Was in den Gottesdiensten vorgeht
IST dir aufgefallen, daß die Gottesdienste in den Kirchen in den letzten Jahren ganz anders geworden sind? Sozusagen bei allen Religionsgemeinschaften ist dieser Wandel zu beobachten.
Eine junge Frau sagte vor kurzem: „Ich weiß gar nicht, was mit der Kirche, die ich als Kind gekannt habe, geschehen ist. Alles ist so modern geworden, so ... verjazzt.“ Geht man in der Kirche, die du besuchst, in der Gestaltung des Gottesdienstes auch neue Wege?
Sehr wahrscheinlich schon, und ohne Zweifel sind auch die Gottesdienste in anderen Kirchen deines Wohnorts in ähnlicher Weise erneuert worden. Aber du magst überrascht sein, zu erfahren, wie weit man mancherorts in der Neugestaltung der Gottesdienste geht.
Kirchliche Experimente
In der New York Times konnte man folgenden Bericht über einen modernen Gottesdienst lesen: „Über den 300 Episkopalen, die auf dem Marmorboden eng zusammen kauerten und Masken trugen, hing eine blaue Dunstwolke. Durch die Bogengänge dröhnte ein elektronisch verstärkter Herzschlag ... ein roter Scheinwerfer leuchtete durch die Dunstwolke und danach ein weißer. ... Darauf ertönten anstelle des Herzschlags die Rhythmen einer Baßgitarre, und gleichzeitig näherten sich junge Mädchen der Gemeinde, suchten sich jemand heraus, zogen dem Betreffenden die Maske herunter und begannen mit ihm zu tanzen.“
Ein seltenes und vereinzeltes Vorkommnis, sagst du? Die erwähnte Zeitung schrieb dazu: „Solche Rock-Gottesdienste sind heute üblich.“ Viele Kirchen haben solche Neuerungen eingeführt, um die Leute anzuregen, die Kirche wieder zu besuchen. Sogar der Vatikansender strahlte ein Programm aus, das Beatmusik umfaßte und in dem ein Schlagersänger das Lied vortrug: „Gott ist tot ...“
Die in São Paulo (Brasilien) erscheinende Zeitung Jornal da Tarde brachte einen Bericht über den Jubel, mit dem ein Popsänger in einer Kathedrale aufgenommen wurde. Im redaktionellen Teil konnte man lesen: „Noch vor wenigen Jahren hätte niemand eine solche Szene für möglich gehalten. Heute jedoch erscheint alles ganz natürlich. Die Folge davon ist, daß die Leute ... nicht mehr unterscheiden können zwischen einem Tempel und einem öffentlichen Fernsehsendesaal und dessen Publikum.“
Es ist bemerkenswert, daß die Geistlichen bei solchen Neuerungen führend vorangehen. Vor kurzem trafen sich 450 Geistliche und Laiendelegierte zur 45. alljährlich stattfindenden British-Columbia-Konferenz der Vereinigten Kirche von Kanada. Die Zeitung Vancouver Sun berichtete darüber: „Sie schlugen sich gegenseitig tüchtig mit Ballons. Sie forderten lautstark noch mehr Rockmusik von Schallplatten — dabei erscholl bereits so laut dröhnend Rock, daß es dem Erzengel das Trommelfell zerschlagen hätte.“ Ist es da verwunderlich, daß die Gläubigen beunruhigt sind?
Was ist der eigentliche Zweck eines Gottesdienstes? Sollte eine solche Zusammenkunft nicht dem Zweck dienen, ein besseres Verständnis der Bibel und eine größere Erkenntnis Gottes zu erwerben? Ist das heute der Hauptzweck der Gottesdienste in den Kirchen? Vielleicht ergeht es dir wie der Frau, die in der Zeitschrift Redbook vom März 1969 schrieb: „Ich möchte einen Gottesdienst, in dem Gott das Hauptthema ist. ... Aber in der Kirche wird heute nicht mehr viel von ihm gesprochen.“
Viele sind erzürnt
Tatsächlich sind viele unzufrieden mit den Gottesdiensten in ihrer Kirche. Die Glieder einer Kirchgemeinde in Italien protestierten heftig gegen die „Beat-Messe“, bei der zwischen den Gebeten Songs, begleitet entweder von Gitarren oder von der Orgel, gesungen wurden. „Der Streit artete bald in einen Tumult aus, dem nur das Eingreifen der Polizei ein Ende machte“, berichtete Il Messaggero.
Sogar die von der Kirche angeordneten Änderungen der Meßliturgie, die auf Weisung des Papstes bis November 1971 in allen katholischen Kirchen eingeführt sein sollen, werden von vielen Katholiken heftig abgelehnt. Als am 30. November 1969 in den Kirchen Italiens die Reform der Meßliturgie durchgeführt wurde, waren viele damit nicht einverstanden. Der Petersplatz war übersät mit Protestpamphleten, obschon Papst Paul die Menge bat, gegenüber „diesem neuen Ritus“ nachsichtig zu sein.
Man kann deutlich erkennen, daß überall in der Christenheit die Kirchen von Verwirrung und Unruhe erfaßt sind. Der Sturm der Neuerung wirft sie hin und her wie ein Schiff, das nicht mehr verankert ist. Es fehlen ihnen offenbar die Richtlinien. Gebote, die gestern erlassen worden sind, gelten heute nicht mehr und die Gläubigen folgern daraus, daß die heutigen Gebote morgen auch geändert werden. Nicht einmal mehr die Bibel wird als Autorität anerkannt.
Die Neuerungen in den Kirchen haben zweifellos zu ihrer mißlichen Lage beigetragen. Aber es gibt noch weitere Gründe dafür.