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Christliche Reife — ein unerreichbares Ziel?Der Wachtturm 1972 | 1. Februar
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IN DEN ZUSTAND DER UNREIFE ZURÜCKFALLEN?
Angenommen aber, ein Christ wendet in einer Angelegenheit, die seinen Glauben berührt, ein schlechtes Unterscheidungsvermögen an oder tut etwas, was gegen die christlichen Grundsätze verstößt. Es mag sich um etwas handeln, was nicht so schwerwiegend ist, daß ihm die Gemeinschaft der Versammlung entzogen werden dürfte, was aber dennoch zeigt, daß er einen bestimmten biblischen Rat nicht völlig anwandte. Ist das ein Zeichen der „Unreife“?
Nicht unbedingt. Er mag unreif sein, denn vielleicht ist er noch jung an Jahren oder ein „Neubekehrter“ (1. Tim. 3:6) und daher in der Wahrheit noch nicht fest gegründet. Er kann aber auch ein reifer Christ sein, der sich schon seit Jahren am christlichen Dienst beteiligt. Nicht die Art der Verfehlung — ob schwerwiegend oder geringfügig — ist dafür ausschlaggebend, ob jemand reif oder unreif ist. Zugegeben, ein schlechtes Unterscheidungsvermögen und Schwäche sind bezeichnend für Kinder. Aber selbst Erwachsene können sich mitunter dieser Dinge schuldig machen. Hast du dich als Erwachsener nicht auch schon geschämt, weil du „kindisch“ gehandelt oder geredet hast? Du bist aber deswegen in Wirklichkeit nicht wieder ein Kind geworden; du bist ein Erwachsener geblieben.
Die falsche Handlungsweise des reifen Christen mag darauf zurückzuführen sein, daß er „geistig krank“ geworden ist, weil er vielleicht das Studium des Wortes Gottes vernachlässigt oder zugelassen hat, daß unrechte Wünsche in sein Herz eingedrungen sind und seine Ergebenheit gegenüber Gott und Christus geschwächt haben. Ein Erwachsener kann so schwach werden wie ein Baby, bleibt aber dennoch ein Erwachsener. Er mag wegen seiner Krankheit eine Zeitlang Kindernahrung, Milch oder andere leichte Kost, zu sich nehmen müssen. Ähnlich verhält es sich mit einem Christen, der geistig krank geworden ist; obwohl reif, mag er eine Zeitlang die Hilfe und Betreuung anderer benötigen, ja sie mögen ihn in geistiger Hinsicht sogar nähren müssen, damit er seine geistige Gesundheit und Stärke wiedererlangt. — Vergleiche Hebräer 12:5, 6, 12, 13; Jakobus 5:13-16.
Ein reifer Christ kann, abgesehen davon, daß er geistig krank werden kann, auch schlecht werden, sich eines Vergehens schuldig machen oder vom Glauben abfallen. Er wird aber nicht wieder unreif. Eine reife Frucht, die schlecht wird, wird nicht wieder grün (unreif). Sie verdirbt, wird faul. — Hebr. 6:1-8; 12:15.
UNTERSCHIEDLICHKEIT UNTER REIFEN CHRISTEN
Wir sollten also das Wort „Reife“ nicht zu einer Art „Allerweltswort“ machen, das so umfassend und so unbestimmt ist, daß es alles einschließen kann. Wir sollten es auch nicht auf das Idealbild eines Christen, das wir uns ausgedacht haben, beschränken. Nicht alle reifen Christen haben genau die gleiche Persönlichkeit oder weisen die genau gleichen geistigen Fähigkeiten auf. Zum Beispiel können zwei Obstgärten — in beiden wachsen verschiedene Obstbäume — „reif“, das heißt deren Bäume so weit gediehen sein, daß sie Frucht tragen. In dem einen mögen aber mehr Apfelbäume als Birnbäume stehen im anderen dagegen mehr Birnbäume als Apfelbäume.
So mögen auch reife Christen im Hervorbringen der Früchte des Geistes Gottes in einer Hinsicht stärker sein als in einer anderen. (Gal. 5:22, 23) Einige mögen sich auszeichnen durch ihre Erkenntnis, andere mögen auffallend gütig und geduldig sein, wieder andere mögen ein außergewöhnlich gutes Urteils- oder Unterscheidungsvermögen haben, wenn es um Probleme geht, ja manche mögen außerordentlich großzügig oder gastfreundlich sein oder die besondere Fähigkeit haben, führend voranzugehen. (Vergleiche 1. Korinther 7:7; 12:4-11, 27-31.) Diese Unterschiedlichkeit ist jedoch kein Zeichen der Unreife. Es bedeutet nicht, daß die Betreffenden keine „erwachsenen“ Christen wären. Sie brauchen nicht in jeder Hinsicht gleich stark zu sein oder die gleichen Fähigkeiten zu haben, um „reif“ zu sein. Sie sind auch keine Nachahmungen voneinander. Jeder trägt als reifer Christ auf seine Art zur „Auferbauung des Leibes des Christus“ bei. — Eph. 4:15, 16.
Wir dürfen uns bei der Beurteilung der christlichen Reife auch nicht von weltlichen Maßstäben leiten lassen, nach denen jemand als „unreif“ gilt, wenn ihm zufolge einer ungenügenden weltlichen Bildung oder aus Mangel an Erfahrung in weltlichen Methoden gewisse Fähigkeiten abgehen. Angenommen, die Apostel des ersten Jahrhunderts erschienen plötzlich in unserer heutigen industrialisierten und bürokratisierten Gesellschaft, so wäre für sie bestimmt manches fremd, ungewohnt und, zumindest vorübergehend, unbegreiflich. Würde sie das zu unreifen Christen machen? Sicherlich nicht, denn die christliche Reife hängt nicht davon ab, wie gut bewandert, wie erfahren oder tüchtig man in den modernen Geschäftsmethoden ist oder wie gut man sich auf das Leben in der Stadt versteht. Sie hängt von den in Gottes Wort angeführten geistigen Qualifikationen ab. Diese Qualifikationen gelten überall, für alle Personen und zu allen Zeiten, unabhängig von Wohnort, Beruf oder sozialer Stellung.
Im ersten Jahrhundert wurden einige Fischer reife Jünger des Sohnes Gottes, während die hochgebildeten Schriftgelehrten und geistlichen Führer im allgemeinen dafür nicht in Frage kamen. Der reife Christ handelt nach biblischen Grundsätzen, und diese lassen sich sowohl auf dem Land als auch in der Stadt, sowohl in einem „rückständigen“ oder unterentwickelten Land als auch in einem „fortgeschrittenen“ Industriestaat anwenden. Folglich braucht kein Christ entmutigt zu denken, er könne die christliche Reife nicht erreichen, da es ihm, nach weltlichen Maßstäben beurteilt, an der nötigen Fähigkeit mangele. — Vergleiche 1. Korinther 1:26-31; 2:3-6; 2. Korinther 1:12.
Drängen wir also zur Reife voran, sofern wir sie noch nicht erlangt haben. Sind wir reife Christen? Dann wollen wir unsere Reife gut nutzen, indem wir ‘uns wie Männer benehmen, kraftvoll werden’, Unreifen helfen und indem wir fortfahren, nach derselben vortrefflichen Ordnung zu wandeln, durch die wir zur Reife gelangt sind und durch die wir auch unser endgültiges Ziel erreichen werden: Gottes Anerkennung, die uns Leben einbringt. — 1. Kor. 16:13, 14; Gal. 6:1, 2; Phil. 3:15, 16.
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„Sucht unablässig, und ihr werdet finden“Der Wachtturm 1972 | 1. Februar
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„Sucht unablässig, und ihr werdet finden“
Von Richard S. Cotterill erzählt
HAST du auch schon an einen bestimmten Bibelvers gedacht, der einen Teil deines Lebens zusammenfaßt? Ein Schrifttext, der sehr gut auf mein Leben paßt, ist Matthäus 7:7: „Bittet fortwährend, und es wird euch gegeben werden; sucht unablässig, und ihr werdet finden; klopft immer wieder an, und es wird euch aufgetan werden.“ Ja, diese Worte unseres Herrn Jesus Christus haben für mich eine besondere Bedeutung.
Der Grund dafür liegt darin, daß ich schon als junger Mann unablässig nach einem echten Lebensziel suchte. Ich wollte die Wahrheit über Gott wissen.
Schon als Junge stiegen in mir oft Fragen über das Leben auf. Ich bin im Jahre 1908 in Manchester (England) geboren und wurde in der anglikanischen Kirche getauft. Schon als Kind hätte ich gern gewußt, ob Gott Menschen wirklich ewig in einer Hölle quält. Ich dachte auch an das Mittelalter, in dem fromme Leute ihresgleichen grausam quälten, und ich fragte mich, ob das richtig sei. Ich betete inbrünstig.
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