Wir beobachten die Welt
„Vater Rhein“ — ein sterbender Greis
◆ Die Zeitschrift bild der wissenschaft malt unter der Überschrift „Luft für den Rhein“ ein düsteres Bild dieses gewaltigen Stromes. Sie schreibt wörtlich: „Der Strom stirbt.“ Als Ursache werden die Unmengen Abwässer industrieller und kommunaler Art angegeben, die den Rhein zum schmutzigsten Fluß Europas machen, dessen Reinigungskraft auf weiten Strecken nicht mehr ausreicht, um selbst die organischen Verunreinigungen abzubauen, weil seine Sauerstoffreserven erschöpft sind. Auf Sauerstoff sind aber nicht nur die Fische angewiesen, sondern auch die Mikroorganismen, jene Bakterien, die in den Gewässern gleichsam als Reinigungspersonal tätig sind, indem sie organische Schmutzstoffe abbauen. Obwohl die Mikroorganismen sehr bescheiden sind und sich mit einem Sauerstoffgehalt von etwa fünf Milligramm pro Liter begnügen, können sie aber nicht mehr existieren, wenn der Sauerstoffgehalt auf weniger als drei Milligramm pro Liter herabsinkt. Dann „kippt“ das Gewässer „um“ und wird zur faulig-stinkenden Brühe.
Da beim Rhein — wie die Zeitschrift sagt — die kritische Grenze an verschiedenen Stellen zeitweilig schon unterschritten sei, könne der Zustand nur durch gezielte Zufuhr von Sauerstoff spürbar verbessert werden. Um das Schlimmste abzuwenden, habe die Versuchsanstalt für Binnenschiffbau in Duisburg ein neues Verfahren zur Sauerstoffanreicherung absterbender Binnengewässer entwickelt. Mit einem von Siemens entwickelten Kompressor sei kürzlich auf einer Versuchsstrecke von 35 km der Rhein von Schiffen aus „künstlich beatmet“ worden, pro Stunde seien 1 800 m3 Luft dem Strom zugeführt worden, die von der Schiffsschraube in einer Tiefe von 60 bis 160 cm breitflächig verteilt worden seien.
Wer hätte vor dreißig oder vierzig Jahren, als die Ufer des Rheins von zahllosen Badeanstalten gekennzeichnet waren, geglaubt, daß für den kraftstrotzenden „Vater Rhein“ einmal ein Sauerstoffgerät erfunden werden müsse?
Neue Nachbarn unserer Erde
◆ Nach einer dpa-Meldung sind seit 1957 1 716 Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen worden. Jetzt umkreisen noch etwa 500 den Erdball. Dabei handelt es sich keineswegs um die einzigen Gegenstände in der Erdumlaufbahn. Der NASA-Experte David Brooks teilte mit, daß insgesamt 9 000 Objekte um die Erde fliegen, bei denen es sich zu 83 Prozent um „Weltraumabfall“ handelt.
Feuerwerk für achtzig Millionen Mark
◆ Die Großhändler von pyrotechnischen Erzeugnissen schätzen, daß trotz der Wirtschaftskrise am Silvesterabend ungefähr 80 Millionen Mark in den Himmel geschossen wurden, etwa soviel wie ein Jahr zuvor. Dazu kommt der vom Feuer angerichtete Sachschaden, der erfahrungsgemäß auch mehrere Millionen Mark beträgt. Besonders gefragt waren dieses Jahr die „Mittelklasseraketen“ in einer Preislage bis zu 3,50 Mark sowie Knaller aller Art.
Koordinierte Bekämpfung der Haschzentrale Amsterdam
◆ Seit die „French Connection“ (Rauschgift-Verbindung über Marseille) vor Jahren aufgerollt wurde, blüht der illegale Import von Heroin und anderen Drogen über die „Dutch Connection“ — ein Begriff für internationale Experten in Drogenfragen. Der Haager Justizminister Andries van Agt vertritt den Standpunkt, daß sich in Amsterdam zur Zeit 3 000 bis 5 000 Drogensüchtige befinden, während pessimistische Experten glauben, daß es nahezu 10 000 sind. Seit die chinesischen Heroin-Schmuggler den Markt in Vietnam verloren haben, wo sie die US-Truppen belieferten, richten sie sich mehr und mehr in Amsterdam ein, wo sie besonders in der großen chinesischen Kolonie untertauchen können. Wie Chefinspektor Torenaar — Chef der sogenannten Narkotika-Brigade in Amsterdam — kürzlich mitteilte, konnte er eine 25 Mann starke Schmugglerbande unschädlich machen, die für den Schmuggel die Fluglinien nach Paris und Brüssel benutzte, da für sie der Amsterdamer Flugplatz zu „scharf“ war.
Diese besorgniserregende Entwicklung veranlaßte den Haager Justizminister zu einer Reise in die USA, um mit der amerikanischen Regierung Pläne für die schärfere Bekämpfung des Drogenhandels zu besprechen.
Todesdroge
◆ Todesdroge nennt man die teuflische Mischung aus Heroin, Morphium und Aufputschmitteln, die seit neun Monaten in der Nürnberger Rauschgift-Unterwelt kursiert. 25 Personen, die den „harten Kern“ dieser Unterweltgruppe bilden, spritzen sich die Droge, die sie „den scharfen Stoff“ nennen. Die Wirkung ist verheerend. Sie lähmt die Lust am Leben und löst eine regelrechte Todessehnsucht aus.
Bild berichtet von 9 Jugendlichen, die in der Zeit vom 18. April 1974 bis 12. Januar 1975 ihr Leben verloren. Der letzte schoß sich in der Nacht vom 4. zum 5. Januar 1975 eine Gewehrkugel in den Kopf, nachdem er vier Tage zuvor seinem Freund erklärt hatte: „Mann! Dieser Stoff ist das Höchste. Dafür geb’ ich gern ein paar lumpige Jahre her.“ Ein neunzehnjähriger Oberschüler schilderte dem Nürnberger Jugendpsychiater Dr. Heubeck die Wirkung dieser Todesdroge, von der ein Gramm bis zu 20 Mark kostet, wie folgt: „... dann war’s, als ob der Teufel in mich reinfährt: Todesangst. Unendlich lange Gestalten, grausame Fratzen, haben mit langen Messern auf mich eingestochen. Ich wollte fliehen, hatte den Drang, mich aufzuhängen.“
Neuerungen in der Transfusionsmedizin
◆ Anläßlich einer Landestagung im kleinen Kursaal in Bad Cannstatt haben sich Anfang Dezember 1974 etwa 80 Rotkreuzärzte aus Baden-Württemberg getroffen und unter der Leitung von DRK-Landesarzt Dr. Stöckel über Neuerungen in der Transfusionsmedizin gesprochen. Dabei wurde betont, daß man heute immer mehr von der Vollblutkonserve abkomme. Statt dessen werde der Einsatz von Eiweißlösungen und Plasma immer größer.
Bei dieser Gelegenheit diskutierten die DRK-Ärzte auch über die Typhusepidemie und kamen zu dem Schluß, daß die bakteriologischen Lebensmitteluntersuchungen verstärkt und die Betriebskontrollen intensiviert werden müssen. Dr. Heinz Hüpper, Ministerialrat im Sozialministerium, unterstrich die Notwendigkeit der Früherkennung vor allem mit dem Hinweis darauf, daß in jedem Jahr zahlreiche Einzelfälle von Typhus registriert werden. Allein 1973 seien in der Bundesrepublik mehr als 400 Typhuseinzelfälle bekanntgeworden.
Cholera in Mekka?
◆ Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 31. Dezember 1974 berichtete, sind mehr als 300 nigerianische Mekka-Pilger während ihres Aufenthaltes an der islamischen Wallfahrtsstätte in Saudi-Arabien mutmaßlich an der Cholera gestorben. Das jedenfalls hatte die in Lagos erscheinende Daily Times berichtet. Angeblich hatten die afrikanischen Pilger im Mekka-Viertel Masfala bei einem Rohrbruch ausströmendes Wasser getrunken, das ihnen zum Verkauf angeboten worden war.