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Streiflichter aus dem roten ParadiesDer Wachtturm 1957 | 15. April
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Schöpfer zu verherrlichen und allen, die ihnen Gehör schenkten, sein Vorhaben zu erklären.
Viele Personen lernten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gefängnismauern die Wahrheit kennen. Hunderte und Tausende hießen die Zeugen willkommen und waren bereit, sich von Jehova belehren zu lassen. Sie hatten erkannt, daß die Behauptung der katholischen Geistlichkeit, Jehovas Zeugen seien mit den Kommunisten verbündet, eine Verleumdung, und die Beschuldigung der Kommunisten, sie seien Spione, eine Lüge war.
Gewalttaten und Martern vermochten sie nicht zu erschüttern. Der Zweigdiener der Watch Tower Society und andere verantwortliche Diener wurden monatelang nach den Methoden Berijas verhört, aber sie gingen ungebrochenen Geistes daraus hervor, obwohl sie körperlich oft schwer verletzt waren. Mehrere Zeugen kamen um; sie wollten lieber den Märtyrertod sterben als Lügen gegen die Männer, die Gottes Werk in Polen durchführten, zu bestätigen.
Trotzdem nahm die Zahl der Zeugen monatelang ununterbrochen zu. Während all dieser Verfolgungen litten sie keinen geistigen Hunger. Sie versammelten sich in kleinen Gruppen und versäumten so ihr Zusammenkommen nicht. Ihre „öffentlichen Vorträge“ waren die Begräbnisansprachen, die sie hielten. Jeder Leichenzug, der aus Hunderten von Personen bestand, die ohne Priester durch Dörfer und Städte zogen, war stets eine Sensation und lieferte einen klaren Beweis dafür, daß Jehovas Zeugen alles andere als „liquidiert“ waren.
Einige Zeugen hatten sogar in gewissen Dörfern Dienst von Haus zu Haus getan, und seitdem die Entstalinisierung eingesetzt hat, gehen Zehntausende von ihnen mit der einzigen Botschaft, die es wirklich wert ist, heute gepredigt zu werden, von Haus zu Haus.
Sie sehen den bedeutenden Unterschied — und hoffen, daß auch du ihn siehst — zwischen den eitlen, von Menschen vorgeschlagenen Mitteln zur Lösung der Weltprobleme und dem einzig wahren Mittel, das nun bald die richtige Lösung herbeiführen wird. Diese richtige Lösung wird nicht auf politischem Wege erzielt, sondern durch Gottes Königreich.
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An die Kommunistenführer eingereichte PetitionDer Wachtturm 1957 | 15. April
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An die Kommunistenführer eingereichte Petition
„ICH werde Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen.“ Diese Worte sprach Jehova Gott zur Schlange im Garten Eden. Die Feindschaft hat denn auch bis in unsere Zeit hinein bestanden. Heute tritt sie in dem Haß, den die kommunistischen Herrscher gegen Jehovas Zeugen hegen, besonders zutage. — 1. Mose 3:15, NW.
Es handelt sich hierbei in der Tat um eine solch erbitterte Feindschaft, daß man jahrelang nichts über das Los der Zeugen Jehovas in Rußland und Sibirien erfuhr. In den letzten Jahren sind jedoch die Beweise dafür, daß es in jenen Gebieten und auch in anderen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang Tausende von Zeugen Jehovas gibt, immer zahlreicher geworden.
Bis zum Jahre 1949 wurde diesen Zeugen kaum irgendwelche Aufmerksamkeit zuteil. Im Juli jenes Jahres fand in der „Waldbühne“ in Berlin eine Bezirksversammlung der Zeugen Jehovas statt. Damals wurde von den 18 000 Versammelten eine Resolution angenommen, in der gegen die kommunistische Bedrückung der Zeugen in Ostdeutschland protestiert wurde. Im folgenden Jahr nahmen anläßlich eines internationalen Kongresses der Zeugen Jehovas im Yankee-Stadion (New York) 85 000 Kongreßteilnehmer eine Resolution an, die einen Protest „gegen die Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die kommunistischen und andere Regierungsmächte“ enthielt.
Seither sind viele Meldungen über die Tätigkeit und die Leiden der Tausende von Zeugen, die sich hinter dem Eisernen Vorhang befinden, durchgesickert. Diese Meldungen erschienen in der Weltpresse und in den Zeitschriften der Watch Tower Society.
Die Zeugen hinter dem Eisernen Vorhang haben sich danach gesehnt, mit ihren Brüdern in der übrigen Welt in Verbindung zu gelangen. Sie haben an die Regierungsstellen appelliert, erfuhren jedoch keine Besserung ihrer Lage. Deshalb haben sie sich an die in anderen Ländern lebenden Zeugen gewandt, mit dem Wunsche, daß sie sich bei der russischen Regierung für sie verwenden möchten. Angesichts der sich häufenden Berichte über die Verfolgung dieser Zeugen schien es angebracht zu sein, bei der höchsten Stelle der russischen Regierung eine Petition einzureichen.
So wurde denn in der Zeit vom Sommer 1956 bis etwa Februar 1957 bei Anlaß von 199 Bezirksversammlungen der Zeugen Jehovas, die in der ganzen Welt stattfanden, eine solche Petition angenommen. Insgesamt 462 936 Personen stimmten bei diesen Anlässen begeistert für ihre Annahme. Die erste der von diesen 199 Bezirksversammlungen nach Moskau gesandten Petitionen wurde in Finnland angenommen und wird hier in Deutsch wiedergegeben.
DIE ANGENOMMENE PETITION
An den Herrn Ministerpräsidenten Nikolai A. Bulganin,
Vorsitzender des Ministerrates der Sowjetunion
Moskau, UdSSR
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Wir, 1136 Delegierte, die aus vielen Versammlungen der Zeugen Jehovas zu einer Bezirksversammlung in Kemi, Lappland (Finnland), heute, den 30. Juni 1956, zusammengekommen sind, fassen hiermit den Beschluß, durch die nachfolgende Darlegung Ihre Aufmerksamkeit auf unsere Mitchristen zu lenken, die, wie Ihnen bekannt ist, in Ihrem ausgedehnten Lande nach vielen Tausenden zählen.
Im Laufe der vergangenen zwei Jahre sind uns durch bemerkenswerte Pressemeldungen und durch Heimkehrer Nachrichten aus Rußland zugegangen, die besagen, (1) daß etwa 2000 Zeugen Jehovas im Straflager von Workuta weilen oder geweilt haben; (2) daß Anfang April des Jahres 1951 etwa 7000 Zeugen Jehovas aus den Baltischen Staaten bis hinab nach Bessarabien verhaftet und in Frachtzügen in ein fernes, zwischen Tomsk und Irkutsk liegendes Gebiet sowie in die Nähe des Baikalsees in Sibirien weggeführt wurden; (3) daß Zeugen Jehovas in mehr als fünfzig Lagern zurückgehalten werden, und zwar vom europäischen Rußland bis nach Sibirien und nordwärts bis zum Nördlichen Eismeer, ja sogar auf der arktischen Insel Nowaja Semlja, und daß (4) eine Anzahl von diesen Zeugen Jehovas, besonders von den 7000 schon Erwähnten, wegen Unterernährung im Laufe der ersten zwei Jahre ihres Aufenthaltes in Sibirien starben.
P E T I T I O N
Eine objektive Untersuchung der Sache der Zeugen Jehovas wird offenbaren, daß sie es nie verdienten, eingesperrt, deportiert und in Straflager gesandt zu werden. Darum erachten wir es jetzt als höchst zeitgemäß, an Ihre Regierung eine PETITION zu richten mit dem Ersuchen, diese aufrichtigen Christen, die sich durch ihre glühende Liebe zur Gerechtigkeit, zur Wahrheit und zum Frieden auszeichnen, (a) freizulassen und (b) sie zu ermächtigen, sich zu christlichen Versammlungen zu organisieren, ferner zu Kreisen und Bezirken, die alle diese Versammlungen im ganzen Lande umfassen, wobei ihnen verantwortliche Prediger und Diener gemäß demselben Muster dienen, dem in allen anderen Ländern gefolgt wird; (c) sie zu autorisieren, reguläre Beziehungen mit der christlichen leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas in Brooklyn, New York, Vereinigte Staaten von Amerika, aufzunehmen und (d) sie zu ermächtigen, die Zeitschrift Der Wachtturm in Russisch, Ukrainisch und, je nach Bedarf, in anderen Sprachen zu empfangen und zu veröffentlichen, desgleichen weitere biblische Schriften, wie sie von Jehovas Zeugen in der ganzen Welt verwendet werden.
DARLEGUNG DES TATBESTANDES
Jehovas Zeugen sind eine christliche Gemeinschaft, die heute mehr als 640 000 Prediger umfaßt und ihre Tätigkeit in rund 160 Ländern ausübt, also sozusagen in jedem Land der Erde. Ihre Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! werden halbmonatlich in einer Auflage von insgesamt über 4 000 000 Exemplaren gedruckt und in 44 Sprachen veröffentlicht.
Obwohl Jehovas Zeugen aus allen Nationen stammen, haben sie, soweit es sie selbst betrifft, das Problem der friedlichen, universellen und dauernden Koexistenz vollständig gelöst. In ihren Reihen haben sie alle rassischen, nationalen und religiösen Schranken und Vorurteile überwunden und sind eine Gemeinschaft von Brüdern, von Nachfolgern Christi, geworden, die sich alle von den zwei größten Geboten leiten lassen, dem Gebot der Liebe zu Gott und dem der Liebe zu ihrem Nächsten. Deswegen werden und können sie sich nicht von Zeit zu Zeit auf den Schlachtfeldern töten, wie es Katholiken, Protestanten und Glieder anderer Religionssysteme tun.
Zum römischen Statthalter Pontius Pilatus sagte Jesus Christus: „Mein Königreich ist nicht von dieser Welt“, wodurch er zeigte, daß das Römische Reich, dessen Vertreter Pilatus in Palästina war, wegen seiner religiösen Tätigkeit nicht beunruhigt zu sein brauchte. Er bekämpfte die machthabende politische Regierung nicht. Er verfolgte keine politischen Interessen und Ziele. Er war kein politischer Parteiführer, kämpfte nicht für die Juden gegen die Römer oder umgekehrt. Nein, aber er wies auf die Wurzel alles Bösen hin und führte ein Programm geistigen Heilens durch, das bis heute fortgesetzt worden ist und das durch den Predigtdienst seiner wahren Nachfolger alle Nationen erreicht. Zu Pilatus sprach Jesus ferner: „Ich bin dazu in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ (Me) Darauf sagte Pilatus zu der jüdischen Geistlichkeit, die heuchlerisch und fälschlich Anklage gegen Jesus erhob: „Ich finde keinerlei Schuld an ihm.“ — Johannes 18:36-38.
Unter Jehovas Zeugen von heute sind keine Verbrecher zu finden. Sie gehorchen Gottes Geboten: „Ihr seid meine Zeugen, spricht Jehova.“ (Jesaja 43:10, 12) Sie bringen vor allem Gott das dar, was Gott gehört, und dann dem politischen Herrscher auf Erden das, was ihm gehört. (Matthäus 22:21) Gemäß Christi Lehre bilden sie eine universelle Bruderschaft, bestehend aus Russen, Chinesen, Finnen und aus Gliedern vieler anderer Nationen, und ihre Bruderschaft nimmt auf der ganzen Erde rasch zu. Jehovas Zeugen schaden niemandem. Sie bleiben neutral gegenüber den Streitigkeiten dieser Welt. Sie befassen sich weder mit irgendeiner umstürzlerischen Tätigkeit noch mit Spionage. Sie sind nicht Nationalisten, nicht selbstsüchtige Kapitalisten, nicht Imperialisten. Als wahre Christen könnten sie das gar nicht sein, noch könnten sie für irgendwelche politischen Lehren oder Ideologien kämpfen, seien diese nun kommunistisch, demokratisch oder kapitalistisch. In Amerika und anderen westlichen Ländern sind Jehovas Zeugen als „Kommunisten“ bezeichnet worden und in den Ländern, die unter kommunistischer Herrschaft stehen, als „Imperialisten“, weil sie den Weltangelegenheiten gegenüber eine neutrale Stellung einnehmen. Kommunistische Regierungen haben die Anklage gegen sie erhoben, sie seien „imperialistische Spione“, haben sie vor Gericht gestellt und sie bis zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Und doch haben sie sich nie an irgendeiner umstürzlerischen Tätigkeit, noch in irgendeinem Falle an Spionage beteiligt.
Aus obigen Gründen ist es ein absolutes Unrecht und eine Verletzung elementarster Rechtsbegriffe, sie gefangenzusetzen, zu internieren und zu deportieren, geschehe es nun für einen Tag oder für fünfundzwanzig Jahre.
Nicht nur in westlichen Ländern, sondern auch in kommunistisch beherrschten werden Jehovas Zeugen als zuverlässige, vertrauenswürdige, gewissenhafte Arbeiter anerkannt. Sie erfüllen ihre richtigen Pflichten als Bürger des Landes, in dem sie leben. Sie sind intelligente Menschen, die nicht daran glauben, daß all die Bedrückung und die unrichtige Unterweisung durch falsche Religionen Erfolg haben. Sie stehlen nicht und betrinken sich nicht, wodurch der Produktionsgang verlangsamt werden könnte, und sie beteiligen sich niemals an irgendwelchen Sabotagehandlungen. Sie folgen den Lehren der Heiligen Schrift, deren Drucklegung und Verbreitung in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken die Regierung der UdSSR vor kurzem genehmigt hat.
Ein bemerkenswerter Punkt, in dem Jehovas Zeugen als Nachfolger Christi von ihren Mitmenschen abweichen, besteht darin, daß sie gehorsam weiterhin das tun, was Christus zu tun geboten hat, als er sprach: „Diese gute Botschaft vom Königreich wird gepredigt werden auf der ganzen bewohnten Erde, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das vollendete Ende kommen.“ (Matthäus 24:14, NW) Folglich tun dies Jehovas Zeugen heute unter allen Nationen, und sie werden es trotz Verfolgung und Gegnerschaft und auf die Gefahr hin, ihr Leben zu verlieren, weiterhin tun, wie Jesus es gesagt hat: „Ihr werdet von allen Nationen gehaßt werden um meines Namens willen“ und „Siehe! ich sende euch aus wie Schafe unter Wölfen.“ — Matthäus 24:9; 10:16, NW.
Wünscht Ihre Regierung einen Anteil zu haben an der Verantwortung, die die Erfüllung dieser Worte mit sich bringt, die der Begründer des wahren Christentums gesprochen hat?
VORSCHLAG ZU EINER BESPRECHUNG
Es würde uns sehr freuen, die Angelegenheiten durch Vertreter unserer leitenden Körperschaft, der Watch Tower Bible and Tract Society, mit Ihnen weiter besprechen zu können, sei es nun durch Ihren ersten Vertreter in den Vereinigten Staaten von Amerika oder direkt mit Ihrer Regierung in Moskau.
Sie haben gestattet, daß viele Delegationen von westlichen Ländern Ihre Hauptstadt und Ihr Land besuchen. Somit möchten wir den Gedanken äußern, daß Sie auch die Möglichkeit erwägen, einer Delegation von Jehovas Zeugen zu gestatten, nach Moskau zu kommen, damit sie Ihnen weitere Aufschlüsse gebe, die für Sie erforderlich sein mögen, und die Sie um die Erlaubnis bitten kann, in den verschiedenen Lagern unsere christlichen Brüder zu besuchen, die, wie wir hoffen, durch eine Verfügung Ihrerseits binnen kurzem freigelassen werden.
Inzwischen können wir nichts weiter tun, als die Welt über die in russischen Gefängnissen, Straflagern und Deportationszentren weilenden Zeugen Jehovas zu unterrichten, da wir es ihnen, als unseren Freunden und Glaubensbrüdern, schuldig sind, die Welt über ihre Lage aufzuklären. Doch möchten wir der Welt lieber mitteilen, daß Sie, die Regierung von Rußland, die Verfügung getroffen haben, Jehovas Zeugen die Freiheit zu schenken und sie aus all diesen Orten zu entlassen, damit sie in die Lage versetzt werden, als freie Bürger Ihres Landes zu arbeiten und ein ruhiges und stilles Leben zu führen, das nach ihrer Glaubensüberzeugung mit dem von Jesus Christus gegebenen Beispiel übereinstimmt. — 1. Timotheus 2:1-6.
Im Vertrauen darauf, daß Sie diese Petition berücksichtigen und die Bedeutung dieses Falles in Betracht ziehen und daß wir eine günstige Antwort erhalten werden, zeichnen wir, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
In aller Aufrichtigkeit
Jehovas Zeugen
Kalle Salavaara
Antrag zur Annahme dieser Resolution, vorgebracht durch
Matti K. Tiainen, Versammlungsadministrator.
Unterstützt durch
Erkki Kankaanpää, Versammlungsvorsitzender.
Einstimmig angenommen durch die Bezirksversammlung in Kemi,
wie bestätigt durch
Väinö Pallari, Pressebeamter,
am 30. Juni 1956 in Kemi, Lappland (Finnland).
WIE SIE AUFGENOMMEN WURDE
Bei jeder Bezirksversammlung unterzeichneten vier Zeugen Jehovas im Namen der Anwesenden drei Exemplare der Petition. Ein Exemplar wurde direkt an Ministerpräsident Bulganin nach Moskau gesandt, ein anderes an den russischen Gesandten des Landes, in dem die Versammlung stattfand, ein weiteres an das Zentralbüro der Watch Tower Society, und weitere Abschriften davon wurden der Presse zur Verfügung gestellt, die im allgemeinen gute Berichte darüber veröffentlichte.
Wie reagierte die russische Regierung auf diese Petition? Bis heute hat sie sie ignoriert. Nicht ein Wort ist darüber laut geworden. Daß wenigstens ein Exemplar in Moskau eingetroffen ist, wird durch einen Empfangsschein eines Postamtes in den Vereinigten Staaten bestätigt, der zeigt, daß die Petition der russischen Regierung übergeben und von ihr auch entgegengenommen worden ist.
Es wurden ferner Anstrengungen gemacht, die Petition den russischen Gesandten in den verschiedenen Ländern persönlich zu überreichen. In den meisten Fällen war es jedoch nicht möglich, den Gesandten selbst zu sprechen. In Uruguay erklärte der Sekretär des Gesandten, die Petition sei voller Lügen, und lehnte es kategorisch ab, etwas damit zu tun zu haben. Er behauptete beharrlich, daß in Rußland die Religionsfreiheit gewährleistet sei. Ähnliche Bemühungen in anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz, führten zu ziemlich gleichen Ergebnissen.
In Frankreich nahm der Sekretär des Gesandten die Petition entgegen. Er konnte jedoch nicht verstehen, weshalb ‚Franzosen, die in Frankreich leben, sich um Russen kümmerten, die in Rußland leben‘! Offenbar war es für seinen kommunistisch geschulten Sinn unfaßbar, daß Loyalität und Treue nationale Schranken und Unterschiede überwinden können.
Da in den Vereinigten Staaten der Gesandte abwesend war, wurde eine Verabredung mit der ihm am nächsten stehenden Amtsperson, einem Herrn Striganow, getroffen. Im Laufe der Unterhaltung legten die Zeugen Jehovas den Zweck ihres Besuches dar, erklärten, welche Stellung sie einnehmen, und wiesen darauf hin, daß es im Interesse der russischen Regierung wäre, wenn sie ihre feindselige Haltung den Zeugen gegenüber aufgäbe. Sie betonten auch, daß zweifellos Mißverständnisse und Falschdarstellungen die russische Regierung veranlaßt hätten, eine solche Haltung einzunehmen, und empfahlen ihr das Verhalten der polnischen Regierung, die eine Untersuchung über die Zeugen durchgeführt hatte und, nachdem es sich herausstellte, daß die gegen sie erhobenen Anschuldigungen nicht begründet waren, die Zeugen aus dem Gefängnis entließ.
Herr Striganow behauptete jedoch, daß eine Menge Lügen über Rußland in Umlauf gesetzt worden seien und daß niemand dort wegen seiner Religion, sondern wenn er gegen das Gesetz verstoße, eingesperrt werde. Er kritisierte die Haltung der Zeugen dem Kriege gegenüber und beharrte darauf, daß das Gesetz Rußlands über dem Gesetz Jehovas stehe und in Rußland befolgt werden müsse. Er spottete wiederholt, als der Name Jehovas erwähnt wurde, und lehnte es ab, die Petition entgegenzunehmen, ja, er tat, als ob es Dynamit wäre, und wollte sie nicht einmal in die Hand nehmen.
Jehovas Zeugen lassen sich jedoch nicht so leicht entmutigen. Sie geben den Kampf nicht ohne weiteres auf. Als Beweis für ihr aufrichtiges, unnachgiebiges Bemühen, ihren unterdrückten Brüdern hinter dem Eisernen Vorhang zu helfen, sandten sie am 1. März 1957 folgende gemeinsame Petition an die Kommunistenführer.
An den Herrn Ministerpräsidenten Nikolai A. Bulganin,
Vorsitzender des Ministerrates der Sowjetunion
Moskau, UdSSR
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Hiermit wendet sich die leitende Körperschaft der in der ganzen Welt wirkenden Gruppe von Christen, Jehovas Zeugen genannt, an Sie.
Unter der Leitung der Watch Tower Bible and Tract Society von Pennsylvanien, einer fortwährend zunehmenden Organisation christlicher Prediger, unterrichten Jehovas Zeugen in 162 Ländern, Republiken und Kolonien auf der ganzen Erde die Menschen über das Wort des allmächtigen Gottes, Jehovas, des Schöpfers des Universums. Sie sind wahre Christen, die sich in ihrer echten Anbetung Gottes, Jehovas, von den in der Heiligen Schrift niedergelegten gerechten Maßstäben und Grundsätzen leiten lassen.
Innerhalb der Grenzen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken befinden sich Tausende dieser Zeugen Jehovas. Sie bemühen sich treulich, dem höchsten Gott, Jehova, unter prüfungsvollen Umständen zu dienen. Viele von ihnen wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Andere sind von ihren Wohnstätten weit weg in die Verbannung nach Sibirien geschickt worden. Dies geschah nicht etwa, weil sie irgendein Verbrechen begangen oder sich in irgendeiner Weise politisch betätigt hätten. Jehovas Zeugen sind die friedlichste, gesetzestreueste Gruppe Menschen auf Erden. Sie sind einzig und allein deshalb bestraft worden, weil sie Gott hingegebene Christen sind, die sich aufrichtig bemühen, den Anordnungen Jesu Christi nachzukommen. Sie trachten allerdings in erster Linie nach dem Königreiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, weil Christus, laut Matthäus 6:33, alle Christen anwies, dies zu tun. Dabei aber befolgen sie auch alle Gesetze des Landes, in dem sie leben, ausgenommen, es werde ein Gesetz erlassen, das im Widerspruch mit dem höchsten Gesetz des Schöpfers steht. Sie sind gewissenhaft und achten sorgfältig darauf, ‚Cäsars Dinge dem Cäsar zurückzuzahlen, Gottes Dinge aber Gott‘. — Matthäus 22:21, NW.
Jahrelang haben nun Jehovas Zeugen in der Sowjetunion große Schwierigkeiten und heftige Verfolgung erduldet. Sie haben Komitees und Delegationen von Predigern aus ihrer Mitte gebildet, die sich in Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften um die gesetzliche Eintragung ihrer Religionsorganisation bemühten, aber jedesmal wurden sie abgewiesen, und statt die Eintragung ihrer christlichen Organisation zu erlauben, ließ man einige der Prediger ihrer Delegation verhaften. Es ist in der ganzen Welt bekanntgeworden, daß sich in der Sowjetunion Tausende von Zeugen Jehovas wegen ihres christlichen Glaubens im Gefängnis befinden oder nach Sibirien verbannt worden sind.
Alle Zeugen Jehovas gehen feierlich ein Gelübde ein, Jehova Gott als Prediger zu dienen, und sie dürfen davon nicht abweichen. Sie haben den bestimmten Auftrag erhalten, die gute Botschaft von Gottes Königreich zu verkündigen. Sie müssen Gott ebenso treu sein und sich von den gleichen theokratischen Gesetzen leiten lassen wie ihre Vorbilder, die Apostel Jesu Christi, die um ihres Gottesdienstes willen viel Widerstand und körperliche Leiden erduldeten. In der Heiligen Schrift finden wir in Apostelgeschichte 5:17-40 eines der vielen Beispiele dafür, wie die ersten Christen vor Gericht gestellt wurden. Bei jener Gelegenheit legte der bekannte, nichtchristliche Rechtsgelehrte Gamaliel dem Hohen Rat einen Grundsatz vor, der bis auf den heutigen Tag Gültigkeit hat und auf den wir Sie in Verbindung mit den gegenwärtigen Freiheitsbeschränkungen, unter denen die Zeugen Jehovas in der Sowjetunion leiden, respektvoll aufmerksam machen möchten: „Wenn dieser Plan und dieses Werk von Menschen ist, wird es niedergerissen; wenn es aber von Gott ist, werdet ihr sie nicht niederwerfen können.“
Jehovas Zeugen sind Gottes Diener. Ihr Werk ist Gottes Werk. Deshalb müssen und werden Jehovas Zeugen mit der Hilfe Gottes, Jehovas, auch künftig in allen Ländern, einschließlich der Sowjetunion, ein christliches Leben führen und dem Höchsten dienen.
Wahre Christen lieben einander und sind um ihre Mitchristen sehr besorgt. In Zeiten der Not unterstützen sie sich gegenseitig, erfordere das nun materielle oder geistige Hilfe. Jehovas Zeugen sind solche Christen, und aus diesem Grunde haben sie sich in den vergangenen neun Monaten an Sie als eine Persönlichkeit gewandt, die in der Sowjetunion eine geehrte Stellung einnimmt, und haben Sie ersucht, über das Unrecht, das man ihren Genossen, den Zeugen Jehovas in Ihrem Lande, zugefügt hat, Untersuchungen anzustellen und ihnen, nämlich unseren Brüdern in Christus, Gottesdienstfreiheit zu gewähren.
Die Petition wurde Ihnen in vielen Sprachen von 199 Bezirksversammlungen der Zeugen Jehovas zugestellt. Jedes Exemplar wurde als eingeschriebener Luftpostbrief versandt. Um sicher zu sein, daß Ihnen diese wichtige Angelegenheit zur Kenntnis komme, wurden ferner den diplomatischen Vertretern der Sowjetunion in jedem Land Abschriften der Petition übermittelt.
Insgesamt 462 936 Zeugen Jehovas in der ganzen Welt haben diese Petition angenommen und erwarten nun, Nachrichten darüber zu erhalten, welche Schritte von der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Befreiung der leidenden christlichen Zeugen Jehovas dort unternommen werden.
Als leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas in der ganzen Welt sind wir ermächtigt, Ihnen hiermit eine gemeinsame Petition bezüglich der Probleme der Zeugen Jehovas in der Sowjetunion zu unterbreiten. Als Diener des höchsten Gottes, Jehovas, obliegt uns vor ihm die Verpflichtung, Sie zu bitten, diesem ernsten Problem Ihre Beachtung zu schenken. Wir sind immer noch bereit, unsere Delegation zu den vorgeschlagenen Besprechungen nach Moskau zu entsenden.
Im Namen der 462 936 Zeugen Jehovas, die die Petition angenommen haben, ersuchen wir Sie respektvoll um eine baldige Antwort. Vor dem höchsten Gott, Jehova, ruht die Verantwortung nun auf Ihnen: „Sonst mögt ihr gar als solche erfunden werden, die in Wirklichkeit gegen Gott kämpfen.“ — Apostelgeschichte 5:39, NW.
Unterbreitet von den Direktionsmitgliedern:
WATCH TOWER BIBLE AND TRACT SOCIETY OF PENNSYLVANIA
N. H. Knorr, Präsident
F. W. Franz, Vizepräsident
Grant Suiter, Sekretär-Kassier
H. H. Riemer, stellvertretender Sekretär-Kassier
T. J. Sullivan, Direktionsmitglied
L. A. Swingle, Direktionsmitglied
M. G. Henschel, Direktionsmitglied
Jehovas Zeugen kamen dadurch, daß sie diese Frage derart in den Vordergrund rückten, einer dreifachen Verpflichtung nach: Sie legten Zeugnis ab für Jehovas Oberhoheit; sie machten Jehovas Feinde auf die Verkehrtheit ihres Handelns aufmerksam, und sie bemühten sich, ihren Brüdern hinter dem Eisernen Vorhang zu helfen.
Und nun vertrauen sie auf die Verheißung Jesu: „Sollte Gott seinen Auserwählten nicht Recht verschaffen, die Tag und Nacht laut zu ihm schreien, auch wenn er langmütig ist gegen sie? Ich sage euch: Er wird ihnen eilends Recht verschaffen.“ — Luk. 18:7, 8, NW.
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Fragen von LesernDer Wachtturm 1957 | 15. April
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Fragen von Lesern
● Warum glauben Jehovas Zeugen, daß Menschengeschöpfe ewig auf Erden leben werden, wenn es doch in der Bibel heißt, daß die Erde verbrannt werde?
Es stimmt, daß die Bibel sagt: „Die jetzigen Himmel aber und die Erde sind durch sein Wort aufbewahrt, für das Feuer behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen.“ Die Bibel sagt aber auch: „Die Erde besteht ewiglich.“ Somit scheint hier ein Widerspruch vorzuliegen. Richtig verstanden, widersprechen sich diese Worte jedoch nicht. — 2. Pet. 3:7; Pred. 1:4.
Darüber, wie sich Spötter in den letzten Tagen verhalten werden, lesen wir in 2. Petrus 3:5-7 (NW): „Ihrem Wunsche gemäß entgeht diese Tatsache ihrer Kenntnis, daß es in alten Zeiten Himmel gab sowie eine Erde, die, festgeworden, aus dem Wasser herausragte und sich inmitten des Wassers befand durch das Wort Gottes, und dadurch wurde die damalige Welt vernichtet, als sie mit Wasser überflutet wurde. Aber durch dasselbe Wort werden die jetzigen Himmel und die Erde aufbewahrt für das Feuer, aufbehalten für den Tag des Gerichts und der Vernichtung der gottlosen Menschen.“
Der Apostel Petrus weist hier auf die Flut der Tage Noahs hin. Die „damaligen“ Himmel und die Erde wurden durch Wasser vernichtet, sagt Petrus. Doch durch jene Flutwasser wurden weder die buchstäblichen Himmel noch der buchstäbliche Planet Erde vernichtet, denn diese bestehen heute noch. Was wurde denn vernichtet? Das dämonische System oder die Einrichtung Satans, wodurch er über die Menschen herrschte, sowie die Gottlosen auf Erden. Sie wurden sinnbildlich als „Himmel“ und „Erde“ bezeichnet. Wir lesen, daß „die ganze Erde das Angesicht Salomos suchte, um seine Weisheit zu hören“. Die Erde hat keine Ohren, um zu hören; das Volk ging hin, um Salomo zu hören. „Es freue sich der Himmel, und es frohlocke die Erde!“ schrieb der Psalmist und meinte damit die Bewohner des Himmels und der Erde. — 1. Kön. 10:24; Ps. 96:11.
Folglich bestehen die „jetzigen Himmel und die Erde“, die aufbehalten werden für die Vernichtung, aus den unsichtbaren bösen Himmeln — Satan und seinen Dämonen — und den Gottlosen auf Erden. Von diesen bösen Himmeln und der Erde heißt es in Offenbarung 20:11 (NW): „Vor ihm entflohen die Erde und der Himmel, und keine Stätte wurde für sie gefunden.“ Sie werden ersetzt durch die „neuen Himmel und die eine neue Erde, die wir nach seiner Verheißung erwarten, und in diesen wird Gerechtigkeit wohnen“. Damit ist nicht ein neues Sternenzelt gemeint, sondern es sind darunter neue symbolische Himmel zu verstehen, bestehend aus Christus und seinen Miterben, die vom Himmel her regieren; es ist damit auch nicht ein neuer Planet gemeint, sondern eine neue symbolische Erde, bestehend aus gehorsamen Menschen, die der Gerechtigkeit ergeben sind. Übrigens, wenn die Erde, die verbrannt werden soll, die buchstäbliche Erde wäre, so müßten auch die Himmel, die mit der Erde in Rauch aufgehen sollen, die buchstäblichen Himmel sein — wie könnten dann aber jene gerettet werden, die durch eine Entrückung in den Himmel diesem Feuer zu entgehen hoffen? — 2. Pet. 3:13, NW.
Da es sich also bei den Himmeln und der Erde, die durch Feuer vernichtet werden sollen, ebenso um symbolische Himmel und eine symbolische Erde handelt wie damals, als Himmel und Erde durch die Flut vernichtet wurden, so widerspricht sich die Bibel nicht, wenn sie andererseits sagt, daß die buchstäbliche ‚Erde ewiglich besteht‘. Und wenn die Erde ewig bestehen soll, dann wird sie auch ewiglich bewohnt werden, denn „also spricht Jehova, der Schöpfer des Himmels, der Gott, der die Erde gebildet und bereitet hat — er hat sie nicht erschaffen, daß sie leer sein soll, sondern
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