„Regentänze“ im alten Griechenland
Fast alle Völker des Altertums pflegten Bräuche wie Regentänze und brachten Gebete um Regen in der einen oder anderen Form dar. Auch die Griechen bildeten hierin keine Ausnahme. Von den vielen Bräuchen war einer unter den Dorfbewohnern besonders verbreitet, und zwar perperuna oder die Bitte an die Götter, für ausreichend Regen zu sorgen.
perperuna ist lediglich die Bezeichnung für den roten Klatschmohn, der im Frühjahr in Griechenland überall wächst. Der Frühling ist aber auch die Zeit, in der es regnen muß, damit im Herbst eine reiche Ernte eingebracht werden kann. Wenn der Regen ausbliebe, würde dies Unglück für die Landbevölkerung bedeuten. Um nun die Gunst und den Segen der Götter zu erlangen — und Regen als ihr Geschenk —, feierten die Dorfbewohner nach altem Brauch perperuna.
Zu Beginn der Feier versammelten sich die jungen Mädchen des Dorfes auf dem Marktplatz. Eines von ihnen wurde ausgewählt und als perperuna verkleidet. Um an die Barmherzigkeit der Götter zu appellieren, wurde gewöhnlich ein armes, elternloses Mädchen gewählt. Man zog ihm ein altes Kleidungsstück an und befestigte daran Weidenzweige, Blätter, Blumen und grünes Gras, bis das Mädchen von Kopf bis Fuß völlig bedeckt war. Dieses Pflanzenkleid war so dicht, daß die Trägerin kaum hindurchsehen konnte. Tatsächlich mußte perperuna, die einer wandelnden Pflanze glich, durch das Dorf geführt werden.
Gemäß der Tradition war perperuna ein Symbol für das ausgedörrte Land. Um den Durst zu stillen und damit Frucht hervorkomme, begleiteten die Dorfbewohner perperuna von Haus zu Haus, wobei die anderen Mädchen sich ihnen anschlossen und, so laut sie konnten, dieses Lied sangen:
perperuna geht umher,
betet laut zu Gott so sehr.
Herr gib, daß etwas Regen falle,
und belebe uns doch alle.
Was wir gesät, mag aufgehn dann,
die Feldfrucht wachse auch heran.
Immer wenn der feierliche Umzug ein Haus erreichte, begrüßte die Hausfrau perperuna, indem sie Wasser über sie goß und rief: „Laß es regnen! Laß es regnen!“ Triefend naß, antwortete perperuna, indem sie sich kräftig schüttelte, so daß das Wasser aus ihrem Pflanzenkleid umherspritzte, so, als würde es regnen.
Nachdem die Dorfbewohner perperuna schließlich durch das ganze Dorf geführt hatten, begleiteten sie sie an ein Gewässer. Dort tauchte man sie dreimal im Wasser unter und rief fortwährend: „Laß es regnen! Laß es regnen!“
Dieser Brauch, genannt perperuna, war etwa bis zum Ersten Weltkrieg in ganz Griechenland verbreitet. Er wurde in den verschiedenen Landstrichen unter Namen wie paparuna, perperitsa und ververitsa gepflegt. Man sagt zwar, der Brauch sei jetzt ausgestorben, ausgenommen in abgelegenen Dörfern, doch ist er lediglich von religiösen Prozessionen abgelöst worden, die von der Kirche anerkannt sind. Die Verbindung von Magie, Aberglaube und Religion spielt im Leben der Menschen, selbst in sogenannten christlichen Ländern, eine nicht unbedeutende Rolle.