Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • Ich sehe mit Ultraschall
    Erwachet! 1978 | 22. Mai
    • Ich sehe mit Ultraschall

      ÜBER 30 Jahre meines Lebens habe ich in Dunkelheit verbracht. Ich bin einer der 30 000 Blinden, die es in Kanada gibt. Doch obwohl man mir beide Augen entfernt hat und somit keinerlei Lichtempfindung mehr vorhanden ist, sage ich jetzt meinen Freunden immer wieder voller Freude: „Ich kann wieder sehen! Ich kann mit Ultraschall sehen!“ Doch zuerst möchte ich erzählen, wie es kam, daß ich blind wurde.

      Der Zweite Weltkrieg ging seinem Höhepunkt entgegen. Die Truppen der Alliierten stießen durch Frankreich in die Niederlande vor, und die Schlacht um Antwerpen stand kurz vor der Entscheidung. Ich hatte als Fahrer bei der Artillerie gedient und war dann, im Alter von 19 Jahren, zur Infanterie gekommen. Der 1. November 1944 war mein erster Tag an der Front. Doch schon nach fünf Minuten war ich kampfunfähig. Meine Einheit rückte einen Deich entlang gegen Antwerpen vor, als plötzlich vor mir eine Granate explodierte.

      Als ich wieder zu mir kam, raffte ich mich auf und schleppte mich, obschon schwer verwundet, bis in unsere Linien zurück. Doch dann brach ich ohnmächtig zusammen. Siebzehn Tage später erwachte ich in einem Krankenhaus in England. Ich war fast völlig blind. Nur mit dem linken Auge nahm ich verschwommene Bilder wahr. Das rechte Auge war so stark verletzt gewesen, daß man es hatte entfernen müssen. Nach dreimonatigem Aufenthalt im Krankenhaus wurde ich entlassen. Allmählich sah ich auch mit meinem linken Auge nichts mehr, und von da an verbrachte ich mein Leben in Dunkelheit.

      Als im Juni 1945 der Krieg in Europa endete, wurde ich nach Kanada zurückbefördert. Dort begann ich dann als Blinder, mir ein neues Leben zu zimmern. Ich mußte auch wieder sprechen lernen, weil die Explosion die untere Gesichtshälfte zerfetzt hatte. Die Ärzte konnten mein Gesicht durch kosmetische Chirurgie wieder einigermaßen herstellen, wofür ich ihnen sehr dankbar war.

      Es war eigentümlich, lernen zu müssen, sich mit Hilfe eines anderen der von Gott empfangenen Sinne zu orientieren: mit Hilfe des Tastsinns. Ich staunte darüber, wie sehr sich der Tastsinn, während der wundervolle Mechanismus des Körpers bestrebt ist, das fehlende Sehvermögen auszugleichen, verfeinert. Schon nach kurzer Zeit hatte ich gelernt, mit Hilfe des Tastsinns sowie eines langen Stocks umherzugehen. Aber erst im Jahre 1974 konnte ich mir einen Blindenführhund anschaffen. Dieser Hund — er heißt Leland — ist seither mein treuer Begleiter gewesen.

      Ein neuer Ausblick

      Im Jahre 1954 überbrachte man mir eine Botschaft, die nicht nur mein Denken, sondern mein ganzes Leben veränderte. Zwei sehr liebenswürdige Personen kamen an meine Tür und zeigten mir anhand des Wortes Gottes, der Bibel, welch wunderbare Zukunft der Menschheit in Aussicht steht. Sie belehrten mich, daß Jehovas Königreich unter seinem Sohn Christus Jesus all den Schmerzen, den Leiden und der Trauer für immer ein Ende machen wird, die in den vergangenen sechstausend Jahren als Folge von Krieg, Gewalttat und Bedrückung weit verbreitet gewesen sind.

      Unter der Herrschaft des Königreiches werden ‘die Ohren der Tauben geöffnet werden, und die Zunge des Stummen wird jubeln’, und auch ‘die Augen der Blinden werden aufgetan’ (Jes. 35:5, 6). Welch eine herrliche Aussicht! Das schönste an dieser Prophezeiung ist, daß sie sich nach Gottes Verheißung noch in unserer Generation erfüllen wird (Matth. 24:7-14, 32-35; Luk. 21:28).

      Doch ich wußte, daß ich die Zeit, bis das wunderbare neue System errichtet werden wird, gut nützen mußte. Daher beschloß ich, als man mich darauf aufmerksam machte, daß ein Neuseeländer ein Gerät entwickelt habe, das jetzt von vielen Blinden erfolgreich benutzt werde, diese Möglichkeit zu prüfen. So wurde ich in Kanada der erste Blinde, der im Gebrauch einer Elektronik-Hilfe für Blinde ausgebildet wurde. Dieses Gerät hilft mir buchstäblich, „mit Ultraschall zu sehen“.

      Das Gerät

      Wer mich auf der Straße mit dem Gerät sieht, nimmt an, daß ich eine etwas übergroße Brille trage. Die drei kleinen mit einem Schutzgitter versehenen Öffnungen sind Sender und Empfänger. Die einzelne untere Öffnung ist der Sender, und die beiden oberen Öffnungen sind die Empfänger. Während der Sender Ultraschallimpulse aussendet, nehmen die Empfänger die Echos von den Gegenständen um mich her auf und geben sie in den Ohrhörern, die zu beiden Seiten in dem etwas überdimensionierten Brillenbügel untergebracht sind, als Pieptöne wieder. Einer der Brillenbügel ist mit einem handgroßen Kästchen verbunden, das an einem Riemen befestigt ist und aufladbare Batterien und Kontrollgeräte enthält, die für den einwandfreien Betrieb der „Brille“ notwendig sind. Nach einer Betriebszeit von vier Stunden müssen die Batterien 14 Stunden lang aufgeladen werden. Alle diese Geräte sowie das Ladegerät können in einer Tragetasche verstaut werden, die an einem Schulterriemen befestigt ist, wenn man sie nicht braucht.

      Wie es funktioniert

      Du hast zweifellos schon von der wunderbaren Schöpfung Jehovas gehört, der Fledermaus. Dieses Tier verfügt über ein vorzügliches Echoortungssystem. Ein Experte schrieb darüber: „Die Wissenschaftler schätzen, daß das Sonarsystem der Fledermaus Unze um Unze und Watt um Watt eine-Milliarde-mal empfindlicher und leistungsfähiger ist als jedes von Menschen geschaffene Radar- oder Sonargerät.“

      Meine Elektronik-Hilfe funktioniert nach dem gleichen Prinzip, dem Prinzip der Echoortung. Der Sender meines Geräts sendet Ultraschallimpulse bis in eine Entfernung von etwa sechs Metern aus. Die Empfänger sind ganz leicht schräg gestellt, der eine etwas nach links und der andere nach rechts. Je nachdem, auf welcher Seite des Weges, den ich gehe, sich ein Gegenstand befindet, höre ich im rechten oder im linken Ohr einen lauteren Ton. Die Gegenstände, von denen die Schallimpulse zurückgeworfen werden, erzeugen unterschiedliche Pieptöne in meinen Ohrhörern. Stahl zum Beispiel erzeugt den durchdringendsten Ton, während ein Mensch einen gedämpften Ton hervorruft. Der Ton des Holzes ist weicher als der Ton von Glas. Die Verschiedenartigkeit der Töne ermöglicht es mir, das, was vor mir ist, zu „sehen“ — den Zweig eines Baumes, eine Eisenstange, eine Mauer, eine hölzerne Tür, eine Glastür, einen Menschen oder ein Auto.

      Wenn ich im Gebrauch dieses Geräts noch geübter werde, wird es mir möglich sein, damit sogar zwischen einer Kiefer, einer Fichte, einer Erle und einer Hecke zu unterscheiden. Meine Elektronik-Hilfe vermittelt mir somit Informationen, die mir weder ein langer Stock noch mein Hund vermitteln können. Trotzdem benötige ich zusätzlich zu dieser Elektronik-Hilfe den Stock und meinen Hund. Leland, mein Blindenführhund, hilft mir, Löcher oder Absätze wahrzunehmen, und er hilft mir auch, die Treppen hinabzusteigen. Beides, Hund und Elektronik-Hilfe, haben viel zur Hebung meiner Verkehrsfähigkeit und Verkehrssicherheit beigetragen.

      Ausbildung

      Weil wir Menschen nicht über die instinktiven Fähigkeiten verfügen, die die Fledermäuse besitzen, muß der Blinde, der sich einer Elektronik-Hilfe bedienen möchte, dafür gut ausgebildet werden, damit er lernt, ihre „Sprache“ richtig zu deuten. Ich wurde in der Stadt Toronto vier Wochen lang geschult. Meine Lehrerin gehörte zu den rund hundert Personen, die in den vergangenen drei Jahren ausgebildet worden waren, solche Kurse in Australien, England, den Vereinigten Staaten und in Kanada durchzuführen. Bisher sind 400 Sehbehinderte, auch Kinder, gelehrt worden, „mit Ultraschall zu sehen“.

      Der Blinde muß wissen, wie weit er von einem Gegenstand entfernt ist, auf den er zugeht. Deshalb mußte ich als erstes lernen, aufgrund der Tonhöhe die Entfernung wahrzunehmen. Das war sehr wichtig, denn wenn man darin nicht geübt ist, kann man die Elektronik-Hilfe unmöglich richtig gebrauchen. Ich lernte schnell, die Entfernung eines Gegenstandes meiner Umgebung mit Hilfe der Höhe des zurückgeworfenen Echos zu ermitteln. Je weiter entfernt der Gegenstand war, desto höher war der Ton. Je näher ich ihm kam, desto tiefer wurde der Ton, und bei einer Entfernung von einem knappen halben Meter hörte ich keinen Ton mehr; das bedeutete für mich: STEHENBLEIBEN.

      Danach wurden die Übungen schwieriger. Für verschiedene Übungen wurden Stangen aufgestellt. Einmal mußte ich zwischen zehn Stangen, die in einer Reihe standen, eine Art „Slalom“ gehen, und zwar so lange, bis ich keine Stange mehr umwarf. Die in zwei Reihen aufgestellten Stangen stieß man um, wenn man nur zweieinhalb Zentimeter von dem Mittelstrich abwich. Um die Sache noch etwas schwieriger zu machen, stellte die Lehrerin einmal während dieser Übung eine Stange direkt vor mich hin; aber ich blieb noch rechtzeitig stehen. Dann stellte sie drei Stangen so in einem Dreieck auf, daß ich genau viereinhalb Meter von jeder Stange entfernt stand. Ich mußte nun zu jeder Stange hingehen, sie mit der Hand berühren und dann an meinen ursprünglichen Platz zurückkehren. Ein Fehler passierte mir: Ich ging ungefähr einen halben Meter an der einen Stange vorbei.

      Als nächstes führte mich meine Lehrerin auf die verkehrsreichen Straßen von Toronto. Sie ging hinter mir her, und ein Gerät, das sie bei sich trug, ermöglichte es ihr, genau die gleichen Töne zu hören, die meine Elektronik-Hilfe wiedergab. Jetzt erst merkte ich, wie wertvoll die Übungen mit den Stangen gewesen waren. Die Pieptöne waren das Echo von viel härteren Gegenständen, zum Beispiel von Telefon- und von Lichtmasten sowie von Briefkästen, von parkenden Autos und von Fußgängern. Diesen mußte ich nicht nur ausweichen, sondern ich mußte sie auch identifizieren. Geduldig führte mich meine Lehrerin durch dieses Kaleidoskop von Tönen, und ich begann, alles deutlicher zu „sehen“.

      Schließlich lernte ich, zwischen den Schaufenstern und den Ladeneingängen zu unterscheiden. Ich lernte, die Ladeneingänge eines Häuserblocks zu zählen. Um mich zu prüfen, sagte die Lehrerin, ich solle auf eine Bank gehen, die einige Eingänge vom Ende eines Blocks entfernt lag. Mutig marschierte ich los und betrat, was ich für die Bank hielt. Ich ging zuversichtlich auf den „Schalter“ zu — doch da klirrte es plötzlich! In dem Möbelgeschäft stürzten Lampen im Wert von 400 Dollar zu Boden. Glücklicherweise war der Schaden durch die Versicherung voll gedeckt. Wie man sich denken kann, war ich von da an viel vorsichtiger.

      Ein sehr schwieriger Teil meiner Ausbildung war ein Rundgang durch ein großes Warenhaus. Dabei sollte es sich zeigen, wie ich von meinen beiden Sehhilfen, der Elektronik-Hilfe und meinem Hund, Leland, Gebrauch machen würde. Ich hatte das Gefühl, in einen echten Irrgarten versetzt worden zu sein. Hier mußte ich lernen, wo und wie breit die Ladentische und die Gänge waren, und außerdem mußte ich meiner Lehrerin noch sagen, auf welcher Seite die Leute an mir vorbeigingen. Ich stieg die Stufen zum zweiten Stock hinauf, wo es meine Lehrerin darauf anlegte, mich zu verwirren. Schließlich kehrten wir ins Erdgeschoß zurück; ich mußte den Eingang, durch den wir hereingekommen waren, suchen und dann mit Leland so schnell durch die Drehtür hinausgehen, daß er sich den Schwanz nicht einklemmte. Als Abschluß jenes „Schultages“ setzten wir uns in einer U-Bahn-Station auf eine Bank, und meine Lehrerin verlangte von mir, daß ich die Leute, die ein- und ausstiegen, zählte. Das waren wirklich anstrengende Übungen. Doch sie zeigten, wie wertvoll die Elektronik-Hilfe ist, und bewirkten, daß ich im Verkehr sicherer wurde. Alle diese Übungen führten mir deutlich vor Augen, wie wunderbar der Gehörsinn des Menschen ist, ermöglicht er es mir doch, all die vielen Laute genau zu unterscheiden.

      Natürlich gibt es nichts, was der Gabe des Gesichtssinns entsprechen würde, durch den der Mensch die vielen Farben und die große Schönheit all der Dinge wahrnehmen kann, mit denen sein liebevoller Schöpfer ihn umgeben hat. Dennoch war ich beglückt von der neuen Möglichkeit des „Sehens“, die sich mir durch die Elektronik-Hilfe eröffnete. Als ich das erstemal davon hörte, war ich richtig begeistert. Ich fragte mich: Wird dir dieses Gerät helfen, ein besserer Verkündiger der wunderbaren Königreichsbotschaft zu sein, die Gott in unserer Zeit bekanntgemacht haben möchte? Diese Frage ist ausreichend beantwortet worden durch die Schulung, die ich in Geschäfts- und in Wohnvierteln Torontos erhalten habe. Jetzt fällt es mir viel leichter, Jehova durch die Verkündigung der wunderbaren „guten Botschaft vom Königreich“ von Haus zu Haus heiligen Dienst darzubringen (Matth. 24:14). Das war der Hauptgrund, warum ich lernen wollte, „mit Ultraschall zu sehen“. (Eingesandt.)

      [Kasten/Bild auf Seite 17]

      Ein Sender sendet Ultraschallimpulse aus. Diese werden von einem Gegenstand reflektiert und von Mikrofonen aufgenommen.

      Je näher ein Gegenstand, desto tiefer der Ton.

      Sender

      die Empfänger

  • Blindheit wird für immer geheilt
    Erwachet! 1978 | 22. Mai
    • Blindheit wird für immer geheilt

      ■ „In Erwiderung sagte Jesus zu ihnen: ,Geht hin und berichtet dem Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen umher, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird die gute Botschaft verkündet, und glücklich ist, wer nicht Anstoß an mir nimmt‘“ (Matth. 11:4-6).

Deutsche Publikationen (1950-2025)
Abmelden
Anmelden
  • Deutsch
  • Teilen
  • Einstellungen
  • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
  • Nutzungsbedingungen
  • Datenschutzerklärung
  • Datenschutzeinstellungen
  • JW.ORG
  • Anmelden
Teilen