Mögliche Gefahren der oralen Verhütungsmittel
IN DER ganzen Welt nehmen schätzungsweise vierzehn Millionen Frauen Verhütungsmittel, die man als Medikament einnimmt (orale Verhütungsmittel), allgemein „die Pille“ genannt. Diese Frauen sowie andere, die sich mit dem Gedanken tragen, ebenfalls Verhütungspillen zu nehmen, sollten die möglichen Nebenwirkungen, die diese Pillen haben, in Betracht ziehen. In letzter Zeit werden in zunehmendem Maße Berichte veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß bei diesen Mitteln bedenkliche Nebenwirkungen auftreten können.
Im Jahre 1960 gab die amerikanische Regierung orale Verhütungsmittel für den allgemeinen Gebrauch frei. Das war vier Jahre nachdem auf Puerto Rico die erste große Versuchsreihe mit diesen Mitteln gestartet worden war. Schon 1961 erschienen Berichte, die auf die Möglichkeit unerwünschter Nebenwirkungen hinwiesen. Aber aus den Studien der möglichen Nebenwirkungen oraler Verhütungsmittel sind verschiedene Schlußfolgerungen gezogen worden, und die Meinungen der Ärzte darüber gehen weit auseinander.
Dr. Willard Allen, Leiter der Abteilung für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Medizinischen Fakultät der Universität Washington in St. Louis, gehört zu den Ärzten, die der Meinung sind, es bestünden keine Gründe für Bedenken gegen den Gebrauch dieser Verhütungsmittel. Wie die New York Times vom 9. Mai 1969 meldete, hat er erklärt, mit dem Gebrauch dieser Hormone — sofern dieser Gebrauch auf wenige Jahre beschränkt werde — seien wenige, wenn überhaupt irgendwelche Gefahren verbunden.
Ähnliche Gedanken äußerte Dr. Robert Hodges in der Fachschrift International Journal of Fertility, Oktober-Dezember-Ausgabe 1968: „Wir sind der Meinung, die Gefahren für die allgemeine Bevölkerung seien so gering, daß diese Mittel weiterhin für jedermann erhältlich sein sollten.“
Andererseits gibt es Ärzte, die schwere Bedenken gegen diese Verhütungsmittel haben. Dr. Louis Lasagna von der Hopkins-Universität steht zum Beispiel auf dem Standpunkt, daß orale Verhütungsmittel nur Frauen verordnet werden sollten, die nicht fähig oder nicht willens sind, mechanische Verhütungsmittel wirkungsvoll zu gebrauchen. Nach seiner Meinung sind die „Pillen nicht notwendigerweise die beste oder die einzige Methode“.
Die russischen Ärzte sind überzeugt davon, daß die Gefahr der Nebenwirkungen der oralen Verhütungsmittel groß genug ist, um ihre Ablehnung zu rechtfertigen. Die Sowjetregierung stellt daher keine oralen Verhütungsmittel für die Bevölkerung her. Dafür produziert sie aber in Massen Intrauterinpessare, eine Spirale aus einem bestimmten Material, wie zum Beispiel aus Plastik, die in die Gebärmutter eingeführt wird. Natürlich mögen in einigen Fällen Beschwerden auftreten wie Durchbohrung der Gebärmutter, Krämpfe und Entzündung im Becken.
In einem Bericht einer Gruppe von Wissenschaftlern der Weltgesundheitsorganisation, der in der Broschüre Nr. 397 der WHO erschienen ist, und zwar unter dem Titel „Intrauterinpessar: physiologische und klinische Aspekte“, wird außerdem anerkannt, daß man nicht genau weiß, wieso diese Vorrichtung eine Schwangerschaft verhütet, und daß sie möglicherweise die Empfängnis nicht verhindert. In diesem Bericht wird gesagt: „Es ist bekannt, daß jährlich etwa zwei Prozent der Frauen, die das Intrauterinpessar benutzen, schwanger werden, obschon die Vorrichtung eingesetzt ist, aber bisher ist es nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, daß bei den Frauen, die die Spirale benutzen und nicht schwanger werden, eine Empfängnis stattfindet.“
Wenn erwiesen ist, daß diese Vorrichtung die Empfängnis nicht verhütet, dann ist diese Methode vom biblischen Standpunkt aus mit Abtreibung zu vergleichen. Aber die Herausgeber der Zeitschrift Erwachet! sind nicht in der Lage, zu beurteilen, ob das wirklich der Fall ist.
Nach welchem Prinzip die „Pille“ wirkt
Ein als Medikament einzunehmendes Verhütungsmittel enthält in der Regel zwei chemische Bestandteile, das eine gleicht dem natürlichen weiblichen Hormon Östrogen und das andere dem Hormon Progesteron; diese beiden Hormone werden hauptsächlich während der Schwangerschaft ausgeschüttet. Die synthetischen Hormone in den Verhütungsmitteln verhindern den Eisprung. Bei einer geschlechtsreifen Frau wird, wenn sie nicht schwanger ist, jeden Monat ein Ei aus einem der Eierstöcke ausgestoßen. Nimmt sie die synthetischen Hormone ein, kommt es offenbar nicht zu dem monatlichen Eisprung. Außerdem bewirken diese synthetischen Hormone anscheinend auch, daß keine Veränderung der Gebärmutterschleimhaut eintritt, so daß sie das Ei aufnehmen könnte.
Es wird behauptet, die oralen Verhütungsmittel würden bei genauer Anwendung eine Empfängnisverhütung von fast hundert Prozent bewirken. Von den Amerikanerinnen, die die Pille genommen haben, ist nur ein Prozent trotzdem schwanger geworden. Offensichtlich ist die Möglichkeit einer Schwangerschaft in der Zeit, in der die „Pille“ genommen wird, sehr gering, aber offenbar besteht die Gefahr schädlicher Nebenwirkungen.
Blutgerinnsel
Studien, die in England durchgeführt worden sind, geben starken Anlaß zu der Befürchtung, daß orale Verhütungsmittel bei der Bildung unerwünschter Blutgerinnsel in den Venen eine Rolle spielen. Es ist vorgekommen, daß solche Blutgerinnsel in die Lunge oder ins Herz geschwemmt worden sind, was zu einem tödlichen Ausgang geführt hat. In anderen Fällen sind sie ins Gehirn geraten und haben einen Schlaganfall ausgelöst. Über die Häufigkeit solcher Gerinnsel konnte man in der Fachschrift The Canadian Medical Association Journal, Ausgabe vom 1. Januar 1969, lesen: „Von den Frauen, die orale Verhütungsmittel nehmen, werden wegen venöser Thromboembolie neunmal mehr Frauen ins Krankenhaus aufgenommen als von den Frauen, die sie nicht nehmen.“
Aufgrund der in England durchgeführten Untersuchungen schätzt man, daß von den Frauen, die orale Verhütungsmittel einnehmen, siebenmal mehr an den Folgen eines Blutgerinnsels in der Lunge oder im Gehirn sterben als von den Frauen, die keine solchen Mittel nehmen. Diese Schätzung galt für die Frauen Englands. Anderswo mag die Todesrate anders sein.
Kleine Blutgerinnsel, die offenbar durch „die Pille“ verursacht werden, können auch die Blutzufuhr zu den Darmarterien und den Netzhautarterien der Augen blockieren. Eine Frau macht die oralen Verhütungsmittel dafür verantwortlich, daß sie auf dem linken Auge fast ganz erblindet und die Sehschärfe des rechten Auges stark beeinträchtigt ist. Sie ist so überzeugt, daß das von der Pille herrührt, die sie gebraucht hat, daß sie Klage gegen die Herstellerfirma erhoben hat.
In einem Artikel, der in der Fachschrift International Journal of Fertility, Oktober-Dezember-Ausgabe 1968, erschien, anerkannte Dr. Christopher Tietze, daß eine Beziehung zwischen oralen Verhütungsmitteln und Blutgerinnseln besteht. Er schrieb: „Die eine wichtige Erscheinung, für die eine Verbindung mit dem Gebrauch oraler Verhütungsmittel nachgewiesen werden kann, ist die Thromboembolie und deren manchmal tödliche Folgen wie beispielsweise Lungenembolie.“ Unter Lungenembolie versteht man die meist tödliche Verstopfung einer großen Lungenarterie durch ein Blutgerinnsel.
Wie der Pathologe Professor James Webster erklärt, ist ein solches Blutgerinnsel für den Tod einer neunundzwanzigjährigen Engländerin verantwortlich. Nach der Leichenschau sagte er, in einer ihrer großen Venen habe sich ein Blutgerinnsel gebildet; dieses habe sich abgelöst und die Lungenarterie verstopft, wodurch die Blutzufuhr abgeschnitten worden sei. Diese Frau hatte mindestens zwei Jahre lang orale Verhütungsmittel eingenommen. Der Leichenbeschauer Peter Monkman sagte: „Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Pille den Tod verursacht hat.“
Anscheinend steigert das Östrogen, ein Bestandteil der oralen Verhütungsmittel, die Gerinnbarkeit des Blutes, und in einigen Fällen verursacht es die Bildung von Blutgerinnseln. Diese schädliche Nebenwirkung führen die Russen als einen der Gründe an, warum sie die oralen Verhütungsmittel ablehnen. Professor David Danforth von der Medizinischen Fakultät der Northwestern-Universität sagte: „Die Verdachtsgründe dafür, daß das Blut auf die oralen Verhütungsmittel mit einer übermäßigen Gerinnbarkeit reagiert, verdichten sich immer mehr.“
Das amerikanische Nahrungsmittel- und Arzneimittel-Kontrollamt anerkennt, daß zwischen Blutgerinnseln bei einigen Frauen und ihrem Gebrauch von oralen Verhütungsmitteln eine „deutliche Ursache-und-Wirkung-Beziehung“ besteht, aber diese Behörde vertritt den Standpunkt, „die Pille“ sei insofern „ungefährlich“, weil jedes Jahr nur verhältnismäßig wenig Personen an den Folgen ihres Gebrauchs sterben.
Krebs
Obschon bisher noch kein endgültiger Beweis erbracht werden konnte, daß zwischen Krebs und oralen Verhütungsmitteln eine Beziehung besteht, gibt es offenbar genügend Gründe, dies anzunehmen. Ärzte verordnen daher Frauen, bei denen sie in der Brust verdächtige Veränderungen oder andere Hinweise auf Krebs feststellen, keine solchen Mittel.
In der Fachschrift Medical World News vom 14. Februar 1969 konnte man lesen, daß eine von Dr. George Wied von der Universität Chicago durchgeführte Untersuchung folgendes ergeben hat: „Die Zahl der positiven Abstriche nach Papanicolaou [zur Feststellung von Gebärmutterkrebs] ist bei den Frauen, die orale Verhütungsmittel nehmen, sechsmal größer als bei den Frauen, die derartige Präparate nicht nehmen.“
Es gibt so viele Hinweise dafür, daß zwischen „der Pille“ und Krebs ein Zusammenhang besteht, daß ein Krebsepidemiologe sagte: „Es bereitet uns Sorgen.“ Diese Sorgen kamen auch in der Empfehlung des amerikanischen Nahrungsmittel- und Arzneimittel-Kontrollamtes zum Ausdruck, nach der Frauen, die orale Verhütungsmittel gebrauchen, jedes Jahr einen Abstrich nach Papanicolaou machen lassen sollten, um festzustellen, ob sich ein Unterleibskrebs entwickelt.
Andere Nebenwirkungen
Dr. A. M. Macintosh berichtete in der Fachschrift The Medical Journal of Australia, Ausgabe vom 30. November 1968, daß diese Verhütungsmittel den Blutdruck steigern würden. Er schrieb: „Ich habe einen bedeutenden Anstieg des Blutdrucks beobachtet; doch der Blutdruck kehrte zur Norm zurück, sobald keine Pillen mehr verabfolgt wurden ... Die Fälle, die wir überblicken können, beweisen noch nicht, daß die Pille einen Anstieg des Blutdrucks hervorruft. Aber sie sind mehr als nur ein Verdacht, daß das der Fall sein kann.“
Ein Forschungsteam an dem Medizinischen Institut der Stanford-Universität in Kalifornien beobachtete diesen Zusammenhang ebenfalls. Bei vierzehn Frauen, die wegen Bluthochdrucks untersucht wurden, stellte sich eine Besserung ein, nachdem sie keine oralen Verhütungsmittel mehr einnahmen. Ein Anstieg des Blutdrucks mag der Grund sein, warum manche Frauen, die diese Verhütungsmittel einnehmen, über starke Kopfschmerzen klagen.
Weitere Beschwerden, die anscheinend mit diesen Verhütungsmitteln in Verbindung stehen, sind Gewichtszunahme, Akne, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Depressionen, Schmerzen im Unterleib, bräunliche Verfärbung der Gesichtshaut, ein Gefühl, aufgedunsen zu sein, Retention von Salz und Wasser in den Geweben, Störung des Blutzuckerspiegels ähnlich wie beim Diabetes und Leberfunktionsstörungen. Bisher gibt es keinen exakten Beweis, daß alle diese Beschwerden durch orale Verhütungsmittel verursacht werden, der für die medizinischen Autoritäten überzeugend wäre. Der Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und der Einnahme solcher Verhütungsmittel scheint jedoch mehr als reiner Zufall zu sein.
Man sollte stets daran denken, daß bei Einnahme jedes Medikaments die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen besteht. Nicht jeder Organismus reagiert gleichartig. Eine Impfung zum Beispiel mag bei dem einen ernste Nebenwirkungen haben, bei dem anderen nicht. Wenn also jemand die Absicht hat, irgendein Medikament einzunehmen, sollte er die Gefahren sorgfältig abwägen, die damit verbunden sein mögen.