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Milde — ein christliches ErfordernisDer Wachtturm 1967 | 15. August
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Milde — ein christliches Erfordernis
1—3. Warum sollten Christen milde sein?
FREUST du dich, im Sommer eine Wettervorhersage zu hören, nach der es fast 40 Grad im Schatten werden und diese Hitze noch mit einer hohen Luftfeuchtigkeit verbunden sein soll? Oder bist du begeistert, wenn das Wetteramt im Winter vorhersagt, das Thermometer werde weit unter Null sinken und ein eisiger Sturmwind werde hohe Schneewehen verursachen? Nein, im allgemeinen freut sich niemand über solche Vorhersagen, weil es nicht angenehm ist, unter solch extremen Wetterverhältnissen seine tägliche Arbeit zu verrichten!
2 Wie ist es aber, wenn das Wetteramt mildes, sonniges Wetter ankündigt, mit einem teilweise leichtbewölkten Himmel und einer Temperatur um 25 Grad? Darüber freut sich im allgemeinen jeder! Jeder möchte bei solchem Wetter hinaus und sich in der frischen Luft erholen. Ja, solches Wetter ist sehr angenehm, und oft verbessert es sogar unsere Stimmung! Mildes Wetter sagt uns ohne Zweifel zu; große Hitze oder strenge Kälte dagegen nicht.
3 Genauso verhält es sich mit der christlichen Persönlichkeit. Die Milde ist eine angenehme Eigenschaft; die Strenge dagegen nicht. Ja, die Milde ist nicht nur angenehm; sie ist sogar ein christliches Erfordernis. Der Apostel Paulus sagte gemäß Epheser 4:1, 2: „Ich ... bitte euch daher inständig, der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, würdig zu wandeln, mit aller Demut und Milde.“ Er ermunterte Timotheus, „nach Gerechtigkeit, Gottergebenheit, Glauben, Liebe, Ausharren, Mildgesinntheit“ zu jagen. (1. Tim. 6:11) Petrus gab Frauen den Rat, ihr Schmuck solle „die verborgene Person des Herzens im unvergänglichen Gewand des stillen und milden Geistes [sein], die in den Augen Gottes von großem Werte ist“. (1. Petr. 3:4) Die Milde ist also mehr als nur eine angenehme Eigenschaft; sie ist etwas, was von Christen verlangt wird.
WAS SIE IST
4. Aus welch weiterem Grund ist die Milde eine wichtige Eigenschaft?
4 Die Milde ist so wichtig, daß sie gemäß der Bibel zu den Erzeugnissen oder Früchten des heiligen Geistes Gottes gehört. Paulus sagte nach Galater 5:22, 23: „Die Frucht des Geistes [ist] Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glauben, Milde.“ Die Milde ist demnach das Ergebnis des Einflusses, den Gottes wirksame Kraft auf aufnahmebereite Christen auf der Erde ausübt. Wenn Christen mit Gott in Harmonie sind, wenn sie sich an die in seinem heiligen Wort niedergelegten Richtlinien halten und wenn sie ihn um seinen Geist bitten und diesen auf sich wirken lassen, dann werden sie diese Eigenschaft hervorbringen. Ein Mangel an Milde verrät, daß etwas fehlt, daß der Betreffende noch keine christliche Reife erlangt hat und Gottes Geist nicht ungehindert auf sich wirken läßt.
5. Was heißt es, milde zu sein?
5 Was bedeutet es denn, milde zu sein? Unter Milde versteht man Gelassenheit, Mäßigkeit in der Lebensart und im Handeln, Ausgeglichenheit in den Empfindungen und im Benehmen anderen gegenüber. Es bedeutet, sanft oder zart zu sein. Diese Sanftheit kann mit der Sanftheit verglichen werden, mit der man einen Säugling behandelt. Einer liebevollen Mutter würde es nie in den Sinn kommen, ihr Baby einfach in den Stubenwagen zu werfen, ohne darauf zu achten, wie es zu liegen kommt und was ihm dabei geschieht. Nein, eine liebevolle Mutter geht mit ihrem Kind behutsam und zart um. Sie hält es mit beiden Händen sanft fest und trägt es vorsichtig umher, damit ihm ja nichts zustößt. Sie hält es gerade fest genug, um die betreffende Arbeit verrichten zu können. So ist auch die Milde: sanft, zart und behutsam, aber dennoch fest genug, um die notwendigen Lebensaufgaben zu erfüllen.
6, 7. Was ist die Milde unter anderem nicht?
6 Es gibt verschiedenes, was die Milde nicht ist. Sie ist nicht streng. Sie benutzt anderen gegenüber keine rauhen oder scharfen Worte. Sie verhärtet sich nicht gegen den Nächsten. Männer könnten sie mit einem Hemdkragen vergleichen. Ist der Kragen zu steif, so ist er hart und reibt oder scheuert. Der Mann zieht einen Kragen vor, der nicht reibt, sondern schmiegsam und dennoch steif genug ist, so daß er seine Form behält. Mit der Milde verhält es sich ähnlich. Sie ist nicht hart und verursacht keine Reibung.
7 Die Milde ist nicht ungeduldig, sie braust nicht auf. Sie ist nicht schwer zufriedenzustellen, ist nicht pedantisch und regt sich nicht wegen jeder Kleinigkeit auf. Sie ist nicht unverträglich oder streitsüchtig. Paulus forderte Titus auf, die ersten Christen daran zu erinnern, „von niemand nachteilig zu reden, nicht streitsüchtig zu sein, sondern vernünftig, indem sie allen Menschen gegenüber alle Milde an den Tag legen“. — Tit. 3:2.
8, 9. Ist Milde ein Zeichen von Schwäche?
8 Milde sollte nicht mit Charakterschwäche oder Feigheit verwechselt werden, denn sie ist alles andere als das. Wenn jemand mildgesinnt und in Wort und Wandel ausgeglichen ist, heißt das nicht, daß er ein Feigling oder Schwächling ist. Es verrät in Wirklichkeit innere Stärke und zeigt, daß sich der Betreffende in der Gewalt hat. Es zeigt, daß er von Gottes Geist geformt wird, und könnte jemand durch Gottes Geist schwach oder unfähig werden? Nein, man verwechsle Milde nicht mit Schwäche, Unentschlossenheit, Unbeständigkeit, Wankelmut oder Charakterschwäche. Das ist sie nicht. Im Gegenteil, ein Christ, der diese Frucht des Geistes Gottes aufweist, ist stark, mutig und entschieden.
9 Der Apostel Paulus war mildgesinnt, dennoch schrieb er unter der Inspiration des heiligen Geistes über sich selbst: „... in mühevollen Arbeiten viel mehr, in Gefängnissen viel mehr, unter Schlägen bis zum Übermaß, oft dem Tode nahe. Von Juden erhielt ich fünfmal vierzig Streiche weniger einen, dreimal wurde ich mit Stöcken geschlagen, einmal wurde ich gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag habe ich auf der Tiefe des Meeres treibend zugebracht, oft auf Reisen, in Gefahren von Flüssen, in Gefahren von Wegelagerern, in Gefahren von meiner eigenen Rasse, in Gefahren von seiten der Nationen, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wildnis, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern, in anstrengender Arbeit und Mühsal, oft in schlaflosen Nächten, bei Hunger und Durst, oftmals der Nahrung entbehrend, in Kälte und Nacktheit. Zu diesen Dingen von äußerlicher Art kommt das hinzu, was Tag für Tag auf mich einstürmt, die Sorge um alle Versammlungen. In Damaskus bewachte der Statthalter unter dem König Aretas die Stadt der Damaszener, um mich zu ergreifen, aber ich wurde in einem Weidenkorb durch ein Fenster in der Mauer hinabgelassen und entkam seinen Händen.“ (2. Kor. 11:23-28, 32, 33) Könnten diese Erlebnisse die Erlebnisse eines Menschen sein, dem es an Mut mangelte? Zugegeben, Paulus hatte auch seine Schwächen und Fehler, aber Gottes Geist, der in ihm wirkte, machte ihn freimütig und furchtlos, so daß er trotz Schwierigkeiten und Anfeindungen standhaft bleiben konnte. Gleichzeitig war er wie ein liebender Vater, denn Gottes Geist rief in ihm auch eine milde Gesinnung hervor. Bei Christen ist es heute genauso: Sie sind einerseits mildgesinnt, haben aber andererseits auch den Mut und die Furchtlosigkeit, die Gottes Geist in aufnahmebereiten Menschen erzeugt.
VORTEILHAFTE AUSWIRKUNGEN
10, 11. Welche vorteilhaften Auswirkungen hat die Milde unter anderem?
10 Die Milde wirkt sich auf Personen, die diese Eigenschaft anwenden, in mancher Hinsicht vorteilhaft aus. Sie wirkt sich vor allem auf Geist und Körper sehr beruhigend aus. Ein milder Mensch regt sich nicht ständig über die Handlungsweise anderer auf. Er quält seinen Geist und seinen Körper nicht fortwährend durch Sorgen und Streitigkeiten. Ein mildgesinnter Mensch wird kaum Magengeschwüre bekommen oder nervenkrank werden. Im Gegenteil, die Milde hilft ihm, die Gefühle zu beherrschen, was sich auf Geist und Körper vorteilhaft auswirkt.
11 Ein mildgesinnter Mensch ist auch insofern im Vorteil, als man besser mit ihm auskommt. Man ist gern mit ihm zusammen. Seine angenehme Art, zu reden und zu handeln, wirkt auf seine Umgebung erfrischend wie ein milder, schöner Tag. Diese angenehme Wirkung, die der Mildgesinnte bei seinen Mitmenschen hervorruft, wird in Sprüche 16:24 in folgenden Worten treffend beschrieben: „Huldvolle Worte sind eine Honigwabe, Süßes für die Seele und Gesundheit für das Gebein.“ Dieses Empfinden hat man, wenn man mit einem mildgesinnten Menschen zusammen ist. Man fürchtet ihn nicht, sondern seine milde Art ist wie Honig, wie „Süßes für die Seele und Gesundheit für das Gebein“.
12. Wieso hilft sie uns, in Jehovas Ordnung der Dinge an unserem Platz zu bleiben?
12 Die Milde trägt dazu bei, daß wir in Jehovas Ordnung der Dinge an unserem Platz bleiben, denn sie hilft uns, uns unterzuordnen. Paulus sagte: „Ich will indes, daß ihr wißt, daß das Haupt jedes Mannes der Christus ist; das Haupt einer Frau aber ist der Mann; das Haupt des Christus aber ist Gott.“ (1. Kor. 11:3) Ja, alle Diener Gottes müssen sich jemandem bedingt unterordnen. Diese Unterordnung erfordert einen milden Geist. Die Hochmütigen sind nicht bereit, sich Jehova und seinen Vorkehrungen unterzuordnen. Welch ein vortreffliches Beispiel gab uns in dieser Hinsicht doch Jesus! Von ihm sagt Gottes Wort: „Bewahrt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der, obwohl er in Gottes Gestalt existierte, keine gewalttätige Besitzergreifung in Betracht zog, um nämlich Gott gleich zu sein. Nein, sondern er entäußerte sich selbst und nahm Sklavengestalt an und wurde den Menschen gleich. Mehr als das, als er in seiner Beschaffenheit als ein Mensch erfunden wurde, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam, selbst bis zum Tode, ja zum Tode an einem Marterpfahl.“ — Phil. 2:5-8.
13. Vor welcher unerwünschten Neigung bewahrt uns die Milde ebenfalls?
13 Die Milde bewahrt uns auch davor, vor unseren Mitmenschen „glänzen“ und von ihnen verehrt werden zu wollen. Vor dieser Neigung sollten wir uns hüten, denn sie beruht auf einem falschen Stolz und ist darum sowohl reifen Christen als auch Jehova zuwider. „Jeder Hochmütige ist Jehova ein Greuel.“ (Spr. 16:5) Einem mildgesinnten Menschen fällt es leichter, dies zu erkennen und sich davor zu hüten, ehrgeizig danach zu streben, sich über seine Brüder zu erheben oder sich den Anschein zu geben, als ob er mehr wäre als sie, oder über diese mildgesinnten und schafähnlichen Menschen, die Gott gehören, herrschen zu wollen. Jesus sagte: „Der Größte aber unter euch soll euer Diener sein. Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Matth. 23:11, 12) Die Milde hilft uns, wie Sklaven, nicht wie Herren, zu handeln, wenn wir mit anderen Christen zu tun haben. Sie hilft uns, uns stets dessen bewußt zu sein, daß Jehova erhöht werden sollte und daß alle Menschen in Sünde geboren sind und der Erlösung bedürfen. Der Mildgesinnte, der sich seines sündigen Zustandes bewußt ist und weiß, daß er der Loskaufsvorkehrung Jehovas bedarf, neigt nicht zur Selbstverherrlichung.
IM ENTWICKELN DER MILDE FORTSCHREITEN
14—16. Führe drei Faktoren an, die der Milde entgegenwirken.
14 Wahrscheinlich die meisten unserer Leser, selbst die, welche zu einer genauen Erkenntnis des Wortes Gottes gelangt sind, werden sich bei einem Rückblick auf ihr Leben sagen müssen: „Wenn ich so überlege, dann bin ich oft nicht milde genug gewesen.“ Manche denken ohne Zweifel, sie würden deshalb der biblischen Beschreibung eines mildgesinnten Menschen nicht entsprechen. Vielleicht trifft das auch auf dich zu; aber du solltest deswegen nicht den Mut verlieren oder verzagen und aufhören, dich zu bemühen, milder zu werden. Vergiß nie, daß die Milde keine Eigenschaft ist, die man ererbt oder die einem in die Wiege gelegt wird. Nein, zufolge der ererbten Sünde, der Unvollkommenheit, neigen wir von Geburt zum Schlechten, nicht zum Guten. ‘Durch e i n e n Menschen ist die Sünde in die Welt hineingekommen und durch die Sünde der Tod, und so hat sich der Tod zu allen Menschen hin verbreitet, weil sie alle gesündigt hatten.’ (Röm. 5:12) Der Psalmist David war sich dieser Tatsache bewußt, denn nach Psalm 51:5 sagte er: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich empfangen meine Mutter.“
15 Wir werden aber noch durch etwas anderes oft davon abgehalten, milde zu sein. Böse Geistermächte, Dämonen, führen einen Kampf gegen die Tätigkeit wahrer Christen und mögen deren Milde auf die Probe stellen, indem sie sie durch ihre irdischen Werkzeuge verfolgen oder bedrängen. Paulus beschreibt diesen Kampf treffend durch die Worte, die wir in Epheser 6:12 lesen: „Wir führen nicht einen Kampf gegen Blut und Fleisch, sondern gegen die Regierungen, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geistermächte in den himmlischen Örtern.“
16 Wir müssen ferner gegen das gegenwärtige, von Dämonen beherrschte System der Dinge und dessen schlechten Geist kämpfen. Die meisten von uns sind am Arbeitsplatz täglich mit Menschen zusammen, die nicht den Geist der Milde haben, der von Gott stammt, sondern die den Geist der Lieblosigkeit und Härte haben, der von Satan, dem Teufel, stammt. Die im gegenwärtigen System der Dinge vorherrschende Denkweise oder geistige Einstellung wirkt der christlichen Milde entgegen.
17, 18. Was müssen wir tun, da wir nicht jede Berührung mit der Welt vermeiden können?
17 Wir können nicht jede Berührung mit Personen, die den Geist der Milde nicht haben, vermeiden, denn sonst müßten wir „ja aus der Welt hinausgehen“. Was wir tun müssen, ist unseren Geist beherrschen, damit wir nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, wenn wir angefeindet oder zum Zorn gereizt werden. Ein solch beherrschter, milder Geist ist uns eine Hilfe, wenn wir unter Druck gesetzt werden; er ermöglicht es uns, so zu handeln, wie Paulus sagte: „Wenn beschimpft, segnen wir; wenn verfolgt, halten wir stand; wenn verunglimpft, bitten wir.“ (1. Kor. 5:10; 4:12, 13) Auch in dieser Hinsicht ist Jesus unser Vorbild. „Als er beschimpft wurde, gab er nicht schimpfend zurück. Als er litt, begann er nicht zu drohen, sondern übergab sich weiterhin dem, der gerecht richtet.“ — 1. Petr. 2:23.
18 Da Christen so vielen schlechten Einflüssen ausgesetzt sind, müssen sie sich fleißig bemühen, diese Eigenschaft, die Milde, zu erwerben. Wir erhalten sie nicht von selbst, ohne uns anzustrengen, denn es sind zu viele Dinge vorhanden, die uns eher zum Hartsein als zum Mildesein beeinflussen. Wir müssen deshalb Tag für Tag, Jahr für Jahr im Entwickeln der Milde fortschreiten, damit wir der ererbten Sünde und Satan, dem Teufel, samt seinen Dämonen sowie den Menschen, die sich von dem schlechten Geist dieses Systems der Dinge leiten lassen, widerstehen können. Wenn wir uns nicht bemühen, die Eigenschaft der Milde zu entwickeln, dann mögen diese Dinge bewirken, daß wir mit der Zeit ebenso lieblos und hart werden, wie man es in der Welt ist.
19. Welchen Schritt müssen wir zuerst unternehmen?
19 Wie können wir aber diese Eigenschaft entwickeln? Indem wir sie zunächst einmal kennenlernen, das heißt, indem wir Gottes Wort studieren und feststellen, daß sie entwickelt werden muß, daß sie für Christen unbedingt erforderlich ist. Das bringt uns auf die richtige Fährte. Wir sehen dann, in welche Richtung wir gehen müssen, zum Unterschied von weltlichgesinnten Menschen, die glauben, es sei nicht gut, milde zu sein, sondern man müsse streng, hart und rücksichtslos sein, um in dieser Welt voranzukommen.
20. Warum müssen wir die menschliche Unvollkommenheit berücksichtigen?
20 Eine Hilfe in unserem Bemühen, immer milder zu werden, ist der ständige Gedanke an die menschliche Unvollkommenheit. Wir kommen um die Tatsache nicht herum, daß wir alle in Unvollkommenheit geboren sind und dazu neigen, Fehler zu machen. Das sollte uns die Wichtigkeit des Einfühlungsvermögens erkennen helfen. Es sollte uns erkennen lassen, daß wir anderen ebenso vergeben sollten, wie Gott ihnen vergibt. Wir sollten daran denken, daß ihre Denk- und Handlungsweise ebensowenig vollkommen sein kann wie die unsrige. Jemand, der die Eigenschaft der Milde entwickelt, tut das; er vergibt sogar „siebenundsiebzigmal“, denn ein mildgesinnter Mensch liebt, und die „Liebe deckt eine Menge von Sünden zu“. — Matth. 18:21, 22; 1. Petr. 4:8.
21, 22. Warum sollten wir es vermeiden, andere zu reizen oder herauszufordern?
21 Wenn wir von anderen zuviel erwarten — mehr als Gott von ihnen erwartet —, dann werden wir enttäuscht werden. Das kann uns zur Prüfung werden, denn es könnte uns auf den Gedanken bringen, wir könnten, da wir mit der Milde nichts erreicht haben, ebensogut hart sein. Doch dadurch würden wir andere höchstens veranlassen, auch nicht mehr milde zu sein, und ihre Reaktion könnte dann wiederum bewirken, daß wir es ebenfalls an Milde mangeln lassen. Es ist ein endloser Kreislauf. Besser also gar nicht damit beginnen! In Sprüche 26:20 heißt es: „Wo es an Holz fehlt, erlischt das Feuer; und wo kein Ohrenbläser ist, hört der Zank auf.“ Wenn wir andere jedoch ständig zu etwas drängen, ständig etwas von ihnen haben wollen oder sie ständig herausfordern, sollten wir keineswegs überrascht sein, wenn sie ungehalten, ja vielleicht sogar zornig werden. Schließlich läßt sich niemand gern fortgesetzt reizen. Selbst Moses, der „bei weitem der sanftmütigste aller Menschen [war], die es auf der Oberfläche des Erdbodens gab“, vergaß eines Tages, als ihn die Israeliten durch ihre Unvernunft genügend gereizt hatten, daß er milde sein sollte! „Sie erzürnten [reizten, NW] ihn an dem Wasser von Meriba, und es erging Mose übel ihretwegen; denn sie reizten seinen Geist, so daß er unbedacht redete mit seinen Lippen.“ — 4. Mose 12:3, NW; 20:2-13; Ps. 106:32, 33.
22 Erst vor kurzem berichtete eine Zeitung über eine Begebenheit, die ebenfalls zeigt, wie man durch ein scharfes Wort oder eine herausfordernde Handlung andere dazu reizen kann, das Gegenteil von Milde zu bekunden. Es ging dabei um eine Parlamentarierin, die im britischen Unterhaus einmal zu dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill schnippisch sagte: „Wenn ich Ihre Frau wäre, würde ich Ihnen den Kaffee vergiften.“ Churchill gab ebenso schnippisch zurück: „Und wenn ich Ihr Mann wäre, würde ich ihn trinken.“ Ja, sie legte Holz auf das Feuer und rief dadurch eine zornige Antwort hervor. Es war also, wie es in Sprüche 26:21 heißt: „Kohle zur Glut und Holz zum Feuer, und ein zänkischer Mann [oder eine zänkische Frau] zum Schüren des Streites.“ Wir wollen nicht so sein; darum müssen wir uns davor hüten, andere zu reizen und sie so zu veranlassen, nicht mehr milde zu sein.
23. Wieso fällt es uns leichter, milde zu sein, wenn wir die Vielfalt in der Schöpfung Gottes anerkennen?
23 Was uns ebenfalls hilft, Milde zu entwickeln, ist die Anerkennung der Tatsache, daß Jehova innerhalb bestimmter Grenzen eine große Vielfalt von Wesensarten, Geschmäcken, Sympathien und Antipathien duldet. Gott hat den Menschen mit der wunderbaren Gabe des freien Willens ausgestattet. Obwohl das nicht heißt, daß der Mensch vollständig frei ist — denn dann wäre er ja von Gott und seinen Gesetzen unabhängig —, genießt er doch auf vielen Gebieten des menschlichen Verhaltens eine bedingte Freiheit. Denke also nicht, alles müsse deiner Art und deinem Geschmack entsprechen, wenn doch Jehova Unterschiede zuläßt. Denke nicht, jedermann müsse sich dir anpassen. Sei dir stets bewußt, daß wir alle verschieden sind, und versuche nicht, deine eigenen Maßstäbe aufzustellen, durch die die Vielseitigkeit in Gottes Schöpfung zerstört würde. In den Fällen, in denen strikter Gehorsam oder Anpassung erforderlich ist, das heißt, wo es um die Anbetung, die richtige Lehre und den richtigen Wandel geht, werden wir von Gottes Wort, seinem heiligen Geist und seiner sichtbaren Organisation darüber belehrt, was wir tun sollten. Wo es aber um Dinge geht, bei denen es jedem weitgehendst überlassen ist, was er tut, zum Beispiel, was er ißt, wie er sich kleidet, wie er seine Freizeit gestaltet usw., sollten wir stets daran denken, daß wir das, was Gott gestattet, ebenfalls gestatten sollten. Dann werden wir uns über den unterschiedlichen Geschmack eines anderen nicht so schnell aufregen.
24, 25. Ist es leicht, die Eigenschaft der Milde zu entwickeln?
24 Ist es leicht, die Eigenschaft der Milde zu entwickeln? Es mag für einige leichter sein als für andere, je nach ihrer Veranlagung, ihrer Kinderstube, ihrer Lebenserfahrung und ihrer christlichen Reife. Solltest du zu denen gehören, denen es schwerfällt, sie zu entwickeln, dann magst du mehr Rückschläge in deinen Bemühungen erleiden als andere. Laß dich deswegen jedoch nicht entmutigen, sondern bemühe dich weiterhin. Beachte, was Paulus gemäß Römer 7:21-23 sagte: „Ich finde also in meinem Fall dieses Gesetz: daß, wenn ich das Rechte zu tun wünsche, das Schlechte bei mir vorhanden ist. Ich habe wirklich Lust an dem Gesetz Gottes gemäß dem Menschen, der ich innerlich bin, aber ich sehe in meinen Gliedern ein anderes Gesetz, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet.“
25 Ja, dein sündiges Fleisch und äußere Einflüsse können es dir sehr erschweren, die Eigenschaft der Milde zu entwickeln, aber du solltest in deinem Bemühen nicht nachlassen, auch wenn du ab und zu wieder zurückfällst. Denke an ein Kleinkind, das Laufen lernt. Es fällt immer wieder hin, steht aber jedesmal wieder auf und versucht es weiter, bis es schließlich richtig gehen kann. So magst auch du, während du dich bemühst, im Entwickeln der Milde fortzuschreiten, manchmal versagen. Lerne jedoch aus der Erfahrung, und setze deine Bemühungen um so entschlossener fort. Vergiß nicht, daß das Heranwachsen zur Reife, auch was die Milde betrifft, Zeit erfordert. Sei mit allmählichen Fortschritten zufrieden, und laß in deinem Bemühen nicht nach, nur weil es vielleicht länger dauert, als du gedacht hast.
26. Wie hilft uns Jehova in dieser Hinsicht?
26 Denke auch daran, daß Jehova barmherzig ist. Wenn wir zurückfallen, können wir uns im Gebet an ihn wenden und ihn um Vergebung bitten. Wir sollten auch stets um seinen Beistand bitten, denn die Milde ist ein Erzeugnis des Geistes Jehovas. Wenn wir um Gottes Geist bitten, den Geist, der Milde erzeugt, dann können die Fortschritte nicht ausbleiben. Mit dieser wirksamen Hilfe wird mit der Zeit jeder, dem es an Milde mangelt, diese Eigenschaft erwerben, und das Mildesein wird für ihn fast ebenso selbstverständlich werden, wie es das Gehen für den Erwachsenen ist.
27. Welche segensreichen Auswirkungen hat die Milde?
27 Das Entwickeln der Eigenschaft der Milde wirkt sich also zweifellos vorteilhaft aus. Die Milde macht uns glücklicher, denn sie hilft uns, selbst in schwierigen Verhältnissen das Gleichgewicht zu bewahren und uns durch sie nicht entmutigen oder verhärten zu lassen. Sie wirkt sich auch insofern vorteilhaft für uns aus, als sie uns für die Wahrheit empfänglicher macht. Wir werden eher bereit sein, die neuen Wahrheiten, die Jehova allmählich offenbart, anzunehmen und unser Leben danach auszurichten. Wie wird sich das auf uns auswirken? Jakobus 1:21 gibt uns die Antwort: „Nehmt mit Milde die Einpflanzung des Wortes an, das eure Seelen zu retten vermag.“ Ja, es geht dabei um deine Rettung! Sei deshalb mildgesinnt, und du wirst die Erfüllung der göttlichen Verheißung erleben, die in Psalm 37:11 aufgezeichnet ist: „Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, und sie werden in der Tat ihre Lust haben an der Fülle des Friedens.“ — NW.
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Mit Milde unterweisenDer Wachtturm 1967 | 15. August
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Mit Milde unterweisen
1, 2. Warum ist die Milde heutzutage eine für Christen unerläßliche Eigenschaft?
DER Christ sollte aber auch noch aus einem anderen Grund die Eigenschaft der Milde entwickeln. Die Milde macht ihn zwar, wie gesagt, glücklicher, verträglicher und für die göttliche Wahrheit empfänglicher und hilft ihm daher, auf den Weg zu ewigem Leben zu gelangen, aber sie ist noch aus einem anderen Grund erforderlich. Sie ist auch zur Durchführung des großen Predigtwerkes, das Christen in diesen kritischen letzten Tagen durchführen müssen, unerläßlich.
2 Gottes Wahrheiten müssen der Menschheit übermittelt werden. Es muß auf der ganzen Erde ein Zeugnis gegeben werden, bevor das Ende des gegenwärtigen bösen Systems der Dinge kommt. Darüber hinaus müssen alle, die sich Gott bereits hingegeben haben, fortgesetzt mit den Wahrheiten aus Gottes Wort gespeist werden. Es muß also ein großes Unterweisungswerk durchgeführt werden, und dabei spielt die Milde eine wichtige Rolle. In der gegenwärtigen Welt mögen verschiedene Lehrmethoden üblich sein; wenn es jedoch darum geht, Kenntnisse aus Gottes Wort zu vermitteln, dann sollte dies mit Milde geschehen.
3—5. (a) Wieso wissen wir, daß es richtig ist, mit Milde zu unterweisen? (b) Warum wurden schafähnliche Menschen von Jesus angezogen?
3 Die Unterweisung mit Milde ist die richtige, die biblische Methode, die Methode, die bei Wahrheitssuchern den besten Anklang findet. Das wissen wir, weil der größte Lehrer, der je gelebt hat, Jesus Christus, die Wahrheit mit Milde lehrte. Diese hervorragende Eigenschaft, die Milde, gehörte zu seiner Persönlichkeit, und er wandte sie sehr wirkungsvoll an, wenn er die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden belehrte.
4 Jesus wies selbst darauf hin, daß er mildgesinnt war, als er sagte: „Kommt zu mir alle, die ihr euch abmüht und die ihr beladen seid, und ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und werdet meine Jünger, denn ich bin mildgesinnt und von Herzen demütig, und ihr werdet Erquickung finden für eure Seelen.“ (Matth. 11:28, 29) Wie wirkungsvoll Jesu Lehrtätigkeit doch war, weil er mit Milde lehrte! Schafähnliche Menschen suchten ihn eifrig, um seine Erklärungen der göttlichen Wahrheit zu hören. Sie fürchteten ihn nicht, wie sie ihre strengen, herrischen religiösen und politischen Führer fürchteten, die ohne Rücksicht auf ihr Wohl über sie herrschten.
5 Jesus hatte eine innige Zuneigung zu diesen Menschen aus dem einfachen Volk, die sich in einem solch erbärmlichen geistigen und körperlichen Zustand befanden. „Als er die Volksmengen sah, empfand er Mitleid mit ihnen, weil sie zerschunden waren und umhergestoßen wurden wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (Matth. 9:36) Jesu milde Art und sein Erbarmen waren für die Seele dieser unterdrückten und verachteten Menschen ein Labsal. Das war etwas ganz anderes, als was sie gewohnt waren! Wie erquickend war es doch, in seiner Gegenwart zu sein! Jesus war anders als ihre strengen Zuchtmeister, er war mild, gütig, freigebig, mitfühlend und liebevoll.
6. Zog Jesus durch seine milde Art alle Menschen an?
6 Jesu milde Art wirkte jedoch nicht auf einen jeden anziehend. Personen, die nicht wie Schafe waren und keine echte Liebe zur Wahrheit hatten, dachten möglicherweise, seine Methode sei unzweckmäßig und sinnlos. Auch bei den Bösen fand sie keinen Anklang. Jesus wollte aber nicht wahllos alle Menschen für Gottes neues System der Dinge interessieren. Er berief nicht die, die das Unrecht liebten und das Recht haßten. Seine milde Art sprach die richtigen Menschen an: die Gerechtigkeitsliebenden. Solche Menschen suchte Jesus: „Schafe“, nicht „Böcke“.
7. Worauf sollte man achten, wenn man jemand tadeln muß, wie Jesus es manchmal tat?
7 Bösen, bockähnlichen Menschen gegenüber gebrauchte Jesus eine schärfere Sprache und griff er zu härteren Maßnahmen. Jesus war mildgesinnt, aber nicht schwach. Wenn nötig, stellte er auch öffentlich bloß, besonders die heuchlerischen religiösen Führer, die Schriftgelehrten und Pharisäer. Zu ihnen sagte er wiederholt: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler!“ (Matth. 23:13-36) Zuweilen mögen Diener Gottes jemandem einen Verweis erteilen müssen, doch dann sollten sie sorgfältig darauf achten, wie sie es tun, denn sie haben nicht den Scharfblick, den Jesus hatte. Die Fälle, in denen man keine Milde walten lassen sollte, sind Ausnahmen und sollten sehr sorgfältig abgewogen werden. Jesus gab uns in dieser Hinsicht das beste Beispiel; aber er hatte eine Gewalt und ein Unterscheidungsvermögen, das unvollkommene Menschen heute nicht haben.
PAULUS UNTERWIES MIT MILDE
8. Wie zeigte Paulus, daß man mit Milde unterweisen sollte?
8 Der Apostel Paulus wußte, daß Jesu Methode, mit Milde zu lehren, die beste Methode und das nachahmenswerteste Beispiel war, denn er sagte: „Ich selbst nun, Paulus, spreche euch bittend zu durch die Milde und Güte des Christus.“ (2. Kor. 10:1) Beachtenswert ist auch, was er gemäß 1. Thessalonicher 2:5-8 über seine eigene Art, mit anderen umzugehen, sagte: „In der Tat, zu keiner Zeit sind wir mit schmeichelnder Rede aufgetreten (wie ihr wohl wißt), noch mit einem Vorwand der Habsucht, Gott ist Zeuge! Wir haben auch nicht Ehre von Menschen gesucht, nein, weder von euch noch von anderen, obwohl wir als Apostel Christi eine kostspielige Bürde sein könnten. Im Gegenteil, wir wurden in eurer Mitte sanft, wie wenn eine nährende Mutter ihre eigenen Kinder hegt und pflegt. Da wir also eine innige Zuneigung zu euch haben, hat es uns gefallen, euch nicht nur an der guten Botschaft Gottes teilhaben zu lassen, sondern auch an unseren eigenen Seelen, weil ihr uns lieb geworden wart.“ Um sanft zu sein und innige Zuneigung haben zu können, mußte Paulus milde sein, und er war es auch.
9, 10. Wie reagierten andere auf Pauli milde Art?
9 Wie reagierten die Brüder der Christenversammlung auf die milde Art des Apostels Paulus? Nun, beachten wir, wie zum Beispiel die älteren Männer der Versammlung in Ephesus reagierten, als er ihnen sagte, sie würden ihn nicht mehr sehen: „In der Tat, da brachen alle in ziemliches Weinen aus, und sie fielen Paulus um den Hals und küßten ihn zärtlich, denn das Wort, das er gesagt hatte, daß sie sein Angesicht nicht mehr sehen würden, hatte sie besonders schmerzlich berührt.“ (Apg. 20:37, 38) Diese Christen liebten die milde Art des Apostels Paulus und waren gern mit ihm zusammen, denn sie wurden durch diesen Diener Gottes erquickt. Der Gedanke, daß sie ihn vielleicht nie mehr sehen würden, betrübte sie sehr. Sein Abschied war für sie keine leere Förmlichkeit, sondern durch Zärtlichkeit und Tränen brachten sie ihre große Wertschätzung für den Dienst, den er ihnen geleistet hatte, zum Ausdruck.
10 Hätte Paulus beim Unterweisen strenge, weltliche Methoden angewandt, so wäre ihm wohl kaum diese aufrichtige Zärtlichkeit entgegengebracht worden. Einem harten Menschen werden keine solchen aufrichtigen Beweise der Liebe und Dankbarkeit entgegengebracht, denn Härte stößt ab, sie zieht nicht an. Der Weggang eines harten und strengen Aufsehers ruft keine Tränen hervor, im Gegenteil, er ist eine Befreiung.
APPELL AN DEN FREIEN WILLEN
11, 12. Warum ist Härte Gott nicht wohlgefällig?
11 Strenge Führer und Lehrer erregen Furcht. Sie flößen kein Vertrauen ein und erwecken keine Liebe. Sie mögen bewirken, daß man ihnen eine Zeitlang gehorcht, aber dieser Gehorsam beruht nicht auf Freiwilligkeit. Etwas Erzwungenes ist gewöhnlich nicht von Dauer, sondern wird bei der erstbesten Gelegenheit abgeschüttelt. Ein erzwungener Gehorsam ist daher nicht das richtige und ist auch nicht von Dauer, denn Jehova hat dem Menschen einen freien Willen eingepflanzt und wünscht, daß er ihm freiwillig gehorcht.
12 Strenge, Druck und Zwang rufen bei den meisten Menschen Widerstand hervor. Wie wirkte die Bedrückung auf die Israeliten, die von den Ägyptern „mit Härte zum Dienst“ angehalten wurden? (2. Mose 1:13) Aus 2. Mose 1:14 erfahren wir, daß die Ägypter „ihnen das Leben bitter [machten] durch harten Dienst“. Als König Rehabeam sagte: „Mein Vater hat euer Joch schwer gemacht, ich aber will zu eurem Joche hinzutun“, da lehnte sich das Volk auf, wie Jehova es vorher, gesagt hatte. (1. Kö. 12:14) Jesus dagegen sagte zu seinen Zuhörern: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matth. 11:30) Kein Wunder, daß Wahrheitssucher damals ihm nachfolgten, nicht den bedrückenden religiösen Führern, die ‘schwere Lasten zusammenbanden und sie auf die Schultern der Menschen legten, sie selbst aber nicht mit ihrem Finger fortbewegen wollten’. — Matth. 23:4.
13. Wie appellierte Paulus an Philemons freien Willen?
13 Beachten wir, wie Paulus in Verbindung mit dem entlaufenen Sklaven Onesimus an den freien Willen Philemons appellierte. Onesimus war Paulus während dessen Gefängnisaufenthalt sehr nützlich gewesen. Dennoch schrieb Paulus in seinem Brief an Philemon, den Herrn dieses Sklaven: „Ich möchte ihn für mich zurückbehalten, damit er mir, der ich in Fesseln bin, die ich um der guten Botschaft willen trage, an deiner Stelle weiterhin diene.“ Behielt Paulus diesen Sklaven tatsächlich für sich zurück? Nein! Er schrieb Philemon: „Doch ohne deine Zustimmung will ich nichts tun, damit deine gute Tat nicht gleichsam aus Zwang, sondern aus deinem eigenen freien Willen geschehe.“ Wie ganz anders ist doch eine solche Einstellung! Wir können uns vorstellen, wie Philemon empfunden hätte, wenn Paulus ihm statt dessen geschrieben hätte: „Schau, Philemon, ich brauche deinen Sklaven unbedingt. Ich werde ihn daher behalten, du kannst sagen, was du willst.“ Nein, Paulus war nicht so unvernünftig; er unterwies mit Milde. Er hätte lieber Unbequemlichkeiten auf sich genommen, als daß er gegen Philemon hart gewesen wäre und versucht hätte, ihn zu zwingen, gegen seinen freien Willen zu handeln. — Philem. 13, 14.
14. Welche weiteren Beispiele zeigen, daß Freiwilligkeit das richtige ist?
14 Auch als Paulus über die Freigebigkeit schrieb, hielt er sich an diesen Grundsatz, denn auch in diesem Zusammenhang appellierte er mit Milde an den freien Willen anderer. Er schrieb: „Jeder tue so, wie er es in seinem Herzen beschlossen hat, nicht widerwillig oder aus Zwang, denn Gott liebt einen fröhlichen Geber.“ (2. Kor. 9:7) Als Petrus den älteren Männern der Organisation empfahl, wie sie zu ihrem Aufseheramt eingestellt sein sollten, drang er mit den Worten in sie: „Hütet die Herde Gottes, die in eurer Obhut ist, nicht aus Zwang, sondern freiwillig.“ Diese reifen Männer sollten nicht das Gefühl haben, sie seien gezwungen, Gottes Herde zu hüten, sondern sollten es aus freien Stücken tun. — 1. Petr. 5:2.
15. Welche Rolle spielt die Selbstzucht beim Tun des Willens Gottes?
15 Wenn auch mit Milde an den freien Willen der Menschen appelliert wird, heißt das nicht unbedingt, daß ein jeder, der sich Gott hingibt, alle Verpflichtungen, die Christen haben, erkennt. Manchen mag es zuerst schwerfallen, gewissen Anforderungen zu entsprechen. Nur weil sie etwas Zeit benötigen, um diese Dinge richtig zu erkennen und sie bereitwillig zu tun, bedeutet aber nicht, daß sie sie nie tun werden. Als Paulus zum Beispiel davon sprach, daß die gute Botschaft gepredigt werden müsse, setzte er schon voraus, daß einige anfänglich vielleicht nicht dazu bereit sind, weil es gegen ihren Willen ist, den sie bis dahin im Leben entwickelt haben. Er sagte: „Wenn ich dies freiwillig tue, habe ich einen Lohn; doch wenn ich es gegen meinen Willen tue, bin ich trotzdem mit einem Verwalteramt betraut.“ (1. Kor. 9:17) Paulus wollte damit nicht sagen, er werde von jemand gezwungen, dies zu tun. Er wollte damit sagen, daß einige ihren eigenen selbstischen Willen überwinden müssen, um den Willen Gottes zu tun, denn das unvollkommene Fleisch mag anfänglich nicht immer gewillt sein, das zu tun, was recht ist. Doch selbst die, die es gegen ihren Willen tun, werden gesegnet, denn sie werden nicht dazu gezwungen, sondern zwingen sich selbst, weil sie Gott lieben und seinen Willen tun möchten. Darum sagte Paulus: „Ich bezwinge meinen Leib und mache ihn zum Sklaven.“ (1. Kor. 9:27) Diese Art Gehorsam gegenüber Gott beruht im wesentlichen immer noch auf Freiwilligkeit, auf dem freien Willen des Betreffenden, denn er wird nicht von jemand gezwungen, sondern er übt Selbstzucht, um Gottes Willen zu tun.
BEIM PREDIGEN
16. Stimmte Petrus mit den Methoden, die Jesus und Paulus anwandten, überein?
16 Jehova wünscht in seiner neuen Ordnung Menschen, die dem Ruf der Wahrheit aus freien Stücken folgen. Bei solchen Menschen wird unsere Unterweisung am wirksamsten sein, wenn sie mit Milde erfolgt. Von Haus zu Haus, bei Nachbesuchen und bei Heimbibelstudien wird der Unterweiser solche Interessierten weit besser belehren können, wenn er mit Milde und Sanftmut auf die Grundsätze, die Logik und die Schönheit der Wahrheit hinweist. Petrus zeigte, daß wir diese Methode anwenden sollten, wenn wir andere unterweisen, indem er sagte: „Sondern heiligt den Christus als den Herrn in euren Herzen, stets bereit zu einer Verteidigung vor jedermann, der von euch einen Grund für die Hoffnung verlangt, die in euch ist, doch tut es mit mildem Sinn und tiefem Respekt.“ — 1. Petr. 3:15.
17, 18. Wieso kann Mangel an Milde die Unterweisung behindern?
17 Wenn der Christ mit Milde unterweist, kann sich sein Zuhörer besser auf den behandelten Stoff konzentrieren. Er wird nicht abgelenkt, wie das der Fall wäre, wenn ihm der Unterweiser unsympathisch wäre. Ein Lehrer, der übereifrig ist, ständig widerspricht und auch sonst eine unangenehme Art an sich hat, mag die Aufmerksamkeit des Lernenden bis zu einem gewissen Grad vom Stoff ablenken und auf sich ziehen. Das hindert den Fortschritt des Betreffenden. Ein strenger Unterweiser kann anderen sogar zu einem Stein des Anstoßes werden und andere von der Wahrheit wegtreiben! Wer dagegen mit Milde unterweist, wird feststellen, daß ihm diese Eigenschaft eine große Hilfe ist, und er wird wie Paulus sagen können: „In keiner Weise geben wir irgendeine Ursache zum Straucheln, damit unser Dienst nicht bemängelt werde.“ — 2. Kor. 6:3.
18 Das Predigen setzt viel Geduld voraus. Auch bei dieser Tätigkeit kommt die Milde dem Christen zu Hilfe. Der Mildgesinnte ist nicht so schnell entmutigt, wenn er nur geringe Fortschritte sieht oder wenn er auf Gleichgültigkeit gegenüber der Botschaft stößt. Es fällt ihm viel leichter, geduldig zu sein, als jemandem, dem es an Milde mangelt, denn ein solcher handelt eher unüberlegt, ist schneller erzürnt und verliert schneller die Geduld, wenn er keine Ergebnisse erzielt. Würden wir aber nicht mehr mit Milde handeln, weil wir nur geringe Fortschritte sehen oder weil wir auf Ablehnung stoßen, so würden wir den Zweck, den wir verfolgen, verfehlen, wir würden dem, was wir erreichen möchten, entgegenwirken.
19. Was sollte nie die Ursache von Widerstand sein?
19 Aber auch der milde Unterweiser findet nicht immer hörende Ohren. Es gibt Leute, die selbst den mildesten Menschen ablehnen oder angreifen würden, wie das ja bei Jesus der Fall war. Stößt ein Unterweiser der guten Botschaft auf Widerstand, dann sollte es wegen der Botschaft sein, die er verkündigt, und weil er Jehova, den höchsten Gott, vertritt, nicht weil er etwas Verletzendes gesagt oder sich unhöflich benommen hat.
20, 21. Warum sollten wir mildgesinnt bleiben, selbst wenn wir auf Widerstand stoßen?
20 Wenn der Unterweiser mildgesinnt bleibt, selbst wenn er herausgefordert wird, mag das einigen solcher Gegner helfen, ihren Sinn zu ändern. In Sprüche 15:1 heißt es: „Eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn.“ Die Milde kann sich auf Gegner — besonders auf solche, die in Unwissenheit handeln — vorteilhaft auswirken. In Sprüche 25:15 wird deshalb gesagt: „Eine gelinde Zunge zerbricht Knochen.“ Die milde Art eines Menschen kann viel dazu beitragen, daß Vorurteile mit der Zeit beseitigt und Gegner umgestimmt werden. „Ein Sklave des Herrn aber hat es nicht nötig zu streiten, sondern muß gegen alle sanft sein, lehrfähig, der sich unter üblen Umständen beherrscht, der mit Milde die ungünstig Gesinnten unterweist, da Gott ihnen vielleicht Reue gewährt, die zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit führt.“ — 2. Tim. 2:24, 25.
21 Es gibt viele, die anfänglich gegnerisch eingestellt sind, auf die die christlichen Eigenschaften dessen, der ihnen predigt, dann aber einen solchen Eindruck machten, daß sie die Botschaft, die er ihnen bringt, näher zu prüfen beginnen und schließlich selbst ergebene Diener Gottes werden. Das ist doch bestimmt Grund genug, daß Christen nicht „Böses mit Bösem“ vergelten sollten, wenn sie unvernünftigen Menschen gegenüberstehen! Auch wenn sich der Gegner nicht ändert, übt der Christ nicht Vergeltung. Er erinnert sich an das, was in Verbindung mit den Samaritern geschah, die Jesus nicht aufnahmen. „Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: ‚Herr, willst du, daß wir sagen, es solle Feuer vom Himmel herabkommen und sie vertilgen?‘ Er [Jesus] aber wandte sich um und tadelte sie.“ Die Rache gehört Gott. Er ist der Richter, und er wird zu seiner Zeit gegen hartnäckige Gegner vorgehen. — Röm. 12:17; Luk. 9:54, 55.
UNTER CHRISTLICHEN BRÜDERN
22. Wem gegenüber müssen wir ebenfalls Milde üben?
22 Wir sollten aber nicht nur gegenüber Personen außerhalb der Christenversammlung und gegenüber unseren Angehörigen Milde walten lassen. Auch im Umgang mit denen, die im christlichen Glauben sind, kommen wir nicht ohne Milde aus. Im Gegenteil, wenn wir gegenüber den Ungläubigen milde sind, sollten wir es gegenüber unseren christlichen Brüdern erst recht sein. Die Milde ist kein Gewand, das der Christ anzieht, um Außenstehende zu beeindrucken. Sie muß zu einem Teil seiner Persönlichkeit werden. Er muß jederzeit Milde üben, besonders gegenüber den Gliedern der Christenversammlung. „Laßt uns denn, solange wir günstige Zeit haben, gegenüber allen das Gute wirken, besonders aber gegenüber denen, die uns im Glauben verwandt sind.“ — Gal. 6:10.
23. Wieso hilft die Milde, wenn Mißverständnisse entstehen?
23 Kommt es unter christlichen Brüdern zu Mißverständnissen, so hilft ihnen die Milde, richtig vorzugehen. „Kleidet euch somit als Gottes Auserwählte, heilige und geliebte, mit der innigen Zuneigung des Erbarmens, mit Güte, Demut, Milde und Langmut. Fahrt fort, einander zu ertragen und einander bereitwillig zu vergeben, wenn jemand Ursache zu einer Klage gegen einen anderen hat. So wie Jehova euch bereitwillig vergeben hat, so tut auch ihr.“ (Kol. 3:12, 13) Diejenigen, die einen milden Geist entwickelt haben, sind schneller bereit, mit ihren Brüdern Frieden zu schließen und zu vergeben, so wie Gott vergibt. Mildgesinnten Personen fällt es leichter, ‘gleichgesinnt zu sein, Mitgefühl zu bekunden, brüderliche Liebe zu üben, einander innig zugetan und demütig zu sein’. Die Milde hilft ihnen, der tiefen Liebe und Zuneigung näher zu kommen, die Petrus mit den Worten empfahl: „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander.“ (1. Petr. 4:8) Es gibt unter christlichen Brüdern nichts, was so wichtig wäre, daß Milde, zarte Zuneigung, Einfühlungsvermögen und Liebe durch harte, lieblose Methoden ersetzt werden dürften.
24. Wie sollte man jemanden, der unabsichtlich einen Fehler begangen hat, Rat erteilen?
24 Zuweilen mag ein Christ unabsichtlich einen Fehler begehen. Dann benötigt er Rat. Wie sollte dieser Rat erteilt werden? „Brüder, wenn auch ein Mensch einen Fehltritt tut, ehe er es gewahr wird, so versucht ihr, die geistig Befähigten, einen solchen Menschen im Geiste der Milde zurechtzubringen.“ (Gal. 6:1) Ein Mensch, der einen Fehltritt tut, bevor er es gewahr wird, kann eher zurechtgebracht werden, wenn er mit Milde gezüchtigt wird. Wenn jemand natürlich willentlich Unrecht tut und sogar so weit geht, daß er daraus eine Gewohnheit macht, dann ergreift die Christenversammlung weitere Maßnahmen, um ihn zu strafen und die Versammlung zu schützen. — 1. Kor. 5:11-13; 2. Joh. 9-11.
25, 26. Worauf sollten diejenigen, die die Führung übernehmen, achten, und wie sollten sie ihren Brüdern gegenüber eingestellt sein?
25 Aufseher und Dienstamtgehilfen sollten sich bewußt bemühen, im Entwickeln der Milde ständig Fortschritte zu machen. Würden sie sich auf ihren unvollkommenen Verstand verlassen, so könnten die vielen Verpflichtungen und Schwierigkeiten, mit denen sie sich befassen müssen, bewirken, daß sie mit der Zeit keine Milde mehr walten lassen. Sie müssen sich daher ihrer Abhängigkeit von Jehova bewußt bleiben und sich ständig von seinem heiligen Geist leiten lassen. Dann werden sie ihre Milde bewahren und im Entwickeln dieser Eigenschaft unablässig fortschreiten. Die Versammlung wird durch milde Hirten, die die Frucht des Geistes Gottes hervorbringen, gestärkt und ermutigt, durch harte, strenge Hirten dagegen entmutigt und geschwächt. Jeder in der Christenversammlung, der die Herde fortgesetzt lieblos behandelt, wird sein Vorrecht, seinen Brüdern zu dienen, mit der Zeit verlieren. Petrus warnte die, welche die Führung übernehmen, davor, dies als solche zu tun, „die über jene herrschen, welche Gottes Erbe sind“, sondern sie sollten „Vorbilder für die Herde“ werden. — 1. Petr. 5:3.
26 Jesus zeigte, daß die, welche die Führung übernehmen, ihren Brüdern dienen sollten. „Er [goß] Wasser in ein Becken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem leinenen Tuch, mit dem er umgürtet war, abzutrocknen.“ Er erklärte ihnen, warum er dies tat, mit den Worten: „Ihr redet mich mit ‚Lehrer‘ und ‚Herr‘ an und ihr sagt es mit Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich euch, obwohl Herr und Lehrer, die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch das Beispiel gegeben, damit so, wie ich euch getan habe, auch ihr tun sollt.“ Bei einer anderen Gelegenheit sagte er zu seinen Nachfolgern: „Wer unter euch groß werden will, soll euer Diener sein, und wer unter euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ Diese Art Demut sollten Gottes Diener heute nachahmen. Den Mildgesinnten wird dies nicht schwerfallen, denn die Milde ist die natürliche Gefährtin der Demut. — Joh. 13:5, 13-15; Matth. 20:26, 27.
27. Wo ist Milde ebenfalls unerläßlich?
27 Milde ist auch in der kleinsten Einheit der Versammlung, das heißt in der Familie, erforderlich. Vater und Mutter wenden diese Eigenschaft gegenseitig und den Kindern gegenüber an; sie sind nicht launenhaft oder unvernünftig. Das Familienhaupt, der Mann, muß oft Rat erteilen und züchtigen, aber er sollte es mit Milde tun. Eine mit Milde gepaarte Erziehung der Kinder wirkt sich auf ihren jungen Geist sehr zum Guten aus. Sie lernen dann schon von Kind auf, daß eine milde Art die beste Art ist, mit anderen umzugehen. Während sie heranwachsen, wächst der Geist der Milde mit ihnen und wird zu einem Teil ihrer christlichen Persönlichkeit.
28. Was alles bewirkt die Milde?
28 Mit Milde zu unterweisen heißt also, so zu unterweisen, wie Gott es tut. Man erreicht dadurch die besten Ergebnisse beim Predigen außerhalb der Christenversammlung, beim Unterweisen und Raterteilen innerhalb der Versammlung und beim Belehren und Zurechtweisen im Kreise der Familie. Auch werden dadurch der Frieden und das Glück des einzelnen und der Gesamtheit gefördert. Wie angenehm ist es doch, zu einer Gruppe von Menschen zu gehören, die alle diese Frucht des Geistes Gottes hervorbringen, die alle mit Milde unterweisen, ja die alles, was sie im Leben tun, mit Milde tun! Daß Gott solche Menschen segnet, zeigte Jesus deutlich, als er sagte: „Glücklich sind die Mildgesinnten, da sie die Erde ererben werden.“ — Matth. 5:5.
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Gibst du ‘so, wie du es in deinem Herzen beschlossen hast’?Der Wachtturm 1967 | 15. August
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Gibst du ‘so, wie du es in deinem Herzen beschlossen hast’?
DER Junge war erst 9 Jahre alt, doch er war von der guten Botschaft von Gottes Königreich völlig durchdrungen. Das ging aus dem Brief hervor, den er an das Zweigbüro der Watch Tower Society in Athen schrieb: „Meine Eltern versprachen mir 500 Drachmen [Wert ungefähr 70 DM] zu schenken, wenn ich beim Schulexamen eine gute Note erhalten würde. Und wirklich, ich bestand die Prüfung, und meine Eltern überreichten mir das versprochene Geschenk und sagten, ich könne damit machen, was ich wolle. Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, entschied ich mich dafür, das Geld für die Verbreitung der guten Botschaft zu verwenden, und ich überweise es Euch durch den Versammlungsdiener.“a
Ist das nicht bemerkenswert? Ja, das ist durchaus nicht das einzige Beispiel, denn daß die gute Botschaft von Gottes Königreich diese Wirkung auf Kinder hat, geht auch aus dem hervor, was ein fünfjähriges rhodesisches Kind an das Zweigbüro der Watch Tower Society in Salisbury schrieb: „Liebe Brüder! Hier ist meine Spende an die Gesellschaft über einen Shilling [Wert ungefähr 75 Pfennig], den mein Papa mir für Süßigkeiten gegeben hat. Anstatt Süßigkeiten dafür zu kaufen, habe ich mich entschlossen, das Geld der Gesellschaft zu senden, weil es dort viel nützlicher verwandt wird.“b
Ja, so bemerkenswert es ist, daß Kinder eine solche selbstlose Einstellung bekunden, um so bemerkenswerter ist vielleicht die Art, wie diese beiden Kinder ihre Reife zum Ausdruck brachten: „Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, entschied ich mich dafür“, schrieb der Neunjährige, und „... habe ich mich entschlossen, das Geld der Gesellschaft zu senden“, ist die Art, wie sich der Fünfjährige ausdrückte.
Diese beiden Knaben haben offensichtlich über die Angelegenheit etwas nachgedacht, dann in ihrem kleinen Herzen den Entschluß gefaßt, den selbstlosen Beweggrund zum Ausdruck zu bringen, und schließlich ihre Entscheidung in die Tat umgesetzt. Dadurch, daß sie so vorgingen, handelten sie gemäß dem inspirierten Rat des Apostels Paulus, der lautet: „Wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten. Jeder tue so, wie er es in seinem Herzen beschlossen hat.“ — 2. Kor. 9:6, 7.
Dieser Rat des Apostels Paulus ist ein Beweis dafür, daß er Kenntnis über die menschliche Natur und Verständnis für sie hatte, was ihm durch den heiligen Geist Gottes zuteil geworden war. Wir mögen nach reiflicher Überlegung beabsichtigt, uns entschlossen
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