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Wer redet in Zungen?Der Wachtturm 1981 | 15. November
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Wer redet in Zungen?
„EINES Tages kniete ich hier in meinem Wohnzimmer nieder und betete. Plötzlich fühlte ich in mir eine große überströmende Freude. Zuerst pries ich Gott in Englisch, doch dann wechselte ich auf eine andere Sprache über. Es war ein wunderschönes Erlebnis“ (eine Baptistin aus Texas, USA).
„Plötzlich verlor ich die Gewalt über meine Zunge, und dann wußte ich nichts mehr, nein, absolut nichts mehr, doch ich fühlte einen inneren Drang zum Sprechen. Ich wollte nicht mehr reden, aber etwas trieb meine Zunge an. ... Dann höre ich meine eigenen Worte; ich kann ihren Sinn nicht verstehen, doch ich spüre weiterhin, wie meine Zunge zum Sprechen angetrieben wird“ (ein Angehöriger der Apostolischen Kirche aus Mexiko).
„Es drückt etwas aus, was in meinem Herzen vorgeht“ (ein Katholik aus Michigan, USA).
Was beschreiben diese Leute? Das Zungenreden (Glossolaliea). Während der vergangenen zehn oder zwanzig Jahre haben buchstäblich Millionen von Menschen behauptet, von Gott die Wundergabe des Zungenredens erhalten zu haben. Diese „Gabe“ besitzen nicht nur Anhänger der „klassischen“ Pfingstgemeinden, sondern auch Angehörige der charismatischenb Bewegung, die sozusagen in allen Religionsorganisationen zu finden sind, unter Katholiken, Baptisten, Methodisten, Lutheranern und Presbyterianern. Gemäß Christianity Today ergab eine Meinungsumfrage, daß von den 29 Millionen erwachsenen Amerikanern, die sich für Charismatiker halten, etwa fünf Millionen behaupten, die Gabe des Zungenredens zu besitzen.
Diese „Gabe“ zeigt sich gewöhnlich in einem ekstatischen Ausbruch von unverständlichen Worten und Aussprüchen. Für einen Außenstehenden mag sich dies wie nichtssagendes Gerede anhören, aber für den echten Charismatiker ist es — nach den Worten eines Zungenredners — „das schönste Erlebnis, das ein Christ haben kann“. Warum legen so viele solch großen Wert auf die Gabe des Zungenredens?
Felicitas D. Goodman erklärte in ihrem Buch Speaking in Tongues (In Zungen reden): „Einmal zeigt es an, daß der heilige Geist in der Person gegenwärtig ist. ... Außerdem wird das Zungenreden als eine Art Gebet angesehen, zu dem man durch die Gegenwart des heiligen Geistes inspiriert wird.“ Für den aufrichtigen Zungenredner ist diese Gabe also ein Zeichen dafür, daß er den heiligen Geist empfangen hat. Er meint vielleicht, es fehle ihm an Worten, um seine Dankbarkeit gegenüber Gott auszudrücken. Clark H. Pinnock, außerordentlicher Professor der systematischen Theologie an der McMaster Divinity School in Ontario (Kanada), sagte deshalb: „Das Zungenreden wird als Gabe des Geistes betrachtet, durch die jemand wirkungsvoller beten kann, und zwar in einer nicht mit dem Sinn zu erfassenden Sprache.“
Zeigt die Gabe des Zungenredens jedoch wirklich an, „daß der heilige Geist in der Person gegenwärtig ist“? Solltest du diese Gabe zu erlangen suchen, damit du „wirkungsvoller“ zu Gott beten kannst?
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Ist das Zungenreden heute von Gott?Der Wachtturm 1981 | 15. November
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Ist das Zungenreden heute von Gott?
„DIE Bibel lehrt, daß die Taufe mit heiligem Geist, die durch das Zungenreden zum Ausdruck kommt, ein Kennzeichen der heutigen wahren Kirche ist“, behauptet Marvin A. Hicks, ein Prediger der Pfingstgemeinde.
Dem steht das gegenüber, was Dr. W. A. Criswell, der der Ersten Baptistenkirche von Dallas (USA) angehört, sagt: „Die Grundlehre vom Zungenreden ist unbiblisch und falsch.“ Er fügt hinzu: „Wenn der christliche Glaube dadurch zum Ausdruck kommt, dann bin ich kein Christ.“
Du magst dich angesichts solch unterschiedlicher Meinungen über das Zungenreden vielleicht fragen: „Was sagt aber die Bibel wirklich über die Gabe des Zungenredens? Gehört sie heute noch zum Christentum?“ Um darauf eine Antwort zu erhalten, ist es gut, zu verstehen, warum den ersten Christen die Gabe des Zungenredens verliehen wurde.
WARUM DIESE GABE VERLIEHEN WURDE
Zuerst sei erwähnt, daß der Apostel Paulus in Hebräer 2:2-4 erklärte, die Wundergaben — zu denen auch das Zungenreden gehörte — seien den Christen des ersten Jahrhunderts verliehen worden, um zu beweisen, daß die Gunst Gottes nicht mehr auf der alten jüdischen Form der Anbetung liege, sondern auf der neugegründeten Christenversammlung. Diese Verlagerung der Gunst Gottes wurde in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, als einige der Apostel Jesu Christi noch am Leben waren, unwiderleglich nachgewiesen.
Die Gabe des Zungenredens diente noch einem anderen Zweck. Das ist aus den Worten Jesu zu ersehen, die er kurz vor seiner Auffahrt in den Himmel im Jahre 33 u. Z. an seine Jünger richtete: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet Zeugen von mir sein sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis zum entferntesten Teil der Erde“ (Apg. 1:8). In der kleinen Jüngerschar waren nicht alle Sprachen der verschiedenen Länder vertreten. Doch etwa zehn Tage später, am Tage des Pfingstfestes, wurde auf 120 in einem Obersaal in Jerusalem versammelte Jünger der heilige Geist ausgegossen — so wie Jesus es verheißen hatte. Das Ergebnis? Sie „fingen an, in verschiedenen Zungen zu reden“. Auf diese Weise konnten sie sofort mit dem ihnen aufgetragenen Zeugniswerk beginnen (Apg. 2:1-4).
Als die Jünger in Jerusalem während des Pfingstfestes Zeugnis gaben, konnte man die von weit her zum Fest gekommenen Juden und Proselyten sagen hören: „Wie kommt es, daß jeder von uns seine eigene Sprache hört, in der wir geboren wurden? ... wir hören sie in unseren Zungen über die großen Dinge Gottes reden“ (Apg. 2:8-11). Ganz offensichtlich konnten die hier erwähnten Sprachen oder Zungen verstanden werden; es war kein unverständliches Gerede. Außerdem ist beachtenswert, daß die Gabe
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