Irrtümer können gefährlich sein
ES SIND viele falsche Auffassungen im Umlauf, die, wie Falschgeld, nicht als Täuschung erkannt werden. Einen falschen Pfennig können die meisten Leute leicht verschmerzen, einen Hundertmarkschein dagegen schon weniger. Ähnlich ist es mit Irrtümern: Es gibt solche, die verhältnismäßig harmlos sind, aber es gibt auch andere, die ausgesprochen gefährlich sind. Sachliches, folgerichtiges Denken verlangt jedoch, daß wir uns von allen falschen Auffassungen frei machen.
Du hast vielleicht gehört, daß man einen Stier mit etwas Rotem reizen kann; daß man ein Kaninchen ohne weiteres an den Ohren tragen kann; daß man das Meer rauschen hört, wenn man eine Muschel ans Ohr hält. Halten diese volkstümlichen Ansichten einer genaueren Prüfung stand?
Solange du nichts mit einem Stier zu tun hast, mag es dir ziemlich gleichgültig sein, ob er auf eine bestimmte Farbe reagiert oder nicht; das ändert sich jedoch, wenn du gezwungen bist, über eine Viehweide zu gehen, auf der ein Stier grast. Experimente haben aber ergeben, daß dieses Tier farbenblind ist. Wer das bezweifelt, kann versuchen, einen Stier mit einem andersfarbigen Tuch zu reizen. Er wird genauso darauf reagieren wie auf ein rotes Tuch, weil es nicht die Farbe, sondern die Bewegung ist, die das Tier reizt, so daß es angreift.
Wenn du der Meinung bist, es sei brutal, eine Katze am Schwanz zu fassen, dann solltest du es dir vielleicht zweimal überlegen, bevor du ein Kaninchen an den Ohren packst. Naturforscher schreiben, das Kaninchen habe ganz empfindliche Ohren, und behaupten, es sei brutal, das Tier an den Ohren zu tragen.
Und das Rauschen, das man hört, wenn man eine Muschel ans Ohr hält — klingt es nicht wie Wellen, die ans Ufer schlagen? Nun, die Muschel vermag zufolge ihrer eigenartigen Form das Echo vieler Geräusche der Umgebung einzufangen und zu einem gedämpften Gesamtgeräusch zu vermischen, das den Unwissenden zu täuschen vermag. Es mag sich lohnen, eine Muschel an einem ganz stillen Ort, wo sie keine Echos auffangen kann, ans Ohr zu halten.
Irrtümer der Vergangenheit
Heute werden viele der volkstümlichen Meinungen, die früher als Tatsache galten, abgelehnt. Durch den Fortschritt der Wissenschaft hat man erkannt, daß es sich dabei um Irrtümer handelt, und hat sie deshalb als Ammenmärchen abgetan. Wer würde heute noch die Auffassung vertreten, die Erde sei eine Scheibe oder die Sonne bewege sich um die im Weltraum schwebende unbewegliche Erde?
Jahrhundertelang war man bemüht, die Formel für ein Lebenselixier zu entdecken, durch das jeder, der es trinke, sein Leben verlängern könne. In Europa und in Amerika glaubte man, daß es irgendwo einen „Jungbrunnen“ gebe und daß alte Leute, die sich darin baden würden, ihre Jugend wieder zurückerhielten. Der Abenteurer Ponce de Leon suchte diesen Wunderbrunnen in Florida.
Andere suchten allen Ernstes nach dem Stein der Weisen, dem sagenhaften Mittel zur Umwandlung aller Metalle in Gold. Es wurden auch Expeditionen ausgesandt, um das sagenhafte Eldorado im Norden Südamerikas zu entdecken — es hieß, daß es dort so viel Gold gebe, daß Mauern und Dächer aus diesem edlen Metall bestünden.
Nach einer alten Vorstellung soll das Leben durch Urzeugung, aus verwesender Materie, entstanden sein. Hatte man nicht den Beweis dafür: die Maden, die auf verwesendem Fleisch oder anderen Nahrungsmitteln zu sehen waren? Man kam nicht auf den Gedanken, daß Fliegen vorher ihre Eier darauf abgelegt hatten. Auch ist es interessant, daß diese als veraltet geltende Vorstellung sich gar nicht so wesentlich von der evolutionistischen Lehre unterscheidet, nach der sich das Leben vor langer, langer Zeit spontan aus einer organischen „Brühe“ entwickelt haben soll.
Verbreitete Irrtümer unserer Zeit
Selbst heute sind Irrtümer verbreitet. Einige davon sind für den, der darin befangen ist, unwesentlich. Viele Leute glauben zum Beispiel, der Magen sei das wichtigste Verdauungsorgan. In Wirklichkeit beginnt der Verdauungsvorgang aber schon, wenn die Speise im Mund mit Speichel vermischt wird. Und jetzt ist allgemein bekannt, daß der Dünndarm, der den Speisebrei aufnimmt, nachdem er den Magen verlassen hat, die größte Verdauungsarbeit leistet.
Nach einer anderen landläufigen Meinung kann man durch einen seelischen Schock plötzlich ergrauen. Aber das ist nicht wahr. Das Haar wird allmählich grau. Es kann nicht plötzlich ergrauen, weil der Farbstoff in das Haar gelangt, bevor es aus der Haut herauswächst. Die Dermatologen schreiben über die Frage, ob man plötzlich ergrauen kann, folgendes: „Nur Personen, die an einer seltenen Krankheit leiden, können über Nacht das pigmentierte Haar verlieren, und zurück bleiben dann nur die grauen Haare.“
Natürlich ist durch solch irrige Auffassungen bisher niemand in Gefahr gekommen. Und wäre das so mit allen Irrtümern, dann würde es sich nicht lohnen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Gefährliche Irrtümer
Aber einige irrige Auffassungen können gefährlich, ja verderblich sein. Eine verbreitete Meinung ist zum Beispiel, ein gutes Mittel gegen Erfrierung sei das Einreiben mit Schnee. In Wirklichkeit verschlimmert man das Übel dadurch. Stefansson, der berühmte Polarforscher, sagte über diese Methode: „Ich kann mir kaum etwas Absurderes denken.“ Er gab jedoch folgenden Rat: „Lege die warme Hand, die im Handschuh gesteckt hat, auf die erfrorene Stelle, und laß sie so lange darauf, bis sie nicht mehr weiß und starr ist.“
Manch einer glaubt, daß der Blitz niemals an der gleichen Stelle zweimal einschlage. Glaubst du das auch? Verlaß dich nicht darauf. Auch das ist ein gefährlicher Irrtum. Er könnte dich das Leben kosten. Mit Hilfe von Photographien kann man nachweisen, daß der Blitz häufig mehr als einmal an der gleichen Stelle einschlägt, und zwar sogar während ein und desselben Gewitters.
Die Meinung ist auch weit verbreitet, daß der Treibsand einen in die Tiefe ziehe. Das stimmt nicht. In der Zeitschrift Scientific American vom Juni 1953 konnte man lesen: „Der Treibsand zieht einen nicht, wie die Leute allgemein glauben, in die Tiefe.“ Wer diese volkstümliche Auffassung teilt, muß diesen Irrtum vielleicht einmal mit dem Leben bezahlen. Treibsand trägt viel besser als Wasser. Wenn man auf dem Wasser schwimmen kann, dann kann man das natürlich auch auf Treibsand. Nur wenn man verzweifelt versucht herauszukommen, sinkt man immer tiefer.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man in Treibsand gerät? Vor allem muß man so ruhig wie möglich bleiben und dann zielstrebig vorgehen. Im Wasser würde man sich treiben lassen und schwimmen. Im Treibsand sollte man sich sofort mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken legen. Wenn man das tut, sinkt man nicht ein. Wenn keine Hilfe kommt, kann man — was allerdings sehr mühsam ist — langsam erst den einen und dann den anderen Fuß herausziehen. Darauf sollte man sich langsam auf festen Boden wälzen, zwischendurch aber häufig auf dem Rücken „schwimmen“, um sich auszuruhen.
Einige religiöse Irrtümer
Viele Irrtümer, die die Lehren der Bibel betreffen, sind viele Jahrhunderte alt. Die Bibel sagt zum Beispiel deutlich: „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben.“ (Hes. 18:4, 20) Deutlicher könnte nicht gesagt werden, daß die Seele sterblich ist. Dennoch ziehen es heute viele Personen vor, gerade das Gegenteil zu glauben, nämlich die Seele sei unsterblich — eine Auffassung, die durch die falsche Religion verbreitet worden ist. Doch wenn der Mensch weiterleben würde, warum wäre dann eine Auferstehung notwendig, die ja in der Bibel so deutlich gelehrt wird? — Joh. 5:28, 29; Apg. 24:15.
Ein weiterer Irrtum, der von vielen geglaubt wird, betrifft das Datum der Geburt Jesu. Hast du im Religionsunterricht nicht gelernt, daß Jesus am 25. Dezember geboren sei? Sir James Frazer schreibt in dem Buch Der goldene Zweig: „Ein lehrreicher Überrest des langen Ringens ist uns in dem Weihnachtsfest erhalten, das die Kirche unmittelbar von ihrem heidnischen Rivalen geborgt zu haben scheint. Im Julianischen Kalender galt der fünfundzwanzigste Dezember als der Tag der Wintersonnenwende, und man sah ihn als den Tag der Geburt der Sonne an ... Gegen Ende des dritten und zu Anfang des vierten Jahrhunderts nahm ... die westliche Kirche ... den fünfundzwanzigsten Dezember als das wahre Datum an ... So feierte also die christliche Kirche den Geburtstag ihres Begründers am fünfundzwanzigsten Dezember, um die Andacht des Heiden von der Sonne auf den zu übertragen, der die Sonne der Gerechtigkeit genannt wurde.“
Manch einer mag nun denken: „Das Datum spielt doch keine Rolle, solange man seine Geburt feiert.“ Aber solchen Personen bleibt immer noch die Aufgabe, den Widerspruch zu lösen, der zwischen einer solchen Feier samt den damit verbundenen heidnischen Bräuchen und der Tatsache besteht, daß Jesus seinen Nachfolgern geboten hat, alljährlich seines Opfertodes und nicht seiner Geburt zu gedenken. — Luk. 22:19, 20.
Es sind noch andere Irrtümer in Verbindung mit dem Fest, das am 25. Dezember gefeiert wird, aufgekommen. Viele glauben, es seien drei Magier oder Astrologen gewesen, die mit Geschenken zu Jesus kamen. Glaubst du das auch? In der Bibel wird keine Zahl angegeben. Ferner wird allgemein angenommen, der Stern habe die Astrologen direkt nach Bethlehem zu Jesus geführt. Tatsächlich aber hat der Stern sie nach Jerusalem zu König Herodes geführt, der dem Kind nach dem Leben trachtete; als sie schließlich nach Bethlehem kamen, lag Jesus nicht mehr in der Krippe, wie das allgemein angenommen wird, sondern wohnte in einem Haus. Lies den Bericht darüber in deiner eigenen Bibel nach; du findest ihn in Matthäus, Kapitel 2, in den Versen 1-12.
Spielt es eine Rolle?
Spielt es denn wirklich eine Rolle, ob unsere Auffassungen zutreffend sind oder nicht? Die Irrtümer in Verbindung mit Erfrierungen und Treibsand können zugegebenermaßen schlimme Folgen haben, ja sie mögen uns sogar das Leben kosten.
Aber noch größerer Schaden kann entstehen, wenn man an religiösen Auffassungen festhält, die im Widerspruch zur Bibel stehen. Wieso? Weil dadurch nicht nur unser jetziges Leben, sondern auch das ewige Leben gefährdet wird. Die Wahrheit und das ewige Leben stehen in enger Verbindung zueinander. — Joh. 17:3; 4:23, 24.
Die Bibel sagt deutlich, es sei der Wille Gottes, „daß alle Arten von Menschen gerettet werden und zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen“. (1. Tim. 2:4) Von Personen, die zwar aufrichtig, aber irregeleitet waren, sagte Paulus, einer der Apostel Jesu Christi, dagegen: „Ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht gemäß genauer Erkenntnis.“ (Röm. 10:2) Bestimmt dient es uns zum Schutz, wenn wir uns von allen Irrtümern frei machen!
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Erfrorene Glieder mit Schnee einreiben mag das Übel verschlimmern.
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Treibsand zieht einen nicht in die Tiefe; doch wenn man verzweifelt versucht herauszukommen, sinkt man immer tiefer.
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Weißt du, welche Irrtümer mit dem Fest verbunden sind, das am 25. Dezember gefeiert wird?