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Überschwemmungen in Brasilien — Warum so verheerend?Erwachet! 1974 | 22. September
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Überschwemmungen in Brasilien — Warum so verheerend?
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Brasilien
„DIE schlimmste Katastrophe, die Brasilien je heimsuchte.“ Mit diesen offenen, direkten Worten beschrieb ein Regierungsbeamter die verheerenden Überschwemmungen im vergangenen März.
Selbst jemand, der anschaulich und fließend erzählen kann, kann kein vollständiges Bild von den grauenhaften Geschehnissen geben. Doch auch wenn man nur flüchtig den Ausdruck auf den Gesichtern der Überlebenden betrachtet, erfaßt man die überwältigenden Auswirkungen, die die Katastrophe hinterlassen hat. Diese Menschen — Bewohner von mindestens einem Dutzend heimgesuchter Staaten Brasiliens, von Rio Grande do Sul im Süden bis Pará im Norden — sahen die Folgen herniederprasselnden Regens und heftig schäumender Fluten mit eigenen Augen.
Die endgültige offizielle Zahl der Todesopfer im Lande liegt möglicherweise bei über 1 000. In Wirklichkeit weiß keiner, wie viele starben; unzählige Leichname liegen unter dicken Schichten Morast und Schlamm begraben, liegen auf dem Grund von Flüssen oder sind ins Meer hinausgeschwemmt worden. Doch man weiß, daß über 300 000 Menschen obdachlos wurden.
Die Landwirtschaft, ein wesentlicher Bestandteil der brasilianischen Wirtschaft, erlitt durch die Überschwemmungen schwere Schäden. Gemäß Schätzungen erlitt der Staat Mato Grosso schwindelerregende Verluste. Möglicherweise kamen 500 000 Stück Vieh um, ein Fünftel des gesamten Viehbestandes dieses Staates. Der Schaden, der auf den Farmen in Rio Grande do Norte entstand, wurde auf fünf Millionen Cruzeirosa berechnet, und zwar hauptsächlich wegen der vernichteten Mais- und Bohnenernte. Im Staate Maranhão wurden große Reisplantagen verwüstet.
Tubarão am schlimmsten betroffen
Insgesamt gesehen, sind die größten Schäden in dem südlichen Staat Santa Catarina entstanden, und zwar besonders in Tubarão, bis dahin eine Stadt von 70 000 Einwohnern. In der Gegend von Tubarão sind nachweislich etwa 200 Personen ums Leben gekommen, 45 000 wurden obdachlos, und die Sachschäden belaufen sich auf schätzungsweise 500 Millionen Cruzeiros.
Durch die Stadt fließt der Tubarão, der an manchen Stellen in der Stadt 130 Meter breit ist. Das Flußufer liegt zwei Meter höher als der größte Teil der Stadt. Dieser Umstand war für die Überschwemmung verantwortlich. Inwiefern? Nun, am Mittwoch, dem 20. März, setzten schwere Regenfälle nach einer langen Trockenzeit ein. Einige Tage später mußten die Bewohner der tiefer liegenden Stadtgebiete in höher liegende Gebiete evakuiert werden. Am Sonntagmorgen, dem 24. März, schienen sich die Wasser zu verlaufen, und die Menschen konnten in ihre Häuser zurückkehren und mit den Säuberungsarbeiten beginnen. Doch an jenem Abend begann der Fluß an verschiedenen Stellen über die Ufer zu treten.
Bald wurden Häuser überschwemmt, während die reißenden Wasser, die an manchen Stellen bis zu 500 Meter breit waren, sich mit einer nie zuvor festgestellten Geschwindigkeit in die Straßen ergossen und Bäume, Fahrzeuge, Möbel und Schlamm mit forttrugen. Um Mitternacht hatte der Fluß seinen höchsten Stand erreicht, etwa zwölf Meter über dem Normalstand. Brücken wurden unpassierbar oder wurden aus ihrer Verankerung herausgerissen. Unterdessen hielten die Regenfälle an, bis 95 Prozent der Stadt unter Wasser standen. Insgesamt fielen 2 050 Millimeter Niederschlag in vier Tagen, wahrscheinlich der stärkste Niederschlag, der je in Brasilien verzeichnet wurde.
Viele Überlebende der Überschwemmung wanderten wie benommen zwischen den Trümmern umher und wußten nicht, wonach sie sich umsehen sollten, ob nach vermißten Verwandten, einem zerstörten Haus oder einer kleinen Ration Mineralwasser oder Lebensmittel an einer der endlosen Schlangen, die sich vor den Verteilungsstellen gebildet hatten. Von überallher kam ein schrecklicher Geruch. Aus Furcht vor einer Epidemie wurden die Toten in Massengräbern begraben.
Die Zeitung O Estado berichtete: „Es hätte nicht viel gefehlt, und Tubarão hätte von der Landkarte ausradiert werden können.“ Die Stadt erlebte einen Massenexodus, denn die Menschen glaubten, die Entwicklung Tubarãos sei mindestens um zehn Jahre zurückgeworfen worden. Viele stellten die Frage: Brasilien hat doch schon viele Überschwemmungen erlebt; warum waren gerade diese so verheerend? Dafür gab es verschiedene Gründe.
Warum so schwer?
Natürlich wurden durch die fast eine Woche andauernden heftigen Regenfälle große Wassermassen frei, die dann die Zerstörung anrichteten. Aber der Regen war nur einer der sichtbaren Faktoren in einer Kette tödlicher Umstände. Durch Erdrutsche wurde das Wasser in bestimmte Bahnen gelenkt; zwei Meter breite Bäche wurden plötzlich zu reißenden Flüssen, dreißig oder noch mehr Meter breit. Außerdem, verhinderten eine außerordentlich hohe Flut und starke Ostwinde, daß der Fluß in den Atlantik entwässerte. Dadurch wurde das Wasser in das Inland zurückgestaut.
Doch so überraschend es scheinen mag, waren die „natürlichen Ursachen“, wie Wasser und Wind, nur zum Teil für die Katastrophe verantwortlich. Der Mensch trägt einen großen Teil der Schuld an den gewaltigen Schäden, die durch die Überschwemmungen im März entstanden sind.
Teilweise trug der Mensch natürlich nur indirekt die Schuld. Zum Beispiel waren Brücken gebaut worden, um die Verkehrsverbindung über den Fluß zu erleichtern. Jedoch spielten die Brücken bei der Überschwemmung eine Rolle. Tonnen von Trümmern wurden vom Wasser angeschwemmt und setzten sich in solchen Mengen an den Brückenpfeilern fest, daß der freie Fluß des Wassers behindert wurde. Schließlich wurden einige Brücken durch den gewaltigen Druck losgerissen. Mit welchem Ergebnis? Eine sechzig Meter lange Brücke aus Baumstämmen wurde von dem tobenden Wasser dreißig Kilometer weit fortgetragen und mähte wie eine gewaltige Sense alles nieder, was ihr in den Weg kam.
Doch spielte auch die Gedankenlosigkeit und Sorglosigkeit des Menschen eine unmittelbare Rolle bei den Überschwemmungen. Wieso? Die Zeitung O Estado de São Paulo gibt die Antwort: „Die Hauptursache der Überschwemmungen ... war die rücksichtslose Entforstung.“ Professor Piquet Carneiro, ehemaliger Präsident der brasilianischen Naturschutzvereinigung, stimmt mit dieser Ansicht überein und sagt, Ökologen hätten die Überschwemmungen aufgrund der unkontrollierten Abholzung in Brasiliens Wäldern schon vor mehreren Jahren erwartet.
Bäume bilden einen natürlichen Schutz vor dem Regen, da sie Erosion und Erdrutsche verhindern. Brasilien hatte einmal dichte tropische Wälder. Aber heute werden täglich eine Million Bäume in diesem Land gefällt, während nur ein Drittel wieder aufgeforstet wird.
Daß man gewaltige Breschen in die Wälder schlug, begründete man damit, daß dies unerläßlich für den „Fortschritt“ des Menschen sei. Zum Beispiel haben die großen Autobahnen, die jetzt das ganze Amazonasgebiet durchdringen, Tausende von Pionieren hereingebracht, die zum größten Teil mit den Maßnahmen zum Naturschutz nicht vertraut sind. Dadurch, daß man in so großem Ausmaß Bäume fällte, sind in einigen Teilen des Landes tiefe Breschen in die Wälder geschlagen worden. Wo einstmals Wälder standen, befinden sich heute Städte. Außerdem sind viele Plantagen angelegt worden, auf denen Kaffee und Sojabohnen angebaut werden.
Somit waren die Überschwemmungen nach Ansicht vieler Sachverständiger nichts anderes als ein Bumerang. Der Mangel an Weitsicht hat sich gerächt — und deshalb sind die Überschwemmungen so verheerend gewesen. Aber es kann noch schlimmer kommen. José Lutzemberger, Präsident der Gesellschaft für Umweltschutz in Rio Grande do Sul, sagte voraus: „Die Katastrophe, die Tubarão heimsuchte, ist nur ein Vorzeichen kommender Dinge; in späteren Jahren wird es noch größere Katastrophen geben. Wir erleben wahrscheinlich die ersten klimatischen Veränderungen, die durch die Vernichtung verursacht werden, die der Mensch auf der ganzen Erde anrichtet.“
Fürs erste jedoch sind die Überlebenden froh, daß die jüngsten Überschwemmungen nicht noch schlimmer waren. Tatsächlich wurde durch den heldenhaften Einsatz und durch gute Zusammenarbeit vieler Menschen noch größeres Unheil in Tubarão abgewendet.
Es hätte schlimmer kommen können
Als die Wasser am Sonntagabend, dem 24. März, zu steigen begannen, versuchte ein verzweifelter und unheimlicher Chor von Autohupen und Lokomotivpfeifen die schlafende Stadt zu wecken. Dadurch sind viele Menschenleben gerettet worden. Als Busse in höher gelegene Stadtteile geschickt wurden, nahmen die Fahrer fliehende Schutzsuchende auf, und dadurch sind schätzungsweise 400 Personen gerettet worden. Die Busse dienten dann den Obdachlosen fast eine Woche lang als Zufluchtsort. Mit Hilfe von sechs Helikoptern wurden etwa 6 000 Menschen von den Hausdächern gerettet. Einige Soldaten und Angestellte der Stadt arbeiteten 24 Stunden am Tag hintereinander ohne Pause, um Familien aus den am schlimmsten betroffenen Gebieten zu evakuieren.
Verschiedene brasilianische Institutionen sorgten dafür, daß 20 000 Menschen nach der Katastrophe einige Wochen lang Nahrung und Kleidung erhielten. Jeden Tag trafen etwa 40 Tonnen Lebensmittel ein. Das Internationale Rote Kreuz schickte aus Frankfurt 500 Zelte.
Alle achtunddreißig Zeugen Jehovas der Versammlung Tubarão überlebten die Überschwemmung, obwohl viele große materielle Verluste erlitten. Ein Kreisaufseher berichtet, daß die Zeugen „selbst angesichts des Todes nicht den Mut verloren“. Der vorsitzführende Aufseher der Versammlung, Valdomiro Cardoso, berichtet über seine Bemühungen, den Leidenden zu helfen: „Nachdem ich meine Familie in ein nahe gelegenes Gebäude gebracht hatte, ging ich zurück, um anderen Menschen aus der Gefahr zu helfen. Das Wasser stieg schnell, und die Strömung war sehr stark. Die Weltmenschen um uns herum waren wie betäubt. Aber wir vertrauten uns im Gebet Jehova an und versuchten, sie mit der Hoffnung der herannahenden Königreichssegnungen zu trösten.“
Zeugen Jehovas aus der nahe gelegenen Stadt Florianópolis waren unter den ersten, die mit Nahrung, Kleidung, Wasser und Medizin in das verwüstete Tubarão kamen. Schnell wurde ein Hilfsprogramm eingerichtet, durch das die Zeugen und andere Personen in dem Gebiet von verschiedenen Versammlungen sowie vom Zweigbüro der Wachtturm-Gesellschaft in São Paulo Hilfe erhielten.
Wiederaufbau
Die Bevölkerung von Santa Catarina hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Unter dem Motto „Der Süden lebt“ sind die Menschen angeregt worden, wieder aufzubauen. Lastwagen und Maschinen sollen geschickt werden, um zerstörte Gebäude, Trümmer und die stinkende dicke Schlammschicht zu beseitigen. Viele hundert Millionen Cruzeiros sind von der Landes- und der Bundesregierung zum Wiederaufbau der Häuser, Straßen, der Landwirtschaft und der Industrie zur Verfügung gestellt worden.
Die Bewohner der heimgesuchten Gebiete sehen nun dem Wiederaufbau entgegen. Aber die Überschwemmungen in Brasilien haben ihnen die Tatsache eingeprägt, daß hauptsächlich der Mensch, nicht nur die Naturkräfte, für die jüngste Katastrophe verantwortlich war, die ihr Land heimsuchte. Sie wissen, daß der Mensch offensichtlich noch viel lernen muß, um mit seiner Umwelt in Frieden leben zu können.
[Fußnote]
a Ein Cruzeiro ist ungefähr 0,40 DM wert.
[Karte auf Seite 24]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
TUBARÃO
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Wird deine Zukunft vom Schicksal bestimmt?Erwachet! 1974 | 22. September
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Was sagt die Bibel?
Wird deine Zukunft vom Schicksal bestimmt?
JEDES Jahr kommen Tausende von Menschen in ihrer Wohnung, bei der Arbeit oder auf der Reise durch Unfälle ums Leben. Weitere Tausende erleiden schwere Verletzungen, wenn das Unerwartete eintritt. Warum? Und wie kommt es, daß manchmal unvorhergesehene glückliche Umstände das Leben einzelner Menschen verschönern? Die meisten Menschen betrachten solche Ereignisse als Zufälle. Sind es wirklich Zufälle?
Gewisse Personen sagen nein. Sie glauben, daß jedes Ereignis im Leben eines Menschen, auch der Zeitpunkt des Todes, vom Schicksal vorherbestimmt worden sei. Napoleon Bonaparte schrieb einmal: „Unsere Stunde ist gekennzeichnet, und niemand kann über das hinaus, was das Schicksal vorherbestimmt hat, auch nur einen Augenblick des Lebens beanspruchen.“
Unter denen, die der Auffassung sind, ihre Zukunft werde vom Schicksal bestimmt, gibt es viele, die an Gott glauben. Sie sind der Meinung, Gott müsse alle zukünftigen Ereignisse vorauswissen. Und auf diese Annahme gestützt, folgern sie, daß alle zukünftigen Ereignisse vorherbestimmt seien, denn was Gott vorherwisse, werde auf jeden Fall eintreten. Einige haben diese Vorstellung zu dem Glauben an die göttliche Vorherbestimmung erweitert. Sie meinen, Gott habe bestimmte Menschen zur Rettung vorherbestimmt, den Rest der Menschheit aber zu ewiger Strafe.
Hat Gott tatsächlich alles vorhergewußt, was sich im Laufe der Geschichte ereignet hat? Weiß er schon jetzt genau, was seine Geschöpfe in der Zukunft tun werden? Wird deine Zukunft von einem solchen Schicksal bestimmt?
Die Bibel erklärt deutlich, daß vieles, was den Menschen widerfährt, reiner Zufall ist, denn „Zeit und unvorhergesehenes Geschehen trifft sie alle“ (Pred. 9:11). Außerdem gewährt Jehova Gott seinen vernunftbegabten Geschöpfen das Vorrecht und die Verantwortung der freien Willensentscheidung. Die Israeliten der alten Zeit wurden ermahnt, ‘das Leben zu wählen’, indem sie auf Jehova Gott hören sollten. Der Prophet Zephanja forderte die Sanftmütigen auf, ‘Jehova zu suchen’ (5. Mose 30:19, 20; Zeph. 2:3). In Offenbarung 22:17 läßt Gottes Wort an ‘jeden, der wünscht’, die Einladung ergehen, sich Gottes Vorkehrungen zur Rettung zunutze zu machen.
In der inspirierten Heiligen Schrift wird Jehova als ein barmherziger, gerechter, unparteiischer und liebevoller Gott beschrieben (5. Mose
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