Wir beobachten die Welt
Zu Weihnachten „abgeschoben“
◆ Besonders zur Weihnachts- und Neujahrszeit hört man häufig Suchmeldungen im Rundfunk, in denen Angehörige gebeten werden, sich wegen dringender Familienangelegenheiten zu Hause zu melden. So manche Meldung betrifft Alte und Kranke, die allein in einem Krankenhaus zurückgelassen wurden. Immer mehr alte Menschen werden zu Weihnachten von ihren Angehörigen unter einem Vorwand in ein Krankenhaus „abgeschoben“. Die Verwandten wollen „ungestört“ verreisen können. Manche Krankenhäuser gleichen zu Weihnachten einem Altenheim. Da ist zum Beispiel der Fall des Herrn B. Er wurde als Patient wegen angeblicher geistiger Verwirrtheit in ein süddeutsches Landeskrankenhaus eingewiesen. Den Ärzten war schon nach wenigen Tagen klar, daß sich der alte Mann lediglich gegen die offenbar schlechte Behandlung im Hause seiner Verwandten gewehrt hatte. Da er völlig gesund war, wollte man ihn entlassen. Seine Verwandten waren jedoch telefonisch nicht zu erreichen. Ein Sozialarbeiter erfuhr von Nachbarn, daß die Angehörigen des älteren Herrn für mehrere Wochen verreist waren. Obgleich die Ärzte bei Herrn B. keine akute Erkrankung feststellen konnten, behielten sie ihn da. Der Grund: Selbstmordgefahr.
Jugendlichen Außenseitern helfen
◆ Die Neue Zürcher Zeitung berichtet über die 27. Internationale Lehrertagung in Bellinzona (Schweiz). Fünfzig Lehrer, Erzieher und Erziehungswissenschaftler erörterten das „Außenseitertum von Kindern und Jugendlichen, die die Gesellschaft und ihre Grundsätze nicht mehr anerkennen und deren soziale Integration immer schwieriger wird“. Ein großer Teil dieser Heranwachsenden sei verhaltensgestört und werde rauschgiftsüchtig, bemerkt das Blatt. „Offenbar stimmt die Eingliederung in die Gemeinschaft und die echte familiäre Geborgenheit nicht mehr.“ Die Tagung unterstrich die Notwendigkeit, daß letztlich alle Komponenten der Gesellschaft — wie Schule, Eltern und Arbeitgeber — ihre Verantwortung erkennen müssen, den Jugendlichen zu helfen.
Sorgen und Angst
◆ Worüber machen sich die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland am meisten Sorgen? Jeder fünfte Bürger macht sich vor allem Sorgen über eine ungewisse Zukunft und einen möglichen Krieg. Aus einer Umfrage des Demoskopischen Instituts Allensbach geht hervor, daß an zweiter Stelle die Angst vor Krankheit in der Familie steht (19 Prozent). Dann folgen Sorgen im Zusammenhang mit der Arbeit und dem Arbeitsplatz sowie Geldsorgen (jeweils 15 Prozent). Im Jahre 1972 hat noch etwa ein Drittel der Deutschen keine besonderen Sorgen gehabt. Während diese Zahl im Jahre 1979 auf 29 Prozent zurückging, hat sie sich heute bereits auf 24 Prozent vermindert. Offenbar wird die Sorge über eine ungewisse Zukunft größer.
Mimik wird geerbt, Gestik gelernt
◆ Empfindungen wie Freude, Trauer, Zorn, Angst, Ekel oder Überraschung werden von Menschen unterschiedlicher Rassen und Kulturen stets auf dieselbe Weise ausgedrückt: mit einem Lächeln, mit einem Runzeln der Stirn, Vorschieben oder Mahlen des Kinns oder Aufreißen der Augen. Der amerikanische Psychologe Professor P. Ekman von der Universität von San Francisco legte auf einer Forschungsreise durch Neuguinea den Bewohnern eines Dorfes Fotos von Amerikanern mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck vor. In fast allen Fällen wurde die Mimik von den Eingeborenen richtig gedeutet. Anders verhält es sich nach Meinung des Professors bei den menschlichen Gesten — der Körpersprache. Dieselben Gesten können bei verschiedenen Völkern ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, die jeweils eng mit deren kulturellem Hintergrund verbunden sind. Zum Beispiel bedeuten noch nicht einmal das Nicken, das Kopfschütteln oder das Schulterzucken bei allen Völkern Zustimmung, Ablehnung oder Nichtwissen. Die Mimik, mit der Menschen Empfindungen zum Ausdruck bringen, ist überall auf der Erde gleich. Im Bereich der Gestik jedoch gelten völlig andere Gesetze.
Tiefste Bohrung
◆ Auf der Halbinsel Kola im Nordwesten des europäischen Teils der UdSSR wurde im Sommer letzten Jahres die tiefste aller bisher bekannten Bohrungen durchgeführt. Wie die Zeitschrift Sowjetunion heute berichtet, handelte es sich um eine Bohrung von 9 670 Meter Tiefe. Die supertiefe Bohrung dient der geologischen Erforschung des Baltischen Schildes. Die gesammelten Informationen haben bereits zur Veränderung einer Reihe wichtiger Thesen über die Struktur der Erdrinde geführt. Es war zum Beispiel angenommen worden, daß die Temperatur in dem kristallinen Gestein pro 100 Meter Bohrung um 1 °C zunehmen würde. Das traf aber nur für die ersten 3 Kilometer Tiefe zu. Danach stieg die Temperatur doppelt so schnell — so betrug sie in einer Tiefe von 7 263 Metern 120 °C und nicht, wie erwartet, 72 °C.
Schwere Zusammenstöße zwischen Hindus und Moslems
◆ Alte Feindseligkeiten zwischen Hindus und Moslems haben in Indien im August dieses Jahres zu blutigen Unruhen geführt. Die schweren Unruhen, die über 130 Tote und zahlreiche Verletzte gefordert haben, sind durch ein Schwein ausgelöst worden. Gerade als sich 15 000 gläubige Moslems in der indischen Stadt Moradabad zum Ende des Fastenmonats Ramadan zum Gottesdienst versammelt hatten, lief das Schwein über den Hof durch die Menge der Betenden. Für die Mohammedaner zählt das Schwein zu den unreinen Tieren. Obgleich streunende Schweine zum indischen Straßenbild gehören, hielten dies die Moslems für eine Provokation der Hindus. Sie begannen, das Schwein mit Steinen zu bewerfen. Schließlich kam es zu einer Straßenschlacht mit der Polizei und den Hindus. In zahlreichen Städten des Landes, in denen Mohammedaner und Hindus dicht beieinanderwohnen, haben Militär und Polizeikräfte mit entsicherten Waffen und strikten Ausgangssperren versucht, den „Glaubenskrieg“ im Keim zu ersticken.
Der Wert von Fernsehsendungen für Kinder
◆ „Fernsehen ist kein Lernsehen“, meint die Illustrierte Bunte. Sendungen wie „Sesamstraße“, „Pusteblume“, „Feuerrotes Spielmobil“ oder „Die Sendung mit der Maus“ wurden speziell für Kinder produziert. Da die Eltern diese Sendungen als Bildungshilfe für ihre Kinder betrachteten, ließen sie sie mit gutem Gewissen vor dem Bildschirm sitzen. „Nun aber hat sich herausgestellt, daß die Hoffnungen trügerisch waren: Vorschulkinder, also Drei- bis Sechsjährige, lernen vor dem Fernsehschirm so gut wie nichts“, stellt die Illustrierte fest. Professor J. Singer von der Yale-Universität (Connecticut) beschreibt die Wirkung der Sendungen auf kleine Kinder wie folgt: „Es fesselt ihre Aufmerksamkeit, macht ihnen Spaß, bringt sie zum Lachen — aber sie behalten kaum etwas, lernen nichts.“ Die Gefühlswelt dagegen wird durch das, was das Kind im Fernsehen beobachtet, stark beeinflußt. Ob die Szenen Angst oder Freude, Schrecken oder Rührung, Entsetzen oder Mitleid vermitteln — die Kinder nehmen es auf, und es bleibt in ihnen haften. Hinzu kommt, daß Kinder bis zum Alter von acht bis zehn Jahren nicht in der Lage sind, zwischen der Scheinwelt auf dem Bildschirm und der Wirklichkeit zu unterscheiden. Den Eltern wird daher der Rat gegeben, ihre Kinder nicht allein fernsehen zu lassen und hinterher mit ihnen über das Gesehene zu sprechen.
„Seuche“ Ladendiebstahl
◆ Auf dem Lande und in den Kleinstädten nimmt der Ladendiebstahl stärker zu als in den Mittel- und Großstädten. Daß Ladendiebe aus Hunger und Geldmangel heimlich in die Regale greifen, gehört zur Ausnahme. In wachsendem Umfang betrachten es die Diebe als Mutprobe und Nervenkitzel, oder sie tun es aus Renommiersucht. In den deutschen Warenhäusern würden sich fast eine Million Zeitgenossen diesem „Sport“ hingeben, bemerkt die Süddeutsche Zeitung, sich jedoch empört gegen die Einordnung als Kriminelle wehren. Fast 100 000 Ladendiebe, darunter Kunden und Angestellte, sind 1979 allein in den Häusern von vier großen Warenhauskonzernen erwischt worden. Die Zeitung stellt fest: „Ladendiebstähle sind zur Seuche geworden.“
Ravenna versinkt
◆ Die italienische Stadt Ravenna versinkt um sieben Zentimeter pro Jahr weiter unter den Meeresspiegel. Die einstige Hafenstadt wurde unwissentlich auf umfangreichen unterirdischen Gas- und Wasservorräten gebaut. Der modernen Industrialisierung — die Betriebe pumpen intensiv Wasser ab — und der Methanförderung wird die Hauptschuld für die „Senkung“ gegeben. Ravenna verfügt über zahlreiche einzigartige Baudenkmäler. Der weltberühmte Mosaikzyklus z. B. dokumentiert den Übergang der Antike zum Mittelalter und gilt als einzigartige Mischung des lateinischen Klassizismus mit dem byzantinischen Orient. Im Grabmal des Gotenkönigs Theoderich hört man heute Wasser plätschern. Winzige Wellenbildung ist auf dem Fußboden der Kirche San Vitale zu beobachten, und die Kellergeschosse von unzähligen Palästen werden regelmäßig überschwemmt. „Falls der italienische Staat nicht bald eingreift, gehen wir einer Katastrophe entgegen“, warnte gemäß der Zeitung Die Welt der zuständige städtische Dezernent.