Welche Rolle sollte die Religion in unserem Leben spielen?
Für sehr viele Menschen ist die Religion heute nur ein Mittel, durch das sie ihre eigennützigen Ziele zu erreichen hoffen. Welche Rolle die Religion in unserem Leben spielen sollte, wird in Gottes Wort klar gezeigt.
NOCH nie wurde in Ländern, wie den Vereinigten Staaten, so viel von Religion gesprochen wie heutzutage. Andrerseits hat die Religion, so paradox es klingen mag, noch nie so wenig Einfluß auf die Politik und das Geschäftsleben gehabt wie heute. Wie so oft, ist es auch hier der Fall, daß mit der zunehmenden Quantität die Qualität zurückgeht. Warum? Weil man sich nicht bewußt ist, welche Rolle die Religion in unserem Leben spielen sollte.
Daß die erwähnten Tatsachen auf die Vereinigten Staaten zutreffen, wird durch den Artikel bestätigt, der am 9. Februar 1958 im Sunday Examiner von Los Angeles, Kalifornien, unter dem Titel „Wie viele Amerikaner glauben WIRKLICH an Gott?“ erschienen ist. Darin hieß es: „95 Prozent sagen, sie tun es, aber …“, und dann wurde dieses „aber“ eingehend erörtert.
„Bei einer Umfrage sagten vier Fünftel aller erwachsenen Amerikaner, sie glaubten, daß die Bibel das geoffenbarte Wort Gottes sei“, aber 53 Prozent der Befragten konnten nicht einmal eines der vier Evangelien mit Namen nennen.
„Eine andere Umfrage ergab, daß 80 Prozent der amerikanischen Bevölkerung glauben, daß Christus Gott sei. Doch als dreißig namhafte Amerikaner gebeten wurden, die hundert wichtigsten Ereignisse in der Geschichte aufzuzählen, wurde die Geburt Christi zusammen mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen und dem ersten Flug der Gebrüder Wright an vierzehnter Stelle genannt.“
Der Examiner berichtete auch über eine Rundfrage, die der katholische Geistliche Fichter bei 10 964 Katholiken einer für New Orleans typischen Kirchgemeinde durchführte und bei der er feststellte, daß 4216 von ihnen, „was den praktischen Zweck betrifft, ‚schlummern‘. Sie besuchen keine Kirche, spenden kein Geld und schicken auch ihre Kinder nicht in den Religionsunterricht.“
„Schließlich sei noch eine, vielleicht die bezeichnendste Rundfrage erwähnt, bei der Amerikaner zuerst gefragt wurden, ob sie dächten, die Religion sei ‚sehr wichtig‘. Ein großer Teil bejahte diese Frage. Dann wurde ihnen die Frage gestellt: ‚Würden sie sagen, daß Ihr Glaube Ihre politischen Ansichten und Ihre Geschäftsmethoden beeinflußt?‘ 54 Prozent verneinten es.“
In Übereinstimmung damit beklagte sich Richard C. Raines, Bischof der Methodistenkirche, in einem Artikel, der in der New York Times vom 14. Oktober 1957 erschien, über die zunehmende Tendenz, Gott nur als „etwas Nebensächliches“ zu betrachten. „In der wahren Religion“, betonte er, „trifft Gott die Entscheidung, und der Mensch trachtet danach, Gottes Willen zu erkennen und ihm zu entsprechen.“ Und wie in The Christian Century vom 12. Februar 1958 zu lesen war, sagte Albert R. Stuart, Bischof der Episkopalkirche in Georgia, daß die Amerikaner keinen Sinn hätten für eine religiöse Berufung und davon zuwenig überzeugt seien.
AUSSCHLIESSLICHE ERGEBENHEIT
Die buchstäbliche und einfachste Form des Ausdrucks „Religion“ bedeutet ein System oder eine Form der Anbetung, der einer Gottheit dargebrachte Dienst. Gemäß dem Worte Gottes ist die wahre, das heißt die christliche Religion keineswegs etwas Nebensächliches, sozusagen ein Mittel zum Zweck. Sie ist unsere Bestimmung, unser Endzweck oder unser wichtigstes Lebensziel. Sie sollte in unserem Leben die maßgebende, treibende Kraft, der dominierende Faktor, sein. Es ist in der Tat so, daß Gott die Entscheidungen trifft und wir den göttlichen Willen tun, ungeachtet der Folgen, die diese mit sich bringen mag. Es handelt sich dabei wirklich um eine Berufung, einen gewissen Lebensweg, den man, gestützt auf Erkenntnis und Glauben, Vernunft und Überzeugung sowie auf Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit, einschlägt.
Gott sagte zu den Israeliten: „Ich, Jehova, dein Gott, bin ein Gott, der ausschließliche Ergebenheit fordert“, und ferner: „Du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und mit all deiner Lebenskraft.“ Die ihm dargebrachte Anbetung muß ungeteilt sein. Aus diesem Grunde warnte er sein Volk nicht nur davor, heidnische Götter anzubeten, sondern auch davor, sich durch materiellen Wohlstand verleiten zu lassen, ihn zu vergessen. — 2. Mose 20:1, 5; 5. Mose 6:5; 8:10-14, NW.
Jesus Christus, der Sohn Gottes hob dies ebenfalls hervor, indem er sagte: „So fahrt denn fort, zuerst nach dem Königreich und seiner Gerechtigkeit zu trachten.“ „Wer zu Vater oder Mutter größere Zuneigung hat als zu mir, ist meiner nicht würdig.“ „Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme seinen Marterpfahl auf und folge mir beharrlich.“ — Matth. 6:33; 10:37; 16:24, NW.
Und durch seine eigene Handlungsweise veranschaulichte Jesus das, was er lehrte. Er gab sich zu Gottes bestimmter Zeit seinem himmlischen Vater hin, um dessen Willen zu tun, und bezeugte dies öffentlich, indem er sich von Johannes im Jordan taufen ließ, worauf er Gottes heiligen Geist empfing. Von dieser Zeit an arbeitete er nicht mehr als Zimmermann. Er schlug auch nicht irgendeine andere Laufbahn ein, die ihm besonders gut gefallen hätte. Nein, von dieser Zeit an tat er den Willen Gottes, wozu er auf die Erde gekommen war. „Ich bin gerade zu dem Zweck in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ — Joh. 18:37, NW.
Seine Apostel und ersten Jünger folgten seinem Beispiel. Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes gaben die Fischerei auf und schlossen sich Jesus in seinem Predigtwerk an. Matthäus gab seine Stelle als Steuereinnehmer auf. Aus diesem Grunde konnte Petrus auch sagen: „Siehe! wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.“ Auch Paulus gab seine angesehene Stellung als Pharisäer auf. — Mark. 10:28.
Daß die Religion in unserem Leben eine dominierende Rolle spielen sollte, wird ferner durch den Vergleich hervorgehoben, den Paulus zwischen einem Christen und einem Soldaten zieht: „Niemand, der als Soldat dient, verwickelt sich in die Handelsgeschäfte des Lebens, damit er die Anerkennung dessen erlange, der ihn als Soldat angeworben hat.“ — 2. Tim. 2:4, NW.
TEILZEITDIENST ANNEHMBAR
Das bedeutet nicht, daß jeder christliche Kämpfer buchstäblich alles verlassen müßte, wie Jesus und seine Apostel es taten. Gottes Wille verlangt auch, daß ein Christ ‚um das besorgt ist, was in den Augen aller Menschen als recht angesehen wird‘, und daß er ‚für die Seinen sorgt‘. Wenn er dies nicht täte, würde er ‚den Glauben verleugnen und wäre schlimmer als ein Ungläubiger‘. Um diesen Geboten nachzukommen, mag ein Christ seine Predigttätigkeit beschränken müssen, aber er wird sich niemals freiwillig in Geschäftsunternehmen oder andere eigennützige Bestrebungen verwickeln lassen. Er wird sich sozusagen nur in dem Maße anderweitig beschäftigen, als es erforderlich ist, um für die Kosten seines Predigtdienstes aufzukommen. — Röm. 12:17; 1. Tim. 5:8, NW.
Nebenbei sei noch bemerkt, daß derselbe Grundsatz auch auf Liebhabereien Anwendung hat. Ein Christ nimmt ein Hobby nicht so ernst, daß er dessen Sklave wird. Er pflegt es nur so weit, daß es dem Zweck der Erholung dient.
Der aufrichtige, gut unterrichtete Christ verhält sich deshalb ganz anders als der Namenchrist. Statt daß er die Religion dazu benutzt, seine persönlichen Interessen zu verfolgen, benutzt er alles andere in seinem Leben dazu, die Interessen seiner Religion zu fördern, und was nicht dazu dient, schaltet er aus. Arbeitgeber stellen immer wieder fest, daß ein Christ zuverlässig und tüchtig ist, ob er nun Bergarbeiter in einer Kupfermine oder Privatsekretär sei. Doch gelegentlich kommt es auch vor, daß sich ein Arbeitgeber beklagt. Weshalb? Weil der christliche Zeuge Jehovas nicht den Ehrgeiz hat, in der Welt vorwärtszukommen, weil er nicht wie seine Mitarbeiter nach dem einträglichsten Posten strebt. Der Arbeitgeber kann nicht verstehen, daß im Leben eines Christen nicht Reichtum, Ruhm, Ansehen oder Macht die ausschlaggebende Rolle spielen, sondern die Religion, das Tun des Willens Gottes. Schließlich ist für den Christen seine weltliche Arbeit nur ein Nebenberuf; seine Berufung oder Hauptbeschäftigung ist der christliche Predigtdienst.
Wir haben allen Grund, dem christlichen Predigtdienst den ersten Platz einzuräumen. Durch diesen Dienst wird der Schöpfer, Jehova Gott, gebührend geehrt, indem über seinen Namen Jehova Zeugnis abgelegt und dieser so von der Schmach und Schande, die selbstsüchtige und unwissende Menschen über ihn gebracht haben, gereinigt wird. Außerdem werden durch den Predigtdienst Menschen guten Willens auf den Weg der Rettung hingewiesen, damit sie vor der Vernichtung, die ihnen in Harmagedon droht, fliehen können. Christliche Prediger warnen ferner die Bösen, damit diese für ihre Vernichtung nicht nur völlig verantwortlich seien, sondern damit sie auch wissen, warum sie vernichtet werden. Und schließlich sichern wir uns durch die Teilnahme am christlichen Predigtdienst unsere eigene Errettung, wie Paulus es sagte: „Denn mit dem Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber legt man eine öffentliche Erklärung zur Errettung ab.“ — Röm. 10:10, NW.
Ein Christ, der seinen Pflichten in dieser Hinsicht richtig nachkommen will, muß, wie die ehemaligen Beröer, ‚die Schriften täglich sorgfältig prüfen‘. Er muß das Gebot befolgen: „Tue dein Äußerstes, dich als von Gott anerkannt darzustellen, als einen Arbeiter, der sich wegen nichts zu schämen braucht, der das Wort der Wahrheit recht handhabt.“ Er muß beweisen, daß er weiß, daß „alle Schrift von Gott inspiriert und nützlich ist zum Lehren, zum Überführen, zum Richtigstellen der Dinge, zur Zucht in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes völlig geschickt sei, vollständig ausgerüstet für jedes gute Werk“. — Apg. 17:11; 2. Tim. 2:15; 3:16, 17, NW.
Ein Christ sollte aber die Bibel anhand von biblischen Studienhilfsmitteln nicht nur privat studieren, sondern er sollte auch der Anweisung nachkommen: „Laßt uns aufeinander achtgeben, damit wir uns zur Liebe und zu rechten Werken anspornen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Gewohnheit geworden ist, sondern einander ermuntern, und das um so mehr, als ihr den Tag herannahen seht.“ Das bedeutet, daß er die Zusammenkünfte der Versammlung — für die christlichen Zeugen Jehovas gibt es wöchentlich deren fünf — besucht. Durch diese Zusammenkünfte wächst der Christ in der Erkenntnis, im Glauben, im Verständnis und in der Liebe und rüstet sich für seinen Dienst weiter aus. Und da das persönliche Studium und das Zusammenkommen mit anderen Zeit beanspruchen, muß er den Rat beachten, ‚die gelegene Zeit auszukaufen, weil die Tage böse sind‘, und muß den wichtigsten Dingen stets den ersten Platz einräumen. — Heb. 10:24, 25; Eph. 5:16, NW.
EINE NEUE PERSÖNLICHKEIT
Die Geistlichen mögen wohl davon reden, daß es bei der christlichen Religion darum gehe, den göttlichen Willen zu tun, daß man sie als Berufung ansehen sollte und daß sie auf eine tiefe Überzeugung gegründet sein müsse, aber die Tatsachen zeigen, daß sie ihren „Schäfchen“ nicht beizubringen vermochten, daß jemand, der ein Christ sein will, die Verkündigung des Evangeliums zur Lebenslaufbahn machen muß, wie Jesus Christus es tat. Und die Tatsache, daß gewissenlose Profitjäger, korrupte Politiker, Hurer, Ehebrecher, ja selbst gefährliche Gangster angesehene Kirchenmitglieder sein können, beweist, daß die Geistlichkeit jämmerlich versagt und nicht erkannt hat, welche Rolle die Religion bezüglich der Grundsätze der Wahrheit und Gerechtigkeit spielen sollte.
Aus diesem Grunde sagt der Apostel Paulus warnend: „Weder Hurer noch Götzendiener, noch Ehebrecher … noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde … noch Erpresser werden Gottes Königreich ererben.“ Wer ein Christ sein will, muß der Aufforderung nachkommen: „Formt euch nicht mehr nach diesem System der Dinge, sondern werdet dadurch umgewandelt, daß ihr euren Sinn neu gestaltet, damit ihr euch selbst von dem guten, annehmbaren und vollständigen Willen Gottes überzeugen mögt.“ Und da ist — unter Christen — „weder Grieche noch Jude, weder Beschneidung noch Unbeschnittensein, noch Fremdling, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus [ist] alles und in allen“. Christen müssen sich von Grundsätzen leiten lassen; sie dürfen sich nicht von selbstischen Neigungen beeinflussen lassen. Gottes Wille, nicht ihr eigener oder gar der Wille anderer, die gegen Gott sind, muß ihren Wandel bestimmen. Ihre Einheit darf nicht durch Rassenhaß oder lieblose nationale oder gesellschaftliche Vorurteile getrübt werden. — 1. Kor. 6:9, 10; Röm. 12:2; Kol. 3:11, NW.
Wenn die Religion in unserem Leben dominiert, dann wirkt sich das auf alle unsere Beziehungen aus, wie Paulus dies in seinen Worten weiter zeigt: „Was immer ihr tut, in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus … Ihr Frauen, seid euren Männern untertan, wie es sich geziemt im Herrn. Ihr Männer, bleibt dabei, eure Frauen zu lieben, und laßt euch nicht erbittern gegen sie. Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn dies ist im Herrn wohlgefällig. Ihr Väter, bringt eure Kinder nicht in äußerste Gereiztheit, auf daß sie nicht mutlos werden. Ihr Sklaven, gehorcht … Ihr Meister, teilt weiter aus, was gerecht ist.“ Und wenn es noch irgendein anderes menschliches Verhältnis geben sollte, so gilt stets die königliche Regel, ‚unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst‘, und die „goldene Regel“, ‚anderen das zu tun, was wir wollen, daß sie es uns tun‘. — Kol. 3:17 bis 4:1; Matth. 22:39; 7:12, NW.
Was wird uns erkennen helfen, welche Rolle die Religion in unserem Leben spielt? Besonders der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, und zwar der Glaube, mit dem Gott jene belohnt, die ihm dienen; die Liebe, mit der wir ihn mit unserem ganzen Herzen, unserem ganzen Sinn und unserer ganzen Kraft lieben, und die Hoffnung auf seine neue Welt der Gerechtigkeit, in der es weder Tod noch Trauer, noch Geschrei mehr geben wird und in der die Wahrheit über Jehova die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken. — Jes. 11:9; Matth. 22:37; 1. Kor. 13:13; 2. Pet. 3:13; Offb. 21:4, NW.
Gemäß Gottes Wort sollte die wahre Religion also die dominierende Rolle in unserem Leben spielen. Sie sollte die treibende Kraft sein, sollte unserem Leben Zweck und Ziel geben, sollte es ausfüllen und bereichern, ja sie sollte uns wahrhaft glücklich machen. Mit ihrer Hilfe sollten wir Gott und unseren Mitmenschen am besten dienen können. Wenn wir dies tun, haben wir die Gewähr, ewig in Gottes neuer Welt zu leben. Daß dies alles nicht nur vernünftig und schriftgemäß, sondern auch von praktischem Werte ist, bewies das bemerkenswerte Beispiel, das die christlichen Zeugen Jehovas während ihres internationalen Kongresses „Göttlicher Wille“ gaben, der im vergangenen Sommer im Yankee-Stadion und in den Polo Grounds in New York stattfand.