Wir beobachten die Welt
Das Heilige Jahr wirft seine Schatten voraus
◆ „Es ist nicht länger zu verbergen.“ Mit diesen Worten leitete die Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln im Oktober 1974 einen Artikel ein, der überschrieben war: „Rom hat im Heiligen Jahr besondere Schwierigkeiten“. Es hieß dann weiter: „Im Vatikan macht man sich ernsthaft Sorgen. Sorgen nämlich, ob nicht das kommende Jahr 1975, von Papst Paul VI. für die ganze Welt zum Jahr der Umkehr und Versöhnung in Christus ausgerufen, ausgerechnet in Rom, dem Zentrum der katholischen Christenheit, am Ende mit allen Vorzeichen des Chaos behaftet sein wird. Denn nur noch knapp zwei Monate, bevor der Papst am Heiligabend, 24. Dezember, zur mitternächtlichen Stunde die Heilige Pforte im Petersdom durch die berühmten, von vierhundertjähriger Tradition vorgeschriebenen Hammerschläge sprengen und dadurch das Jubeljahr symbolhaft ,eröffnen‘ wird, läßt sich nicht mehr verleugnen, daß noch allzuviel am geplanten Ablauf dieses Jahres mit großen Fragezeichen versehen werden muß.“
Der Vatikan muß es wissen
◆ Im Schweiz. Evang. Pressedienst konnte man unter der Überschrift „Die Romanen sind ,heiliger‘ als andere Leute“ folgendes lesen: „Gemäß einer in Rom veröffentlichten Studie sind von den in den letzten tausend Jahren von der römisch-katholischen Kirche heiliggesprochenen Menschen mehr als drei Viertel solche, die aus den Ländern Italien, Frankreich oder Spanien stammen. Von insgesamt 1 848 im letzten Millennium heiliggesprochenen Männern und Frauen waren 626 Italiener, 576 Franzosen und 215 Spanier. Die Britischen Inseln brachten in den letzten tausend Jahren 271 Heilige hervor, während auf die gesamte übrige Welt nur 160 Menschen entfielen, die eines so hohen Standes würdig waren.“ Der Schweiz. Evang. Pressedienst fügte hinzu: „Eine recht merkwürdige Auslese!“
Benediktinermönch spendet Trost mit Eisensäge und Pistolen
◆ Der Benediktinermönch Mattheus Notenboom schmuggelte zwei Pistolen mit Munition in die Haftanstalt Scheveningen (Niederlande) und überreichte das „Geschenk“ dem Kriminellen Jan Brouwers in dessen Zelle. Das Ergebnis war ein Ausbruchversuch mit Geiselnahme. Wie in Scheveningen jetzt bekannt wurde, verhalf der Mönch schon vor zwei Jahren Jan Brouwers zur Flucht aus der Haftanstalt Breda, indem er ihm eine Eisensäge beschaffte. Einen Tag später war Brouwers aus der Haftanstalt ausgebrochen.
Pfarrer tritt aus der Kirche aus
◆ Der evangelische Gemeindepfarrer von Wildenstein hat nicht nur für immer den Talar ausgezogen, sondern ist auch aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Nach dem Grund gefragt, antwortete er: „Ich kann es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, daß die Kirche sich nicht mehr an die Bibel hält — die Kirche macht Politik, eine linke, einseitige Politik, eine Politik, die im Widerspruch zum Wort Gottes und zur Bibel steht.“ Weiter klagte er: „Die Kirche hat sich gewandelt. Der Weltkirchenrat unterstützt finanziell auch militante Gruppen. Unsere Kirche ist nicht mal in der Lage, sich gegen die Baader-Meinhof-Terroristen deutlich auszusprechen.“
Kirche und Staat
◆ Anläßlich einer Studientagung der Katholischen Akademie in Bayern äußerte sich der Tübinger Kirchenrechtler Prof. Neumann zu dem Verhältnis der Kirche zum Staat. Er warnte die Kirche vor der Gefahr, zum politischen Partner des Staates zu werden, weil sie dadurch auch dessen Komplice würde. Er führte weiter aus, daß immer dann, wenn die Kirche in dem Bestreben, den Menschen und seine Würde zu retten, Kirchenpolitik zu betreiben versuche, die Gefahr bestehe, daß diese Aktivität nicht nur dem Ansehen und der Freiheit der Kirche, sondern auch der Freiheit der einzelnen Menschen gefährlich werden könne.
Von seinen Jüngern sagte Jesus in seinem in Johannes, Kapitel 17 niedergeschriebenen Gebet, daß sie kein Teil der Welt seien, so, wie auch er kein Teil der Welt war.
Harte Worte eines Erzbischofs über seine Kirche
◆ Während der Vierten Bischofssynode in Rom übte der brasilianische Erzbischof Helder Camara harte Kritik an der katholischen Kirche. Seinen Kollegen warf er vor: „Wir sind so sehr besorgt, die Autorität und Ordnung zu bewahren, daß wir nicht bemerken, daß die sogenannte soziale Ordnung nur eine Unordnung in Klassen ist. Wir zeigen ein passives Bild vom Christentum, und in einiger Beziehung geben wir Karl Marx recht, indem wir den Unterdrückten in den armen wie in den reichen Ländern ein Opium für das Volk geben.“
Rapides Ansteigen der Ehescheidungen in den USA
◆ Als Ende 1946 bekannt wurde, daß in Amerika, in dem Land, das sich gern seines Familiensinnes rühmt, als Folge des Zweiten Weltkrieges 610 000 Ehen geschieden worden waren, löste das bei der Bevölkerung dieses Landes einen Schock aus. Tatsächlich gingen in den folgenden Jahren die Ehescheidungen zurück und erreichten 1958 einen Stand von 368 000. Seit 1969 steigt aber die Kurve der Ehescheidungen dermaßen steil an, daß jedem Beobachter klar wird, daß die Familien- und besonders die Ehebande in Amerika sehr lose geworden sind. 1973 waren es schon 913 000 Ehescheidungen gewesen, und es ist anzunehmen, daß 1974 die Millionengrenze überschritten wurde. Statistiker weisen nach, daß jede vierte Ehe in Amerika vor dem Richter aufgelöst wurde.
Umweltverschmutzung nimmt kein Ende
◆ Zu den vielen ungelösten Problemen, die zur Verschmutzung der menschlichen Umwelt führten, ist neuerdings ein weiteres hinzugekommen, die Verschmutzung der Erdatmosphäre. Da aber dieses Problem der dringenden Lösung bedarf, wird schon in naher Zukunft das Thema auf einem noch einzuberufenden Weltkongreß ernstlich diskutiert werden müssen. Dabei handelt es sich um die Verwandlung von Regen in ätzende Säure, erzeugt durch die in die Luft geblasenen Industrieabfälle und Abgase. Der Säureregen, der von Experten angekündigt wird, kann das Wachstum der Bäume beeinträchtigen, Gebäude vorzeitig baufällig machen und den Fischbestand dezimieren oder ganz ausrotten.
Die reform rundschau sagt zu diesem Thema, daß der Säureregen, um den es hier gehe, durch die Verschmutzung der Atmosphäre durch Schwefeldioxyd verursacht werde. Die Verpestung mit diesem chemischen Stoff sei bereits eine weltweite Erscheinung in allen Industrieländern geworden. Wenn sich das Abfallprodukt in der oberen Atmosphäre mit Regen vermische, verwandle sich der Regen in eine säurehaltige Flüssigkeit. Forschungen in den USA und in Schweden hätten ergeben, daß sich der Säuregehalt des Regens in den letzten 20 Jahren verhundertfacht habe. Darum könnten die Wirkungen auf den Ackerboden und auf die Städte bei weitem noch nicht genau abgeschätzt werden. Es sei aber jetzt schon zu befürchten, daß die Nährkraft des Kulturbodens dadurch ausgelaugt werde, Seen und Flüsse in schwache Säurebäder verwandelt würden und die Entwicklung lebender Organismen behindert werde. Schätzungen hätten ergeben, daß sich der jetzige Schwefeldioxydgehalt der Luft von nahezu 50 Millionen Tonnen bis zum Jahre 1980 auf 94 Millionen erhöhen werde, während bis zum Jahre 2000 mit fast 200 Millionen Tonnen gerechnet werden müsse.
Das nächste: der „Strahlenpaß“
◆ Der Konstanzer Mediziner Bodo Manstein hat beim Hearing des Bundestag-Innenausschusses über die Risiken der Kernenergie die Einführung eines „Strahlenpasses“ für alle Bundesbürger gefordert. Auf diesem Paß sollten exakte Angaben über die individuelle Strahlenbelastung gemacht werden. In diesem Zusammenhang schlug Dr. Walter Herbst (Freiburg) das Üben eines „Evakuierungsprogramms“ für die Anwohner von Kernkraftanlagen vor. Das Hearing zeigte jedenfalls, daß die friedliche Nutzung der Kernenergie wegen einer vielleicht möglichen Gefährdung der Bevölkerung weiter ein heißumstrittenes Thema bleiben wird.
Der Streß-Tod
◆ Der bayerische Medizinaldirektor Dr. Peter Beckmann hat jetzt nachdrücklich vor dem Streß-Tod gewarnt. Nach seinen Beobachtungen werden jetzt in Deutschland jährlich 250 000 Herzinfarkte registriert, davon 80 000 mit tödlichem Ausgang. Seltsamerweise — so Dr. Beckmann — sterben aber unmittelbar unter Streß die wenigsten, sondern dann, wenn sie plötzlich abschalten. Bestes Beispiel seien die „Pensionisten-Tode“.
„Ultraschall-Zigarre“
◆ Die Firma Siemens hat jetzt eine „Ultraschall-Zigarre“ entwickelt, die, wenn sie auf die Haut aufgelegt wird, optisch und akustisch angibt, ob Venen und Arterien Verengungen haben. Dadurch soll es dem Arzt möglich sein, mangelnde Blutversorgung durch Gefäßverengungen oder durch schadhafte Herzklappen sofort zu erkennen.
Atomuhr bestimmt die genaue Zeit
◆ Nach Angaben des Deutschen Hydrographischen Instituts in Hamburg und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wurde am Morgen des Neujahrstages um 01.00 Uhr eine zusätzliche Sekunde eingefügt. Das war die vierte „Schaltsekunde“ seit der Einführung der Atomzeit im Jahre 1972. Dies war notwendig, um die Atomzeit der von Schwankungen der Erdumdrehung beeinflußten astronomischen Zeit anzupassen.
„Kulturrevolution“ im UN-Palast?
◆ Erfahrene Beobachter der Vereinten Nationen rechnen damit, daß die Weltorganisation ihren Sitz in drei, spätestens fünf Jahren aus New York verlegen wird. Noch nie ist die wachsende Einflußnahme der Länder der dritten Welt in der UNO so deutlich geworden wie während der 29. Vollversammlung. Mit Südafrika wurde zum erstenmal ein Land von der Sitzungsperiode ausgeschlossen, ein Land, das sogar zu den Gründungsmitgliedern gehört. Mit Israel wurde zum erstenmal einer Delegation das Rederecht beschnitten, und mit Arafat durfte zum erstenmal ein Vertreter einer Untergrundorganisation vor der Vollversammlung sprechen. Dabei wurde Arafat mit allen Ehren eines Staatsoberhauptes bedacht. Viele afrikanische, arabische und asiatische UN-Staaten vertreten den Standpunkt, daß damit das Ende der westlichen Vorherrschaft gekommen sei.
In Japan wird der Tod immer teurer
◆ Während vor fünf Jahren in Japan noch ein Mittelklasse Begräbnis 1 250 Mark und auch weniger kostete, verschlingt es jetzt 2 500 Mark. Für Grabstellen, die immer knapper werden, müssen jetzt je nach Lage 6 250 bis 50 000 Mark bezahlt werden. Das sind im Durchschnitt 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Da die Friedhöfe bei alledem zum Teil schon stark belegt sind, hat sich eine Stadt entschlossen, eine Lotterie für Grabplätze einzurichten. Auf dem Gemeindefriedhof werden dann die Leichen der Gewinner beigesetzt, während die Überreste der Verlierer bis zur nächsten Ziehung gelagert werden sollen.
Sehnsucht nach Ruhe und Frieden
◆ Wie das Hamburger Abendblatt berichtete, meldeten sich nicht weniger als 240 Personen auf die Zeitungsanzeige eines Mannes in Rheden (Niederlande), der einen Schäfer suchte. Unter den Bewerbern im Alter zwischen 17 und 46 Jahren waren Psychiater, Anwälte, Schuldirektoren und Schüler, Arbeitslose, Krankenschwestern und Lehrerinnen. Eine unverheiratete Mutter schrieb, sie könne ihr fünf Monate altes Baby in einem Rucksack tragen. Auf die Frage, warum sie alle Schäfer werden möchten, antworteten die meisten, sie wollten alles hinter sich lassen, um Ruhe und Frieden zu finden.