Fragen von Lesern
● Warum gebraucht die Neue-Welt-Übersetzung in Matthäus 4:24 den Ausdruck „Epileptiker“, während in anderen Übersetzungen der Ausdruck „Mondsüchtige“ erscheint? — P. K., USA.
Nach der Neuen-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften lautet dieser Vers wie folgt: „Und der Bericht über ihn drang durch ganz Syrien und man brachte ihm alle, denen es schlecht ging, die mit verschiedenen Leiden und qualvollen Übeln behaftet waren, von Dämonen Besessene und Epileptiker und Gelähmte, und er heilte sie.“ — Matth. 4:24.
Das in Matthäus 4:24 und 17:15 mit „Epileptiker“ wiedergegebene griechische Wort seleniazomai bedeutet buchstäblich „mondsüchtig sein“. Die meisten deutschen Bibelübersetzungen geben dieses griechische Wort daher mit „Mondsüchtige“ wieder. Vermittelt aber dieses Wort die eigentliche Bedeutung? Nein, denn die Gelehrten stimmen darin überein, daß damit keine seelische Störung gemeint ist, sondern die chronische Erkrankung des Gehirns, die heute als Epilepsie bezeichnet wird. In diesem Sinne wird das erwähnte griechische Wort auch in nichtbiblischen Werken gebraucht.
Es gab eine Zeit, in der man annahm, „die epileptischen Anfälle seien auf den Mondwechsel zurückzuführen“ (Word Pictures in the New Testament von A. T. Robertson, Bd. 1, S. 37). Ob diese Annahme vorherrschte, als Matthäus sein Evangelium schrieb, ist nicht bekannt. Wenn er auch diesen griechischen Ausdruck gebrauchte, so bedeutet das nicht, daß er damit sagen wollte, die Epilepsie werde durch den Mond hervorgerufen oder verursacht.
Im Hinblick auf die Bedeutung des griechischen Wortes haben daher verschiedene neuzeitliche Übersetzer in Matthäus 4:24 oder in einer Fußnote den Ausdruck „Epileptiker“ gebraucht. (Siehe die Jerusalemer Bibel, die in Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch erschienen ist.) Die Wiedergabe von Matthäus 4:24 in der Neuen-Welt-Übersetzung ist daher ein Beweis dafür, daß die Übersetzer daran interessiert waren, die genaue Bedeutung des Bibeltextes in der heutigen Sprache wiederzugeben.
● Sagte Jesus zum Apostel Petrus, er solle siebenundsiebzigmal (77mal) oder siebzigmal siebenmal (490mal) vergeben? — A. L., USA.
Dieser Frage liegt Matthäus 18:21, 22 zugrunde. Nach der Neuen-Welt-Übersetzung lauten diese Verse wie folgt: „Dann trat Petrus herzu und sagte zu ihm [Jesus]: ‚Herr, wievielmal kann mein Bruder gegen mich sündigen und ich soll ihm vergeben? Bis siebenmal?‘ Jesus sprach zu ihm: ‚Ich sage dir: Nicht bis siebenmal, sondern: Bis siebenundsiebzigmal‘“
Nach dieser modernen und genauen Übersetzung sagte Jesus also zu Petrus, er solle siebenundsiebzigmal (77mal) vergeben, und es gibt auch stichhaltige Gründe für diese Wiedergabe. Man sollte aber hinsichtlich der Antwort Jesu auf diese Frage keine Behauptungen aufstellen. Professor A. T. Robertson, ein bekannter Gelehrter der griechischen Sprache, äußerte sich wie folgt: „Es steht nicht eindeutig fest, ob dieses Idiom als siebenundsiebzigmal aufzufassen ist oder so, wie die Revised Version es wiedergibt (490mal).“
Wenn wir die Antwort Jesu betrachten, wie sie in den griechischen Handschriften steht, erkennen wir die Schwierigkeit. Jesus benutzte den Ausdruck hebdomekontakis hepta, was, buchstäblich übersetzt, „siebzigmal sieben“ bedeutet. Die Schwierigkeit entsteht durch die dem Wort hebdomekonta hinzugefügte Nachsilbe kis. Diese Nachsilbe wird im Griechischen auf zwei Arten gebraucht. Sie kann benutzt werden, um die Multiplikation auszudrücken, im Sinne von „mal“, zum Beispiel „sieben mal sieben“ (7 × 7) wäre heptakis hepta. Kis kann aber auch als Nachsilbe im Sinne von „Male“, das heißt im Sinne von „Begebenheiten“ oder „Fälle“ verwendet werden. Zum Beispiel: „Wie viele Male ist der Junge hingefallen?“ „Er fiel siebenmal (heptakis) hin.“ Es fragt sich also, ob die Antwort Jesu „siebzigmal sieben“ als „siebzig mal [multipliziert mit] sieben“ oder als „siebenundsiebzig Male [Begebenheiten]“ verstanden werden sollte.
Ein Grund, weshalb in der Neuen-Welt-Übersetzung letzteres gewählt wurde, ist auch die Form der Fragestellung des Petrus. Er verwendete nicht den Ausdruck posas, „wieviel“, sondern posakis, „wievielmal“. Dann fragte er weiter „Bis heptakis?“, das heißt: „Bis siebenmal?“ Es ist vernünftigerweise anzunehmen, daß Jesus der Ausdrucksweise des Petrus entsprechend antwortete. Demnach hätte er gesagt: „Bis siebenundsiebzigmal.“
Die Wiedergabe „siebenundsiebzigmal“ wird ferner durch den Bericht in 1. Mose 4:24 gestützt. Jehova sagte, daß jeder, der Kain etwas antue, siebenmal gerächt werde. (1. Mose 4:15) Später sagte Lamech prahlerisch: „Denn wird Kain siebenmal gerächt, so Lamech siebenundsiebzigmal.“ (1. Mose 4:24, ZB) Der hebräische Text läßt deutlich erkennen, daß es 70mal und 7 oder 77mal heißen muß. Was entspricht diesem im Griechischen? Die griechische Septuaginta gebraucht den Ausdruck hebdomekontakis hepta. Da in Matthäus 18:22 der gleiche Ausdruck steht, ist anzunehmen, daß die Antwort, die Jesus Petrus gab, mit „siebenundsiebzigmal“ wiedergegeben werden sollte.
Man könnte noch hinzufügen, daß Christus möglicherweise die Drohung Lamechs im Sinn hatte. Welch ein vortrefflicher Gegensatz wären in diesem Fall Jesu Worte gewesen! Statt zu prahlen und mit siebenundsiebzigfacher Rache zu drohen, sollte ein Christ siebenundsiebzigmal vergeben. Jesus hob dadurch hervor, daß wir nicht zögern sollten zu vergeben, sondern daß wir großzügig und zum Vergeben bereit sein sollten. Er hatte schon früher gesagt: „Glücklich sind die Barmherzigen, da ihnen Barmherzigkeit erwiesen wird.“ — Matth. 5:7.
● Nach der Bibel lebte Moses hundertundzwanzig Jahre. Wieso konnte er dann schreiben (Ps. 90:10), des Menschen Jahre seien nur siebzig oder achtzig Jahre? — J. W., England.
Die Überschrift des 90. Psalms lautet: „Ein Gebet von Mose, dem Manne Gottes.“ Die Schreiber des jüdischen Talmuds und viele Gelehrte stimmen darin überein, daß Moses diesen Psalm verfaßte. Franz Delitzsch, ehemals Professor an der Universität Leipzig, schrieb zum Beispiel: „Es gibt kaum ein Literaturdenkmal des Altertums, das das überlieferte Zeugnis über seinen Ursprung so hervorragend bestätigt wie dieser Psalm. Nicht nur sein Inhalt, sondern auch seine literarische Form entspricht Moses voll und ganz.“
Moses schrieb in diesem Psalm: „Die Tage unserer Jahre — ihrer sind siebenzig Jahre und, wenn in Kraft, achtzig Jahre, und ihr Stolz ist Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell eilt es vorüber, und wir fliegen dahin.“ (Ps. 90:10) Viele haben sich schon gewundert, wie Moses diese Worte schreiben konnte, da er selbst doch länger lebte. Nach 5. Mose 34:7 war Moses „hundert und zwanzig Jahre alt, als er starb; sein Auge war nicht schwach geworden, und seine Kraft nicht geschwunden“.
Eigentlich sollte dies kein besonderes Problem sein. Wie alt Moses war, als er diesen Psalm verfaßte, wissen wir zwar nicht, aber er wußte aufgrund seiner Beobachtungen offensichtlich, daß jemand, der siebzig Jahre alt wird, ein ziemlich hohes Alter erreicht und achtzig Jahre schon über die normale Lebenserwartung hinausgehen. Die meisten erwachsenen Israeliten der Generation, die aus der ägyptischen Sklaverei befreit worden war, lebten nicht sehr lange. Die, die beim Auszug über zwanzig Jahre alt waren, starben bis zum Ende der vierzigjährigen Wanderung.
Es gab allerdings Ausnahmen, wie Moses (120), Aaron (123), Josua (110) und Kaleb (über 85). Diese Ausnahmen ändern aber nichts an dem, was in Psalm 90:10 über die allgemeine Lebenserwartung gesagt wird. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß Gott selbst bestimmt hatte, daß Josua und Kaleb ihre Generation überleben und in das Verheißene Land einziehen sollten. Als Kaleb fünfundachtzig Jahre alt war, wies er auf sein Alter und seine Kraft als etwas Besonderes hin. — 4. Mose 14:30; 33:39; Josua 14:10, 11; 24:29.
Hin und wieder liest man in den Zeitungen über Leute, die hundert Jahre alt oder sogar noch älter wurden. Es gibt Völkergruppen, zum Beispiel im Kaukasus (Sowjetunion), die für ihre Langlebigkeit, die wahrscheinlich auf Erbfaktoren und Lebensweise zurückzuführen ist, bekannt sind. Daß auf diese Beispiele besonders hingewiesen wird, zeigt, daß es sich dabei um Ausnahmen handelt. Es ist eine feststehende Tatsache, daß die mittlere Lebenserwartung in vielen Ländern heute bei etwa siebzig Jahren liegt, also ungefähr bei der in Psalm 90:10 angegebenen Zahl.
Viele Leute denken, die moderne Wissenschaft habe die Lebensdauer des Menschen stark verlängert. In einem gewissen Sinne stimmt das. Durch den Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit ist die mittlere Lebenserwartung gestiegen. In England lag sie bei Männern im Jahre 1850 bei weniger als vierzig Jahren; bis zum Jahre 1947 war sie auf sechzig Jahre angestiegen. Für einen Erwachsenen in einem bestimmten Alter ist sie aber ziemlich gleichgeblieben. Im Jahre 1850 konnte zum Beispiel ein Vierzigjähriger in den Vereinigten Staaten erwarten, siebenundsechzig Jahre alt zu werden. Im Jahre 1962 konnte ein Mann von vierzig Jahren trotz all der medizinischen Fortschritte erwarten, 71,7 Jahre alt oder nur 4,7 Jahre älter zu werden als im Jahre 1850.
Obwohl es also einige Ausnahmen geben mag, zum Beispiel Moses selbst, entspricht die inspirierte Äußerung: „Die Tage unserer Jahre — ihrer sind siebenzig Jahre“ heute noch genauso der Wahrheit wie in den Tagen Mose.