Medizinische Behandlung mit Blut — eine emotionelle Streitfrage
IM ALLGEMEINEN ist man geneigt, eine gegenwärtig anerkannte medizinische Behandlung als wissenschaftlich, ja als die einzig mögliche Behandlungsmethode zu betrachten. Jemand, der eine weniger übliche Methode vorzieht oder die populäre ablehnt, wird oft heftig kritisiert. Er mag sogar verunglimpft und verfolgt werden.
Hier ein Beispiel: Jahrhundertelang war der Aderlaß eine beliebte Heilmethode. Man glaubte, dadurch würde dem Körper krankes Blut entzogen und dem Kranken geholfen, wieder gesund zu werden. Bis ins letzte Jahrhundert hinein war dies eine anerkannte medizinische Behandlung. „Der Aderlaß war unglaublich beliebt“, schrieb Dr. Alonzo Jay Shadman in seinem Buch Who Is Your Doctor and Why?
Zufolge dieser Behandlungsmethode mußten viele leiden und sterben, unter anderem auch der erste Präsident der Vereinigten Staaten, George Washington. Er hatte sich eine Entzündung am oberen Teil der Luftröhre (wahrscheinlich eine eitrige Halsentzündung) zugezogen und starb im Dezember 1799. „Die Ärzte ließen George Washington ausbluten“, behauptet Dr. Shadman.
Damals wurden Washingtons Ärzte nicht kritisiert. Auch während des größten Teils des darauffolgenden Jahrhunderts wurden sie nicht kritisiert. Wie verhielt es sich aber mit denen, die im letzten Jahrhundert begannen, den Wert des Aderlasses in Zweifel zu ziehen?
Sie wurden beschimpft und verfolgt. Christoph Wilhelm Hufeland, in der Encyclopædia Britannica als der „in Deutschland bedeutendste praktische Arzt seiner Zeit“ bezeichnet, befürwortete den damals populären Aderlaß. Im Jahre 1830 sagte er: „Jeder, der es ablehnte, einen Aderlaß vorzunehmen, wenn ein Mensch in Gefahr war, an seinem eigenen Blut zu ersticken (diese Vorstellung hatte man von hochfieberhaften Erkrankungen), galt als ein Mörder aufgrund unterlassener Hilfeleistung.“
Heute aber werden die Ärzte jener Zeit als „Mörder“ bezeichnet, und man wirft ihnen vor, sie hätten Washington ausbluten lassen. Heute ist es allgemein üblich geworden, Blut zu geben statt abzuzapfen. Und Personen, die es ablehnen, daß einem ihrer Angehörigen eine Bluttransfusion gegeben wird, werden oft als „Mörder“ eingestuft. Die Behandlung mit Blut ist somit wieder eine emotionelle Streitfrage.
Die einzige Lösung?
Das Pendel hat nun nach der entgegengesetzten Seite ausgeschlagen. Heute wird Kranken routinemäßig Blut übertragen, als sei es ein Allheilmittel. Das ist es aber nicht! Es kann Krankheiten verschlimmern oder sogar den Tod verursachen. „Im letzten Jahrzehnt sind schätzungsweise 30 000 Menschen an [durch Bluttransfusion übertragener] Serumhepatitis gestorben“, hieß es in der Zeitschrift Family Health vom März 1977, „und viele tausend weitere haben durch verseuchtes Blut einen bleibenden Leberschaden davongetragen.“
Durch Bluttransfusionen werden auch viele weitere Krankheiten übertragen, an denen jährlich Tausende erkranken und sterben. Außerdem haben viele Patienten eine Transfusionsreaktion, die manchmal zum Tod führt. „In Miami [Florida]“, schreibt Dr. Charles Gilpin, „ruft etwa jede 10. Transfusion eine unerwünschte Begleitreaktion hervor.“
Wie groß sind somit die Gefahren? In der Zeitschrift Southern Medical Journal vom April 1976 wird die Vermutung geäußert, daß die Angabe von jährlich „3 000 bis 30 000 transfusionsbedingten Todesfällen“ wahrscheinlich eine sehr vorsichtige Schätzung sei. Diese Zahlen gelten jedoch nur für ein einziges Land — die Vereinigten Staaten. Wer wollte daher unterrichteten Personen einen Vorwurf machen, wenn sie zögern, einer Bluttransfusion zuzustimmen?
Natürlich wird jemand, der zuviel Blut verliert, sterben. Die meisten Ärzte sagen, eine solche Person könnte durch eine Bluttransfusion gerettet werden. Obwohl dies richtig sein mag, lehnen Jehovas Zeugen trotzdem Bluttransfusionen ab. Der Grund dafür ist, daß sie das biblische Gebot ernst nehmen: ‘Enthaltet euch des Blutes’ (Apg. 15:28, 29). Der Gehorsam gegenüber diesem Gebot hat sie manchmal in Widerspruch zu der anerkannten medizinischen Behandlungsmethode gebracht, und dadurch kam eine emotionelle Streitfrage auf.
Es gibt jedoch andere Behandlungsformen, und diese sind nicht mit den gleichen Gefahren verbunden wie Bluttransfusionen. Jehovas Zeugen akzeptieren diese Methoden, die sich oft als lebenrettend erwiesen haben. Viele Ärzte mögen der Ansicht sein, sie seien über die Blutfrage voll unterrichtet. Vielleicht kennen sie aber doch noch nicht alle Tatsachen. Man beachte die Erfahrung des früheren Chefarztes eines Krankenhauses in Texas.