Dem Boden die Nährstoffe wieder zuführen
WOHNST du in einem Getreideanbaugebiet? Wenn ja, dann mag dir das Problem der wandernden Wüste und des Hungers als meilenweit entfernt erscheinen. Aber das ist ein Irrtum.
Das Problem des Hungers ist an jedem Ort der Erde nur wenige Zentimeter weit weg.
Es ist nur so weit weg, wie die Ackerkrume tief ist. Würde man die wenigen Zentimeter Mutterboden von der Erdoberfläche entfernen, würde alles Leben schließlich sterben.
Durch die Bodenzerstörung (Soil erosion) geht auf der ganzen Erde viel wertvoller Mutterboden verloren. Afrikanische Staaten geben zu, daß die Bodenzerstörung bei ihnen ein großes Problem ist. In der äthiopischen Zeitung Herald konnte man beispielsweise lesen: „Tag für Tag wird von unserem Hochland die Muttererde tonnenweise in die Nachbarländer geschwemmt, und unsere Felder werden allmählich unfruchtbar. Geringe Bodenfruchtbarkeit aber hat einen geringen Ernteertrag zur Folge.“
Doch die Bodenfruchtbarkeit kann noch auf andere Weise beeinträchtigt werden. Wenn z. B. dem Boden die Nährstoffe, die man ihm entzieht, nicht wieder zugeführt werden, wird seine Fruchtbarkeit stark verringert. Um zu verstehen, wie das vor sich geht, muß man wissen, wie der Boden aufgebaut ist.
Was ist Boden?
Als Boden wird die oberste, belebte Verwitterungsschicht der Erde bezeichnet, auf welcher Nutzpflanzen wachsen können. Die Fachleute wissen, daß es unterschiedliche Böden gibt; jeder hat seine eigene Geschichte und seinen besonderen Wert.
Gewöhnlich sagen die Geologen, der Boden stamme von Gestein, das im Laufe von Jahrtausenden verwittert sei. Durch diesen Vorgang seien wichtige Mineralien für den Boden erzeugt worden. Natürlich haben damals noch keine Menschen gelebt, die diesen von den Geologen angenommenen langwierigen Vorgang hätten beobachten können. Das Gestein soll unter dem Einfluß des Wassers und des Wetters sowie anderer Faktoren allmählich zerfallen sein. Selbst Hartgestein verwittert unter solchen Einflüssen. Ist es jedoch erforderlich, daß man für die Entstehung des Bodens so große Zeiträume annimmt, wie die Geologen es allgemein tun?
Nicht alle Geologen sind dieser Meinung. Als 1963 die Insel Surtsey im Atlantischen Ozean geboren wurde, schrieb die Zeitschrift National Geographic in ihrem Bericht: „Die Brandung schliff in so kurzer Zeit die gezackte Lava in runde Blöcke, daß die Geologen, die Augenzeuge der Geburt der Insel Surtsey waren, nur so staunten.“ Es dauerte keine unendlich lange Zeit, sondern nur wenige Jahre, bis es so weit war. In Indonesien und in anderen Ländern ist Vulkanasche die Ursache dafür, daß ein großer Teil des Bodens so fruchtbar ist, und auch die Ablagerung von Vulkanasche geht schnell vor sich.
Entscheidend ist jedoch, was aus der Bibel hervorgeht. Sie läßt erkennen, daß der Erdboden ziemlich schnell gebildet wurde. Wir lesen darin, daß das trockene Land und die Pflanzen an ein und demselben Schöpfungs-„tag“ erschienen. Das ist eine Zeitspanne, die, wie die Bibel erkennen läßt, siebentausend Jahre umfaßte (1. Mose 1:9-13). Die Frage, die in dem Werk The Encyclopedia Americana aufgeworfen wird, ist daher angebracht: „Wie lange dauert es, bis sich eine zwei bis drei Zentimeter dicke Bodenschicht gebildet hat — feiner Gesteinsstaub, auf dem Pflanzen wachsen können? Man kann sagen: Ein paar Minuten oder ein paar Millionen Jahre. Es hängt ganz davon ab, wo es geschieht und von welcher Phase des Zyklus an man rechnet.“
Natürlich besteht der Boden nicht nur aus Gesteinsstaub. Sonst wäre er ja nur wie Sand, und es könnten keine Pflanzen darauf wachsen. Damit Pflanzenwachstum möglich ist, muß der Boden auch Humus enthalten. Humus entsteht durch einen ständigen Abbau, Umbau und Aufbau von Zersetzungsprodukten tierischer und pflanzlicher Substanzen. Bei diesen Vorgängen werden wertvolle Nährstoffe frei, die später der Ernährung von Pflanzen und Tieren dienen. Auch Tierexkremente liefern Nährstoffe.
Wie Nährstoffe erzeugt werden
Zur Ernährung der Pflanzen sind offenbar wenigstens 16 chemische Elemente erforderlich. Drei davon stammen aus der Luft: Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.
Aber die übrigen 13 stammen aus dem Boden: Phosphor, Kalium, Stickstoff, Calcium, Magnesium, Eisen, Schwefel und Spuren von Bor, Mangan, Kupfer, Zink, Chlor und Molybdän. Die ersten drei dieser 13 Elemente gelten als Grundelemente. Werden bedeutende Mengen dieser 13 chemischen Elemente dem Boden entzogen, so müssen sie ihm wieder zugeführt werden, sollen in Zukunft gesunde Pflanzen darauf wachsen.
Wie werden tote organische Substanzen im Boden bearbeitet, so daß die Pflanzen sie verwerten können? Winzige Lebewesen wandeln diese Substanzen in Nährstoffe für die Pflanzen um.
Ein Fingerhut voll Erde enthält Milliarden solcher Kleinlebewesen, und jedes trägt zur Fruchtbarkeit des Bodens bei. Die meisten dieser Organismen bevölkern die oberste Bodenschicht.
Von allen in der Erde lebenden wirbellosen Tieren gilt der verhältnismäßig große Regenwurm als am wertvollsten. Diese Würmer verdauen nicht nur, was die Erde an pflanzlichen Abfallstoffen enthält, sondern sie durchpflügen und durchlüften auch den Boden.
In fruchtbaren Böden lebt gewöhnlich eine Vielzahl von Mikroorganismen: Bakterien, Pilze, Algen und Einzeller. Stirbt eine Pflanze oder ein Tier, so nehmen bestimmte dieser Organismen den Zucker, die Stärke, die Zellulose und ähnliche Verbindungen der pflanzlichen oder tierischen Substanzen auf und erzeugen dann ihrerseits im Boden Kohlendioxid und bauen diese toten Substanzen so um, daß die Pflanzen sie aufnehmen können. Wenn sich Kohlendioxid mit Feuchtigkeit verbindet, entsteht Kohlensäure. Diese ist an der Lösung der Mineralien im Boden beteiligt.
Der Stickstoff ist für die Pflanzen lebenswichtig. Harry A. Curtis, Mitglied der Behörde zur Entwicklung der Tennesseestromregion (Tennessee Valley Authority), schätzte, daß die Menge des atmosphärischen Stickstoffs über jedem Hektar Land 77 400 Tonnen beträgt. Der Stickstoff macht etwa vier Fünftel der Atmosphäre aus. Die Pflanzen können den Stickstoff jedoch nicht direkt aus der Luft entnehmen.
Der Stickstoff muß mit einem anderen Element gebunden werden. Das geschieht unter anderem durch Bakterien, die in die Wurzeln der Leguminosen (Pflanzen wie Luzerne, Klee, Erbsen und Bohnen) eindringen und sich darin vermehren. Sie sind die einzigen Lebewesen, die den atmosphärischen Stickstoff direkt verwerten können. Wenn die Wurzeln der Leguminosen zerfallen, geben sie diesen Stickstoff an den Boden ab.
Werden jedoch sehr große Flächen bebaut, so wird dem Boden eine gewaltige Menge Nährstoffe entzogen. Untersuchungen, die von einer landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Maine (USA) durchgeführt wurden, ergaben, daß die Kartoffeln eines 1 ha großen Feldes rund 160 kg Stickstoff, 29 kg Phosphorsäure, 260 kg Kaliumkarbonat, 63 kg Calciumoxid, 33,5 kg Magnesiumoxid und 12 kg Schwefel enthalten.
Selbstverständlich werden dem Boden durch „natürliche“ Vorgänge keine solchen Mengen Nährstoffe ersetzt. Werden sie ihm aber nicht zugeführt, so wird er müde und mit der Zeit unfruchtbar. Durch eine sorgfältige Pflege des Bodens läßt sich nicht nur seine Fruchtbarkeit erhalten, sondern sie führt auch zu maximalen Erträgen. Wie können dem Boden die Nährstoffe wieder ersetzt werden?
Dem Boden die Nährstoffe wieder zuführen
Die erste Frage, die ein Bodenkundler stellen wird, lautet: „Wie steht es mit dem pH-Wert des Bodens?“ Doch nun mag der eine oder andere fragen: „Was bedeutet denn ,pH‘?“
Man unterscheidet zweierlei Bodentypen: saure Böden und alkalische Böden. Bewertet wird der Säuregrad des Bodens nach einer Skala, die von 0 bis 14 geht. Böden mit einem Säuregrad oder pH-Wert unter 7 gelten als sauer, während Böden, deren pH-Wert über 7 liegt, als alkalisch gelten. Böden, deren pH-Wert 7 beträgt, sind neutral, also weder sauer noch alkalisch.
Einige Kulturpflanzen gedeihen besser auf einem etwas sauren Boden, andere dagegen auf einem mehr oder weniger alkalischen Boden. Wenn man mit Kalk düngt, wird der Boden alkalischer, das heißt, der pH-Wert steigt.
Doch müssen nicht nur alle 13 Nährstoffe, die die Pflanzen benötigen, im Boden vorhanden sein, sondern es muß auch das richtige Säure-Base-Gleichgewicht bestehen. Nur dann können die Pflanzen die Nährstoffe im Boden voll ausnutzen.
Die Kalkdüngung bewirkt mindestens dreierlei: Erstens erhält der Boden dadurch das notwendige Calciumoxid. Zweitens werden freie Säuren durch den Kalk gebunden, so daß sie die Kulturpflanzen nicht vergiften; wenn der pH-Wert steigt, weil dem Boden Kalk zugeführt wird, sind Elemente wie Aluminium, Eisen, Mangan, Kupfer und Zink weniger löslich. Der Überschuß an diesen Elementen, der in sauren Böden vorhanden ist, schädigt die Kulturpflanzen, aber sobald der pH-Wert des Bodens angehoben wird, werden diese Elemente reaktionsträge. Drittens bewirkt Kalk eine höhere Löslichkeit von Nährstoffen für die Nutzpflanzen und begünstigt außerdem das Wachstum und die Vermehrung der Bakterien, die für die Bodenfruchtbarkeit so wichtig sind.
Da jeder Boden anders ist, muß unbedingt berücksichtigt werden, was jeder Boden an Nährstoffen benötigt. Die Hauptnährstoffe, Stickstoff (N), Phosphorsäure (P) und Kalium (K), werden auf den Handelsdüngersäcken durch drei Zahlen ausgedrückt. Die Formel 10-12-8 bedeutet zum Beispiel 10 % Stickstoff, 12 % Phosphorsäure und 8 % Kalium.
Woraus werden diese Dünger gewonnen?
Heute geben viele Landwirte und Gärtner den „natürlichen“, organischen Düngern den Vorzug. Sie verwenden beispielsweise Stalldünger, Jauche, Klärschlamm und Kompost. Es ist schon lange bekannt, daß man dadurch dem Boden wieder Nährstoffe sowie Humusbildner zuführt. In Asien, Afrika und Lateinamerika wird heute noch im großen und ganzen auf diese Weise gedüngt.
Aber in wirtschaftlich entwickelten Nationen — vor allem in Westeuropa, in Japan und in den USA — werden so große Flächen gedüngt, daß organischer Dünger dazu nicht mehr ausreichen würde. Um 1 ha Land zu düngen, würde man 34 Tonnen Kuhmist benötigen. Den meisten Landwirten steht heute keine solche Menge wirtschaftseigener Dünger zur Verfügung. Welche andere Möglichkeit bleibt ihnen da? Kunstdünger.
Es gibt Leute, die behaupten, der Kunstdünger sei schädlich, wenn er beim Anbau von Kulturpflanzen verwendet werde. Einem Bericht des amerikanischen Repräsentantenhauses ist jedoch folgendes zu entnehmen: „Es konnten keine überzeugenden Beweise dafür unterbreitet werden, daß sich die Verwendung von Kunstdünger schädlich auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirkt.“ Auch konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, daß diese Chemikalien, wenn sie richtig angewandt werden, den Kleinlebewesen im Boden schaden. Bei der im Gartenbau angewandten „biologischen Methode“ wird ebenfalls Mineraldünger verwendet — zum Beispiel aus Rohphosphat gewonnene Phosphatdüngemittel, aus Kalisalzlagern gewonnene Kalidünger und aus Kalkablagerungen gewonnener Kalk —, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten und zu vermehren.
Ein Landwirt, der schon viele Jahre Kunstdünger verwendet, erklärte: „Den Pflanzen ist es egal, woher die Nährstoffe stammen, solange sie sie bekommen.“ Und Gärtner, die die „biologische Methode“ anwenden, wissen, daß es gilt, in der Frage der Bodendüngung nicht extrem zu werden. In der Schrift Organic Gardening and Farming konnte man lesen: „Die Bodenkundler sind sich über den relativen Wert des natürlichen Düngers nicht einig (ehrlich gesagt, sind sie sich aber auch über den relativen Wert des Kunstdüngers nicht einig). Die Hersteller des natürlichen Düngers bezeichnen die studierten Agronomen als Lakaien der petrochemischen Industrie ... Die Agronomen schlagen zurück, indem sie die Verfechter der biologischen Methode als Krämerseelen bezeichnen, die ihren Kunden blauen Dunst vormachten. Zweifelsohne haben beide Seiten mit ihrer Kritik in gewisser Hinsicht recht ... Es gibt auf beiden Seiten ehrliche Leute.“
Wie gewinnt man die Hauptnährstoffe Stickstoff, Kalium und Phosphor, aus denen der Kunstdünger besteht?
Die Hauptquelle für die Gewinnung von Stickstoff ist synthetisches Ammoniak. Ammoniak wird aus Luftstickstoff und Wasserstoff erzeugt. Bei der Darstellung reinen Stickstoffs geht man von der Luft aus, aus der man die anderen Bestandteile entfernt. Wasserstoff ist ein Nebenprodukt der Petroleumverarbeitung. Verbindet man die beiden, so ergibt das Ammoniak. Ein Teil des Ammoniaks wird als wässerige Lösung einer seiner Verbindungen flüssig zur Düngung verwendet. Den größeren Teil jedoch führen Landwirte und Gärtner dem Boden in fester Form zu. Die meisten Phosphat- und Kalidünger gewinnt man durch Feinvermahlung von Rohphosphat bzw. Abraumsalzen.
Die Zukunft des Bodens
Die Menschen haben bei der Behandlung des Bodens in der Vergangenheit große Fehler gemacht und werden noch weitere Fehler machen. Aber wenn der Boden richtig behandelt wird, bleibt er fruchtbar. In der Zeitschrift Farm Journal hieß es in einem Leitartikel: „Wenn der Boden richtig gedüngt und richtig behandelt wird, bleibt er fruchtbar. Daß die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten werden kann, beweisen die Länder Europas und Asiens, wo der Boden seit Jahrtausenden bebaut wird.“
Die Fruchtbarkeit des nur wenige Zentimeter tiefen Mutterbodens ist ein kostbarer Schatz, und sie muß erhalten bleiben, sollen optimale Erträge erzielt werden.