ländern, besonders in der westlichen Welt, werden Jehovas Zeugen auch vom Wehrdienst befreit.
Die Ablehnung, Wehrdienst zu leisten, stützt sich auf viele biblische Grundsätze. Einen solchen Grundsatz finden wir in Matthäus 22:39, wo wir folgende Worte Jesu, die er an seine Jünger richtete, lesen: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Ein weiteres Gebot ist in Matthäus 5:21 zu finden, wo die Worte Jesu zitiert sind: „Du sollst nicht morden.“ Auch in Jesaja, Kapitel 2, Vers 4 wird dem Volk Gottes gesagt: ‘Ihr werdet eure Schwerter zu Pflugscharen schmieden müssen und eure Speere zu Winzermessern und dürft den Krieg nicht mehr lernen.’
Was die Geschichte und die Bibel zeigen
Aus der Geschichte und aus der Bibel geht hervor, daß die Christen des ersten Jahrhunderts dasselbe glaubten wie die Zeugen Jehovas heute. Sie lehnten jede Handlung ab, die sie als Akt der Anbetung gegenüber dem Kaiser und seinen Staatsemblemen ansahen. Auch leisteten sie keinen Militärdienst und gingen nicht in den Krieg.
Diese Haltung der ersten Christen ist im Laufe der Jahrhunderte von vielen Historikern bestätigt worden. Zu diesen gehört auch Juan Bautista Alberdi, Mitschöpfer der argentinischen Verfassung. In seinem Werk El Crimen de la Guerra (Das Verbrechen des Krieges) schrieb er: „Die gegenwärtige Gesellschaft setzt sich aus zweierlei Menschentypen zusammen: dem kriegerischen oder heidnischen [Typ] und dem friedfertigen oder christlichen [Typ].“
Wegen dieser „Zusammensetzung“ rechnen Jehovas Zeugen mit Widerstand. Jesus Christus sagte warnend, daß die Regierungen der Welt versuchen würden, sich in die Anbetung wahrer Christen einzumischen. Deshalb erklärte der christliche Apostel Petrus: „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg. 5:29).
„Positive Bilanz“
Im ersten Jahrhundert wurde die kleine Schar von Christen mißverstanden, verleumdet und verfolgt. Doch durch ihr Verhalten hinterließen sie der Menschheit sozusagen eine „positive Bilanz“.
Ohne zu Waffengewalt Zuflucht zu nehmen, veränderte das wahre Christentum das Leben derer, die seine Lehren annahmen. Es bewirkte, daß die Menschen Handlungen, durch die sie sich und ihre Mitmenschen geschädigt hatten, nicht mehr ausführten, sondern begannen, nach hohen sittlichen und religiösen Maßstäben zu handeln — zu ihrem Nutzen und zum Nutzen ihrer Mitmenschen.
Der in Buenos Aires erscheinende Herald schrieb in seiner Ausgabe vom 31. März 1978 über die Zeugen Jehovas in Argentinien: „Jehovas Zeugen — ihre Glaubensansichten mögen der Regierung noch so sehr auf die Nerven fallen — haben im Laufe der Jahre bewiesen, daß sie fleißige, vernünftige, sparsame und gottesfürchtige Bürger sind, Bürger also, die unser Land offensichtlich benötigt.“ Ein hoher Marineoffizier drückte sich wie folgt aus: „Daß die Zeugen sittlich einwandfreie und ehrliche Personen sind, bezweifelt niemand.“
Obschon also Jehovas Zeugen dafür bekannt sind, ehrliche, sittlich einwandfreie, rechtschaffene und gesetzestreue Bürger zu sein, werden sie brutal und menschenunwürdig behandelt, ja man wird ihnen gegenüber sogar ständig unduldsamer. Im folgenden Artikel möchten wir nun über einige der Vorfälle berichten.
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Die religiöse Unduldsamkeit steigert sichErwachet! 1978 | 22. September
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Die religiöse Unduldsamkeit steigert sich
DIE Zeit: 9. Juli 1976. Der Ort: eine kleine Landschule im Nordosten Argentiniens. Der Anlaß: ein argentinischer Nationalfeiertag.
Reporter des allwöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazins Gente besuchten die Schule. Warum? Die bedenklichen Verhältnisse in der Schule interessierten sie, vor allem auch deshalb, weil sie in der Nähe der brasilianischen Grenze liegt. Berichterstatter hatten geschrieben, daß viele Leute schwarz über die Grenze kämen. Die Gente-Reporter besuchten daher die Schule, um zu sehen, wie die Situation wirklich war.
Doch die Presseleute glaubten, sie müßten ihren Artikel sensationell aufmachen. Was taten sie deshalb? Sie stellten einige Kinder mit dem Rücken zur Fahne, während die anderen Schüler an der Fahnengrußzeremonie teilnahmen. Dann fotografierten sie die Kinder.
Der Artikel wurde am 15. Juli veröffentlicht. Unter anderem hieß es darin, daß es sich bei den Kindern, die mit dem Rücken zur Fahne standen, um Zeugen Jehovas handle. Stimmte das? Absolut nicht! Die vier Kinder von Zeugen Jehovas waren an jenem Tag der Schule ferngeblieben. Und selbst wenn sie dort gewesen wären, hätten sie sich zufolge ihrer christlichen Erziehung der Landesfahne gegenüber nicht respektlos verhalten.
Doch der unwahre Bericht über das angeblich respektlose Verhalten der Zeugen Jehovas gegenüber der Fahne erschien in der Presse. Und bald wurde er im ganzen Land bekannt.
Eine Kettenreaktion
In dem darauffolgenden Monat kam es in der Provinz Misiones zu einem weiteren Vorfall. Zwei Mittelschüler, deren Eltern und eine Lehrerin wurden verhaftet und 16 Tage eingesperrt. Man beschuldigte sie, die Embleme des Landes „verunglimpft“ zu haben.
Warum diese Anklage? Weil die Schüler darum gebeten hatten, die Nationalhymne und den Sankt-Martin-Marsch nicht mitsingen zu müssen. Man wandte sich im Interesse dieser Zeugen sofort an das Gericht.
Inzwischen waren viele der öffentlichen Versammlungsstätten der Zeugen Jehovas in den Provinzen Misiones, Entre Ríos und Formosa von den Bundes- und Provinzbehörden geschlossen worden.
Die Zeugen wehrten sich gegen diese offenkundige Verletzung der Glaubensfreiheit. Am 23. August klagten sie beim Bundesgericht in Buenos Aires auf Unterlassung.
Die Gerechtigkeit triumphiert — aber nur kurz
Wenige Tage danach, am 27. August, fällte Bundesrichter Francisco Kalicz das Urteil. Er befahl, die Zeugen Jehovas, die in Misiones verhaftet worden waren, weil sie angeblich die Landesembleme „verunglimpft“ hatten, freizulassen. Er befahl auch, sie voll und ganz zu rehabilitieren.
Der Richter erklärte, „verunglimpfen“ bedeute, entsprechende Handlungen auszuführen, zum Beispiel etwas zu zerstören, anzuzünden, zu zerbrechen, zu zerschneiden, zu beschmutzen, auf etwas zu spucken, etwas zu zerreißen oder zu zertrampeln. Er bemerkte ferner, daß etwas auch durch Laute wie Pfeifen oder Zischen oder durch eine Schrift oder durch anstößige Gesten verunglimpft werde.
Hatten die Zeugen sich einer solchen Handlung schuldig gemacht? Der Richter erklärte, die Verhandlung habe gezeigt, daß keiner der Beklagten die Absicht hatte, so etwas zu tun. Er fügte hinzu: „Ganz im Gegenteil, sie haben einstimmig beteuert, alle Embleme des Landes ebenso zu respektieren wie alle Gesetze.“
An jenem Tag siegte das Recht. Doch die Freude über diesen Sieg war nur von kurzer Dauer. Vier Tage später sollte sich das schon wieder ändern.
Ein harter Schlag
Am 31. August 1976 führte die Regierung ihren letzten Schlag. Sie erließ das Dekret Nr. 1867.
Darin hieß es unter anderem: „Die in Artikel 14 und Artikel 20 der argentinischen Verfassung verankerte Religionsfreiheit wird natürlich nur unter der Bedingung gewährt, daß die Lehren einer Religionsgemeinschaft keinen Anlaß geben zu einer Verletzung der Gesetze, einer Störung der öffentlichen Ordnung, einer Schwächung der nationalen Sicherheit oder einer Verletzung der Moral oder der guten Sitten.“
Doch wie Richter Francisco Kalicz in seinem Urteil andeutete, konnte keine der gegen Jehovas Zeugen erhobenen Anklagen jemals aufrechterhalten werden.
Trotzdem hieß es in dem Dekret: „Aus diesem Grund ... BESTIMMT DER PRÄSIDENT VON ARGENTINIEN:
ARTIKEL 1: Die Tätigkeit der Religionsgemeinschaft der ZEUGEN JEHOVAS und der WACHTTURM BIBEL- UND TRAKTATGESELLSCHAFT sowie aller Gruppen, juristischen Personen oder Vereinigungen, die mit der erwähnten Vereinigung direkt oder indirekt in Verbindung stehen, ist im ganzen Land verboten.
ARTIKEL 2: Verboten sind ebenfalls a) die Zeitungen, Zeitschriften und alle Publikationen, die öffentlich oder auf andere Weise die besagte Lehre fördern; b) alle Bekehrungsversuche und jede Unterweisung in dieser Lehre.
ARTIKEL 3: Alle Stätten, an denen die erwähnte Vereinigung Zusammenkünfte abhält, sowie die Gebäude, in denen die in Artikel 2 erwähnten Schriften gedruckt, verbreitet oder verkauft werden, sollen geschlossen werden.
ARTIKEL 4: Das Innenministerium wird die zur Ausführung des Dekrets erforderlichen Maßnahmen ausarbeiten und Instruktionen erteilen.“
Im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Regierung wurde in dem bei der Generaldirektion für Rechtssachen des Innenministeriums eingereichten Schriftsatz behauptet: „Der Beweis konnte nicht erbracht werden ..., daß es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, deren Kult im Einklang ist mit unserer Moral und unseren guten Sitten.“
Natürlich ist es gerade umgekehrt. In unserem Jahrhundert ist klar und deutlich bewiesen worden, daß Jehovas Zeugen im wahrsten Sinne des Wortes eine Religionsgemeinschaft sind und daß ihre Form der Anbetung ein hohes sittliches Niveau hat. Auch ist sie für niemand eine Behinderung, der sich zu einem anderen Glauben bekennt oder der Sitten praktizieren möchte, die er für richtig hält. Autoritäten in aller Welt, auch das Oberste Bundesgericht der USA, haben diese Tatsachen schon vor Jahren bestätigt.
In dem Schriftsatz stand auch folgende erstaunliche Behauptung: „Einer Religionsgemeinschaft, die Kannibalismus treibt, Ritualmorde begeht und die Polygamie gutheißt, kann keine Freiheit zugestanden werden. Aus diesem Grunde kann eine Religionsgemeinschaft wie die besagte nicht anerkannt werden, ganz gleich, wie sie organisiert ist.“
Jemand, der nicht Bescheid weiß, mag aufgrund dieses Schriftsatzes glauben, Jehovas Zeugen würden Kannibalismus oder Polygamie treiben und Ritualmorde begehen. Doch das entspricht absolut nicht den Tatsachen. Solche Andeutungen richten jedoch Schaden an, weil viele, die Jehovas Zeugen nicht kennen, denken, daß doch etwas Wahres daran sei.
Der Rechtskampf geht weiter
Der Prozeß, den Jehovas Zeugen angestrengt hatten, nahm seinen Verlauf. Am 10. März 1977 fällte Bundesrichter Dr. Jorge E. Cermesoni das Urteil. Er erklärte Artikel 1 des Verbots für ungesetzlich und legte dar, daß die ausführende Gewalt über ihre Zuständigkeit hinausgegangen sei, als sie das Dekret erließ. Er erklärte aber auch, daß „die Sekte, weil sie nicht registriert ist, als verbotene Sekte anzusehen“ sei.
Das Innenministerium legte gegen das Urteil Berufung ein; dasselbe taten Jehovas Zeugen. Das Ministerium behauptete, daß die Exekutive das Recht besitze, Verfassungsgarantien näher zu bestimmen. Die Zeugen legten Berufung ein, weil das Verbot nicht aufgehoben wurde.
Der Fall kam nun vor das Berufungsgericht. Am 23. Juni änderten die Bundesrichter Alberto Azcona, Juan Carlos Béccar Varela und Valerio R. Pico den Entscheid des unteren Gerichts. Sie erklärten das Dekret des Präsidenten für null und nichtig.
Die Begründung, die diese Richter gaben, wurde in der Zeitung La Nación, Ausgabe vom 24. Juni veröffentlicht. Darin hieß es unter anderem: „Die Religionsfreiheit gehört zu den wichtigsten Menschenrechten ... Jehovas Zeugen dürfen daher nicht verboten werden, es sei denn, die Betätigung ihres Glaubens geschehe nicht innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung.“ Die Richter stellten fest: „Die Statuten [der Zeugen Jehovas] besagen, daß ihre Aufgabe im öffentlichen Dienst für Gott, den Höchsten, und Christus Jesus besteht.“
Die edlen Normen der argentinischen Verfassung wurden somit respektiert und angewandt. Nach dem Gesetz kann man jedoch innerhalb von zehn Tagen Berufung einlegen. Nun fragte es sich, ob der Staat dies tun würde oder nicht.
Vor dem Obersten Gerichtshof
Kurz vor Ablauf der Frist legte die Regierung beim Obersten Gerichtshof Berufung ein. Im Inland und im Ausland erregte dieser Fall in den Kreisen, die an der Freiheit und an den Menschenrechten interessiert sind, große Aufmerksamkeit. Diese Leute waren überzeugt, daß sich das oberste Gericht des Landes für die von der Verfassung garantierte Freiheit einsetzen würde.
Am 8. Februar 1978 fällten fünf Richter des Obersten Gerichtshofes das Urteil. Sie lehnten es ab, das Verbot aufzuheben.
Das Urteil war so spitzfindig abgefaßt, daß der Laie den Eindruck hatte, an vielen Stellen würde es sich widersprechen. Die Richter behaupteten: „Das Dekret 1867 ist nicht willkürlich und auch nicht ungesetzlich.“ Dabei war es sowohl willkürlich als auch ungesetzlich, weil es im Widerspruch zur Verfassung stand.
Nach Auffassung der Richter standen den Zeugen andere administrative und gesetzliche Wege zur Wahrung ihrer Rechte offen, nämlich sich als Religionsgemeinschaft registrieren zu lassen. Doch Jehovas Zeugen hatten neunmal versucht, sich registrieren zu lassen, waren aber immer abgewiesen worden.
Ferner machten die Richter geltend, daß sie nicht über die Rechtlichkeit der von den Zeugen vorgebrachten Forderung urteilten noch über die Gesetzlichkeit der in dem Verbots-Dekret erwähnten Maßnahmen; das Gericht erklärte lediglich den von den Zeugen beschrittenen Rechtsweg als unzulässig. Dabei gibt es nur diesen Rechtsweg, und Jehovas Zeugen hatten das Recht, ihn zu beschreiten.
Warum argumentierte der Oberste Gerichtshof so? Fünfzehn Monate lang war der Fall von Rechtsgelehrten, u. a. auch von dem Generalstaatsanwalt und den Bundesrichtern, die für den Fall zuständig waren, genauestens geprüft worden. Doch NICHT EINMAL wurde die Statthaftigkeit des von Jehovas Zeugen eingelegten Rechtsbehelfs angefochten.
Wusch der Oberste Gerichtshof „seine Hände in Unschuld“ wie Pontius Pilatus im Falle von Jesus? Wollte er die Pflicht, eine Verfassungsfrage zu entscheiden, umgehen?
Wie ganz anders war der vor einem Jahrhundert lebende argentinische Erzieher und Staatsmann Domingo F. Sarmiento eingestellt. Er hatte erklärt: „Wenn eine Minderheit der Bevölkerung, ja selbst wenn nur ein einzelner ehrlich und aufrichtig anderer Meinung ist als die Mehrheit, schützt ihn das Gesetz, vorausgesetzt, daß er es nicht verletzt.“ Sarmiento erklärte außerdem: „Um seine Meinung zu schützen, ... wurde die Verfassung geschaffen.“
Der Oberste Gerichtshof hat dadurch, daß er seiner Pflicht nicht nachkam, einen harten Schlag gegen die Freiheit und gegen Jehovas Zeugen geführt. Auch hat er den vielen Fällen von Unduldsamkeit, die sich seit dem Verbot im September 1976 ereignet haben, den Stempel der Gutheißung aufgedrückt und gleichzeitig die Fälle, die sich noch ereignen werden, im voraus gebilligt. Und was hat sich seit dem Verbot ereignet?
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Was geschah nach dem Verbot?Erwachet! 1978 | 22. September
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Was geschah nach dem Verbot?
DAS Verbot gegen Jehovas Zeugen trat Anfang September 1976 in Kraft. Beim Morgengrauen des 7. September traf die Bundespolizei im Auftrag des Innenministeriums im Zweigbüro der Zeugen Jehovas in Buenos Aires ein.
Die Polizei versiegelte die Druckerei, das Büro, die Versandabteilung und das Lager. Polizeiwachen wurden aufgestellt. Am gleichen Tag wurden etwa 600 Königreichssäle der Zeugen in ganz Argentinien geschlossen.
Die Freiheit ist vorbei
Seit dem Verbot ist in 38 Städten und Ortschaften die religiöse Unduldsamkeit aufgeflackert, angefangen von den nördlichen Provinzen Misiones, Formosa und Salta bis zu den südlichen Provinzen Río Negro, Chubut und Santa Cruz. Bis jetzt sind über 320 Personen verhaftet worden, unter ihnen viele ältere Männer und Frauen sowie kleine Kinder. Andere sind allein deshalb in Haft gehalten worden, weil sie Verwandte oder Freunde von Zeugen sind.
Steht dieses Vorgehen einer Nation an, die behauptet, für Freiheit einzutreten? Eine mutige Antwort darauf war in einem Leitartikel der in Buenos Aires erscheinenden Zeitung Herald unter der Überschrift „Religiöse Verfolgung“ zu lesen. Darin hieß es: „Diese Berichte [über die Verhaftung von Zeugen Jehovas] lassen vermuten, daß in Argentinien die größte religiöse Verfolgung seit seiner Geschichte als unabhängige Nation ausgebrochen ist. Das ist sehr bedauerlich und wird nicht im geringsten dazu beitragen, den Ruf Argentiniens in der übrigen Welt zu fördern.“
Weiter hieß es in diesem Leitartikel, daß die Maßnahmen der Regierung „der Welt das abscheuliche Schauspiel bieten, wie bewaffnete Polizisten Gebetsversammlungen auflösen, etwas, was man in Sowjetrußland als normal akzeptieren könnte, aber im pluralistischen Argentinien keinen Platz haben sollte“.
Doch dieses „abscheuliche Schauspiel“ hat stattgefunden. Im folgenden werden nur einige der Fälle erzählt, die einem erkennen helfen, wie es sich mit religiöser Verfolgung und Unduldsamkeit in Argentinien wirklich verhält.
Die Tatsachen sprechen für sich
„30 Zeugen gefangengenommen“, so lautete die Schlagzeile eines Zeitungsberichts vom 29. März 1978, der in Andalgalá (Provinz Catamarca) veröffentlicht wurde. Ramón Alvarez, Angehörige seiner Familie und eingeladene Gäste waren nach dem Schlußgebet der jährlichen Abendmahlsfeier verhaftet worden. Sie wurden sechs Tage lang festgehalten. Sowohl Männer als auch Frauen mußten die erste Nacht im Innenhof der Polizeiwache verbringen. Ihre Bibeln und biblischen Schriften wurden beschlagnahmt.
In Mar del Plata, einem beliebten Urlaubszentrum am Meer, studierten gerade 19 Erwachsene und 3 Minderjährige die Bibel, als plötzlich 15 Polizisten in die Wohnung stürmten und allen befahlen, mit erhobenen Händen das Haus zu verlassen. Hector Mariño und andere Erwachsene wurden 45 Stunden lang festgehalten. Als vier andere Zeugen mit Kleidung und Nahrung für ihre Freunde kamen, wurden sie ebenfalls verhaftet. Ein Mann, der kein Zeuge war, erklärte: „Ich bin stolz, daß mein Vater ein Zeuge Jehovas ist.“ Darauf wurde auch er verhaftet.
Ein besonders schlimmer Fall ereignete sich in Puerto Rico (Provinz Misiones). In diesem Ort wurden 16 Erwachsene, die Eltern von Schülern, die wegen der Fahnengrußfrage von der Schule verwiesen worden waren, ins Gefängnis gesperrt. Dort mußten sie 55 Tage in der Gesellschaft aller möglichen Gesetzesbrecher zubringen. Den Vätern unter den Verhafteten wurde dadurch die Möglichkeit genommen, für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu arbeiten. Die eingesperrten Mütter waren gezwungen, ihre kleinen Kinder der Obhut anderer christlicher Familien zu überlassen.
In einem weiteren Ort der gleichen Provinz durchsuchten Soldaten die Wohnungen von Zeugen und beschlagnahmten ihre Literatur, darunter auch Bibeln, die nicht von Jehovas Zeugen herausgegeben worden waren. Die Polizei verhaftete 15 Personen, von denen eine gar kein Zeuge war, sondern nur ihre Schriften besaß. Andere Wohnungen in der Nähe wurden von Soldaten aufgesucht. Sie drohten, jeden zu verhaften, der nicht sämtliche Wachtturm-Schriften, die er besaß, verbrannte.
Der Polizeichef von Pirané (Formosa) holte den Zeugen Mosconi aus seiner Wohnung, brachte ihn an den Stadtrand und warnte ihn, er würde ins Gefängnis gesteckt, falls er es wagen sollte, in seine Wohnung zurückzukehren. In der gleichen Provinz drangen bewaffnete Soldaten schlagend und fluchend in die Wohnung einer siebenköpfigen Familie ein, verhafteten alle und hielten sie drei Tage lang in Haft.
In Villa Constitución (Santa Fe) wurde eine Privatwohnung durchsucht. Schriften wurden beschlagnahmt, darunter auch Bibeln, die von anderen Religionsgemeinschaften gedruckt worden waren, und alle Anwesenden wurden aufgefordert, sich auf die Polizeiwache zu begeben. Sie wurden gewarnt, daß sie mit 10 Jahren Gefängnis bestraft werden könnten, wenn man wieder Literatur der Zeugen bei ihnen fände.
In Córdoba wurde ein Zeuge für 13 Tage eingesperrt. Er mußte lange Verhöre über sich ergehen lassen, und oft wurden ihm die Augen verbunden, so daß er diejenigen, die ihn verhörten, nicht erkennen konnte.
Señora Luisa Moretti und eine Begleiterin wurden in Bahía Blanca von der Polizei 10 Tage lang in Haft gehalten. Ihr Verbrechen? Sie hatten sich mit anderen über die Bibel unterhalten.
Ganz im Süden, in Pico Truncado (Santa Cruz), wurde die Wohnung eines Zeugen durchsucht. Seine biblischen Schriften wurden beschlagnahmt. Danach hielt man ihn fünf Tage lang in Einzelhaft.
In Las Catitas (Mendoza) wurde ein Zeuge von seiner Arbeitsstelle abgeführt, um von der Polizei verhört zu werden. Als seine Antworten die Polizei nicht zufriedenstellten, wurde er ins Gesicht geschlagen, bis er blutete.
Keine subversiven Elemente
Welches Beweismaterial fand die Polizei, als sie Privatwohnungen durchsuchte oder das Zweigbüro und die Zusammenkunftsstätten der Zeugen in ganz Argentinien schloß? NICHT EINE EINZIGE WAFFE WURDE GEFUNDEN, NICHT EINE EINZIGE SUBVERSIVE SCHRIFT!
Außerdem leistete keiner der Zeugen Widerstand. Auch bekundeten sie in keiner Weise einen Mangel an Respekt gegenüber der Polizei und anderen Vertretern der Obrigkeit.
Unter den 33 000 aktiven Zeugen Jehovas in Argentinien ist NICHT EIN EINZIGER SUBVERSIVER gefunden worden!
Das ist für Personen, die Jehovas Zeugen kennen, auch gar nicht überraschend. Jehovas Zeugen richten ihr Leben nach den christlichen Grundsätzen aus, die in der Bibel dargelegt sind, ja die Bibel ist das Hauptlehrbuch der Zeugen in allen Ländern der Welt. Nach den Grundsätzen der Bibel zu leben ist gewiß nicht subversiv. Doch in Argentinien wird es jetzt als ein Verbrechen angesehen, dieses heilige Buch zu studieren und mit anderen darüber zu sprechen!
Die Arbeitsstelle verloren
Dutzende von Zeugen haben seit dem Verbot ihre Arbeitsstelle verloren. Schulbehörden wurden angewiesen, sämtliche Lehrer zu entlassen, die nicht an Zeremonien wie dem Fahnengruß teilnehmen.
In der Provinz Buenos Aires wurde Señora Enriqueta Domínguez, eine Aushilfslehrerin, innerhalb von 48 Stunden entlassen. In einer anderen Schule wurde Señora Elsida DaCosta ihrer Stellung als stellvertretender Schulleiter enthoben.
Señora Beatriz Muñoz war Leiterin eines Kindergartens und hatte bereits 24 Jahre lang als Lehrerin in der westlichen Provinz Mendoza gearbeitet. Sie ist eine Witwe und hat zwei kleine Kinder. Sie wurde jedoch auf der Stelle entlassen, als sie in einen patriotischen Eid, den sie unterzeichnete, eine Bedingungsklausel einfügte.
Señora Mercedes D’Alesandro, die bei der staatlichen Telefongesellschaft arbeitet, wurde ebenfalls entlassen. Die Zeugen Román und Fernández verloren ihre Arbeit in der Stadtverwaltung von Buenos Aires. Ernesto Navarro und Jorge Brun, Zivilangestellte in der Provinzstrafanstalt von Tucumán, wurden entlassen, ohne für ihre vielen Jahre des Dienstes entschädigt zu werden. Dieser Liste könnten noch viele weitere Fälle hinzugefügt werden.
Von der Schule verwiesen
Über 300 Kinder sind von der Schule verwiesen worden, oder es ist ihnen die Aufnahme in öffentliche und private Schulen verweigert worden. In einigen Orten haben jedoch Bundesrichter diese notorische Diskriminierung verurteilt und die Wiederaufnahme von Kindern der Zeugen angeordnet. Kürzlich hat das Oberste Bundesgericht den Ausschluß eines Schülers allein aufgrund seiner Religionszugehörigkeit für illegal erklärt.
Unter den rechtlichen Schriftsätzen, die zur Verteidigung von jugendlichen Zeugen Jehovas eingereicht worden sind, befindet sich das folgende sehr interessante Zitat eines bedeutenden argentinischen Sachverständigen für Verfassungsrecht: „Wenn jeder das Recht auf Meinungsäußerung hat, hat er auch das entsprechende [Recht], sich einer Äußerung zu enthalten, die nicht seine Überzeugung oder seine Wünsche widerspiegelt ... Manchmal kann schon die Forderung der Anwesenheit einer Person bei einem Akt eine willkürliche Ausübung von Zwang auf eine Person sein, um sie zu veranlassen, wenn auch nur passiv, an einer Zeremonie oder einer anderen Verrichtung teilzunehmen, mit der sie nicht übereinstimmt; das ist eine Verletzung der Freiheit, sich nicht zu äußern. Die Auferlegung der Pflicht, einen Eid zu leisten, der der religiösen Überzeugung und dem Gewissen einer Person widerspricht, hat die gleiche Folge und ist ein willkürlicher Grundsatz“ (Manual de Derecho Constitutional [Handbuch des Verfassungsrechts], Seite 220/221:355).
Einige Schüler unter Jehovas Zeugen hofften, nach ihrem Ausschluß ihre Abschlußprüfung vor einer besonderen Kommission machen zu können. Doch dieses Recht wurde ihnen ebenfalls verweigert, da die Unterrichtsbehörde der Provinz Misiones erklärt hatte: „Eine solche Prüfung ist nicht gestattet, wenn die Schüler zur Religion der ,Zeugen Jehovas‘ gehören.“
Es ist eine Ironie, daß die öffentlichen Schulen in ganz Argentinien das Motto tragen: „DIOS, PATRIA, Y HOGAR“ („GOTT, VATERLAND UND HEIMAT“). Den Schulkindern unter Jehovas Zeugen wird jedoch die Schulbildung versagt, weil sie Gott tatsächlich an die erste Stelle setzen, wie es in dem Slogan heißt.
Strengere Bestrafung
In den meisten demokratischen Ländern besteht die gesetzliche Möglichkeit, Wehrdienstverweigerer von der militärischen Ausbildung zu befreien.
Doch am 17. Februar 1977 nahm Argentinien einen neuen Artikel in das Militärgesetzbuch auf. Wehrdienstverweigerer erhalten nicht nur die übliche Gefängnisstrafe für die Weigerung, Waffen zu tragen (Jehovas Zeugen bekamen gewöhnlich dreieinhalb Jahre Gefängnis), sondern müssen jetzt auch mit ständigem Berufsverbot, was staatliche und öffentliche Dienste betrifft, sowie mit dem Verlust aller bürgerlichen Rechte rechnen.
Das bedeutet, daß jemand, der sich weigert, das Töten zu lernen, härter bestraft wird als gewöhnliche Verbrecher, die töten, das Eigentum anderer zerstören und andere schändliche Verbrechen begehen!
Das „Vergehen der Apologie“
Im Mai 1977 wurden Charles Eisenhower, Zweigkoordinator der Watch Tower Society, der seit 1948 in Argentinien lebt, und der in Argentinien geborene Lucio Antonuccio, ein Ältester der Zeugen Jehovas, vom Militärrichter Alberto Martínez vorgeladen. Der Richter stellte ihnen Fragen über einen jungen Zeugen, der den Militärdienst verweigert hatte. Später wurden sie von einem Bundesgericht vorgeladen, um Erklärungen über die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas abzugeben.
Als Folge dieser Anhörungen wurden sie des „Vergehens der Apologie“ für schuldig befunden und zu drei Monaten bzw. drei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde in zweiter Instanz aufrechterhalten.
Was versteht man unter dem „Vergehen der Apologie“? In Webster’s Third New International Dictionary wird „Apologie“ wie folgt definiert: „Etwas, was jemand sagt oder schreibt, um etwas zu verteidigen oder zu rechtfertigen, was anderen als verkehrt erscheint“ (Kursivschrift von uns).
In Argentinien scheint es somit neuerdings ein Verbrechen zu sein, seine biblisch begründeten Glaubensansichten vor Gericht zu verteidigen!
Es muß hier erwähnt werden, daß Charles Eisenhower den erwähnten Wehrdienstverweigerer bis zu dem Tag, an dem er ihm im Militärlager begegnete, noch nie gesehen hatte. Lucio Antonuccio, der Cousin des Häftlings, hatte mit ihm die Bibel studiert, ihm aber nie bezüglich des Militärdienstes Rat gegeben.
Besteht angesichts all dieser Tatsachen irgendein Zweifel daran, daß Jehovas Zeugen in Argentinien das Opfer einer heftigen, boshaften religiösen Unduldsamkeit geworden sind?
Was kann man dagegen tun? Ja, was kannst DU dagegen tun?
[Karte auf Seite 13]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
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Argentinien
ERWÄHNTE STÄDTE (UND PROVINZEN), IN DENEN VERHAFTUNGEN VORGEKOMMEN SIND
1. Salta (Salta)
2. Pirané (Formosa)
3. Puerto Rico (Misiones)
4. Tucumán (Tucumán)
5. Andalgalá (Catamarca)
6. Santiago (Santiago del Estero)
7. Córdoba (Córdoba)
8. Concordia (Entre Ríos)
9. Villaguay (Entre Ríos)
10. Villa Constitución (Santa Fe)
11. Las Catitas (Mendoza)
12. Mar del Plata (Buenos Aires)
13. Bahía Blanca (Buenos Aires)
14. Pico Truncado (Santa Cruz)
15. Buenos Aires, Hauptstadt
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Was kann getan werden?Erwachet! 1978 | 22. September
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Was kann getan werden?
WAS kann getan werden, damit der religiösen Unduldsamkeit in Argentinien Einhalt geboten wird? Die Behörden sollten einmal folgende Fragen bedenken:
WANN wird es in Argentinien nicht mehr als Verbrechen gelten, ein Zeuge Jehovas zu sein?
Müssen wir noch Monate oder Jahre warten, bis die langsamen Räder der Justiz eine gerechte Entscheidung herbeiführen?
Werden die höchsten Vertreter der Nation Argentinien persönlich NUR EIN EINZIGES MAL unvoreingenommen den Standpunkt der Zeugen Jehovas anhören?
Die Machthaber Argentiniens haben jetzt die Gelegenheit, vor der ganzen Welt zu beweisen, welche Rolle Argentinien wirklich auf der Weltbühne spielt: die Rolle eines Verfechters der Freiheit oder eines Anstifters zu religiöser Unduldsamkeit.
Gerechtgesinnte Menschen in aller Welt hoffen, daß sich Argentiniens Führer auf die Seite der Freiheit stellen werden.
Die öffentliche Meinung in Argentinien
Viele Argentinier denken ähnlich. Tatsächlich stehen, insgesamt gesehen, Argentinier aller sozialen Schichten ratlos vor der Frage, weshalb ihre Regierung solche ungerechten Maßnahmen gegen die Zeugen getroffen hat. Freunde und Verwandte, Nachbarn, Geschäfts- und Berufskollegen und andere Personen, mit denen die Zeugen im täglichen Leben zu tun haben, bringen ihr Mitgefühl zum Ausdruck.
Einige fragen: „Was gibt es Neues über euren Fall?“ Und sie fügen dann schnell hinzu: „¡Dios quiera que salga bien!“ („Gott wird es schon zum Guten lenken!“). Andere sagen: „Warum sperrt die Regierung nicht all die Verbrecher ein und hackt statt dessen auf euch herum, die ihr doch nur Gutes tut?“ „Welch eine Ungerechtigkeit!“ „Warum verbieten sie nicht den Schund, der an den Zeitungsständen verkauft wird, statt die anständigen, lehrreichen Artikel eurer Zeitschriften zu verbieten?“
Besonderer Erwähnung wert sind die Freundlichkeiten, die den Zeugen von vielen Nachbarn und Geschäftsleuten erwiesen werden. Aus eigener Initiative und gutem Willen haben sie prompt Nahrungsmittel und Kleidung für diejenigen gespendet, die sich im Gefängnis befinden, da sie wissen, daß die Polizei für so etwas nicht sorgt. Außerdem haben sie die eingesperrten Zeugen regelmäßig besucht, um sich nach ihren Bedürfnissen zu erkundigen.
Es stimmt zwar, daß die meisten Nachrichtenmedien in Argentinien die feindliche Einstellung der Regierung widerspiegeln. Doch es gibt auch erwähnenswerte Ausnahmen. Die in Buenos Aires erscheinenden Zeitungen Herald und La Opinión und die in Misiones erscheinende Zeitung El Territorio gehören zu den Zeitungen, die Interviews mit Vertretern der Zeugen erbeten oder gewährt haben und ihre Erklärungen dann korrekt veröffentlicht haben.
Man sollte auch nicht zu dem Schluß kommen, daß alle Polizisten, Richter und anderen Beamten ihre Machtbefugnisse mißbraucht und Jehovas Zeugen voreingenommen behandelt haben. Das ist nicht der Fall. Bei vielen Gelegenheiten haben Polizeichefs und andere Beamte den Zeugen gegenüber ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht und die Umstände beklagt, die sie gezwungen haben, Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Und eine Anzahl Gefängnisbeamte haben den Zeugen bei ihrer Entlassung aus der Haft alles Gute gewünscht.
Was die Zukunft bringt
Jehovas Zeugen erwarten, daß eines Tages auf der ganzen Erde wahre Gerechtigkeit herrscht. Sie wissen, daß sie bald unaufhaltsam durch das Königreich des gerechten Richters und Königs Jesus Christus herbeigeführt werden wird.
Unterdessen vertrauen sie sich dem Schutz dessen an, an den die Gründer der argentinischen Verfassung appellierten, als sie in der Präambel zur Verfassung folgende Worte schrieben:
„Um für uns, für unsere Nachkommen und für alle Menschen der Welt, die auf argentinischem Boden leben möchten, den Nutzen des Freiheit zu sichern, rufen wir Gott, den Quell allen Rechts und aller Gerechtigkeit, um seinen Schutz an.“
Was kannst du tun?
Wie reagierst du auf die Unterdrückung der Religionsfreiheit in Argentinien? Kannst du irgend etwas dagegen tun? Ja, ganz gewiß.
Wenn du diese ungerechte Handlungsweise bedauerst, wirst du den Wunsch haben, an Regierungsbeamte zu schreiben und sie um Gerechtigkeit zu bitten. Du kannst respektvoll an sie appellieren, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um der christlichen Minderheit der Zeugen Jehovas die Freiheit wiederzugeben.
Du kannst an irgendeinen der unten aufgeführten argentinischen Beamten schreiben oder telegrafieren:
Adressen von Beamten:
Generalleutnant Jorge Rafael Videla
Präsident von Argentinien
Casa de Gobierno
Balcarce 50
1064 Buenos Aires, Argentinien
Admiral Emilio Eduardo Massera
Casa de Gobierno
Balcarce 50
1064 Buenos Aires, Argentinien
Brigadegeneral Orlando Ramón Agosti
Casa de Gobierno
Balcarce 50
1064 Buenos Aires, Argentinien
Minister für auswärtige Angelegenheiten und Religion
Vizeadmiral Oscar Antonio Montes
Arenales 761
1061 Buenos Aires, Argentinien
Innenminister
General Eduardo Albano Harguindeguy
Casa de Gobierno
Balcarce 50
1064 Buenos Aires, Argentinien
Verteidigungsminister
Brigadegeneral José María Klix
Paseo Colón 255
1063 Buenos Aires, Argentinien
Minister für Kultur und Erziehung
Doktor Juan José Catalán
Avda. Eduardo Madero 235
1106 Buenos Aires, Argentinien
Justizminister
Brigadier Julio A. Gómez
Av. Gelly y Obes 2289
1425 Buenos Aires, Argentinien
Oberster Gerichtshof
Doktor Horacio H. Heredia
Talcahuano 550
1013 Buenos Aires, Argentinien
Oberster Gerichtshof
Doktor Adolfo R. Gabrielli
Talcahuano 550
1013 Buenos Aires, Argentinien
Oberster Gerichtshof
Doktor Abelardo F. Rossi
Talcahuano 550
1013 Buenos Aires, Argentinien
Oberster Gerichtshof
Doktor Pedro J. Frías
Talcahuano 550
1013 Buenos Aires, Argentinien
Oberster Gerichtshof
Doktor Emilio M. Daireaux
Talcahuano 550
1013 Buenos Aires, Argentinien
In Übereinstimmung mit 1. Timotheus 2:1, 2 kannst du auch Gott bitten, denen, die in Argentinien „in hoher Stellung“ sind, zu helfen, gegenüber Jehovas Zeugen in diesem Land eine tolerantere Haltung einzunehmen, damit sie wieder ein ruhiges und stilles Leben führen können, ohne die bedrückende Last dieses ungerechten Verbots.
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Mit jedem Atemzug Milliarden AtomeErwachet! 1978 | 22. September
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Mit jedem Atemzug Milliarden Atome
● Atome sind überall. Alles Materielle, was dich umgibt — was du sehen, fühlen, berühren, riechen oder schmecken kannst —, besteht aus winzigen, unsichtbaren Atomen. Das bedeutet, daß selbst die Luft, die du einatmest, aus diesen unglaublich kleinen Bestandteilen der Materie aufgebaut ist. „Wie viele Atome zum Beispiel befinden sich in der Luft eines einzigen Atemzuges?“ Diese Frage stellte Heinz Haber in dem Buch Unser Freund — das Atom. „Unter normalen Bedingungen atmet ein Mensch mit jedem Atemzug einen halben Liter Luft ein und aus. Dies bedeutet, daß wir mit jedem Atemzug nicht weniger als 25 000 000 000 000 000 000 000 Atome aus- und einatmen!“ Also atmest du durchschnittlich in jeder Minute deines Lebens vierhundert Trillionen Atome ein. Diese Zahl ist so groß, daß du der 400 noch 21 Nullen anhängen mußt — 400 000 000 000 000 000 000 000. Und wieviel Atome atmet der Mensch während seines ganzen Lebens ein? Versuch gar nicht erst, das herauszubekommen. Mit Sicherheit wird diese Zahl derart astronomische Ausmaße erreichen, daß sie „den Rahmen deines Rechenbrettes“ sprengen wird. Welch ein Glück, daß diese Atome so winzig sind!
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