75 Jahre Wachtturm-Zweigbüro
Vom „Awake!“-Korrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland
IM Bergischen Land, in einer wegen ihrer Schwebebahn bekannten Stadt an der Wupper, geschah im Jahre 1903 etwas, was für das Werk der christlichen Zeugen Jehovas in Deutschland bahnbrechend sein sollte. Charles T. Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, kam damals auf seiner zweiten Europareise in diese Stadt — heute als Wuppertal-Elberfeld bekannt —, um dort in der Mirkerstraße 45, wo sich eine Literaturversandstelle befand, das deutsche Zweigbüro der Watch Tower Society ins Leben zu rufen. Hier plante man, die Verlags- und Druckarbeiten zu übernehmen. Gleichzeitig wollte man auch alle anfallenden Verwaltungsaufgaben von diesem Zweigbüro aus erledigen. Das war vor 75 Jahren!
Bis zum Jahre 1903 war die Zeitschrift Zions Wacht-Turm und Verkünder der Gegenwart Christi für Deutschland in den USA gedruckt worden. Jedoch wuchs das Interesse an dieser Zeitschrift unter der deutschen Bevölkerung immer mehr. Es gab damals schon eine Kartei mit 500 ständigen Wacht-Turm-Lesern. Wie groß jedoch das Interesse an der Literatur der Gesellschaft wirklich war, wurde erst bekannt, als man sich kurz nach der Gründung des Zweigbüros entschloß, mehreren größeren Tageszeitungen des Landes achtseitige Prospektnummern von Zions Wacht-Turm beizufügen. Dieses Unternehmen fand Widerhall. Beispielsweise schrieb ein Leser einer solchen Beilage an die Gesellschaft: „Habe heute die Prospektnummer Ihres Wacht-Turms, welche als Beilage der Tilsiter Zeitung kam, eingehend gelesen. Es ist dadurch mein Interesse ... erweckt [worden,] und [ich] möchte gerne mehr durch Ihre Schriften ... aufgeklärt werden ... Ich bitte daher die geehrte Gesellschaft, mir das in dem Prospekt erwähnte Büchlein ... gütigst senden zu wollen. ... P. J., Ostpreußen.“
Um die Literatur nicht mehr aus den USA einführen zu müssen, wurden zunächst Druckaufträge vergeben. Doch nach einer gewissen Zeit fand man in Barmen (Wuppertal), Unterdörnerstraße 76 einen geeigneten Platz. So konnte man an den Aufbau einer Druckerei herangehen, die es möglich machen sollte, die Literatur billiger herzustellen. Es fing natürlich klein an: mit einer Heidelberger Schnellpresse für den Zeitschriftendruck, einer Falzmaschine und einem Druckautomaten für kleinere Faltblätter, Einladungszettel und andere Druck-Erzeugnisse.
Ermutigt durch die Produktion, wagte man am 1. Oktober 1922, die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter, eine Begleitzeitschrift von Zions Wacht-Turm, herauszugeben. Einer der Seniordrucker der damaligen Zeit, jetzt Lehrmeister in Ruhe, kann sich noch sehr gut daran erinnern, daß wegen der großen Nachfrage ein Nachdruck von 100 000 Exemplaren der ersten Ausgabe des Goldenen Zeitalters notwendig war. Doch damit wurde auch signalisiert, daß andere Räume gesucht werden mußten, wollte man den Auftrag, Hilfsmittel für die Verkündigung des Wortes Gottes herzustellen, gewissenhaft erfüllen.
Von Wuppertal nach Magdeburg
Offensichtlich unter Gottes Führung wurde die Aufmerksamkeit auf eine Stadt an der Elbe gelenkt: auf Magdeburg — in der Reformationszeit ein Zentrum des Protestantismus. Hier wurde ein Grundstück zum Verkauf angeboten, auf dem ein zweieinhalbstöckiges Gebäude mit einer Grundfläche von 50 × 20 Metern stand. Dieses Gebäude sollte von freiwilligen Helfern in eine neue Druckerei sowie in Wohn-, Lager-, Keller- und weitere Arbeitsräume umgewandelt werden. Am 20. Juni 1923 wurde das „Bibelhaus Magdeburg“, wie dieses Gebäude sinnvollerweise genannt wurde, bezogen.
Anfänglich sah es, gemessen an dem, was in Barmen vorhanden gewesen war, riesig aus. Eine neue Rotationsmaschine bildete schließlich das Kernstück der Produktion. Doch diese Neuanschaffung erwies sich schon bald als ein Tropfen auf einen heißen Stein. Sogar nachdem eine weitere Rotationsmaschine im Jahre 1929 angeschafft worden war, mußten die 8 Setzer und Metteure, 3 Stereotypeure, 20 Drucker, 25 Buchbinder und 10 Expeditoren trotzdem in zwei Schichten zu je zwölf Stunden arbeiten, da die Nachfrage ständig stieg.
Da mittlerweile die gute Botschaft in den nordischen Ländern und auch auf dem Balkan Fuß gefaßt hatte, kam von dort der Wunsch, auch Veröffentlichungen in den Sprachen dieser Länder herzustellen. An die Blinden wurde ebenfalls gedacht, und es entstanden Veröffentlichungen in der Blindenschrift. Um die Kapazität des „Bibelhauses“ zu erweitern, wurde ein schönes Wohnheim mit 76 Zimmern für je zwei Personen, mit einem geräumigen Speisesaal neben der Großküche und mit einem Lese-, Schreib- und Musikzimmer neu gebaut. Ein Kongreßsaal, „Harfensaal“ genannt, hatte eine Taufgelegenheit und bot 800 Tagungsteilnehmern Platz. Schon bald fanden hier regelmäßig Tages- und Wochenendversammlungen und Kongresse statt. Eine hauseigene Tischlerei und etliche Werkstätten für den Umbau und für die Reparatur von Maschinen wurden eingerichtet. Selbst an eine eigene Stromerzeugung war gedacht worden. Die unbebauten Flächen wurden zur Freude des Auges in eine Gärtnerei und in Grünanlagen umgewandelt.
Als am 29. Juli 1933 die Drucktätigkeit der Wachtturm-Gesellschaft verboten wurde, hatte die Magdeburger Druckerei eine Tagesproduktion von 10 000 400seitigen Büchern erreicht. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, daß die Zeugen Jehovas auch während der prüfungsreichen Zeit der Verfolgung, die nun begann, aktiv tätig blieben, wobei die Zeitschrift Der Wachtturm weiterhin erschien. Der Wille, die Verkündigung der guten Botschaft von Gottes Königreich mit allen Mitteln des gedruckten Wortes zu unterstützen, war ungebrochen.
Wiederaufbau nach 1945
Kein Wunder, daß gleich nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges an einen Wiederaufbau der Druckerei- und Verlagseinrichtungen gedacht wurde. Zunächst wurde in Stuttgart notdürftig in einer Wohnung ein Büro eingerichtet. Große Freude herrschte, als die Militärregierung schon bald eine Lizenz für die Herstellung von Literatur erteilte. Doch nicht Stuttgart, sondern Wiesbaden sollte die neue Heimat des Zweigbüros werden. Neben der zentralen Lage in der Nähe eines der größten Flughäfen Europas, eines großen Autobahnknotenpunktes und eines Binnenschiffahrtsanschlusses war die bekannte Kur-und Kongreßstadt am Fuße des Taunus auch eine aufstrebende Verlagsstadt geworden, in der sich viele namhafte Verlage niederließen.
Im Januar 1946 konnte unter bescheidenen Bedingungen in einem Laden in der Röderstraße 7 ein Büro eröffnet werden. Ungefähr wie 40 Jahre zuvor in Wuppertal begann alles wieder ganz klein, nur mit dem Unterschied, daß jetzt eine große Leserschaft vorhanden war.
Leider verhinderten die schweren Nachkriegsjahre einen schnellen Wiederaufbau einer eigenen Druckerei. Die Produktion in eigenen Räumen konnte erst wieder beginnen, nachdem von der Stadt Wiesbaden der Westflügel eines Kasernenrohbaus am Kohlheck gemietet und später gekauft werden konnte. In aufopfernder Kleinarbeit mit alten Maschinen, die man von einem Freund für wenig Geld erhalten hatte, und mittels Papierspenden aus dem Ausland wurde am 1. August 1948 mit dem Druck begonnen. Anfänglich wurden nur 40 000 Zeitschriften gedruckt. Nachdem die Rohstoffverknappung nach der Währungsreform jenes Sommers merklich abgenommen hatte, wurde für das Jahr 1949 eine volle Belieferung aller Bestellungen angekündigt. Die Ausgabe des Wachtturms vom 1. Januar hatte zwar noch eine Auflage von 40 000 Exemplaren, doch dann ging es steil nach oben: die Ausgabe vom 15. April: 80 000, vom 1. Mai: 100 000 und vom 15. Mai: 150 000 Exemplare!
Natürlich wurde sofort an einen Erweiterungsbau gedacht, damit wieder Rotationsmaschinen aufgestellt werden konnten. Nach der Fertigstellung dieses ersten Erweiterungsbaus und der Installierung einer Rotationsmaschine konnte, beginnend mit der Ausgabe vom 8. Januar 1953, auch die Zeitschrift Erwachet! hergestellt werden. Seit 1959 steht ein großer Trakt für mehrere Rotationsmaschinen und seit Mitte des Jahres 1975 ein weiterer für eine moderne Buchbinderei mit zwei Fertigungsstraßen zur Verfügung.
Allein im Jahre 1977 wurden außer 17 Nachdrucken 25 neue Titel in den verschiedensten europäischen und außereuropäischen Sprachen gedruckt und gebunden. Momentan erscheinen Buchtitel in den folgenden Sprachen: Amharisch, Dänisch, Deutsch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Tigrinja und Türkisch. Gegenwärtig hat die Buchbinderei Bestellungen von 12 neuen Titeln und 5 Nachdrucken in 10 Sprachen mit einer Auflage von über 1 300 000 Exemplaren vorliegen. Weitere Bestellungen in Millionenhöhe sind angekündigt.
An die Zukunft wird gedacht
Heute, 75 Jahre nach der Gründung des Wachtturm-Zweigbüros, steht jedoch ein noch kühneres Projekt auf dem Plan. Moderne Techniken in der Satzherstellung sollen in den Dienst der Verkündigung der guten Botschaft gestellt werden. 30 verantwortliche Männer anderer Zweigbüros und Druckereien der Zeugen Jehovas in Europa, Afrika und Asien trafen sich vor kurzem in Wiesbaden mit Gliedern des Verlagskomitees der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas und einigen erfahrenen Männern der Großdruckerei in Brooklyn zu einer Arbeitstagung, um ein einmaliges internationales kooperatives Programm für ein gemeinsames computergesteuertes Textverarbeitungssystem in allen hauptsächlichen Sprachen der Erde zu besprechen. Die Erfüllung der Vorhersage Jesu, daß unter seiner Aufsicht die gute Botschaft bis zum entferntesten Teil der Erde gepredigt werden würde, soll durch diese weitere Ausdehnung und diese technischen Mittel noch wirkungsvoller unterstützt werden.
In diesem Sommer hat jeder Erwachet!-Leser die Möglichkeit, sich von der positiven Wirkung des biblischen Bildungsprogramms persönlich zu überzeugen, denn an zwei Orten der Bundesrepublik sind internationale Kongresse vorgesehen. (Siehe Seite 32.) Wir möchten jeden Leser recht herzlich einladen, einen dieser Kongresse zu besuchen. Und wie wäre es mit einer Besichtigung der unten abgebildeten Druck- und Verlagsgebäude des Wachtturm-Zweigbüros? Herzlich willkommen in Wiesbaden!
[Bild auf Seite 13]
Das „Bibelhaus Magdeburg“
[Bild auf Seite 14]
Im Jahre 1946 wurde erneut Druckerlaubnis erteilt
[Bild auf Seite 15]
Zweigbüro der Wachtturm Gesellschaft heute (Luftaufnahme: Korr’s Großverlag, 6231 Schwalbach/Ts.; freigegeben Reg. Präs. Darmstadt Nr. 906/73)