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  • Die elektronische Kirche macht mobil
    Erwachet! 1981 | 22. September
    • 2. Teil

      Die elektronische Kirche macht mobil

      DER Prediger trägt keinen schwarzen Talar. Statt dessen glänzt er in einem dreiteiligen weißen Polyesteranzug. Er steht nicht am Altar, sondern bewegt sich, in Scheinwerferlicht getaucht, auf der riesigen, mehrstufigen Bühne seiner TV-„Kathedrale“. Die Bühne selbst scheint der Star der Schau zu sein: Sie ist auf Hochglanz poliert, jede Stufe zeichnet sich im Scheinwerferlicht ab, und der wechselnde Hintergrund verändert ständig die Szene.

      Es ist Zeit zum Gebet, aber dies ist kein gewöhnliches Gebet. Der Prediger hält vor einem Tisch voller Briefe inne, die er von seiner „Gebet-Schlüssel-Familie“ erhalten hat, und kniet davor nieder, die Hände ehrfürchtig gefaltet. Sein frisch herausgeputzter Chor nimmt seinen Platz ein und bildet hinter ihm einen Halbkreis. Während der Prediger betet, summt der Chor mit. Man hat den Eindruck, die Sänger würden — etwa im Nachtklubstil — die Mikrofone mit ihren Lippen liebkosen.

      Am Ende des Gebets geht die Szene in einen auf Videoband aufgezeichneten Werbespot über, in dem für die „Gebet-Schlüssel-Familie“ des Predigers Reklame gemacht wird. Die Aufmachung ist ganz professionell. Eine ältere Frau, offensichtlich gottesfürchtig und einsam, schreibt einen Brief an den Prediger. Während sie schreibt, wird ihre Stimme eingeblendet. Sie erzählt, wie sie ihre Einsamkeit und die meisten ihrer anderen Probleme überwunden hat, seit sie der „Gebet-Schlüssel-Familie“ angehört.

      Jetzt kehren wir zu dem Prediger zurück, gerade rechtzeitig zu seiner Predigt. Er fuchtelt nicht mit der Bibel. Seine Predigt ist nicht leidenschaftlich, sondern eher im Fernsehjargon gehalten. Das heißt, der Prediger redet zu seinen Zuschauern, als säße er in ihrem Wohnzimmer. Immer wieder hebt er den gleichen Gedanken hervor. Wenn man möchte, daß seine Gebete erhört werden, muß man der „Gebet-Schlüssel-Familie“ beitreten. Wieso Schlüssel? „Das Gebet ist der Schlüssel zur Bank des Himmels“, sagt er feierlich.

      Dies ist nur ein Beispiel für das Aufmerksamkeit erregende Phänomen in der amerikanischen Religion — die elektronische Kirche. Mit ihrer neuerworbenen technischen Raffinesse und ihrer Popularität schockiert sie religiöse und politische Kreise in den Vereinigten Staaten. Ihre größten Stars nehmen mehr Geld ein als die meisten großen amerikanischen Religionsgemeinschaften. Wer sind sie? Woher kommen sie? Wofür treten sie ein?

      Die elektronische Kirche setzt sich aus TV-Predigern zusammen, die Sendezeit kaufen und sie benutzen, um Spenden aufzutreiben, mit denen sie mehr Sendezeit kaufen können usw. Natürlich sind die meisten Fernsehstationen nicht daran interessiert, Sendezeit an einen Prediger zu verkaufen, der nur ihre Zuschauer anbettelt. Und so haben sich diese Prediger raffinierte Methoden ausgedacht, um den Eindruck zu vermeiden, sie wollten über Fernsehen um Geld bitten.

      Was tun sie daher? Sie ermuntern ihre Zuschauer beispielsweise, einen kostenlosen „Gebet-Schlüssel“ zu bestellen. Wenn sie das tun, werden ihre Anschriften in einem Computer gespeichert, und dann beginnt das Geschäft. Oder sie bieten einen TV-„Beratungsdienst“ an, und diejenigen, die anrufen und um Hilfe bitten, werden später angeschrieben. Der computergesteuerte Briefversand hat die elektronische Kirche zu einem sehr erfolgreichen Geschäftsunternehmen gemacht. Wie erfolgreich? Hier einige typische Zahlen:

      Oral Roberts, ehemaliger Wunderheiler der Pfingstgemeinde, jetzt als Methodist etwas ruhiger geworden, nimmt 60 000 000 Dollar im Jahr ein.

      Jerry Falwell, Lynchburg (Virginia), ein Baptist mit einer ausgeprägten politischen Botschaft, erhält über 50 000 000 Dollar im Jahr.

      Pat Robertson führte die erste populäre religiöse Talk-Show durch und hat jetzt seine eigene Fernsehanstalt, die Programme aus seinem neuen 20-Millionen-Dollar-Hauptquartier überträgt. Sein Christian Broadcasting Network nahm im vergangenen Jahr 70 000 000 Dollar ein.

      Jim Bakker, der früher mit Robertson zusammenarbeitete, hat inzwischen seine eigene Talk-Show, und seine Fernsehgesellschaft hat ein Bruttoeinkommen von 53 000 000 Dollar im Jahr.

      Rex Humbard mit seiner „Cathedral of Tomorrow“ und ihrer spektakulären Bühne nimmt etwa 25 000 000 Dollar ein.

      Diese Liste ließe sich noch beliebig weiter fortsetzen. Insgesamt sind die Topstars der elektronischen Kirche in der Lage, jährlich Hunderte von Millionen Dollar auszugeben, um Sendezeit zu kaufen. Woher bekommen sie das Geld?

      Die meisten Zuschauer der elektronischen Kirche sind nicht reich. Benjamin L. Armstrong, der den Begriff „elektronische Kirche“ geprägt hat, erklärt: „Zu dem Konzept der elektronischen Kirche gehört es, daß der Zuhörer darauf programmiert wird zu spenden.“ Den größten Teil dieser zigmillionen Dollar erhalten die TV-Prediger in 25- bis 50-Dollar-Beiträgen. Jerry Falwell bekommt täglich etwa 10 000 Briefe, von denen die Hälfte Spenden enthält.

      In Pontiac (Michigan) erhielt ein Gefängnisinsasse zu seiner Überraschung eine von einem Computer ausgedruckte Aufforderung, 35 Dollar zu zahlen. Warum? Er erzählte: „In der gedruckten Mitteilung hieß es, ein Bekannter von mir, der namenlos bleiben wolle, habe ... darum gebeten, daß für mich über Fernsehen ein besonderes Gebet gesprochen werde ... Das Gebet sei nun gesprochen worden, aber mein Bekannter habe nicht auf die ,Spendenkarte‘ reagiert, die darauf an ihn gesandt worden sei. Ob ich wohl so freundlich sei, einen Scheck zu schicken.“

      Manchmal kommt die Aufforderung, Geld zu spenden, etwas versteckter. „Neulich sah ich eine Fernsehsendung, die meine Sorge über bezahlte religiöse Sendungen noch verstärkte“, erzählte ein Beobachter. „Der Prediger ließ während des Programms zwei Telefonnummern einblenden. Die eine war eine gebührenfreie Nummer für diejenigen Zuschauer, die etwas spenden wollten, aber die Nummer für Leute, die sich beraten lassen wollten, war nicht gebührenfrei.“

      Warum das ständige Betteln um Geld?

      Ein Grund dafür ist, daß die elektronische Kirche nur durch einen großen Aufwand an sehr teurer Technologie möglich geworden ist. Die meisten Veranstalter religiöser Sendungen könnten niemals mit der regulären Programmgestaltung für die Masse der amerikanischen Fernsehzuschauer konkurrieren. Wenn im Fernsehen ein religiöses Programm kommt, schalten die meisten Leute einfach ab. Das Problem für die elektronische Kirche ist: Wie kann man die fromme Minderheit von Zuschauern erreichen, die sich religiöse Programme ansehen wollen?

      Die Antwort? „Umwälzungen in der Satellitentechnologie, Durchbrüche bei den Anwendungsmöglichkeiten von Computern, die Einführung des Kabelfernsehens und neue Sendestationen lassen die USA zu einem globalen Dorf zusammenschrumpfen und ermöglichen wirtschaftliche Sendungen für eine verhältnismäßig kleine Zahl von Unterstützern“, lautet die Erklärung der Zeitschrift Forbes. „Was also, wenn sich nicht jeder ein religiöses Programm ansehen will? ... Das Fernsehen kann sich jetzt genauso wie Zeitschriften an eine spezielle Zuhörerschaft wenden.“

      Die Folge ist, daß die elektronische Kirche anders finanziert werden muß. Die Zuschauer unterstützen diese Programme nicht indirekt, indem sie die Produkte kaufen, für die während einer Sendung (wie im US-Fernsehen üblich) Reklame gemacht wird. Statt dessen müssen sie die Programme direkt durch ihre Spenden unterstützen. Das Bitten um Spenden und die Aufrechterhaltung des Spendenzustroms ist für die meisten Stars der elektronischen Kirche ein umfangreiches, mit Hilfe von Computern durchgeführtes Geschäft geworden. Der Computer ist für die elektronische Kirche genauso wichtig wie die Bildröhre.

      Die Notwendigkeit, ständig Geld aufzubringen, hat die TV-Prediger in einen Teufelskreis getrieben, bei dem es um Erfolg oder Untergang geht. Große Projekte, wie zum Beispiel „Kathedralen“, Universitäten oder Krankenhäuser, sind begonnen worden, gefolgt von eindringlichen Bitten an die Gläubigen, mehr Geld zu spenden, damit „Gottes Werk vollendet“ werden kann. Ein Bankier sagte über einen Superstar der elektronischen Kirche: „Es gibt nur ein Problem mit einem Gottesdienst, wie Jerry ihn durchführt. Er kann nicht aufhören, Geld einzutreiben; hört er auf, so bricht alles auseinander.“

      Dieser Aspekt der elektronischen Kirche mag denkende Christen an die Worte erinnern, die Jesus in seiner Bergpredigt sprach. Jesus sagte ausdrücklich: „Niemand kann ein Sklave zweier Herren sein; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Sklaven Gottes und des Reichtums sein“ (Matth. 6:24).

      Laufen die Prediger der elektronischen Kirche bei ihrem ständigen Bedarf an großen Spendeneinkünften Gefahr, ihre Zuschauer vor den Kopf zu stoßen? Wohl kaum. Die Theologie der elektronischen Kirche ist — was nicht weiter überrascht — stark verallgemeinernd und selbstgefällig. In der Zeitschrift Forbes wurde dies wie folgt ausgedrückt: „Frage nicht, was du für deine Religion tun kannst; frage lieber, was deine Religion für dich tun kann.“

      Selbst einige, die mit der elektronischen Kirche sympathisieren, geben zu, daß sie wenig Gehalt hat. Der evangelische Theologe Carl F. Henry meinte dazu: „Ein großer Teil der Fernsehreligion ist zu sehr erlebnisorientiert und auf doktrinärem Gebiet zu seicht, als daß sie eine geeignete Alternative für die heutige Verwirrung auf religiösem und moralischem Gebiet darstellen könnte.“ Mit anderen Worten: Die TV-Religion kann ihren Anhängern nicht wirklich helfen, mit den Problemen des Lebens fertig zu werden.

      Statt dessen betreiben die Prediger der elektronischen Kirche nach den Worten des Theologieprofessors Harvey Cox „lediglich eine Fortführung und Vertiefung der Werte einer materialistischen Konsumgesellschaft. Sie bringen die Leute dazu, einige sehr schale Werte anzunehmen, während sie auf äußerst kommerzielle Weise ein leicht zu erringendes Seelenheil versprechen.“

      Wie vereinbart sich diese Botschaft mit der Warnung Jesu, der Weg zum Leben sei nicht leicht, sondern schwer: „Eng ist das Tor und eingeengt der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind es, die es finden.“ (Matth. 7:14)? Hört sich das so an, als sei einem das ewige Leben sicher, wenn man nur Kanal 21 einschalte?

      Beachte die folgende Aufforderung Jesu Christi: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz [seinen Marterpfahl, Neue-Welt-Übersetzung] auf sich täglich und folge mir nach“ (Luk. 9:23, Luther). Kann man sagen, daß jemand sich selbst verleugnet und täglich sein „Kreuz“ auf sich nimmt, wenn er nichts anderes tut, als sich vor den Bildschirm zu setzen? Kann Jesus Christus wirklich eine Religion gutheißen, die den Menschen ein leicht zu erringendes Seelenheil verspricht — ohne Marterpfahl, ohne Selbstverleugnung —, und das für nichts weiter als nur einen monatlichen Scheck an den „weltweiten Fernsehdienst“ irgendeines Predigers?

      Es sieht wohl eher so aus, als sei die elektronische Kirche ein neuzeitliches Beispiel für das, wovor der Apostel Paulus Timotheus mit den Worten warnte: „Es wird eine Zeitperiode geben, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich nach ihren eigenen Begierden Lehren aufhäufen werden, um sich die Ohren kitzeln zu lassen; und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich dagegen unwahren Geschichten zuwenden“ (2. Tim. 4:3, 4).

      Wieso sind Leute bereit, Millionen von Dollar zur Unterstützung der elektronischen Kirche zu geben? Weil man ihnen das sagt, was sie hören wollen. Es wird ihnen versichert, daß Gott ihre Gebete erhört. Sie brauchen sich nicht zu verleugnen oder ein ‘Kreuz auf sich zu nehmen’ oder das Werk zu verrichten, das Christus tat, sondern sie sind „erlöst“, und Gott liebt sie — jedenfalls so lange, wie sie ihre Schecks einsenden.

      Doch wenn auch die Theologie der elektronischen Kirche vage und undefinierbar ist, so ist ihre Politik sehr klar und präzise. Damit wird sich der folgende Artikel befassen.

  • Die elektronische Kirche schockt amerikanische Politik
    Erwachet! 1981 | 22. September
    • 3. Teil

      Die elektronische Kirche schockt amerikanische Politik

      DER Redner war leidenschaftlich und dynamisch. Er schwenkte seine Bibel vor einer Gruppe von 1 000 Prediger-Ehefrauen und erklärte: „Wir haben die Lösung für das politische Chaos in unserem Land, für den wirtschaftlichen Verfall, die schändliche Moral und die Schwächung der Familie.“

      Welche Lösung? „Wir müssen unsere Herzen und unsere Hände vereinigen, um diese Nation wieder zusammenzufügen ... Wir müssen eine Umkehr fordern“, sagte Prediger James Robison aus Texas.

      Mit Worten, denen viele aufrichtige Christen zustimmen könnten, verurteilte er scharf die Abtreibung. „Wenn das Massaker der Ungeborenen im Schoße ihrer Mutter nicht böse ist, dann hat der Mensch überhaupt keine Sünde.“

      Unterdessen beriet am anderen Ende des Landes ein weiterer Prediger mit der gleichen Redegewandtheit eine Anzahl Kollegen, mit denen er sich versammelt hatte. „Was könnt ihr von der Kanzel aus tun?“ fragte er. „Ihr könnt die Leute als Wähler registrieren. Ihr könnt ihnen die Streitfragen erklären. Und ihr könnt ihnen Kandidaten empfehlen, ja direkt in der Kirche am Sonntagmorgen.“ Wie Robison setzte sich auch Jerry Falwell für politische Fragen ein.

      Eine Menge Leute hören diesen Predigern zu. James Robisons wöchentliches Fernsehprogramm wird von 100 Stationen übertragen. Falwells Show ist sogar noch populärer. Jede Woche erreicht er 6 bis 18 Millionen Menschen über nahezu 400 Fernsehkanäle und weitere 400 Rundfunkstationen.

      Solche politisch konservativen Prediger der elektronischen Kirche waren eifrig darauf bedacht, die Wähler bei den amerikanischen Wahlen im vergangenen Herbst zu beeinflussen. Nicht lange vor den Wahlen sprachen einige von ihnen anläßlich einer Tagung in Dallas (Texas) vor etwa 15 000 Fundamentalisten, größtenteils Predigern. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Ronald Reagan sprach ebenfalls vor dieser Gruppe und pries sie mit den Worten: „Das religiöse Amerika erwacht, vielleicht gerade rechtzeitig zum Segen unseres Landes.“ Ihm wurde herzlicher Beifall gespendet.

      Natürlich gewann Reagan die Wahlen, die einen konservativen „Erdrutsch“ auslösten. Eine religiös-politische Aktionsgruppe, Moral Majority (Moralische Mehrheit) genannt, fühlt sich für diesen Sieg mitverantwortlich, da sie vier Millionen Wähler registriert habe, von denen die meisten für Reagan gestimmt hätten. Bedeutsamerweise verloren viele der Senatoren, die der „Moralischen Mehrheit“ und anderen Gruppen zuwider waren, ihre Sitze an relativ unbekannte Politiker.

      Nach einer Untersuchung der Senatswahlen schrieb die New York Times: „Moral Majority, Christian Voice und andere konservative kirchlich orientierte Gruppen spielten eine aktive Rolle bei den ,moralischen Bewertungen‘, die gegen Liberale gerichtet waren. Ganz gleich, wie vielen Kongreßabgeordneten sie zur Wahl verhalfen, wird ihr Einfluß wohl weiter spürbar bleiben wegen der Zahl der Amtsträger, die sie eingeschüchtert haben.“

      Ein Prediger sagte über die Ergebnisse jubilierend: „Dies ist in meinem Leben als Erwachsener der größte Tag für die Sache des Konservativismus und der amerikanischen Moral.“ Andere waren weniger begeistert. Die Bischöfe der Episkopalkirche in Amerika veröffentlichten einen Hirtenbrief, in dem sie die Propaganda verurteilten, die Prediger für politische Kandidaten machten. Die Bischöfe schrieben, daß eine solche Propaganda „im Namen Gottes die christliche Wahrheit verzerrt und die Religionsfreiheit in Amerika bedroht“.

      Andere Prediger sind ebenfalls über die Politik der elektronischen Kirche besorgt. Ein Geistlicher aus Fort Worth beschwerte sich, daß Tagungen wie die in Dallas „immer in eine republikanische Wahlveranstaltung auszuarten scheinen“, obwohl sie als überparteilich deklariert würden. Selbst konservative Politiker zeigen sich besorgt. Ein Reagan-Helfer sagte: „Diese Ehe zwischen Religion und Politik ist das Gefährlichste und Erschreckendste, was ich je gesehen habe.“

      Keiner dieser Kritiker bringt Aktivisten aus dem Gleichgewicht, wie zum Beispiel den, der zugab: „Vor 15 Jahren hätte ich das, was ich heute tue, nicht gutheißen können, aber ich bin jetzt überzeugt, daß mein Land moralisch krank ist und sich nicht wieder erholen wird, wenn wir nicht etwas dagegen unternehmen.“

      Diese Prediger weisen schnell auf die offenkundige Heuchelei liberaler Geistlicher hin, die gegen den Vietnamkrieg oder die Kernenergie politisch aktiv wurden, aber ähnliche Aktivitäten Konservativer verurteilen. „Niemand hat je dem Nationalrat der Kirchen vorgeworfen, er vermische Religion mit Politik“, beklagt sich einer von ihnen. Doch wenn er sich einschalte, so heiße es, dies sei „ein Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat“.

      Am Ende des Wahlkampfs war es deutlich geworden, daß die amerikanischen Religionsführer völlig entzweit waren. Liberale Religionsführer behaupteten, konservative Prediger erweckten fälschlich den Eindruck, wer nicht mit ihnen übereinstimme, sei kein Christ. Der Nationalrat der Kirchen, Gegenstand des Zorns der Konservativen, gab eine Erklärung heraus, in der es hieß: „Es läßt sich keine ausschließlich ,christliche Wahlentscheidung‘ feststellen.“

      Die Konservativen dagegen waren überzeugt, daß ihnen Gott den Auftrag gegeben habe, das Land moralisch umzukrempeln, und ihre liberalen Amtskollegen seien ein Teil des Problems. Als die „Moralische Mehrheit“ zu dem Schluß kam, daß ein Baptistengeistlicher, der schon 16 Jahre dem Kongreß angehört hatte, zu liberal war, organisierte sie 2 000 Freiwillige, die von Haus zu Haus gingen und sich für den Gegner des Geistlichen einsetzten. Der Prediger wurde bei den Vorwahlen geschlagen.

      Zweifellos sind viele der politisch aktiven Prediger der elektronischen Kirche tief besorgt über die zunehmende Unmoral in Amerika und der übrigen Welt. Die meisten von ihnen sind fest davon überzeugt, daß eine Nation, die die Abtreibung toleriert, nicht Gottes Gunst haben kann, und jeder aufrichtige Christ wird mit ihnen übereinstimmen müssen. Sie glauben, daß die im ganzen Land herrschende Interesselosigkeit gegenüber der Bibel zu dem heutigen moralischen Verfall beigetragen hat. In einer Fernsehpredigt sagte einer ihrer Führer: „Wir müssen alle die Bibel studieren und lernen, an Gott zu glauben. Es ist wichtig, daß wir uns an seine Lehren halten, damit wir die Kraft haben, gegen die unmoralischen und gotteslästerlichen Kräfte anzukämpfen, die in der Politik und in den Medien überhandnehmen.“

      Welcher Christ würde leugnen, daß wir die Bibel studieren und an Gott glauben müssen? Die Frage ist nur: Lehrt Gott uns in der Bibel, um die Kontrolle über die Politik und die Medien zu kämpfen? Ist das die Botschaft des Wortes Gottes für unsere Generation?

      Vielleicht erinnerst du dich, daß Jesus Christus mehr als einmal die Gelegenheit hatte, die politische Macht auszuüben, aber er war nie dazu bereit. Als die Menschen sahen, daß er sie durch ein Wunder ernähren konnte, versuchten sie, ihn zum König zu machen. Zweifellos glaubten sie, ihre wirtschaftlichen Probleme seien dann gelöst. In dem Bericht heißt es: „Als somit die Menschen die Zeichen sahen, die er tat [die Speisung von etwa 5 000 Männern mit nur fünf Broten und zwei Fischen], begannen sie zu sagen: ,Dieser ist bestimmt der Prophet, der in die Welt kommen soll.‘ Als nun Jesus erkannte, daß sie im Begriff waren, ... ihn zu ergreifen, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein“ (Joh. 6:14, 15).

      Jesus suchte nicht politische Macht; er lehnte sie ab. Warum sollte er sich auch in die schmutzige Politik Judäas und Galiläas einlassen? Später erklärte Jesus vor Pontius Pilatus: „Mein Königreich ist kein Teil dieser Welt“ (Joh. 18:36). Wenn Jesu Königreich nicht von dieser Welt war, als er auf der Erde lebte, ist es dann etwa jetzt von dieser Welt, nur weil er im Himmel ist? Das wäre doch bestimmt nicht logisch.

      Jesus wußte, daß er das korrupte politische System seiner Tage nicht reformieren konnte, und er versuchte es auch nicht. Er wußte, daß er, wenn er ein politischer Messias geworden wäre und den Juden die Freiheit von der römischen Bedrückung versprochen hätte, nur von verschiedenen Interessengruppen ausgenutzt worden wäre, wie zum Beispiel von der nationalistischen jüdischen Partei der Zeloten, und dann fallengelassen worden wäre. So hätte er seinen Vater nicht verherrlichen können.

      Ist es wahrscheinlich, daß Jesus daran interessiert ist, das heutige ebenfalls korrupte politische System zu reformieren? Oder ist es eher wahrscheinlich, daß Prediger, die sich politisch betätigen, in der Gefahr stehen, ausgenutzt zu werden und selbst korrupt zu werden? Bezeichnenderweise war die „Moralische Mehrheit“ nicht die Idee eines Predigers. Die Idee und sogar der Name „Moralische Mehrheit“ stammt von einer Gruppe konservativer politischer Lobbyisten, die Mr. Falwell wegen seiner Popularität im ganzen Land, wegen seines riesigen, computergesteuerten Postversandes und seiner nachweislichen Fähigkeit, Geld aufzubringen, dazu überredeten, diese Organisation zu unterstützen. Sogar Pat Robertson, ein bekannter Star der elektronischen Kirche und Talkmaster des 700 Club, gibt zu, daß „die Evangelisten in der Gefahr stehen, ausgenutzt und manipuliert zu werden“.

      Wollte Jesus nicht gerade dieser Manipulation aus dem Wege gehen, als er Satans Angebot, ihm „alle Königreiche der Welt und ihre Herrlichkeit“ zu geben, ablehnte? Dieses Angebot hatte einen Haken, und den hat es auch heute noch. Satan verlangte von Jesus, vor ihm ‘niederzufallen und ihm einen Akt der Anbetung zu erweisen’ (Matth. 4:8, 9). Den Geistlichen der elektronischen Kirche steht politische Macht zur Verfügung. Sie brauchen nicht mehr dafür zu tun, als ein Teil des politischen Systems der Welt unter Satan zu bleiben (Joh. 14:30; 15:19; 2. Kor. 4:4).

      Zweifellos frohlockten die abtrünnigen Christen des vierten Jahrhunderts, als sie unter Kaiser Konstantin nach einer langen Zeit heftiger Verfolgung politische Macht erhielten. Doch wie wirkte sich das auf sie aus? „Fast unmittelbar nachdem die Christen des Reiches gesetzlich anerkannt worden waren, begannen führende Männer der Kirche, den Staatsbeamten zu sagen, wie sie sich in ihrem Amt zu verhalten hätten“, erklärte der Theologe Robert Culver. Bald war die Kirche völlig in die römische Politik verwickelt, führte Kriege und folterte ihre Feinde. War die politische Macht diesen Preis wert?

      Angenommen, die Prediger der elektronischen Kirche würden — so gut ihre Absichten auch sein mögen — das gleiche Maß an politischer Macht erhalten wie jene damaligen Kirchenführer. Wären sie in der Lage, dem zersetzenden Einfluß des politischen Systems Satans zu widerstehen? Nach der Geschichte zu urteilen, ist dies unmöglich. Tatsächlich hat einer von ihnen öffentlich zugegeben, bei seinen bis heute noch begrenzten politischen Aktivitäten von einer uralten Taktik des Teufels — der Täuschung — Gebrauch gemacht zu haben. Er war gezwungen, zu gestehen, daß er eine Unterhaltung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten über vermutliche Homosexuelle im Mitarbeiterstab des Präsidenten erfunden hatte.

      Wer auf die Politik vertraut und darauf, daß seine Probleme mit Hilfe der Politik gelöst werden können, vertraut letzten Endes auf Politiker, auf unvollkommene Menschen. Die Bibel gibt aber deutlich zu verstehen, daß Menschen diese Fähigkeit nicht haben. Jeremia, der mit der korrupten Politik Jerusalems gut vertraut war, erklärte: „Ich weiß wohl, o Jehova, daß nicht beim Erdenmenschen sein Weg steht. Es steht nicht bei dem Manne, der da wandelt, auch nur seinen Schritt zu richten“ (Jer. 10:23).

      Wie widersinnig es ist, auf Politiker zu vertrauen — darauf zu hoffen, daß einige aufgrund ihres Standpunktes in politischen Fragen moralischer sind als andere —, wurde durch die Bewertung in dem „Moralreport“ der Christian Voice unterstrichen. Die eindrucksvolle Benotung von 94 (von 100 möglichen) Punkten erhielt ein Kongreßabgeordneter, der wegen Bestechung angeklagt war, und ein anderer, der Alkoholprobleme und homosexuelle Neigungen hatte!

      Die Bibel gibt guten, realistischen Rat, wenn sie sagt: „Was krumm gemacht ist, kann nicht geradegemacht werden“ (Pred. 1:15). Die politischen Systeme dieser Welt sind von Natur aus „krumm“. Ihr größter Machtvermittler, Satan, ist „ein Lügner und der Vater der Lüge“ (Joh. 8:44). Weder die Geschichte noch die Bibel berechtigt zu der Erwartung, daß die Menschheit je ihre Probleme durch die Politik lösen wird, trotz aller guten Absichten.

      Bedeutet das, daß es für die Menschheit keine Hoffnung gibt? Müssen wir uns mit dem geistigen Tod abfinden, der in Form einer Flut von Schmutz und Unmoral die Welt heimsucht? Kann denn gar nichts gegen Abtreibungen, Homosexualität, Promiskuität unter Teenagern und die steigende Scheidungsziffer getan werden?

      Etwas kann und wird gegen all diese Probleme unternommen werden — und zwar bald! Lies darüber im nächsten Artikel.

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