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  • Die tragische Karwoche von Popayán
  • Erwachet! 1985
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Erwachet! 1985
g85 8. 2. S. 20-22

Die tragische Karwoche von Popayán

Vom „Awake!“-Korrespondenten in Kolumbien

DIE jahrhundertealte Feier begann am Palmsonntag. Einige tausend Touristen waren gekommen — etliche sogar aus dem Ausland —, um an den alljährlichen Feiern anläßlich der Karwoche von Popayán (Kolumbien) teilzunehmen. In der ersten nächtlichen mit Fackeln beleuchteten Prozession stellten Priester, prominente Bürger der Stadt und Schulkinder den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem dar, als er sich als König zu erkennen gab. In den folgenden Nächten würden dann andere Ereignisse aus den letzten Tagen des Lebens Christi sowie sein Tod und seine Auferstehung dargestellt werden.

Große Bildnisse von Jesus, Maria und von anderen biblischen Personen wurden würdevoll an den schweigenden Menschenmengen vorbeigetragen, die auf beiden Seiten der engen Straßen standen, die durch das Viertel führten, in dem sich die wichtigsten Kirchen der Stadt befinden. Von Zeit zu Zeit hielten die cargueros (Träger) an und setzten die schweren Gestelle aus Eichenholz, auf denen die Bildnisse befestigt waren, ab, um den geschundenen Schultern und schmerzenden Armen sowie dem Rücken eine kurze Ruhepause zu gönnen.

Bestimmt hätte niemand daran gedacht, daß die hohen Kuppeln der jahrhundertealten Kathedrale ausgerechnet in der Karwoche zusammenbrechen und etwa 50 Besucher der Frühmesse erschlagen würden. Auch wäre niemand auf den Gedanken gekommen, daß 60 Prozent des historischen Viertels dieser 446 Jahre alten Stadt buchstäblich zu staubigen Trümmern zerfallen würden und daß Hunderte von Menschen plötzlich den Tod finden würden.

Der Ursprung des Festes

Popayán wurde im Jahre 1537 gegründet. Die Stadt liegt im südwestlichen Kolumbien in einem fruchtbaren Hochtal der Anden. Der katholischen Sitte folgend, weihte Sebastian de Belalcazar, der Gründer Popayáns, die Stadt der „Schutzpatronin“ Nuestra Señora del Reposo (Unsere Frau der Ruhe). Von Anfang an wurden reichverzierte Bildnisse und Statuen religiöser Helden für die Tempel und Kirchen hergestellt. Anläßlich besonderer Ereignisse, speziell in der Osterzeit, wurden sie aus den Kirchen geholt und in festlichen Prozessionen durch die Straßen getragen, wobei die Priester, gefolgt von den Stadtbewohnern die Führung übernahmen. Schon 1558 entwickelte Popayán in Anlehnung an ähnliche Zeremonien des mittelalterlichen Europa seine eigenen Prozessionen und Feiern für die Karwoche.

Mit der Größe und dem Wohlstand der Stadt wuchs auch die Zahl der immer kunstvoller gestalteten Kirchen und Kapellen. Weitere Bilder und Statuen kamen zu den vorhandenen hinzu — einige wurden am Ort hergestellt, andere kamen aus Spanien, Italien und Peru. Die Feiern und Prozessionen der Karwoche von Popayán, damals eine wichtige Niederlassung der spanischen Krone, wurden berühmt. Seine Kirchen, Tempel und Museen waren eine Fundgrube kostbaren Kunsthandwerks. Eine Reise in das malerische Popayán wurde im 20. Jahrhundert für jeden Besucher Südwestkolumbiens zu einem Muß.

„Das Ende der Welt“

In der Karwoche des Jahres 1983 verliefen die Abendprozessionen am Dienstag und am Mittwoch wie geplant. Am frühen Morgen des Gründonnerstags, der in Kolumbien ein offizieller religiöser Feiertag ist, befanden sich schon einige Frühaufsteher in der Kathedrale, um an der Messe teilzunehmen. Es war gegen 8.10 Uhr.

Auf einmal vernahm man ein dumpfes Grollen aus der Tiefe, und kurz danach begann die Erde so zu schwanken, daß einem übel werden konnte. Erschreckte Menschen liefen auf die Straßen, einige noch in ihren Schlafanzügen. Das Grollen schwoll zu einem Donner an, laut wie ein Düsenflugzeug, und das Schütteln und Schwanken wurde immer stärker. Die Menschen schrien, und viele knieten nieder und riefen die Namen der von ihnen bevorzugten „Heiligen“ an.

Plötzlich gab es mehrere harte Stöße und eine gewaltige Erschütterung. „Wir dachten, das Ende der Welt sei gekommen!“ sagten einige später. Die großen Statuen von Petrus und Paulus, hoch oben an der Front der Kathedrale, schwankten hin und her, stürzten schließlich herab und zerbrachen auf dem Pflaster des Vorplatzes. Die hohen Kuppeln der Kathedrale stürzten zusammen, und von einer der ältesten Kathedralen Amerikas blieb nur noch eine Ruine übrig.

Gemäß den Berichten wurde die Hälfte der 35 religiösen Gebäude in Popayán zerstört oder so schwer beschädigt, daß sie abgerissen werden mußten. Auf dem Zentralfriedhof waren die Wände der Grüfte umgefallen, und die Särge waren herausgeschleudert worden und brachen auf, so daß ihr grausiger Inhalt sichtbar wurde, ähnlich wie es die Bibel in Matthäus 27:51, 52 berichtet. In nur 18 Sekunden schienen 446 Jahre Geschichte ihr Ende gefunden zu haben.

Popayán zerstört

In Cali, 137 km weiter nördlich, hatte die Erde an diesem Gründonnerstagmorgen nur leicht gebebt. Aber schon bald wurde hier die erschreckende Nachricht verbreitet, daß Popayán zum großen Teil zerstört worden sei. Wir dachten sofort an die etwa 100 Zeugen Jehovas, die es in dieser Stadt gibt. Obwohl der Pan-American Highway für den allgemeinen Verkehr gesperrt war, konnten einige Zeugen Jehovas — unter ihnen zwei Ärzte und ein Ingenieur — in zwei Autos mit Erste-Hilfe-Material und mit Wasser die Straßensperren und die Kontrollpunkte passieren und Popayán erreichen.

Das Ausmaß der Zerstörung erinnerte an Städte, die während des Zweiten Weltkrieges durch wiederholte Bombardierung vernichtet worden waren. Gebäude neigten sich, und es sah so aus, als würden sie nur noch von einer unsichtbaren Hand gehalten. Einige Häuser sahen wie lebensgroße Puppenhäuser aus — die Fassaden waren eingestürzt und gaben den Blick auf die Einrichtung der Häuser frei. Die Bewohner der Stadt suchten in den Ruinen und in den mit Trümmern übersäten Straßen nach Überlebenden oder dem Familienbesitz. Wie betäubt saßen Hunderte im Freien, inmitten der Einrichtungsgegenstände, die sie gerettet hatten.

Herzzerreißende Szenen gab es auf dem Friedhof. Ein achtjähriger Junge hatte irgendwie die Särge, in denen seine Mutter, sein Vater und seine beiden Brüder lagen, hierhergebracht, um sie begraben zu lassen. Hunderte arbeiteten fieberhaft daran, die durch das Erdbeben freigelegten Toten wieder zu begraben und denen, die die Opfer der Katastrophe zum Friedhof brachten — teilweise in Plastiksäcken —, beim Begräbnis zu helfen. Der Geruch des Todes war unerträglich!

Zeugen in Sicherheit

Eine kleine Gruppe von Zeugen hatte sich im Königreichssaal versammelt. In weniger als zwei Stunden nach dem Erdbeben hatten sie mit allen Gliedern der Versammlung und den interessierten Personen Kontakt aufgenommen. Alle waren in Sicherheit und die meisten unverletzt. Als sich das Erdbeben ereignete, saß ein kleines Mädchen am Frühstückstisch. So, als ob sie jemand gestoßen hätte, fiel sie unter den Tisch, während die Mauer, an der sie gesessen hatte, auf die Tischplatte und auf den Boden herabstürzte. Die Wand eines Nachbarhauses war auf das Dach des Königreichssaals gefallen. Die Häuser einiger Zeugen waren sehr beschädigt und einige wenige auch zerstört worden.

Spenden zur Unterstützung ihrer Mitzeugen kamen von Glaubensbrüdern aus dem ganzen Land und sogar aus dem Ausland. Nahrungsmittel und Baumaterialien wurden gekauft und nach Popayán gebracht. Mehr als zwei Monate lang kamen an jedem Wochenende Gruppen von Zeugen aus Cali, die ihren Brüdern beim Abreißen und Neuerrichten der zerstörten Häuser halfen.

Eine Woche nach dem Beben fand einer der halbjährlichen Kreiskongresse der Zeugen Jehovas in Cali statt. Als bekanntgegeben wurde, daß die ganze Versammlung Popayán mit ihren über 100 christlichen Brüdern und Schwestern gerade angekommen sei, um am Kongreß teilzunehmen, spendeten die Anwesenden spontan Beifall. Gern gaben sie Geld, damit Busse gemietet werden konnten, die die Brüder aus Popayán am Sonntag abend nach Beendigung des Programms nach Hause bringen sollten.

Die andere Seite der Feiern

Zwar wiesen die Zeitungen immer auf das Zeremoniell hin und wie fromm es auf den jährlichen Feiern anläßlich der Karwoche von Popayán zugehen würde, aber die Einwohner der Stadt berichteten diesmal etwas ganz anderes. Als ein Reporter nach dem Erdbeben 30 Personen interviewte, erklärten 25 von ihnen freiheraus, daß die Katastrophe die Strafe Gottes gewesen sei. Von 20 älteren Leuten antworteten 19 ohne zu zögern, daß die Zerstörung der Stadt in ihren Augen eine von Gott kommende Bestrafung für die während der Karwoche begangenen Zügellosigkeiten sei. „Wir haben es verdient“, sagten sie. „Es ist wie ein großer Karneval, und die Prozessionen sind das Hauptspektakel. Und hinterher betrinken sich viele der cargueros.“

Wie die in Bogotá erscheinende Zeitung El Tiempo ausführte, war es zu vielen Ausschweifungen gekommen. Über hundert Prostituierte waren nach Popayán gereist, angezogen von den 10 000 Touristen, die gewöhnlich kamen, um sich die berühmten Prozessionen anzusehen. Nachtklubs und Bars waren während der Karwoche die ganze Nacht hindurch geöffnet.

Für die heutige Zeit sind zwar Erdbeben vorhergesagt worden, sie sollten aber nicht als göttliches Strafgericht dienen. Sie sollten vielmehr eines der Merkmale dafür sein, daß wir den Abschluß dieses weltweiten Systems der Dinge erreicht haben und daß Gott bald alle Bosheit und Trauer beseitigen und ein neues System der Dinge herbeiführen wird. Jehovas Zeugen in Popayán sind auch heute noch aktiv, um ihren Nachbarn zu helfen, diese Hoffnung zu erkennen (Matthäus 24:3, 7, 14; Offenbarung 21:1-5).

[Bild auf Seite 20]

Die hohen Kuppeln der Kathedrale stürzten zusammen, und was übrigblieb, war nur noch eine Ruine

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