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Nimmst du Rat an?Der Wachtturm 1975 | 1. August
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Nimmst du Rat an?
WELCHES Ziel verfolgt jemand, der einem anderen Rat erteilt? Er möchte ihm helfen oder ihm zeigen oder begreiflich machen, wie er etwas tun kann. Nur Jehova benötigt niemand, der ihm Rat erteilt, woran der Prophet mit den Worten erinnert: „Wer kann ihn als sein Mann des Rates irgend etwas erkennen lassen? Mit wem hat er sich beraten, daß einer ihm Verständnis gäbe, oder wer belehrt ihn über den Pfad des Rechts oder lehrt ihn Erkenntnis oder läßt ihn gar den Weg wirklichen Verstandes erkennen?“ (Jes. 40:13, 14).
Selbst der vollkommene Mensch Jesus Christus, der sich im Himmel einen reichen Schatz an Erfahrungen erworben hatte, erhielt von Gott Rat und befolgte ihn auch. Er sagte: „Ich [tue] nichts aus eigenem Antrieb ...; sondern so, wie der Vater mich gelehrt hat, rede ich diese Dinge“ (Joh. 8:28; 5:19, 30).
DIE NOTWENDIGKEIT RAT ZU BEACHTEN
Demnach benötigen unvollkommene Menschen ganz bestimmt Rat, um den rechten Weg zu verstehen und Gottes Wort in ihrem Leben anwenden zu können. Die folgenden Worte des Apostels Johannes zeigen, weshalb wir auf Rat angewiesen sind: „Wenn wir erklären: ,Wir haben keine Sünde‘, führen wir uns selbst irre, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Joh. 1:8).
Zufolge der ererbten Sündhaftigkeit neigen wir alle dazu, uns über Rat zu ärgern, ganz besonders dann, wenn wir auf einen Fehler oder eine Schwäche aufmerksam gemacht werden. Jehova ermahnt uns: „Werdet nicht einem Roß oder Maultier ohne Verstand gleich, deren Lebhaftigkeit sogar mit Zaum oder Halfter gebändigt werden muß, bevor sie dir nahen werden“ (Ps. 32:9). Wer einen Geist des Unmutes entwickelt, wiederholt „seinen Nacken verhärtet“, unvernünftig handelt und sich verschließt, muß mit strengeren Maßnahmen, mit Einschränkungen und letzten Endes mit Unheil rechnen (Spr. 29:1).
Personen, die demütig sind und in ihrem Verständnis Fortschritte machen wollen, suchen hingegen Rat. Ihnen ist nicht daran gelegen, stets „recht zu haben“, sondern daran, das zu tun, was Gott gefällt und anderen eine Hilfe ist. Sie erkennen, daß ‘bei der Menge der Ratgeber Rettung ist’ (Spr. 11:14). Sie freuen sich, wenn man sie auf Fehler hinweist, selbst wenn sie dadurch mitunter in Verlegenheit kommen. Solche Personen möchten es vermeiden, erneut etwas Verkehrtes oder Unerwünschtes zu tun, dessen sie sich schämen müßten. Sie befolgen den göttlichen Rat: „Kaufe Wahrheit, und verkaufe sie nicht — Weisheit und Zucht und Verständnis“ (Spr. 23:23).
RICHTIGE EINSTELLUNG UND RICHTIGE BEWEGGRÜNDE BEIM RATERTEILEN UND ZURECHTWEISEN
Rat kann auch eine Zurechtweisung einschließen. Das hebräische Wurzelwort für „zurechtweisen“ bedeutet „Dinge entscheiden, Dinge richtigstellen“. Zurechtweisen im Sinne der Bibel heißt freundlich und unumwunden zeigen, was in einer bestimmten Lage recht und was unrecht ist. Je nach den Umständen und nach der Einstellung dessen, der zurechtgewiesen wird, kann dabei auch ein Tadel ausgesprochen werden.
Der Apostel Paulus zeigte, welche Einstellung ein Raterteilender haben sollte, als er über die Verantwortung der Ältesten in der Christenversammlung sagte: „Brüder, wenn auch ein Mensch einen Fehltritt tut, ehe er es gewahr wird, so versucht ihr, die geistig Befähigten, einen solchen Menschen im Geiste der Milde wieder zurechtzubringen, während du dich selbst im Auge behältst, damit nicht auch du versucht werdest“ (Gal. 6:1).
Wenn somit ein Ältester beobachtet, daß ein christlicher Bruder zufolge von Unerfahrenheit oder mangelndem Urteilsvermögen einen Lauf einschlägt, der schlimme Folgen haben kann, wird er sich nicht einfach abwenden und seinen Bruder die Folgen tragen lassen. Er wird ihn allerdings auch nicht hart maßregeln. Liebe verpflichtet ihn vielmehr dazu, seinen Bruder auf das Gefährliche, Törichte oder Falsche seiner Handlungsweise oder seines Denkens aufmerksam zu machen, und zwar im Geiste der Milde.
Der Beweggrund für die Zurechtweisung besteht somit darin, dem Zurechtgewiesenen zu helfen. Der Zurechtweisende ist außerdem darauf bedacht, Frieden und einen gesunden Geist in der Versammlung zu bewahren. Derjenige, der die Zurechtweisung erhält, wird, wenn er sie annimmt, davor bewahrt, in Schwierigkeiten zu kommen und Gottes Gunst zu verlieren. Er wird sich ändern und wird wieder zurechtgebracht werden.
WAS ABER, WENN DER RAT WEH TUT?
Was aber, wenn du der Ansicht bist, ein bestimmter Rat sei unangebracht oder stelle vielleicht nur die Meinung des Raterteilenden dar? Überprüfe doch zunächst deine eigene Einstellung, bevor du dich über den Rat hinwegsetzt. Möchtest du dir selbst oder Gott gefallen? Vielleicht ist deine Handlungsweise an sich nicht verkehrt. Hast du dir aber auch Gedanken darüber gemacht, wie sie auf andere wirken kann? Der Apostel ermahnt uns: „Wir ..., die Starken, sind verpflichtet, die Schwachheiten derer zu tragen, die nicht stark sind, und nicht uns selbst zu gefallen. Ein jeder von uns gefalle seinem Nächsten in dem, was zu seiner Erbauung gut ist“ (Röm. 15:1, 2).
Um uns zu zeigen, wie wir handeln sollten, um Gott wohlgefällig zu sein, sagte Paulus ferner: „Alle Dinge sind erlaubt; aber nicht alle Dinge sind von Vorteil. Alle Dinge sind erlaubt; aber nicht alle Dinge erbauen“ (1. Kor. 10:23). Im Rahmen der christlichen Gesetze ergibt sich ein großer Handlungsspielraum, und ein Christ muß viele Dinge nach seinem christlichen Gewissen entscheiden. Aber er muß auch das Gewissen anderer berücksichtigen. Nicht alle Dinge erbauen, weder ihn noch andere. Auf solche Dinge kann man sicherlich verzichten, besonders wenn die Liebe und der Frieden auf dem Spiel stehen.
Manchmal erhält man Rat, nicht weil man einen Fehler begangen hätte, sondern damit man sich verbessern oder weitere Fortschritte machen kann. Angenommen, du erhältst Rat über dein öffentliches Vorlesen. Das mag dich erschüttern, weil du glaubtest, du hättest gut gelesen. Was wirst du tun? Warum denn nicht herausfinden, worin deine Schwäche beim Lesen besteht und wie du sie verbessern kannst? Bestimmt ist niemand von uns ein vollkommener Leser. Wir können uns also alle auf diesem Gebiet noch verbessern. Übe dich im Lesen! Bereite dich auf das öffentliche Lesen vor, indem du dich zum Beispiel über die richtige Aussprache und die Bedeutung von Wörtern vergewisserst und indem du auf den Sinn der Sätze und auf die richtige Betonung achtest. Du wirst dein Lesen dann unweigerlich verbessern, und es wird dir mehr Freude bereiten.
Oder vielleicht rät man dir, freundlicher zu anderen zu sein. Möglicherweise hältst du dich selbst für eine freundliche Person. Aber anderen gegenüber kommt dies anscheinend nicht zum Ausdruck. Nimm den Rat als begründet an. Sei bestrebt, dich mehr für andere zu interessieren. Geh mehr aus dir heraus, äußere dich mehr, und zeige dich empfänglicher. Du wirst dann nicht nur engere Freundschaften pflegen können, sondern auch deine geistige Einstellung wird sich verbessern, und du wirst glücklicher sein.
Behalte, selbst wenn der Rat sehr weh tut, das Beispiel Davids im Sinn. Er wurde oft in Zucht genommen, doch Gott schulte ihn für größere Dinge. Aus Erfahrung sagte David: „Schlägt mich ein Gerechter, so ist es Güte; weist er mich zurecht, so ist es Salbe für mein Haupt. Dagegen will ich mich nicht sträuben“ (Ps. 141:5, Bruns). Der Rat eines Bruders wird dich — auch wenn es dir schwerfällt, ihn anzunehmen — nicht töten, weder körperlich noch geistig; er kann sich hingegen wie lindernde, wohltuende Salbe erweisen. Wenn du ihn beherzigst, wirst du die Erfüllung des Spruches erleben: „Wer Zurechtweisung bewahrt, der wird geehrt“ (Spr. 13:18; Hebr. 12:11).
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Der Tod eines GottesDer Wachtturm 1975 | 1. August
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Der Tod eines Gottes
WAS ist ein Gott? Das Wort „Gott“ bedeutet „Mächtiger“. Der Ausdruck wird meist auf etwas angewandt, das als mächtig angebetet wird oder die Fähigkeit hat, seinen Anbetern Gutes oder Böses zu tun. Der Gott kann ein Gegenstand, eine Person, eine Gruppe von Menschen oder eine Organisation sein.
Bei dem Gott, von dem hier die Rede ist, handelt es sich um eine Gruppe oder Klasse von Menschen, und zwar um den in der Bibel erwähnten „Menschen der Gesetzlosigkeit“. Der Apostel Paulus beschreibt diesen Gott wie folgt:
„Er widersetzt sich [dem allmächtigen Gott] und erhebt sich über jeden, der ,Gott‘ oder ein Gegenstand der Verehrung genannt wird, so daß er sich in den Tempel d e s GOTTES niedersetzt und sich öffentlich darstellt, daß er ein Gott sei“ (2. Thess. 2:3, 4).
Auf wen trifft diese Beschreibung des „Menschen der Gesetzlosigkeit“ zu? Als Antwort darauf könnten wir fragen: Wer hat sich im Widerspruch zu den Worten Jesu aus Matthäus 23:8-12 Titel wie „Ehrwürden“, „Hochwürden“, „Pater“ und „Heiliger Vater“ zugelegt? (Vergleiche Hiob 32:21, 22.) Sind es nicht sowohl die katholischen als auch die protestantischen Geistlichen gewesen? Erheben sie nicht den Anspruch, die „Herde Gottes“ sei ihre Herde, und versuchen sie nicht vielerorts, andere energisch davon abzuhalten, mit den Leuten in ihrem Pfarrbezirk oder ihrer Gemeinde über Gottes Wort zu sprechen, falls sie nicht das sagen, was die Geistlichkeit lehrt? (1. Petr. 5:2). Genauso waren die geistlichen Führer der Juden gegenüber der Predigttätigkeit Jesu eingestellt, was ihre Handlungsweise bewies (Luk. 11:52). Man vergleiche damit auch das Verhalten der Führer der Juden in früheren Zeiten (Hes. 34:1-6; Micha 3:5).
Die Geistlichkeit hat ihren Einfluß dazu gebraucht, Regierungen zu veranlassen, diejenigen, die das Volk über die biblische Wahrheit zu belehren versuchten, in den Bann zu tun oder ihnen erhebliche Einschränkungen aufzuerlegen und sie zu unterdrücken. Viele Geistliche haben die Inspiration der Bibel geleugnet und den Inhalt dieses Buches als „Sage“, „veraltet“ und für das moderne Leben unpassend bezeichnet, wobei sie ihr eigenes Wort über Gottes Wort stellten und sich Gott gegenüber als gesetzlos erwiesen.
Obschon sich die Geistlichkeit der Christenheit selbst zu erhöhen und eine gottähnliche Stellung einzunehmen suchte, ist vieles, was sie getan hat, höchst ungöttlich. Sie hat sich zu einem Freund der Welt gemacht, wodurch sie sich, wie Jakobus, der Halbbruder Jesu, schrieb, selbst zu einem Feind des wahren Gottes gemacht hat (Jak. 4:4). Geistliche sind die Vertrauten und Ratgeber weltlicher Politiker und der Vertreter der Finanzwelt gewesen, und sie haben den kriegführenden Parteien und dem Militär Handlangerdienste geleistet. Als Feldgeistliche haben sie die todbringenden Waffen der Armeen gesegnet und in Kriegen, die zwischen sogenannt christlichen Nationen stattfanden, auf beiden Seiten um den Sieg gebetet.
Die Geistlichkeit hat sich dadurch zu einem einflußreichen Teil „Babylons der Großen“, des Weltreiches der falschen Religion, gemacht. Groß-Babylon wird symbolisch als „die große Stadt, die ein Königtum hat über die Könige
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