Kennst du die neuen Maßeinheiten?
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Österreich
„ES LEBE das Kilowatt das Joule und das Newton!“ Selbst wenn dir diese Bezeichnungen immer noch etwas fremd sind, werden sie es sicherlich bald nicht mehr sein, denn nach einer Übergangszeit von fast acht Jahren sind am 1. Januar 1978 in vielen europäischen Ländern, auch in deutschsprachigen, neue Maßeinheiten mit diesen Bezeichnungen gesetzlich eingeführt worden. Es mag gut sein, sich damit etwas näher zu befassen.
Maße in früheren Zeiten
In biblischen Zeiten waren die erforderlichen Maßeinheiten vielfach Naturmaße, die vom menschlichen Körper oder durch die Tätigkeit des Menschen geliefert wurden, zum Beispiel die Elle, die Spanne, die Handbreite oder die Fingerstärke. Entfernungen wurden nicht in genauen Zahlen angegeben, sondern durch illustrative Begriffe veranschaulicht, etwa „einen Steinwurf weit“ oder „eine Tagereise weit“ (Luk. 22:41; 2:44).
Um Streitigkeiten wegen ungenauer Maße zu schlichten, wurden in späteren Zeiten der Öffentlichkeit Mustermaße zugänglich gemacht. An der Westfassade des Stephansdoms in Wien zum Beispiel sind zwei in die Wand eingelassene Eisenstäbe zu sehen. Die gesetzlich anerkannten Längenmaße, die Wiener Elle (77,8 cm) und die Brabanter Elle (69,5 cm), standen dort zur öffentlichen Kontrolle für alle gehandelten Waren zur Verfügung.
Entwicklung des Internationalen Einheitensystems
Bis ins vorige Jahrhundert hat man mit unterschiedlichen Maßeinheiten gemessen. Allein in Deutschland hat es 15 verschiedene Ellen gegeben. Am 20. Mai 1875 unterzeichneten in Paris Vertreter von 17 Staaten die Meterkonvention. Für die Bedürfnisse des öffentlichen Lebens waren damals Einheiten für Länge, Fläche, Volumen und Gewicht von Bedeutung, und der Text der Meterkonvention war entsprechend formuliert. Später, im Jahre 1889, wurden auf der 1. Generalkonferenz für Maße und Gewichte die Prototypen für das Meter und das Kilogramm genehmigt.
Durch die technische Entwicklung entstand die Notwendigkeit, Einheitensysteme für verschiedene neue Bereiche der Technik zu finden. In den ersten 50 Jahren unseres Jahrhunderts wurden zahlreiche Systeme eingeführt. Ein großer Schritt wurde im Jahre 1954 getan, als zunächst sechs Basiseinheiten für das Internationale Einheitensystem (SI) von der 10. Generalkonferenz für Maße und Gewichte festgelegt wurden.
Einige Jahre danach, am 18. Oktober 1971, gab der Rat der Europäischen Gemeinschaften Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Einheiten im Meßwesen heraus, in denen die Verwendung veralteter Maßeinheiten ab 1. Januar 1978 untersagt wurde. Die SI-Einheiten wurden dann in den verschiedenen Ländern gesetzlich verankert. Auch einige Länder außerhalb der Europäischen Gemeinschaften sind diesen Richtlinien gefolgt.
Natürlich sind nicht alle Einheiten des Internationalen Einheitensystems neu oder uns unbekannt. An erster Stelle steht immer noch das Meter als Einheit der Länge. Die Einheit für die Zeit ist die Sekunde. Als Einheit der Masse gilt das Kilogramm. Weitere Grundeinheiten sind: für die Kraft: Newton (N), für den Druck: Pascal (Pa), für die Temperatur: Kelvin (K), für die elektrische Stromstärke: Ampere (A), für die Lichtstärke: Candela (cd), für die Leistung: Watt (W) und für die Arbeit, abgeleitet aus den Einheiten der Kraft und der Länge: Joule (sprich dschul).
Warum diese Änderung?
„Doch die neue Ordnung ist praktisch, glaubt man den Wissenschaftlern, denn sie beruht auf dem Dezimalsystem. Für den Normalbürger ist trotzdem alles noch sehr kompliziert“, so hieß es jedenfalls im Wiesbadener Kurier vom 4. Januar 1978. Die Einheiten lassen sich aber zweifellos einfacher ineinander umrechnen. Auch werden dadurch, daß in allen Ländern gleiche Maßeinheiten eingeführt werden, Zeit und Kosten für den wirtschaftlichen Verkehr gespart.
Im Geschäftsleben werden die neuen Einheiten eine bedeutende Rolle spielen, denn die Gesetze verlangen ihre Anwendung, und auch die Normen sind darauf abgestimmt worden. Alle technischen Angaben in Prospekten, Bestellungen und Verträgen dürfen nur noch in den neuen gesetzlich vorgeschriebenen Einheiten erfolgen.
Auch der Normalverbraucher wird umdenken müssen. Die Längen-, Flächen- und Raummaße bleiben zwar unverändert, soweit sie vorher schon dem Metersystem entsprochen haben, aber wer auf die Kalorien zu achten hat, darf sich jetzt für jede erlaubte Kalorie 4,1868 Joule leisten. Wer einen Zentner Kartoffeln und ein Pfund Rindfleisch kaufen möchte, wird sich auf 50 Kilogramm (in Deutschland — in Österreich und in der Schweiz 100 Kilogramm) und auf 500 Gramm oder 50 Dekagramm umstellen müssen. Übrigens sind die Ausdrücke „Zentner“ und „Pfund“ schon lange offiziell abgeschafft worden, obwohl sie immer noch in der Umgangssprache gebraucht werden.
Wer ein Auto mit 90 PS kaufen möchte, wird sich nach einem Wagen mit 66 Kilowatt umsehen müssen (1 PS = 0,74 Kilowatt). Und wer gewohnt war, den Reifendruck seines Wagens in Atmosphärenüberdruck zu kontrollieren, wird ihn jetzt in Bar messen (1 atü = 0,98 Bar).
Kompliziert? Nun, man wird sich mit der Zeit schon daran gewöhnen können.