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Die Energieversorgungskrise — Der Bedarf übertrifft bei weitem die ErzeugungErwachet! 1972 | 22. November
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Die Energieversorgungskrise — Der Bedarf übertrifft bei weitem die Erzeugung
HAST du in deiner Wohnung elektrischen Strom? Millionen von Wohnungen werden elektrisch beleuchtet, Kühlschränke, Fernsehapparate und viele andere Geräte werden elektrisch betrieben. Man betätigt lediglich einen Schalter, und schon hat man Strom. Doch der Strom ist knapp.
Es gibt bereits Gegenden, in denen der Bedarf an elektrischer Energie größer ist als die Erzeugung und wo daher die Lichter von Zeit zu Zeit nur noch schwach brennen oder ganz ausgehen. Im Sommer 1971 berichtete die New York Times: „Millionen Amerikaner müssen jeden Tag damit rechnen, daß der Strom nur noch schwach fließt oder ganz ausfällt und womöglich rationiert wird. Aber die Energieknappheit ist nicht nur eine jahreszeitliche Erscheinung. Sie ist das Symptom einer Krise, in die das ganze Land geraten ist.“
Die Zeitschrift Science Digest schrieb in ihrer Dezember-Ausgabe über die Situation im vorangegangenen Sommer: „Es kam häufig zu einem Absinken der Spannung. In einigen Gegenden waren die Stromausfälle sogar an der Tagesordnung. Einige der Stromnetze, die immer am Rande eines Zusammenbruchs stehen, sind mit knapper Not an größeren Katastrophen vorbeigekommen.“
Solche Unterbrechungen in der Stromversorgung haben einem Teil der Bevölkerung vorübergehend Unannehmlichkeiten bereitet. Die Aufzüge blieben stehen, die Klimaanlagen funktionierten nicht mehr, die Radio- und Fernsehgeräte blieben stumm, und die Kühlschränke hielten die Lebensmittel nicht mehr frisch. Familien, die einen Elektroherd hatten, konnten nicht kochen.
Die Krise erkennen
Vielleicht hast du selbst noch nichts gemerkt von der Energieversorgungskrise, sondern nur davon gehört. Und da die Stromversorgung in der Gegend, in der du wohnst, gesichert erscheint, hast du vielleicht noch wenig über dieses Problem nachgedacht. Doch die Lage ist ernst, wahrscheinlich ernster, als du annimmst. Es handelt sich nicht nur um eine vorübergehende Energieknappheit und um technisches Versagen, sondern es besteht die Gefahr, daß die Stromversorgung vollständig zusammenbricht. Thorton F. Bradshaw sagte in einem Interview mit dem Reporter der Zeitschrift U.S. News & World Report:
„Ich glaube, die Mehrzahl der Bevölkerung wird diese Krise erst erkennen, wenn sie Licht machen will und die Lampe nicht brennt. Aber selbst dann wird sie annehmen, der Stromausfall sei vorübergehend. ... wir haben stets reichlich billigen Strom gehabt, so daß die Leute nicht glauben können, daß wir in eine Energieversorgungskrise geraten sind.“
Doch die Krise ist eine Tatsache. Und sie wird auch schon fühlbar. Im Sommer 1971 wurden zum Beispiel Betriebe in der Stadt New York, die sehr viel Strom verbrauchen, häufig gebeten, den Verbrauch einzuschränken; davon weiß die Bevölkerung wahrscheinlich nichts. Kommissar William K. Jones von der New Yorker Kommission für Energieversorgung schrieb in einem 77 Seiten umfassenden Bericht:
„Es ist klar, daß die Stadt New York und Teile der County Westchester unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht erwarten dürfen zu überleben — diese Gebiete werden durch die mangelhafte Versorgung mit der lebenswichtigen elektrischen Energie lahmgelegt.“
Auch besteht das Problem nicht nur in einem Gebiet der Vereinigten Staaten. Vom ganzen Land sagte John A. Carver jr., Mitglied der Bundeskommission für Energieversorgung: „In den kommenden drei Jahrzehnten wird es ein wildes Wettrennen geben in dem Bemühen, unseren Energiebedarf zu decken.“
Andere Länder haben ebenfalls mit diesem Problem zu kämpfen, sowohl europäische Länder als auch Japan. Der japanische Premier sagte, genügend Energie zu erzeugen sei das größte Problem seines Landes. „Die elektrische Energie ist das A und das O in den kommenden dreißig Jahren“, sagte er.
Aber warum ist der Energiebedarf heute so groß? Wieviel Energie wird verbraucht? Wie wird Energie erzeugt?
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Wie der Strom erzeugt wirdErwachet! 1972 | 22. November
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Wie der Strom erzeugt wird
HEUTE haben viele Familien einen ungeheuren Stromverbrauch. Die Energie, die eine elektrische Bratpfanne und ein Fernsehgerät verbrauchen, entspricht zum Beispiel der Leistung zweier Zugpferde. Und die Leistungsfähigkeit eines Pferdes ist groß. Ein durchschnittliches Arbeitspferd leistet 0,8 PS, wenn es an einem Wagen zieht.
Elektrische Energie wird in Watt und Kilowatt gemessen. Ein Fernsehgerät verbraucht 300 Watt und eine elektrische Bratpfanne 1 200 Watt. Andere Geräte verbrauchen noch mehr Energie — ein Trockenautomat verbraucht zum Beispiel fast 5 000 Watt und ein elektrischer Kochherd über 12 000 Watt. Der Stromverbrauch wird in Kilowattstunden gemessen. Eine Kilowattstunde stellt die Leistung dar, die ein Kilowatt Elektrizität während einer Stunde vollbringt. Aber wieviel leistet ein Kilowatt in einer Stunde?
Es leistet sehr viel. Man hat errechnet, daß man, um die Leistung eines Pferdes zu vollbringen, ein Gewicht von ca. 270 000 kg innerhalb einer Stunde um einen Meter hochheben muß. Ein Kilowatt leistet in einer Stunde noch etwa ein Drittel mehr.
Verbrauch und Kosten
In New York verbraucht eine Durchschnittsfamilie täglich im Mittel 17 Kilowatt Strom oder beinahe 23 PS-Stunden. Das bedeutet, daß eine Durchschnittsfamilie eine Energiemenge verbraucht, die fast der Leistung eines Pferdes entspricht, das 24 Stunden unaufhörlich arbeitet, ohne müde zu werden.
In einigen Vierteln der Stadt New York kostet der Strom für eine Kilowattstunde etwas weniger als drei Cent oder nicht ganz 50 Cent täglich für 17 Kilowattstunden. In anderen Teilen des Landes dagegen kostet der Strom viel weniger — die Kilowattstunde nur etwa einen Penny. Auch wird die Kilowattstunde billiger, je größer der Stromverbrauch ist. Industriebetriebe, die viel Strom verbrauchen, bezahlen somit nur einen Bruchteil von dem, was der gewöhnliche Verbraucher zahlt.
Der Bedarf an dieser verhältnismäßig billigen und leicht zu nutzenden Energie ist astronomisch. Im Jahre 1970 haben die Vereinigten Staaten rund 1 550 000 000 000 Kilowattstunden verbraucht — das ist etwa das Fünffache des Stromverbrauchs vom Jahre 1950! Von 1969 bis 1970 stieg der Verbrauch um 9,2 Prozent. Die Vereinigten Staaten erzeugen etwa 35 Prozent des Stromes, der auf der ganzen Welt erzeugt wird, und die Sowjetunion 15 Prozent.
In den Vereinigten Staaten ist die Industrie der größte Verbraucher. Nach Angaben des Edison Electric Institute verbraucht die Industrie etwa 41 Prozent des erzeugten Stromes, 32 Prozent entfallen auf die Haushalte und 23 Prozent auf Handel und Gewerbe sowie öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser. Die letzten 4 Prozent entfallen auf den Verkehr, die Straßenbeleuchtung, die U-Bahn usw.
Wie wird diese ungeheure Menge elektrischer Energie erzeugt?
Wie der Strom erzeugt wird
Der größte Teil des elektrischen Stromes wird mit Hilfe von „fossilen Brennstoffen“ wie Erdöl, Kohle und Erdgas erzeugt. Diese Brennstoffe werden in den riesigen Feuerungsanlagen der Kraftwerke verbrannt. Die Feuerungsanlage beheizt einen Dampfkessel, um Heißdampf zu erzeugen. Der Dampf strömt mit einer Geschwindigkeit von über 1 600 km/st in eine riesige Turbine ein und dreht ihre Schaufelräder. Bei Wasserkraftwerken wird die Fallhöhe von Wasser ausgenutzt, um die Turbinen anzutreiben. Die Turbinen treiben dann die Generatoren an, in denen der Strom erzeugt wird.
In den Vereinigten Staaten werden über 80 Prozent des elektrischen Stromes von Dampfkraftwerken erzeugt, der größte Teil des restlichen Stromes von Wasserkraftwerken. Vor neunzig Jahren wurde in der Stadt New York das erste Dampfkraftwerk in Betrieb genommen. Heute gibt es im ganzen Land rund 3 400 Kraftwerke.
Die Erzeugung von elektrischer Energie mit Hilfe von Dampfturbinen ist relativ unrationell. Beim Umwandlungsvorgang wird nur etwa ein Drittel der Energie der Kohlen, des Erdöls oder des Erdgases in elektrische Energie umgewandelt. Die beiden anderen Drittel der Energie entweichen in Form von umweltverschmutzender Wärme und Bewegungsenergie der Abgase und Flugasche. Ferner gehen bis zu 20 Prozent der erzeugten Energie bei der Beförderung vom Kraftwerk zum Verbraucher verloren.
Was die Kraftwerke an Brennstoffen organischen Ursprungs verbrauchen, übersteigt unser Begriffsvermögen. Ein großes Kraftwerk, das als Brennstoff Kohle verwendet, mag stündlich über 500 Tonnen Kohle verbrennen! In den Vereinigten Staaten wird fast die Hälfte der elektrischen Energie aus Kohle gewonnen, der größte Teil der anderen Hälfte mit Hilfe von zu Tal fließendem Wasser sowie aus Erdgas und Erdöl.
Die elektrische Energie ist natürlich nur eine Energieform. Für den Kraftfahrzeugverkehr, den Flugverkehr, die Beheizung von Wohnungen usw. werden ebenfalls immer größere Energiemengen benötigt. Die für diese Zwecke hauptsächlich benutzten Energiequellen sind Erdöl und Erdgas.
Schädigung der Umwelt
Von den verschiedenen Brennstoffen schädigt die Kohle die Umwelt am meisten. In dem Kraftwerk der Virginia Electric and Power Company, wo täglich etwa 9 000 Tonnen Kohlen verfeuert werden, fallen stündlich fast 55 Tonnen Flugasche und etwa 18 Tonnen Schwefeldioxyd an, und der größte Teil davon wird in die Luft abgegeben! Zu Beginn dieses Jahres wurde angekündigt, daß gegen die Delmarva Power and Light Company in Delaware City gerichtlich vorgegangen werde, weil sie die Luft jedes Jahr mit fast 68 000 Tonnen Schwefeldioxyd verunreinigt.
James R. Schlesinger, Vorsitzender der Atomenergiekommission, sagte vor kurzem über das Luftverschmutzungsproblem: „Die große Masse der Schwefeloxyde in der Luft und ein großer Teil der Stickstoffoxyde — von den Feststoffpartikeln ganz zu schweigen — stammen von den Kraftwerken, in denen fossile Brennstoffe verfeuert werden.“
Auch die Methode der Kohlenförderung trägt zur Schädigung der Umwelt bei. Im vergangenen Jahr wurden etwa 44 Prozent der Kohle im Tagebau abgebaut, dabei sind Tausende Hektar des schönsten Berglandes in den Vereinigten Staaten verwüstet worden. Charakteristisch für die Proteste, die gegen diese Abbaumethode erhoben werden, sind folgende Ausführungen des Kongreßabgeordneten Ken Hechler:
„Die Kohlen- und Strombarone sowie gewisse Gesetzgeber von der Westküste versuchen, die Bevölkerung der Appalachenstaaten zu unterjochen, die Pflanzendecke unserer Hügel zu zerstören und unsere Flüsse zu verschmutzen, um den Bedarf der stromhungrigen Großstädte zu decken. Wir sind heute so weit, daß wir uns gegen diese Methoden zur Wehr setzen.“
Die Stadt New York hat in diesem Jahr mit beträchtlichem Aufwand an Kosten die Kraftwerke von Kohle auf Öl und Erdgas umgestellt, doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn Öl und Erdgas verschmutzen die Luft auch. Wird Öl und Erdgas verbrannt, so gelangen der Schwefel, den das Öl enthält, und die Stickstoffoxyde des Erdgases ebenfalls in die Luft. Außerdem besteht noch das Problem der Aufheizung von Flüssen und Seen durch das Kühlwasser der Kraftwerke; diese Aufheizung erreicht manchmal einen gefährlichen Grad.
Ist die gegenwärtige Energieversorgungskrise eine Folge dieser Gefahr für die Umwelt, oder gibt es andere Faktoren, die noch schwerer ins Gewicht fallen?
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Warum die heutige Energieversorgungskrise?Erwachet! 1972 | 22. November
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Warum die heutige Energieversorgungskrise?
JEDE Energie stammt aus einer Quelle. Das Pferd zum Beispiel bezieht seine Kraft aus der chemischen Energie, die in den Pflanzen gespeichert ist, die es frißt. Pflanzen sind die Energiequelle der Muskelkraft sowohl der Tiere als des Menschen.
Vor dem zwanzigsten Jahrhundert hat der Mensch seine Arbeit hauptsächlich mit Hilfe der Muskelkraft — seiner eigenen oder der der Tiere — verrichtet. Auch hat er vorwiegend pflanzliches Material — Holz — verbrannt, um Energie zu gewinnen. Noch 1870 gewann der Mensch den größten Teil der Energie, mit der er die ersten Dampfmaschinen, Flußschiffe und Eisenbahnlokomotiven antrieb, aus Holz.
Der Verbrauch fossiler Brennstoffe
Mit der zunehmenden Industrialisierung stieg auch der Energiebedarf des Menschen für seine neuen Maschinen. Daher zapfte er die Vorräte fossiler Brennstoffe, die seit uralter Zeit in der Erde gespeichert lagen, an. Er begann, Kohle zu fördern, und verbrauchte von diesem Rohstoff immer größere Mengen. Im Jahre 1910 deckte er drei Viertel seines Energiebedarfs mit Hilfe von Kohle.
Etwa um das Jahr 1859 herum begann der Mensch einen anderen fossilen Brennstoff in größerem Maße zu verbrauchen. In jenem Jahr wurde die erste industrielle Ölbohrung durchgeführt. Das Öl wird heute hauptsächlich für den Antrieb von Kraftfahrzeugen und anderen Verkehrsmitteln benutzt. Allein in den Vereinigten Staaten werden jetzt täglich rund 244 Millionen Liter Erdöl verbraucht!
In den letzten Jahren, besonders seit dem Zweiten Weltkrieg, sind die Erdgasvorräte der Erde angezapft worden. In den Vereinigten Staaten hat man ein Erdgasleitungsnetz von über einer Million Kilometer Länge gebaut, das ist die vierfache Länge der Erdölleitungen dieses Landes. Das Erdgas, mit dem die Hausfrau kocht, mag aus Erdgasfeldern stammen, die Hunderte von Kilometern weit weg sind.
In den Vereinigten Staaten wird heute mehr als 95 Prozent des Energiebedarfs mit Hilfe fossiler Brennstoffe gedeckt. Im Jahre 1970 lieferte Erdöl etwa 43 Prozent, Erdgas etwa 33 Prozent und Kohle etwa 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Landes. Die restliche Energie lieferten hauptsächlich Wasserkraftwerke. Diese Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist die Wurzel der Energieversorgungskrise.
Die Krise
In der New York Times vom 19. März 1972 wurde erklärt: „Wir verspüren den Druck, weil unsere Energiequellen — Kohle, Erdöl und Erdgas — zur Neige gehen und der Bedarf der übrigen Welt an diesen Rohstoffen schneller steigt als der Bedarf der USA.“
Was würde geschehen, wenn diese Energiequellen plötzlich erschöpft wären? Dann wäre es mit dem technisierten Leben vorbei! Kraftfahrzeuge, Eisenbahn und Flugzeuge könnten nicht mehr verkehren. Der größte Teil der Beleuchtung, Fernsehgeräte, Kühlschränke und andere elektrische Geräte würden nicht mehr funktionieren. Das ist der Ausgangspunkt der Krise.
Gehen die fossilen Brennstoffe wirklich „zur Neige“? Manch einer hat geglaubt, diese Energiequellen wären sozusagen unerschöpflich — oder sie würden wenigstens noch Tausende von Jahren ausreichen. Was ist geschehen?
Rascher Verbrauch der Rohstoffvorräte
Der Energiebedarf ist schneller gewachsen, als man erwartet hat. Fossile Brennstoffe werden in ungeheuren Mengen verbraucht. Durchschnittlich werden in der ganzen Welt täglich über 7 Milliarden Liter Öl gefördert! Im Jahre 1970 war die Welterzeugung um 9,5 Prozent größer als im Vorjahr. Wenn der Bedarf anhält, würde sich der Erdölverbrauch in zehn Jahren mehr als verdoppeln. Der Erdölverbrauch der westeuropäischen Länder hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Über den ungeheuren Bedarf an fossilen Brennstoffen schrieb die Zeitschrift Science Digest im Oktober 1971:
„Mit welchem Tempo der Weltvorrat der wichtigsten Rohstoffe erschöpft wird, kommt einem mit schmerzlicher Deutlichkeit zum Bewußtsein, wenn man erfährt, daß die Hälfte des Erdöls, das der Mensch bis 1968 verbraucht hat, in den vorangegangenen 12 Jahren gefördert worden ist. Der größte Teil des bisher auf der ganzen Welt verbrauchten fossilen Brennstoffes ist in den vergangenen 25 Jahren verfeuert worden.“
Der Verbrauch solcher Rohmaterialien nimmt mit unheimlicher Schnelligkeit lawinenartig zu. In den Vereinigten Staaten hat sich der Verbrauch von elektrischer Energie alle zehn Jahre mehr als verdoppelt. Wie die Zeitschrift Scientific American vom September 1971 schreibt, bedeutet das, daß die USA in den nächsten zehn Jahren „soviel elektrische Energie erzeugen müssen, wie sie seit dem Beginn des Zeitalters der Elektrizität erzeugt haben“. Es ist verblüffend, welche Konsequenzen es hat, wenn sich der Verbrauch alle zehn Jahre verdoppelt.
Niemand weiß, wie groß die Kohlen-, Erdöl- und Erdgasvorräte in der Erde sind, aber wir wollen einmal annehmen, daß bisher fünf Prozent der gesamten Vorräte verbraucht worden sind. Das würde bedeuten, daß die fossilen Brennstoffvorräte der Erde in ungefähr vierzig Jahren verbraucht wären, wenn sich der Bedarf alle zehn Jahre verdoppeln würde!
Die Vorräte gehen zur Neige
Viele sind entsetzt darüber, welche Menge fossiler Brennstoffe verbraucht wird. Es gibt Fachleute, die erklären, daß diese Vorräte in etwas mehr als einem Menschenalter (etwa 33 Jahre) erschöpft sein werden. Ein Bericht der National Academy of Science (Amerikas bedeutendstes Naturwissenschaftler-Forum), der dem US-Präsidenten im Jahre 1969 unterbreitet wurde, enthielt die Voraussage: „In etwa 50 Jahren wird der größte Teil des Weltvorkommens an förderwürdigem Erdöl und Erdgas verbraucht sein.“
Diese Voraussage, die vor drei Jahren gemacht wurde, mag jedoch äußerst optimistisch sein. Die Erdgasvorräte gehen schon zur Neige. In einem im Februar veröffentlichten Bericht der Bundeskommission für Energieversorgung wurde erklärt, daß die Knappheit, die sich im vergangenen Jahr bemerkbar gemacht habe, „einen Wendepunkt“ darstelle, „das Ende der durch die Versorgungsfrage ungehemmten Entwicklung der Erdgasindustrie“. Der Bericht schloß wie folgt: „Der Knappheit wird mit anderen Brennstoffen begegnet werden müssen.“
Aber in den Vereinigten Staaten ist auch das Erdöl knapp. Bereits über ein Viertel des Bedarfs in diesem Lande wird mit eingeführtem Erdöl gedeckt — im Durchschnitt täglich etwa 600 Millionen Liter. Aus einem Bericht, den das Innenministerium vor kurzem herausgab, ist jedoch zu ersehen, daß diese Importe bis 1980 mehr als verdoppelt werden müssen.
Abhängigkeit von ausländischem Öl
Wohl hat man in Alaska Erdöl entdeckt, doch der größte Teil der Erdölvorkommen der Welt befindet sich in anderen Ländern, hauptsächlich im Nahen Osten, Hollis M. Dole, Abteilungsleiter im Innenministerium, sagte: „Unser Land muß sein Brennstoffdefizit mit Öl decken, das in anderen Ländern — Afrika und Naher Osten — gefördert wird.“
Die Tatsache jedoch, daß die Vereinigten Staaten immer mehr von dem Öl, das im Nahen Osten gefördert wird, abhängig werden, beweist nur noch deutlicher, daß eine Energieversorgungskrise besteht; so schrieb die New York Times in ihrer Ausgabe vom 7. Dezember 1971:
„Die staatliche Kommission für Energieversorgung hat erklärt, daß durch die ,gegenwärtigen politischen Realitäten‘, einschließlich des ständig schwelenden Konflikts zwischen Arabern und Israelis, die Erdölversorgung der staatlichen Kraftwerke gefährdet sei. Fast alles Öl, das der Erzeugung von elektrischer Energie dient, wird eingeführt.“
Die Zeitung Miami Herald berichtete: „Für die Vereinigten Staaten ist das Erdöl aus dem Nahen Osten so wichtig, daß sie bereit sind, einen Atomkrieg zu riskieren, um die Versorgung sicherzustellen.“ Ja, die Nationen riskieren heute einen Krieg, um die Einfuhr von Öl zu sichern, das notwendig ist, um die Industrie in Gang zu halten, Kraftfahrzeuge anzutreiben und Strom für Fernsehgeräte und die Beleuchtung zu gewinnen.
Doch warum kann man nicht anstatt Erdöl Kohle als hauptsächliche Energiequelle verwenden? Die Vereinigten Staaten sollen noch riesige Kohlenvorräte besitzen.
Große nutzbare Kohlenvorräte?
Das Problem besteht darin, daß der größte Teil der Kohle zuviel Schwefel enthält und daher den Umweltschutzbestimmungen nicht entspricht. Immer mehr Städte erlassen Gesetze, die die Verbrennung von Kohle verbieten, die mehr als 1 Prozent Schwefel enthält. Deswegen stellen immer mehr Gemeinden ihre Kraftwerke von Kohle auf umweltfreundlichere Brennstoffe um, auf Erdöl oder Erdgas. Der Mensch weiß heute einfach noch nicht, wie er Kohle oder Erdöl entschwefeln kann, obwohl manch einer offenbar vom Gegenteil überzeugt ist. Präsident Nixon sagte am 4. Juni 1971 in seiner Botschaft zur Lage der Energieversorgung:
„Ein wichtiger Engpaß in unserem Programm für eine saubere Energieerzeugung ist die Tatsache, daß wir keine Kohle und kein Erdöl verfeuern können, ohne dabei den Schwefel in die Luft, entweichen zu lassen. Wir benötigen neue technische Verfahren durch die wir den Schwefel entziehen können, ehe er in die Luft entweicht.“
Allerdings gibt es Kohle mit geringem Schwefelgehalt. Aber diese Kohlenvorkommen liegen wahrscheinlich so nahe an der Oberfläche, daß man sie im Tagebau gewinnen muß. Durch den Tagebau wird aber das Land so verwüstet, daß jetzt Gesetze eingebracht worden sind, die diese Gewinnungsmethode verbieten sollen.
Befinden sich die Kohlenlager jedoch tief in der Erde, so kommt die Förderung teuer zu stehen, auch mag diese Kohle einen hohen Schwefelgehalt haben, T. F. Bradshaw, Präsident der Atlantic Richfield Company, erklärte: „Die Kohle ist knapp — wenigstens in der aller nächsten Zukunft —, obschon wir große Lagerstätten besitzen.“
Ein Dilemma
Der Mensch befindet sich in einem Dilemma. Der Energiebedarf der heutigen Industriegesellschaft ist gewaltig. Doch die Brennstoffvorräte gehen zur Neige, besonders die Vorräte der umweltfreundlichen Brennstoffe. Verfeuert man aber die zur Verfügung stehenden Brennstoffe, bedeutet das eine zunehmende Luftverschmutzung und als Folge davon ein langsames Vergiften der Bevölkerung. Benutzt man dagegen diese Brennstoffe nicht, so wird die moderne Industriegesellschaft aus Mangel an Energie allmählich erstarren.
Offenbar werden die Menschen eine gefährliche Wahl treffen, um ihre gegenwärtige, technisierte, energieverschlingende Lebensweise beizubehalten. S. David Freeman, ehemals Berater Präsident Nixons in Energieversorgungsfragen, erklärte:
„Die Erschöpfung der Energiequellen ist nicht unbedingt das Entscheidende des Problems ... In den kommenden zwei Jahrzehnten wird die Umwelt mit einer solchen Menge von Kohlenmonoxyd, kleinen Feststoffpartikeln und anderen potentiellen Schadstoffen belastet werden, daß man mit grundlegenden Veränderungen in unserer Umwelt rechnen muß.“
Eine Änderung ist offensichtlich erforderlich, und zwar bald. Es müssen andere Methoden der Energiegewinnung angewandt werden. Diese Tatsache wird allgemein anerkannt. Offenbar hat man sogar bereits entschieden, wodurch die konventionelle Energiegewinnung ersetzt werden soll — durch die Gewinnung von Kernenergie. Die Vereinigten Staaten haben sich sozusagen der Gewinnung dieser Energie verschrieben.
Ist die Kernenergie jedoch gefahrlos? Ist es eine weise Wahl? Wie wird elektrischer Strom aus Kernenergie gewonnen? Solche Fragen werden in einer späteren Ausgabe dieser Zeitschrift behandelt werden.
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