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Geistig stark trotz körperlicher SchwächeDer Wachtturm 1963 | 15. August
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Geistig stark trotz körperlicher Schwäche
EIN Zeuge Jehovas in Westdeutschland berichtet von folgender Erfahrung: „Ich war auf dem Wege zu Menschen, denen ich schon einmal von der Wahrheit erzählt hatte. Aber ich kam nicht weit. Auf halbem Wege mußte ich wegen körperlicher Schwäche umkehren. Eine ganze Zeitlang hatte ich an einer der multiplen Sklerose ähnlichen Krankheit gelitten. Ich ging also wieder nach Hause und konnte seitdem (1958) meine Wohnung nur einige Male verlassen.
Durch die unverdiente Güte Jehovas führte ich noch zwei Heimbibelstudien durch. Die Interessierten, mit denen ich studierte, kamen zu mir. Auf diese Weise erreichte ich immer einen Durchschnitt von ungefähr fünfzehn Stunden im Monat. Ich dachte, so sei alles in bester Ordnung, aber ich täuschte mich.
Jetzt begann mein gesundheitlicher Abstieg erst richtig! Ich stürzte mehrmals in meiner Wohnung und wurde immer schwächer und hinfälliger. Aber in diesem Zustand lernte ich die Liebe meiner christlichen Brüder immer mehr kennen. Eine Schwester nahm sich Zeit, obgleich sie ihren Mann und ihr Kind zu versorgen hatte, mich im Auto zu verschiedenen Ärzten zu fahren. Die Ärzte versuchten zahlreiche Mittel, doch ohne Erfolg. Eines Tages rief ich eine ältere Schwester an und fragte sie, ob sie eine Krankenschwester für mich wüßte, da ich mich kaum noch in der Wohnung bewegen konnte. Ihr Mann hatte an die Türpfosten meiner Wohnung Griffe angebracht, an denen ich mich von Zimmer zu Zimmer entlangziehen konnte, aber nun war ich nicht einmal mehr imstande, das zu tun. Ich sollte einen Bruder anrufen, der wüßte, wo eine solche Glaubens- und Krankenschwester zu finden sei. Ich telephonierte also, und am nächsten Morgen kam eine Schwester zu mir, und sie versorgt mich in selbstloser Weise heute noch.
Der gesundheitliche Abstieg endete mit meiner Lähmung. Dadurch wurde ich vor eine vollkommen neue Situation gestellt. Schreiben konnte ich nicht mehr, reden auch nur sehr schlecht. Ich überlegte mir, wie ich wohl noch Zeugnis geben könnte. Da kam mir der Gedanke, daß ich doch Zeugnisbriefe auf Todesanzeigen diktieren könnte. Kaum hatte ich mir solche Zeugnisse ausgedacht, als schon eine Schwester aus unserer Versammlung kam, der ich sie in die Maschine diktieren konnte. Auch heute noch kommt diese Schwester regelmäßig zu mir.
Im Jahre 1961 brachte mich eine starke Verschlechterung meines Körperzustandes an den Rand des Todes. Aber Jehova hatte mir viel Arbeit zu tun gegeben, und sie mußte verrichtet werden. Ich erhielt das Vorrecht, besondere Arbeit für das Zweigbüro zu erledigen. Arbeit, die ich trotz meines Zustandes verrichten konnte. Außerdem gab es Briefe zu schreiben und zwei Heimbibelstudien zu betreuen. Man sieht also, daß man trotz zunehmender körperlicher Schwäche geistig stärker werden kann.
Ich stehe durch Tonband mit der Versammlung in Verbindung. Ein Bruder unserer Versammlung nimmt die Predigtdienstschule und die Dienstversammlung jede Woche auf Tonband auf. Dadurch höre ich alles, auch die Schlußbemerkungen des Versammlungsdieners und die Briefe der Gesellschaft, die vorgelesen werden. Alle fünf Wochen überbringt mir einer der Diener in der Versammlung den Fragebogen für die schriftliche Wiederholung und liest die Fragen vor, und ich beantworte sie, soweit ich kann.
Ich habe jetzt viel mehr Wertschätzung für die Publikationen der Gesellschaft als früher. Jede Ausgabe der Zeitschrift Der Wachtturm und Erwachet! lese ich ganz durch und kann dann kaum erwarten, bis die nächsten Ausgaben kommen. Mir dauert es immer zu lange, bis sie eintreffen!
Obgleich ich oft unter vielen Schmerzen zu leiden habe, werde ich mit diesen Drangsalen gut fertig, weil mir die Arbeit keine Zeit läßt, darüber nachzudenken. Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, daß sich eine Interessierte, die ich in meiner Wohnung betreute, 1961 auf dem Kongreß in Hamburg taufen ließ. Der Herr, der früher eine Stunde lang mit dem Auto zu mir fuhr, damit ich mit ihm die Bibel studiere, erklärte mir, daß er ebenfalls vorhabe, sich bald taufen zu lassen. So erlebe ich immer viel Freude — die Freude, regelmäßig Zeugnis zu geben, und die Freude, die ich durch die Brüder und Schwestern empfange, die mir helfen, geistig stark zu bleiben, obgleich ich körperlich immer schwächer werde.“
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Keine vergebliche MüheDer Wachtturm 1963 | 15. August
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Keine vergebliche Mühe
EIN Zeuge Jehovas, der 1962 die Watchtower Bible School of Gilead (Wachtturm-Bibelschule Gilead) absolvierte, diente vor etlichen Jahren in einer kleinen Versammlung in Forfar, Angus, Schottland. Er berichtet aus der Zeit, da die Versammlung nur aus Frauen bestand: „Neun ältere Schwestern waren dort. Ihr Durchschnittsalter mag etwa fünfundsiebzig Jahre betragen haben. Nicht allein das hohe Alter an sich war ein Hemmnis für die Schwestern. Bei zunehmenden Jahren ließen Sehvermögen und Gehör nach. Die mutige Schwester, die als Hilfsversammlungsdiener eingesetzt war, mußte zum Beispiel bei der Ausführung ihrer verschiedenen Programmpunkte in der Versammlung eine große Lupe benutzen. Der Bibelstudiendiener war eine Schwester, die das hohe Alter von fünfundachtzig Jahren erreicht hatte. Meistens mußte sie wegen ihrer Schwerhörigkeit ein Hörrohr verwenden. Als ich sie näher kennenlernte, hatte sie sich einen Hörapparat angeschafft. Die Schwestern versammelten sich in einem kleinen von Gaslicht beleuchteten Saal, der knapp zwanzig Personen faßte.
Obgleich alle neun Schwestern der Versammlung am Ort sehr bekannt waren, brachte ihre Predigttätigkeit keine sichtbaren Ergebnisse. Immer wieder gingen sie durch ihr Gebiet. Bei ihrer etwas altmodischen Erscheinung und ihrer Unfähigkeit, die Wahrheit beredt darzulegen, konnte man meinen, daß ihre Arbeit vergeblich sei. Doch sie gaben nicht auf. Viele Jahre hindurch arbeiteten sie weiter und versammelten sich. Dann geschah etwas!
Ein örtlicher Geschäftsmann überlegte es sich, warum diese älteren Damen ihre Mitmenschen jahraus jahrein besuchten, obgleich sie nichts zustandebrachten. Er beschaffte sich etwas Literatur, um seine Neugier zu befriedigen, und las sie durch. Bald begann er, die Zusammenkünfte der Versammlung zu besuchen, und hörte, wie sich die Schwestern bei ihren verschiedenen Programmpunkten anstrengten. Er sprach seine Bekannten am Ort an. Einige begannen, sich für die Wahrheit zu interessieren. Bald kaufte dieser Geschäftsmann eines der schönsten Grundstücke im Stadtzentrum und baute einen schönen, geräumigen Königreichssaal darauf. Jetzt wächst die Versammlung schnell voran.
Als letztes hörte ich, daß die Versammlung vierzig Verkündiger habe. Vor einigen Monaten erhielt ich einen Zeitungsausschnitt, der einen Bericht über die erste Kreisversammlung enthielt, die jemals dort stattgefunden hatte. Auf der Titelseite der Zeitung erschien ein Bild der fast völlig tauben Schwester, die als Bibelstudiendiener eingesetzt gewesen war. Sie war jetzt in ihrem neunzigsten Lebensjahr. Über dem Bild standen die Worte: ‚Dies ist der glücklichste Tag meines Lebens!‘ — Jehova hatte also die mutige, jahrelange Arbeit dieser treuen Schwestern belohnt. Wahrhaftig sind die Worte des Apostels Paulus nach 1. Korinther 15:58: ‚Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn.‘“
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Fragen von LesernDer Wachtturm 1963 | 15. August
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Fragen von Lesern
● Welche Verpflichtungen haben christliche Eltern einem geistig zurückgebliebenen Kind gegenüber? — M. L., USA.
1. Timotheus 5:8 gibt uns ganz deutlich und unmißverständlich die Antwort: „Wenn aber jemand für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlechter als ein Ungläubiger.“ Demnach haben Eltern die Pflicht, wenn irgend möglich für ihre Kinder, auch für geistig zurückgebliebene, zu sorgen. Sie sollten nie vergessen, daß das Kind seine geistige Behinderung nicht selbst verschuldet hat, sondern daß sie eher auf eine schwere Geburt, einen Unfall oder die Unvollkommenheit der Eltern zurückzuführen ist.
Eltern haben die Pflicht, für ihre Kinder in materieller und geistiger Hinsicht zu sorgen. Christliche Eltern sollten die in 5. Mose 6:4-7 niedergelegte Anweisung, daß ein Vater überall mit seinem Sohn über Gottes Gesetz sprechen sollte, nie außer acht lassen. Auch das Gebot in Epheser 6:4, daß die Kinder in der Zucht und im autoritativen Rate Jehovas erzogen werden sollten, darf nicht übersehen werden. Wenn ein Kind in staatliche Obhut gegeben wird, empfängt es die lebengebende Belehrung bestimmt nicht, die ihm ein liebender Vater, der seiner biblischen Verpflichtung als Gott hingegebener Christ nachkommt, vermitteln würde.
Ein Vater, der darauf bedacht ist, sein Kind in der Zucht und Ermahnung Jehovas zu erziehen, trägt zur ewigen Rettung des Kindes bei. Die Pflicht, anderen zur Rettung zu verhelfen, verlangt von uns, daß wir vor allem unseren Angehörigen helfen. Das gilt besonders für Eltern, deren Kinder noch minderjährig und deshalb in bezug auf die richtige Belehrung, Führung und Unterstützung im Glauben von ihren Eltern abhängig sind. Wäre es vernünftig, wenn sie zu Fremden gingen und ihnen zur Rettung verhelfen wollten, während sie ihr Kind, das auf sie angewiesen und ihr Fleisch und Blut ist, vernachlässigen würden?
Der Umstand, daß jemand deswegen weniger Zeit für den Predigtdienst aufwenden kann, ist kein Grund, diese Verantwortung abzuwälzen. Ist das Kind geistig jedoch so schwach, daß es keine geistige Speise oder Erkenntnis aufnehmen kann, die ihm zum Glauben und zur Rettung verhelfen würde, so mögen es sich die Eltern überlegen, ob sie das Kind vielleicht in ein
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