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Wenn Kinder auf Abwege geratenDer Wachtturm 1978 | 15. Dezember
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Wenn Kinder auf Abwege geraten
EIN New Yorker Jugendlicher sitzt lustlos zu Hause auf der Couch. Er achtet nicht auf die wiederholten Aufforderungen seiner Mutter, ihr bei einer schweren Arbeit zu helfen. Da sie ständig auf ihn einredet, wird der Junge zornig. Er reißt das Telefon von der Wand, zertrümmert Möbel und bricht das Schloß aus der Wohnungstür. Dabei schreit er: „Ich bringe dich um!“ Schließlich beruhigt er sich wieder.
Dieser Jugendliche, der auf Abwege geraten ist, hat weder vor seinem Vater noch vor seiner Mutter Respekt. Ja, er hat überhaupt keine Achtung vor Autorität, denn er trägt unerlaubt eine Pistole bei sich und streicht mit anderen Rowdies auf den Straßen herum.
Viele Eltern, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, fragen: „Wie konnte das geschehen? Welchen Fehler haben wir gemacht?“
DER WERT DER RICHTIGEN ERZIEHUNG
Manchmal mögen die Eltern es versäumen, die Kinder durch Wort und Beispiel zu erziehen. Dann können sie allerdings auch keine guten Ergebnisse erwarten. Die Bibel sagt: „Die Rute und Zurechtweisung sind das, was Weisheit gibt; aber ein Knabe, dem freier Lauf gelassen wird, wird seiner Mutter Schande bereiten“ (Spr. 29:15). Mit der richtigen Erziehung muß man bei einem Kind schon beginnen, wenn es noch klein ist. Weil David von frühester Kindheit an richtig erzogen worden war, konnte er in einem seiner Psalmen sagen: „Auf dich [Jehova] bin ich von Mutterschoß an geworfen; vom Leibe meiner Mutter an bist du mein Gott gewesen“ (Ps. 22:10). Und Timotheus kannte die heiligen Schriften „von frühester Kindheit an“. So weit er also überhaupt zurückdenken konnte, war er schon mit dem heiligen Wort vertraut gewesen (2. Tim. 3:15).
Wenn Kinder heranwachsen, muß man sich bemühen, ihnen begreiflich zu machen, daß Gehorsam gegenüber den erhabenen Grundsätzen der Bibel der allerbeste Lebensweg ist. Das trifft vor allem auf die schwierigen „letzten Tage“ zu, in denen wir leben (2. Tim. 3:1, 2). Das Buch der Sprüche kann Eltern wirklich eine Hilfe sein, ihren Kindern anspornenden Aufschluß zu vermitteln. In diesem Buch wird nicht nur vor Gefahren wie schlechter Gesellschaft, Unsittlichkeit, Schlemmerei und Alkoholmißbrauch gewarnt, sondern auch dazu ermuntert, richtig zu handeln (Spr. 1:10-19; 4:14-27; 5:3-14; 7:1-27; 23:20-35). Welche positiven Motivationen größeren Kindern vermittelt werden können, wenn die Eltern sie über sittliche Grundsätze belehren, zeigen die Worte aus Sprüche 3:1-6:
„Mein Sohn, mein Gesetz vergiß nicht, und meine Gebote möge dein Herz beobachten, denn Länge der Tage und Jahre des Lebens und Frieden werden dir hinzugefügt werden. Mögen liebende Güte und Wahrhaftigkeit selbst dich nicht verlassen. Binde sie um deinen Hals. Schreibe sie auf die Tafel deines Herzens, und finde so Gunst und gute Einsicht in den Augen Gottes und des Erdenmenschen. Vertraue auf Jehova mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand. Beachte ihn auf allen deinen Wegen, und er selbst wird deine Pfade gerademachen.“
WENN ELTERN ETWAS VERSÄUMT HABEN
Wenn Eltern nachlässig gewesen sind oder etwas versäumt haben, mag es für sie natürlich äußerst schwierig sein, sittliche Grundsätze zu vertreten. Vielleicht müssen sie ihren Kindern erklären, weshalb sie so sehr daran interessiert sind, etwas zu tun, was sie früher vernachlässigt haben. Sie mögen auch demütig Fehler zugeben müssen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. Es wird die Eltern Zeit und Geduld kosten, sich das Vertrauen ihrer jugendlichen Söhne und Töchter zu erwerben und diese davon zu überzeugen, daß sie aufrichtig an ihnen interessiert sind und sie lieben. Die Ergebnisse mögen zunächst sehr entmutigend, ja enttäuschend sein. Doch Eltern sollten nicht schnell aufgeben, da dies ihr Interesse und ihre Besorgtheit in Frage stellen würde. Ein Jugendlicher mag denken: „Wenn meine Eltern wirklich an mir interessiert wären, würden sie sich weiter bemühen, mir zu helfen.“ Wenn daher Eltern in ihren Bemühungen nachlassen, weil ihre Kinder nicht sogleich darauf eingehen, mögen sie in Wirklichkeit bei ihren Söhnen und Töchtern Mißtrauen wecken. Deshalb ist es besonders wichtig, daß Eltern nicht aufgeben. Das Interesse des Vaters oder der Mutter mag das Gewissen eines Kindes wachrütteln und bewirken, daß bessere Eigenschaften bei ihm zum Vorschein kommen. Marta, die einst eine Mädchenbande anführte, sagte: „Es schmerzte mich, zu sehen, wie sehr meine Mutter um mich besorgt war, doch ich ließ mir das nie anmerken und ließ sie nie wissen, wie ich dachte.“
Ein gutes Vorbild wirkt auf rebellische Kinder eindringlicher als viele Worte. Man sollte zwar standhaft für das eintreten, was richtig ist, doch Eltern sollten sich davor hüten, die Selbstbeherrschung zu verlieren und zu schreien oder abfällig zu reden. In der Bibel wird uns geraten: „Möge alle boshafte Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und lästerliches Reden samt aller Schlechtigkeit von euch entfernt werden“ (Eph. 4:31).
Selbst wenn die Kindererziehung traurigerweise viele Jahre vernachlässigt worden ist, besteht immer noch Hoffnung. Ein junger Mexikaner erzählt, was er erlebte:
„Mit 7 Jahren verließ ich meine Eltern. Mein Zuhause wurde die Straße, verlassene Autos und manchmal auch Güterwagen. Gemeinsam mit anderen fing ich an zu stehlen. Oft wurden wir von der Polizei festgenommen und eingesperrt. Wenn man uns fragte, wo unsere Eltern seien, sagten wir, wir wüßten es nicht. Als ich 10 Jahre alt war, schloß ich mich einer Bande von Drogenschmugglern an. Häufig war ich dem Tode nahe. Als ich 12 war, gingen wir auf illegale Weise in die Vereinigten Staaten und setzten dort unsere gesetzwidrige Tätigkeit fort. Eines Tages drohte der Anführer unserer Bande, mich umzubringen, weil ich die Beute von einem Raubüberfall, den ich ausgeführt hatte, nicht teilte. Man schlug mich, und er nahm mir die 28 000 Pesos ab.
Ich war sehr traurig und wollte nach Hause zurückkehren oder Selbstmord begehen. Da kam mir meine Großmutter in den Sinn, die in Ciudad Juárez wohnte; aber ich wußte nicht, wo. Ich fing an, sie zu suchen. Als ich sie schließlich fand schickte sie sich gerade an, einen Kongreß der Zeugen Jehovas zu besuchen, und sie lud mich ein mitzukommen.“
Das, was dieser Junge auf dem Kongreß hörte, veranlaßte ihn, ernsthaft über sein Leben nachzudenken. Zur Freude seiner Eltern begann er, die Bibel zu studieren. Er änderte sich und kehrte nach Hause zurück.
AUFLEHNUNG TROTZ GUTER ERZIEHUNG
Was aber, wenn Kinder auf Abwege geraten, obgleich sie gut erzogen worden sind? Die Eltern können sich damit trösten, daß sie gewissenhaft ihrer Verantwortung nachgekommen sind. Außerdem können sie hoffen, daß solche Kinder aufgrund der richtigen Erziehung, die sie genossen haben, wieder zur Vernunft kommen. Diese Hoffnung ist eine große Ermunterung.
Die richtige Erziehung kann tatsächlich einen dauerhaften Einfluß auf Kinder ausüben. Die Bibel sagt: „Erziehe einen Knaben gemäß dem Wege für ihn; auch wenn er alt wird, wird er nicht davon abweichen“ (Spr. 22:6). Aus guterzogenen Kindern werden im allgemeinen keine ausschweifenden Personen, doch einige mögen auf Abwege geraten, dann aber wieder zur Vernunft kommen. Sie mögen dasselbe erleben wie der verlorene Sohn in dem Gleichnis, das Jesus Christus erzählte:
„Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: ,Vater, gib mir den Anteil des Eigentums, der mir zukommt.‘ ... Später, nicht viele Tage danach, packte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste fort in ein fernes Land und verschwendete dort sein Eigentum, indem er ein ausschweifendes Leben führte. Als er alles verbraucht hatte, entstand eine schwere Hungersnot in jenem ganzen Lande; und er fing an, Not zu leiden. Er ging sogar hin und schloß sich einem der Bürger jenes Landes an, und er sandte ihn auf seine Felder, damit er Schweine hüte. Und er begehrte jeweils, sich mit den Johannisbrotschoten zu sättigen, die die Schweine fraßen, und niemand gab ihm welche. Als er zur Besinnung kam, sagte er: ,Wie viele Lohnarbeiter meines Vaters haben Brot in Fülle, während ich hier vor Hunger zugrunde gehe! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater ziehen und zu ihm sagen: „Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn genannt zu werden. Halte mich wie einen deiner Lohnarbeiter“‘“ (Luk. 15:11-19).
DIE RICHTIGE EINSTELLUNG BEWAHREN
Wie reagierte der Vater? Da er keine feindseligen Gefühle gegen seinen Sohn hegte, brachte er Mitleid und liebevolle Zuneigung zum Ausdruck. Jesus setzte das Gleichnis mit den Worten fort:
„Als er noch weit weg war, erblickte ihn sein Vater und wurde von Mitleid bewegt, und er lief und fiel ihm um den Hals und küßte ihn zärtlich. Da sagte der Sohn zu ihm: ,Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt. Ich bin nicht mehr würdig dein Sohn genannt zu werden. Halte mich wie einen deiner Lohnarbeiter.‘ Der Vater aber sagte zu seinen Sklaven: ,Schnell! Bringt ein langes Gewand heraus, das beste, und kleidet ihn damit, und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße. Und bringt den gemästeten jungen Stier her, schlachtet ihn, und laßt uns essen und fröhlich sein, denn dieser mein Sohn war tot und kam wieder zum Leben; er war verloren und wurde gefunden.‘ Und sie fingen an, fröhlich zu sein“ (Luk. 15:20-24).
Eltern sollten sich im Einklang mit der Bedeutung dieses Gleichnisses davor hüten, gegen ein Kind, das auf Abwege geraten ist, bitter zu werden oder sich zu verhärten. Sonst kann es einem Kind sehr schwer fallen, sich ebenso zu ändern wie der verlorene Sohn in Jesu Gleichnis.
Welch gute Wirkung Liebe und Freundlichkeit haben, zeigt der Fall eines Mädchens aus Ohio (USA), dessen Eltern Zeugen Jehovas sind. Da die 15jährige Vickie glaubte, nicht frei genug zu sein, lehnte sie sich gegen die elterliche Gewalt auf. Mit 17 nahm sie sich schließlich eine eigene Wohnung in der Stadt, wo die Angehörigen ihrer Mutter lebten. Diese Verwandten entschuldigten keinesfalls, was Vickie tat, vielmehr versuchten sie, sie zu ermuntern. Was geschah schließlich? Das Mädchen erzählt:
„Ich war so sehr deprimiert, daß ich fast Selbstmord begehen wollte, und hatte die Welt und alle Menschen satt. So zog ich zu den Angehörigen meiner Mutter. Sie schimpften mich nie aus, noch wurde es mir ungemütlich bei ihnen. Ich sträubte mich zwar sehr, die Zusammenkünfte im Königreichssaal der Zeugen Jehovas zu besuchen, aber ich tat es. Die Liebe und Freundlichkeit, mit der mir alle begegneten, war überwältigend. Sie merkten nicht, wie sehr ich das schätzte und wie sehr sie es mir erleichterten, meine verkehrte Lebensweise aufzugeben.“
Deshalb sollten Eltern, wenn ihre Kinder auf Abwege geraten, nicht schnell die Hoffnung aufgeben. Sie sollten zwar das Böse hassen, doch nicht gegen ihre Kinder bitter werden und sich nicht gegen sie verhärten. Von größter Bedeutung ist, daß Eltern ein gutes Vorbild sind und einen starken Glauben an Gott bewahren.
Genau das tat König David. Er hatte sehr unter Problemen in seiner Familie zu leiden. Einer seiner Söhne wandte sich vollständig gegen ihn. Er wollte den Thron an sich reißen und trachtete ihm sogar nach dem Leben. Aber David ließ sich dadurch nicht davon abhalten, weiterhin Gott zu dienen. Ja, als er alt und gebrechlich war, forderte er seinen Sohn Salomo auf: „Erkenne den Gott deines Vaters und diene ihm mit ungeteiltem Herzen und einer Seele voller Lust; denn Jehova erforscht alle Herzen, und jede Neigung der Gedanken bemerkt er. Wenn du ihn suchst, wird er sich von dir finden lassen; wenn du ihn aber verläßt, wird er dich für immer verwerfen“ (1. Chron. 28:9).
Selbst wenn die Kinder eines ergebenen Dieners Gottes untreu würden, würde Jehova ihn doch nie verlassen. Wie der Höchste David in Zeiten der Prüfung und Trauer stützte, so wird er auch sein Volk heute stärken, damit es Schweres ertragen kann, auch das Herzeleid, das für Eltern entsteht, wenn Kinder mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Ja, selbst wenn alle Bande natürlicher Zuneigung versagen würden, wäre der Betreffende dennoch nicht allein — hoffnungslos im Stich gelassen. David sagte: „Falls mein eigener Vater und meine eigene Mutter mich verließen, würde ja Jehova selbst mich aufnehmen“ (Ps. 27:10).
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‘Ein Köcher wie eine offene Grabstätte’Der Wachtturm 1978 | 15. Dezember
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‘Ein Köcher wie eine offene Grabstätte’
In Verbindung mit den chaldäischen Heeren, die gegen Jerusalem und das Land Juda vorrücken würden, wird in der Prophezeiung Jeremias erklärt: „Ihr Köcher ist wie eine offene Grabstätte“ (Jer. 5:16). Die Bedeutung dieses Vergleichs scheint darin zu bestehen, daß der Köcher der Babylonier mit tödlichen Pfeilen gefüllt war, so wie eine offene Grabstätte mit Toten gefüllt ist.
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