Transistoren — winzige Titanen der Elektronik
KLEINSTRADIOS, Fernsehgeräte, Hörhilfen — diese Geräte verdanken ihr Dasein zu einem großen Teil den winzigen Titanen der Elektronik, Transistoren genannt, Worum handelt es sich bei diesen elektronischen Wundern? Ihre Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit dem Zweig der Physik, den man Quantenmechanik nennt, die sich mit winzigen Objekten, wie Atomen und Elektronen, befaßt.
Wozu dienen Transistoren? Welches sind ihre Vorteile? Wie sind sie beschaffen?
Im wesentlichen erfüllt ein Transistor die gleiche Aufgabe wie eine Vakuum- oder Elektronenröhre. Transistoren dienen jedoch hauptsächlich als Verstärker. Der Transistor verstärkt zum Beispiel die von einer Radio- oder Fernsehantenne aufgefangenen Signale.
Die Arbeitsweise einer solchen Verstärkervorrichtung kann man sich wie folgt denken: Die eine Seite des Transistors nimmt ein schwaches elektrisches Signal auf. Dieses Signal wird dann durch den Transistor verstärkt und auf der anderen Seite abgegeben. Der Transistor, der als Verstärker benutzt wird, nimmt ein elektrisches Bild in Form von Strom auf und gibt vielleicht das Zwanzigfache des aufgenommenen Stroms ab, doch hat dieser ausfließende Strom das gleiche elektrische Muster.
Vorzüge
Man mag sich fragen: Warum Transistoren bauen, wenn doch Elektronenröhren im wesentlichen denselben Zweck erfüllen? Weil der Transistor viele Vorteile gegenüber seinem Vorläufer, der Elektronenröhre, hat.
Der erste Vorteil des Transistors besteht in seiner Größe. Diese beträgt nur etwa ein Hundertstel der Größe einer Elektronenröhre von ähnlicher Leistung; in anderen Worten: Eine Elektronenröhre mag so groß sein wie ein Männerdaumen, ein entsprechender Transistor dagegen nur wie eine Erbse. Durch die Transistoren ist die Mikrominiaturtechnik möglich geworden.
Ein anderer Vorzug dieser winzigen Titanen der Elektronik besteht darin, daß sie mit viel geringeren Spannungen arbeiten als die Elektronenröhre. Das ist so, weil die Elektronenröhre eine Heizung hat (ähnlich wie das Heizelement der Platte eines Elektroherdes, nur viel kleiner), um die Kathode zum Glühen zu bringen, so daß Elektronen ausgesandt werden können. Der Transistor benötigt keine solche Heizung. Und da der Transistor fast keine Wärme erzeugt, wird er auch nicht warm. Sobald aber eine Röhre warm wird, verbraucht sie Energie.
Weitere Vorteile sind folgende: Da der Transistor keine Anlaufzeit benötigt, bis die Emission oder Aussendung von Elektronen einsetzt, beginnt er sofort zu arbeiten. Der Transistor ist auch dauerhafter, da er kein Drahtgitter hat wie die Elektronenröhre. Als Folge davon ist der Transistor weit zuverlässiger. Es wird angenommen, daß ein Transistor, der Tag und Nacht, jahrein und jahraus in Betrieb wäre, acht bis zehn Jahre halten würde. Eigentlich sollte dieser kleine Titan der Elektronik sich überhaupt nicht abnutzen; Stöße, Temperaturwechsel und Feuchtigkeit wirken sich jedoch ungünstig darauf aus.
Zufolge der vielen Vorteile, die die Transistoren haben, ist es möglich geworden, Nachrichtensatelliten zu bauen. Am 3. Juli 1962 wurde der Nachrichtensatellit, Telstar genannt, benutzt, um Fernsehprogramme von den Vereinigten Staaten nach Europa zu übertragen. Der Telstar empfing die Signale von der Bodenstation in den Vereinigten Staaten, verstärkte sie und sandte sie zu einer anderen Bodenstation, die weit von der ersten entfernt war, zurück. Da Transistoren mit sehr geringer Spannung arbeiten, könnten Sonnenzellen für die Stromversorgung dienen. Der Nachrichtensatellit Telstar arbeitet mit einer Elektronenröhre, 1 064 Transistoren und anderen elektronischen Festkörperbauteilen. Nachrichtensatelliten, die man nach dem Telstar auf eine Umlaufbahn um die Erde gebracht hat, sind alle mit Transistoren versehen. Doch woraus bestehen Transistoren?
Aus Halbleitermaterialien
Stoffe, die Elektrizität sehr gut leiten, nennt man Leiter. Dazu gehören unter anderem Silber, Aluminium und Kupfer. Wieso können gewisse Materialien Elektrizität so gut leiten? Wegen der großen Zahl „freier“ Elektronen darin. Was bedeutet der Ausdruck „freie“ Elektronen? Nun, die Elektronen sind in diesen Materialien leicht beweglich, das heißt, sie können leicht von einem Atom des Leiters zum anderen wandern.
Im Gegensatz zu Materialien, die Elektrizität sehr gut leiten, gibt es Materialien, die man als Isolierstoffe bezeichnet. In diesen sind keine freien Elektronen vorhanden. Als Folge davon leiten diese Stoffe die Elektrizität nicht. Natürlich werden solche Materialien zum Isolieren von elektrischen Haushaltsgeräten verwendet. Unsere elektrischen Stecker sind daher aus Hartgummi und die Lichtschalter aus Kunststoff.
Dann gibt es noch eine dritte Gruppe — Festkörper, die als Halbleiter bezeichnet werden. Diese Stoffe leiten die Elektrizität nicht sehr gut, sie eignen sich aber auch nicht als Isolierstoffe. Deshalb nennt man solche Materialien Halbleiter. Germanium (ein chemisches Element, das so genannt wird, weil der Deutsche Clemens Winkler es entdeckt hat) und Silizium sind die bekanntesten halbleitenden Materialien.
Warum eignen sich die Materialien der dritten Gruppe nicht gut als Leiter oder als Isolierstoffe? Weil die Konzentration der leichtbeweglichen Elektronen darin viel kleiner ist als bei den Leitern. Sie eignen sich aber auch nicht als Isolierstoffe, weil es nur wenig Energie erfordert, Leitfähigkeitselektronen loszulösen. Die Zahl der freien Elektronen steigt etwa um das Millionenfache an, wenn die Temperatur von minus 17 ° Celsius auf etwa 176 ° Celsius erhöht wird.
Transistoren beginnen mit reinem Kristallhalbleitermaterial, und weil dieses Material nicht in flüssigem oder gasförmigem, sondern in festem Zustand ist, bezeichnet man die Transistoren als „Festkörper“bauteile.
Verunreinigungen müssen hinzugefügt werden
Merkwürdigerweise erzielt man mit Halbleitermaterial in reiner Form keine großen Leistungen; aber wenn man die rechte Menge Verunreinigungen hinzufügt, leisten solche Halbleiter sehr viel.
Aber warum muß man Verunreinigungen hinzufügen? Weil geringe Spuren von Verunreinigungen ein paar freie Elektronen oder ein Elektronendefizit zur Folge haben. Gewisse Verunreinigungen haben somit keine freien Elektronen zur Folge, sondern nehmen von den wenigen Atomen der Halbleiter Elektronen weg. Das Ergebnis? In einem Atom fehlt ein Elektron, es entsteht eine „Lücke“, die man auch als Loch bezeichnet. Der Vorteil eines „Loches“ besteht darin, daß es von einem Elektron des Nachbaratoms gefüllt werden kann. Und diese „Löcher“, die von Atom zu Atom wandern, bilden einen elektrischen Strom (Löcherstrom). Das „Loch“ wird zum Träger positiver Elektrizität, dem Gegenstück des negativ geladenen Elektrons.
Halbleitermaterial mit freien Elektronen wird als n-Typ bezeichnet (wegen der negativen Ladung). Hat das Material „Löcher“ oder ein Elektronendefizit, wird es als p-Typ bezeichnet (wegen der positiven Ladung).
Man könnte das wie folgt veranschaulichen: Löst man Arsen in ganz reinem, flüssigen Silizium oder Germanium auf, sind sehr viele Elektronen vorhanden, die man als fast freie Elektronen betrachten kann. Das Ergebnis ist ein n-Typ-Material, weil das Arsenatom fünf äußere Elektronen je Atom hat, während Germanium nur vier hat; es sind somit überschüssige Elektronen vorhanden. Diese Elektronen können leicht erregt werden, um freie Elektronen zu werden.
Doch was geschieht, wenn dem Halbleitermaterial Bor oder Aluminium beigefügt wird? Diese beiden Elemente besitzen nur drei äußere Elektronen. Es entsteht im Verhältnis zum Germanium ein Elektronendefizit; es besteht ein „Loch“. Das Ergebnis ist ein p-Typ-Material.
Bestehend aus einer Schichtfolge
Der Transistor besteht also aus einer Schicht p-Typ-Material, das zwischen zwei Schichten n-Typ-Material liegt, deshalb bezeichnet man ihn als n-p-n-Transistor. Oder ein Transistor mag aus einer Schicht n-Typ-Material bestehen, das zwischen zwei p-Typ-Schichten liegt, und wird deshalb p-n-p-Transistor genannt.
Die Zonen, die zwischen den einzelnen Schichten entstehen, sind für die Verstärkereigenschaften des Transistors maßgebend. Man kann sie sich als Ventile vorstellen, die den Strom entweder durchlassen oder sperren, je nachdem, in welcher Richtung die äußere Spannung durch diese beiden Übergänge angelegt wird.
Mikrominiaturtechnik
Obwohl der Transistor klein ist und im Vergleich zu der Elektronenröhre wenig Energie verbraucht, sind noch kleinere elektronische Bausteine entwickelt worden, nämlich die sogenannten integrierten Schaltkreise.
Bei diesen Schaltkreisen sind Transistoren sowie andere Schaltkreiselemente in einer Reihe von Schichten vereinigt. Diese kleinen Bausteine sind ganze Schaltkreise, nicht nur Einzelelemente (sprich Transistor) eines Schaltkreises. Integrierte Schaltkreise gestatten die Mikrominiaturtechnik.
In dem Buch World Book Science Annual Science Year (1968) wird gesagt: „Die heutigen integrierten Schaltkreise sind nur noch zwei bis drei Millimeter breit und wenige Hundertstel Millimeter dick. Wie die Transistoren, so verschwenden auch sie sozusagen keine elektrische Energie als Wärme und benötigen daher verhältnismäßig wenig Kühlung. ... Ein Fernsehgerät, das ganz aus integrierten Schaltkreisen bestünde, ausgenommen die Röhre und der Lautsprecher, wäre so klein, daß es in einer kleinen Streichholzschachtel Platz hätte.“
Wir möchten den Unterschied zwischen ganzen Schaltkreisen und einzelnen Bestandteilen eines Schaltkreises wie folgt veranschaulichen: Man denke sich eine Schachtel, so groß wie ein Zweilitergefäß. In dieser Schachtel hätte ein Schaltkreis, bestehend aus vielleicht hundert herkömmlichen Teilen, Platz. Aber wie viele Teile hätten Platz, wenn es sich um integrierte Schaltkreise handelte? Etwa eine Milliarde.
Die neuen Entwicklungen sind wirklich erstaunlich. Den Fortschritt, den der Mensch auf dem Gebiet der Miniaturbauweise gemacht hat, verdankt er zu einem großen Teil den Transistoren, diesen winzigen Titanen der Elektronik. Doch die Mikrominiaturtechnik als solche ist nichts Neues. Der Schöpfer des Menschen wandte diese Technik schon bei der Erschaffung des menschlichen Gehirns an. Er schuf das Gehirn so, daß auf diesem kleinen Raum etwa hundert Milliarden Schaltelemente Platz haben.