Ost-Berlin und seine Schätze aus dem Vorderen Orient
Vom „Awake!“-Korrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland
OST-BERLIN — Woran denkt man, wenn man dieses Wort hört? Lediglich an einen modernen europäischen Staat unter kommunistischer Regierung, in dem der Atheismus vorherrscht?
Weniger bekannt ist, daß es in Ost-Berlin reiche Sammlungen vorderasiatischer Altertümer gibt, von denen einige den Bericht der Bibel bestätigen. Diese Schätze befinden sich in dem berühmten Pergamonmuseum, das nach dem Britischen Museum und dem Louvre die drittgrößte Sammlung dieser Art hat.
Wir laden nun zu einem lehrreichen Rundgang durch die Schätze dieses Museums ein. Stücke aus Pergamon selbst sollen den Anfang bilden.
Funde aus dem alten Pergamon
In dem Museum steht eine Nachbildung eines Zeus-Altars, der als der „Pergamonaltar“ bekannt ist. Der eigentliche Brandopferaltar befindet sich in einer Einfassung auf dem „Altargebäude“. Um zu dem Altar zu gelangen, muß man 24 Stufen einer 20 Meter breiten Treppe emporsteigen, wie wenn man sich einem Thronsaal nähern würde. Zu beiden Seiten der Treppe befinden sich Steinreliefs mit Darstellungen mythischer Gestalten. Doch weshalb ist dieses Zeugnis alter heidnischer Religion heute noch von Interesse?
Dr. Elisabeth Rohde, die maßgeblich am Wiederaufbau des Altars beteiligt war, sagt dazu in ihrem Buch Pergamon — Burgberg und Altar (Berlin [Ost] 1972): „Das älteste Schriftzeugnis für den Altar glaubt man in den Worten des Evangelisten Johannes zu besitzen.“ Welche „Worte“ des Apostels Johannes hatte die Verfasserin im Sinn?
Offenbar dachte sie an das, was die Bibel in Offenbarung 2:12, 13 sagt: „Und dem Engel der Versammlung in Pergamon schreibe: ... ,Ich weiß, wo du wohnst, nämlich da, wo der Thron des Satans ist; und doch hältst du weiterhin an meinem Namen fest, und du hast deinen Glauben an mich nicht verleugnet, auch nicht in den Tagen des Antipas, meines Zeugen, des treuen, der an eurer Seite, dort, wo der Satan wohnt, getötet wurde.‘“
War der Thronaltar des Zeus der Grund dafür, daß die Heilige Schrift sagt, „der Thron des Satans“ sei in Pergamon gewesen? Frau Dr. Rohde fährt fort:
„Leider muß hier die Frage offenbleiben, ob das frühe Christentum mit ,des Satans Stuhl‘ den alten, in einer Tradition verankerten und in dieser weiterlebenden Götteraltar meinte, oder ob sich dieser Ausspruch nicht eher auf den in Pergamon sehr geachteten, den Christen aber verhaßten Augustusaltar bezog, an dem diese zum Kaiseropfer gezwungen wurden.“
Als nächstes lohnt es sich, den „Burgberg“ von Pergamon zu besichtigen. Beim Betrachten der Nachbildung können wir feststellen, daß in dieser Stadt des Altertums ein reger Herrscherkult getrieben wurde. So befindet sich in dem Athene-Nationalheiligtum eine Statue, die Attalos I., König von Pergamon, darstellt. Aus einer Inschrift geht hervor, daß ein Altar zu diesem Heiligtum gehörte. Auf dem Burgberg steht auch ein Tempel, den der römische Kaiser Trajan zu bauen begonnen hatte und der von seinem Nachfolger Hadrian beendet wurde. Beiden wurde dort göttliche Verehrung dargebracht. Außerdem befindet sich auf der Theaterterrasse ein ionischer Tempel, der dem Kaiser Caracalla (Marcus Aurelius Antoninus) geweiht ist.
Welche Macht die heidnische Religion im alten Pergamon hatte, zeigt sich auch in dem Saal mit den Statuen. Eine Statue stellt Äskulap, den Gott der Heilkunde, dar, den man in einem Tempel in Form einer lebenden Schlange verehrte. Eine andere Statue zeigt Aphrodite, die Göttin der Schönheit und der Sinnlichkeit, auf einer Schildkröte. Darüber hinaus findet man die große „Göttermutter“, Demeter, die ägyptische Isis und viele andere griechische, römische und kleinasiatische Gottheiten.
Man kann wirklich sehen, daß die Christen in Pergamon starkem Druck ausgesetzt waren, ‘ihren Glauben an Jesus Christus zu verleugnen’.
Ein Blick auf Babylon
Ein weiteres Schaustück des Pergamonmuseums ist die Nachbildung der Prozessionsstraße, die Nebukadnezar II. für den Gott Marduk in Babylon anlegen ließ. Ein Pflasterstein, der von dieser Straße stammt, trägt die Inschrift: „Nebukadnezar, König von Babylon, Sohn Nabupolossars, König von Babylon, bin ich. Die Babelstraße habe ich für die Prozession des großen Herren Marduk mit Schadu-Steinplatten gepflastert.“
Stellen wir uns vor, wir gingen auf dieser Straße entlang zum Ischtar-Tor. Zu beiden Seiten der Straße erheben sich massive Festungsmauern. Man kann sich vorstellen, wie schwer es für feindliche Streitkräfte gewesen wäre, durch diese Straße Eingang in Babylon zu finden. Professor Robert Koldewey, der die Ausgrabungen in Babylon leitete, sagt dazu in seinem Buch Das wieder erstehende Babylon (Leipzig 1913):
„Wenn die Verteidiger auf diesen Mauern standen, so war die Straße für den Feind ein Todesweg. Dieser Eindruck von Schrecken und Entsetzen auf den Angreifer, den die Mauern an sich schon machen, wurde wesentlich gesteigert und auch auf den friedlichen Ankömmling schon ausgeübt durch die ergreifende Dekoration in langen Reihen hintereinander her und auf den Eintretenden zuschreitender Löwen, die in flachem Relief und glänzenden Emaillefarben die Ziegelwände bedeckten“ (Seite 26, 27).
Gegen Ende der Prozessionsstraße steht ein weiteres eindrucksvolles Zeugnis des alten Babylon, eine Rekonstruktion des Ischtar-Tores in Originalgröße. Dieser aus Ziegeln errichtete Bau besteht aus zwei mächtigen, fünfzehn Meter hohen Türmen, zwischen denen ein überwölbter Torweg hindurchführt. Die Seitenwände des Torweges und der Türme sind mit außergewöhnlichen Reliefs versehen. Reihen von Stieren wechseln sich mit Reihen eines „Schlangendrachen“ ab. Die Drachenfigur hat den Kopf einer Schlange, den Rumpf eines Löwen und Hinterfüße wie ein Adler. Ischtar, nach der dieses Tor benannt wurde, war die Göttin der Liebe und des Geschlechtslebens sowie der Fruchtbarkeit und wurde in Uruk als Muttergöttin und Königin des Himmels verehrt.
Der Archäologe Koldewey machte sich einige Gedanken über die Prozessionen, die auf der Prozessionsstraße in Babylon stattgefunden haben, und stellte einen interessanten Vergleich an: „Ich habe einmal gesehen, wie das überlebensgroße silberne Standbild der Maria, beladen mit Weihgeschenken, Ringen, Edelsteinen, Gold und Silber, auf einer Tragbahre von 40 Männern getragen, im Portal des Domes von Syrakus hoch über den Köpfen des wimmelnden Volkes erschien, um in feierlichem Zuge bei rauschender Musik und unter dem stürmischen Beten der Menge hinaus gebracht zu werden in die Gärten der Latomien. So ähnlich denke ich mir eine Prozession des Gottes Marduk, wenn er ... seinen Triumphzug auf der Prozessionsstraße von Babylon hielt“ (Seite 193).
Bestätigung von Angaben der Bibel
Die Auswertung dieser Schätze brachte eine bemerkenswerte Bestätigung des folgenden Bibelberichtes über Jojachin, einen König des alten Israel, zutage:
„[Nebukadnezar nahm] Jojachin ins Exil nach Babylon mit ... Und es begab sich im siebenunddreißigsten Jahr des Exils Jojachins, des Königs von Juda ..., daß Ewil-Merodach, der König von Babylon, in dem Jahr, da er König wurde, das Haupt Jojachins, des Königs von Juda, aus dem Hause der Gefangenhaltung erhob ... Und er legte seine Gefängniskleider ab, und er aß beständig Brot vor ihm alle Tage seines Lebens. Was seine bestimmte Zuwendung betrifft, ihm wurde vom König fortwährend eine bestimmte Zuwendung zuteil, die ihm täglich zustand, alle Tage seines Lebens“ (2. Kö. 24:15; 25:27-30).
Als man die ausgegrabenen Kunstwerke aus dem Vorderen Orient wieder zusammensetzte, entdeckte man etwa 300 Keilschrifttafeln, die in den Nebengebäuden des Nebukadnezar-Palastes gefunden worden waren. Die meisten bezogen sich lediglich auf Lieferungen oder Verteilungen von Lebensmitteln. Doch bedeutsamerweise enthielten einige dieser Tafeln den Namen Jojachin. Über die Bedeutung dieser Entdeckung schreibt Hans Bardtke in dem Buch Bibel, Spaten und Geschichte (Leipzig 1967):
„Sehr inhaltsreich und aufschlußreich sind diese Tontafeln keineswegs. Aber sie bezeugen zunächst, daß Jojachin tatsächlich in Babel im Königsschloß gewohnt und dort seine Verpflegungszuteilung erhalten hat. ... eine Bestätigung des biblischen Berichtes stellen diese Tafeln doch dar. Sie sind dadurch geeignet, das Zutrauen zur biblischen Überlieferung zu stärken“ (Seite 100, 102).
Aus Platzgründen können wir hier leider keine ausführlichere Untersuchung der Sammlung von Altertümern im Pergamonmuseum betreiben. Aber durch die Regierungsverträge der letzten Jahre können Besucher aus westlichen Ländern jetzt leichter in Ost-Berlin einreisen. Wenn du eine Fahrt nach Berlin planst, wird es sich bestimmt lohnen, dieses Museum in Ost-Berlin zu besuchen und seine Schätze an vorderasiatischen Altertümern zu besichtigen.
[Bild auf Seite 11]
Rekonstruktion des Pergamonaltars, der dem Zeus geweiht war (Pergamonmuseum, Ost-Berlin)