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  • Das Glücksspiel blüht
    Der Wachtturm 1975 | 1. Januar
    • vorige Generation betrachtete das Glücksspiel — selbst wenn es einem „guten“ Zweck dienen sollte — als etwas, was sich nachteilig auf die Moral auswirkt. Doch heute denken die meisten Menschen anders darüber.

      In einem Artikel, der in der Zeitschrift Newsweek erschien, war von der zunehmenden Bereitschaft die Rede, das Glücksspiel einfach hinzunehmen. Es hieß darin unter anderem: „Dieser Trend kann teilweise der allgemeinen Gleichgültigkeit und Duldsamkeit der Gesellschaft zugeschrieben werden; wie der Alkohol, das Marihuana und die sexuelle Freiheit, so verliert auch das Glücksspiel immer mehr seine abschreckende Wirkung, und man nimmt es als einen Teil des modernen Lebens einfach hin.“

      Einige Parlamentarier haben sich sehr für eine Sanktionierung eingesetzt. Sie argumentieren, das Glücksspiel sei ein Vergnügen und nicht Verbrechern, sondern den Regierungen solle das Geld zufließen, das die Leute verlieren, wenn sie für dieses Vergnügen bezahlen. Die großen Kirchen stimmen dem anscheinend zu, denn William S. Van Meter, Priester der Episkopalkirche, erklärte: „In maßgeblichen Kreisen der Episkopalisten, Juden und Katholiken glaubt man nicht, daß Glücksspiele unmoralisch sind.“

      Aber was hältst du davon? Sind Glücksspiele wirklich etwas für einen Christen? Läßt es sich mit der Bibel vereinbaren, zu einer Handlung zu ermuntern, die für so viele Menschen Probleme mit sich gebracht hat? Einige Personen denken anscheinend, die Sanktionierung sei gerechtfertigt. Sie hoffen, durch die Sanktionierung des Glücksspiels würden ungesetzliche Einrichtungen aus dem Geschäft vertrieben.

      Ist das bis jetzt geschehen?

      HAT ES DEM ILLEGALEN GLÜCKSSPIEL ABBRUCH GETAN?

      Vor kurzem hieß es in einem Bericht der National Science Foundation: „Staatliche Lotterien haben sich nur in geringfügigem Maße auf ungesetzliche Glücksspiele ausgewirkt. ... Das gesetzliche Spiel ist für Spieler, die sich mit dem illegalen Spiel befassen, nicht anziehend genug, um sie davon wegzulocken.“

      Glücksspieler, die sich auskennen, wissen, daß staatliche Lotterien im Vergleich zu ungesetzlichen Glücksspielen auf jeden eingesetzten Dollar nur niedrige Prämien zahlen. In New York hat sich die Eröffnung von OTB-Büros nur geringfügig auf das Geschäft der illegalen Buchmacher ausgewirkt. Großwetter sind bei den nichtkonzessionierten Buchmachern geblieben, weil sie ihnen gewisse Vorteile bieten. Zum Beispiel sind die Gewinne steuerfrei, auch geben diese Buchmacher Kredit, und es gibt verschiedene Wettarten, wie „Parlays“ und „Numbers“, die legale Einrichtungen nicht anbieten.

      Außerdem werden — und das mag viele überraschen — bei weitem die meisten illegalen Wetten in Verbindung mit dem amerikanischen Fußball, dem Basketball und anderen Sportarten abgeschlossen. Aber mit alldem befassen sich die legalen Wettbüros nicht. Die gesetzliche Zulassung von Lotterien und Wettbüros hat daher dazu geführt, daß die Leute auf solch illegale Wettattraktionen gekommen sind. Zu dieser Feststellung kommt das New Yorker Polizeipräsidium in einer kürzlich veröffentlichten Studie.

      Gemäß dieser Studie schätzt man, daß die ungesetzlichen Glücksspiele im Jahre 1972 um 62 Prozent in die Höhe schnellten. Der Polizeipräsident Paul F. Delise erklärte: „Man hat für das Glücksspiel Stimmung gemacht. Weil es jetzt gesetzlich erlaubt ist, auf Pferde zu wetten, schließen heute Tausende, die nicht um alles in der Welt daran gedacht hätten, in Verbindung mit Fußball, Basketball oder Baseball zu wetten, bei den Buchmachern Wetten darauf ab.“

      EIN BLÜHENDES GESCHÄFT

      In New York schließen jetzt täglich ca. 200 000 Personen bei den mehr als 120 neuen OTB-Büros ihre Wetten ab. Ungefähr 23 Prozent der Erwachsenen dieser Stadt wetten dort. Im Jahre 1973 setzten sie 691 Millionen Dollar und im vergangenen Jahr schätzungsweise 800 Millionen Dollar ein. Doppelt soviel gibt man aber in dieser Stadt für illegale Wetten aus. Einige Sportjournalisten schätzen, daß die Hälfte der Anhänger des amerikanischen Fußballs auf die Spiele wettet.

      „Wetten ist etwas Alltägliches geworden; es ist die Regel, nicht mehr die Ausnahme“, klagt Ruth Spirito vom Gemeinderat Bronx-Nordost (New York). Ähnlich ist es in anderen Ländern, in denen bestimmte Formen des Glücksspiels gesetzlich erlaubt worden sind. „Glücksspiele haben nun einen solchen Umfang angenommen“, heißt es in der Londoner Daily Mail, „daß sie eine Bedrohung der Gesellschaft darstellen.“

      Ist das Glücksspiel wirklich eine Bedrohung? Wozu führt es?

  • Auswirkungen des Glücksspiels auf den Menschen
    Der Wachtturm 1975 | 1. Januar
    • Auswirkungen des Glücksspiels auf den Menschen

      EIN New Yorker Postangestellter hatte noch nie in seinem Leben gewettet. Dann wurde in seiner Nachbarschaft ein OTB-Büro eröffnet. Eine Wette folgte auf die andere. Als seine Frau kürzlich die Anonymen Spielsüchtigena anrief, hatte der Mann 5 000 Dollar Schulden und war gerade unterwegs, um seine letzten 16 Dollar zu verwetten; zurück ließ er einen leeren Kühlschrank und zwei hungrige Kinder.

      Es geschehen oft seltsame Dinge. Der Besitzer eines gutgehenden Bekleidungsgeschäfts suchte wegen seiner Spielleidenschaft einen Psychiater auf. Um den Fall besser beurteilen zu können, begleitete ihn der Psychiater zur Rennbahn. Fasziniert beobachtete er, wie der Mann bei sieben von neun Rennen seine Wetten gewann. Er war verblüfft und entschloß sich, es auch einmal zu versuchen. Schon bald hatte ihn die Spielleidenschaft gepackt, und schließlich verlor er seine Praxis.

      „Unglaublich“, mag man sagen. Doch als ein ehemaliger Spieler davon hörte, sagte er: „Das ist typisch. Ich habe viele solche Fälle erlebt.“

      EINE HEIMTÜCKISCHE LEIDENSCHAFT

      Die Spielleidenschaft beginnt auf eine anscheinend harmlose Weise. „Ich sehe die Frauen hereinkommen“, erklärte ein Wettscheinverkäufer eines OTB-Büros. „Zuerst setzen sie 2 oder 4 Dollar ein, dann mehr als 20 oder 30. Nach wenigen Monaten setzen sie auf ein Rennen 50 oder 60 Dollar. Wie viele dieser Leute ich schon gesehen habe? Allein in meinem Geschäft mindestens 20.“

      Es ist erstaunlich, wie viele Personen von der Wettleidenschaft erfaßt werden. „Die Hälfte der [OTB-]Kunden wettet an sechs Tagen in der Woche“, behauptet ein Mitglied der Anonymen Spielsüchtigen. Viele haben die Beherrschung über sich verloren und bedauern, je damit begonnen zu haben. Eine Hausfrau aus Brooklyn sagte unter Tränen: „Ich wollte, ich hätte nie angefangen zu wetten.“ Und ein Jugendlicher jammerte: „Ich habe kürzlich so viel verloren ... Aber ich kann nicht damit aufhören; es liegt mir einfach im Blut.“

      Auch viele bekannte Geschäftsleute sind der Spielleidenschaft verfallen. Die Zeitschrift Dun’s Review kommt in einem Artikel, betitelt „The Hidden Executive Vice“ (Das verborgene Laster des Geschäftsmannes), zu dem Schluß, das Glücksspiel sei „für die USA eine der ernsthaftesten Bedrohungen — ja eine ernsthaftere als der Alkoholismus und die Drogensucht“.

      Selbstverständlich wird nicht aus jedem, der einmal zu spielen beginnt, ein notorischer Glücksspieler. Viele betrachten Glücksspiele tatsächlich als einen „harmlosen Spaß“. Doch sind sie das wirklich? Wozu führt dieser „Spaß“ häufig? Wahrscheinlich wärst du überrascht, wenn du wüßtest, wie viele Familien unter den traurigen Auswirkungen des Glücksspiels zu leiden haben.

      Gemäß Schätzungen des National Institute of Mental Health gibt es allein in den Vereinigten Staaten 10 Millionen Spielsüchtige. Diese Menschen sind so sehr vom Spielfieber gepackt, daß sie in finanzielle und persönliche Schwierigkeiten geraten und ihrer Familie unsagbares Leid verursachen. Wie Drogensüchtige und Alkoholiker scheinen sie nicht aufhören zu können, ganz gleich, wie oft sie es sich auch geloben. Der Vertreter eines Staatsanwaltes, der mit den Problemen des Glücksspiels vertraut ist, sagte: „Es besteht kein Zweifel darüber, daß es süchtig macht.“

      Personen, die sich nicht an Glücksspielen beteiligen, mögen diese Sucht oder Leidenschaft kaum verstehen. Doch sie ist Wirklichkeit. Dr. Robert Custer, Chefarzt eines Krankenhauses in Cleveland (USA), hat viele Spielsüchtige behandelt. „Es sind sehr verzweifelte Menschen, wenn sie eingeliefert werden“, bemerkte er. „Wenn ein CG [notorischer Glücksspieler] um Hilfe bittet, ist er derart eingeschüchtert und verwirrt, daß er der Panik nahe ist. Sobald er aufhört zu spielen, ist er so verzweifelt, daß man denken könnte, sein Leben stände in Gefahr.“

      Was führt dazu, daß Personen eine solche Spielleidenschaft entwickeln?

      EIN DEMORALISIERENDES VERLANGEN

      Der Wunsch, leicht zu Geld zu kommen, spielt dabei anscheinend eine wichtige Rolle. Natürlich möchte niemand arm sein; wir alle möchten unser Auskommen haben. Doch das Glücksspiel stellt große Gewinne in Aussicht, ohne daß man dafür arbeiten muß — es bietet sich die Möglichkeit, rein zufällig oder „wenn man Glück hat“, schnell reich zu werden. Diese Aussicht lockt. Und es ist oft das sogenannte „Glück des Anfängers“, das zur Spielsucht führt.

      Das, was zum Beispiel ein Mann aus Ontario (Kanada) bei seinem ersten Besuch auf einer Rennbahn erlebte, ist typisch dafür. Er hatte eine bemerkenswerte Glückssträhne, denn für nur 4 Dollar gewann er 1 000 Dollar. „Dann hätte er aufhören sollen“, sagte seine Frau. „Aber er konnte es nicht.“ Warum nicht?

      Weil es ihm schien, er könne durch das Glücksspiel leicht zu Geld kommen. Der Gewinn verlockte ihn und erzeugte in ihm ein Verlangen nach mehr. Wozu führte dies? „Er wurde anders“, sagte seine Frau. „Es war, als ob in ihm zwei verschiedene Menschen steckten.“ Schließlich verlor er durch das Glücksspiel 60 000 Dollar und zerstörte sein Familienleben.

      Wenn das Verlangen einmal Wurzeln geschlagen hat, geben sich Spieler kaum mit einem großen Gewinn zufrieden. Wie Nachtfalter von einer Glühbirne angelockt werden, so werden Glücksspieler durch die Aussicht angereizt, einen noch größeren „Schlager“ zu machen. So waren zum Beispiel die Spielschulden eines jüngeren Lehrers auf die Summe von 20 000 Dollar angewachsen. Er hatte aber an vier Tagen außergewöhnliches Glück und gewann 25 000 Dollar. Bezahlte er nun damit seine Schulden? Er sagte: „Ich kam auf den Gedanken, wie leicht es doch wäre, die 25 000 Dollar zu verdoppeln. Am Montag begann ich, auf Pferde zu wetten, und bis zum Ende der Woche war alles weg.“

      Auf solch heimtückische Weise kann sich das Glücksspiel auswirken und dabei an der moralischen Kraft einer Person zehren. Notorische Glücksspieler werden mit der Zeit fast ausnahmslos unredlich und skrupellos. Vor einiger Zeit setzte ein Mann auf vier Pferde in einer sogenannten „Superfecta“-Wette und gewann für 3 Dollar Einsatz 111 000 Dollar. Er lehnte es aber ab, in das Büro von Jerome T. Paul, ein OTB-Büro, zu kommen, um ein Bild von sich machen zu lassen. Weshalb? „Er hatte mehr als 111 000 Dollar Schulden“, sagte Paul, „und er dachte nicht im geringsten daran zu zahlen.“

      Menschen aus allen Schichten werden von dieser Leidenschaft erfaßt. Ein orthodoxer Rabbiner, dessen Spielschulden insgesamt 100 000 Dollar betrugen, erklärte: „Ich verspürte keine Verantwortung gegenüber meiner Familie und meiner Versammlung. Eine Begräbnisfeier setzte ich so frühzeitig an, daß ich noch zum Rennplatz kommen konnte. Zwischen den Rennen machte ich Notizen für meine Predigten.“

      Ja, so wirkt sich das Glücksspiel auf die Menschen aus — es macht sie meistens habsüchtig, unehrlich und unglaublich rücksichtslos gegenüber anderen. Es veranlaßt sie auch, ihre Selbstbeherrschung aufzugeben. Somit steht es im Widerspruch zu grundlegenden biblischen Geboten, in denen „Habgierige“ verurteilt und Selbstbeherrschung und Liebe zum Nächsten gefordert werden (1. Kor. 6:9, 10; Gal. 5:22, 23; Matth. 22:39).

      WAS NOCH ZUR SUCHT BEITRÄGT

      Aber es gibt offensichtlich noch mehr, was zur Spielleidenschaft beiträgt. Ärzte, die das Problem untersucht haben, finden es komplex und geben zu, daß sie es eigentlich nicht verstehen. Einige glauben allerdings, daß die Spannung und der Nervenkitzel, die mit dem Glücksspiel verbunden sind, zu dieser Sucht beitragen.

      So kam zum Beispiel Dr. William H. Boyd, der diesen ganzen Komplex neun Jahre lang studierte, zu dem Schluß: „Beim Alkoholismus ist das bestimmende Element der Alkohol, und bei der Drogensucht sind es die Drogen. Doch bei der Spielleidenschaft ist der Nervenkitzel der ausschlaggebende Faktor.“ Dr. Robert Custer scheint dem zuzustimmen, denn er sagte: „Die ,Droge‘, die sie suchen, ist die Spannung.“

      Die Spannung beginnt mit der Wette und hält so lange an, bis das Ergebnis feststeht. Entweder freut man sich auf einen Gewinn, oder man fürchtet sich vor einem Verlust, und während der ganzen Zeit ist man in erwartungsvoller Spannung. Schließlich muß der Glücksspieler, wie Dr. Boyd bemerkt, „wieder zurück und von neuem mit dem Nervenkitzel beginnen“. Und es ist eine Tatsache, daß das Verlangen danach so groß ist, daß man Spieler sagen hört: „Es sind nicht die Schulden, die einen zur Verzweiflung bringen, sondern der Gedanke, aufzuwachen und kein Geld zum Wetten zu haben.“

      Es mag tatsächlich schwierig sein, zu erkennen, wie etwas, wofür es keine greifbare Ursache — wie zum Beispiel das Heroin eines Drogensüchtigen — gibt, zur Sucht werden kann. Doch selbst bei der Drogensucht handelt es sich um mehr als nur um eine körperliche Abhängigkeit von einer Chemikalie. Auch der Sinn wird dabei irgendwie in Mitleidenschaft gezogen, wodurch eine seelische Abhängigkeit entsteht. Das zeigt sich darin, daß die Drogensucht selbst dann noch anhält, wenn der Körper des Süchtigen die Droge bereits ausgeschieden hat. Dr. Custer zieht daher in seiner Abhandlung über die Spielleidenschaft einen Vergleich und sagt: „Beim Alkoholismus und bei der Drogensucht ist die seelische Abhängigkeit genauso von entscheidender Bedeutung wie bei der Spielleidenschaft.“

      Was aber auch immer dafür ausschlaggebend ist, daß das Glücksspiel Menschen demoralisiert — sei es die Geldliebe oder der damit verbundene Nervenkitzel —, man sollte daran denken, daß es die Menschen auf heimtückische Weise in seinen Bann zieht. Es ist daher vernünftig, überhaupt nicht damit zu beginnen. Laß dich nicht dadurch, daß unsere heutige duldsame Gesellschaft Glücksspiele legalisiert hat, dazu verleiten, es einmal zu versuchen. Viele haben es lediglich probiert — nur so „zum Spaß“ —, sind dann aber bald dem Glücksspiel zum Opfer gefallen und haben oft ein tragisches Ende genommen.

      BEMÜHUNGEN, ÜBER DAS PROBLEM HERR ZU WERDEN

      Man bemüht sich heute wirklich, notorischen Glücksspielern beizustehen, mit ihrer Sucht zu brechen. Die Anonymen Spielsüchtigen sind eine weltweite Organisation, die zu diesem Zweck gegründet worden ist und allein in den Vereinigten Staaten etwa 200 Gruppen mit 3 000 Mitgliedern hat. Sie ist bestrebt, den Spielsüchtigen einen ausreichenden Ansporn zu vermitteln, sich von dieser Gewohnheit zu lösen. Doch oft gelingt das nicht. Das zeigt das Bekenntnis, das ein Taxifahrer namens Victor bei einer Zusammenkunft der Anonymen Spielsüchtigen in New York ablegte.

      „Ich stand auf und bekannte, daß ich mit dem Wetten nicht aufhören könne“, sagte er, „und daß ich täglich zwei Schichten arbeitete, um meine Gewohnheit pflegen zu können. Ich erklärte ihnen, ich sei so sehr heruntergekommen, daß ich wahrscheinlich, sobald ich die Zusammenkunft verlassen würde, vier Stunden nach Bowie in Maryland fahren würde, um auf Pferde zu setzen. Als ich fertig war, kamen drei Mitglieder zu mir und sagten: ,Du Vic, hast du für uns noch Platz im Wagen?‘“

      Lediglich zu erkennen, daß man heruntergekommen ist, und den Wunsch zu verspüren, den mit der Spielleidenschaft verbundenen schmerzlichen Folgen zu entgehen, ist oft nur ein unzureichender Ansporn, sie zu überwinden. Doch es ist möglich, dieser Gewohnheit zu entsagen. Lassen wir daher jemand zu Wort kommen, der der Spielleidenschaft verfallen war, dann aber davon frei wurde.

      [Fußnote]

      a Eine Organisation zur Rettung Spielsüchtiger.

  • Ich war von der Spielleidenschaft besessen
    Der Wachtturm 1975 | 1. Januar
    • Ich war von der Spielleidenschaft besessen

      Wie ein Mann, der 17 Jahre spielsüchtig war, diese Leidenschaft besiegte.

      MANCHMAL spüre ich immer noch die Verlockung des Glücksspiels, zum Beispiel, wenn ich an einem OTB-Büro vorbeigehe und auf der Straße Leute umherstehen, die ihre Wettscheine in der Hand haben. Unwillkürlich denke ich dann oft: „Ob ich es wohl auch noch fertigbrächte, auf einen Sieger zu setzen?“ Dieser Gedanke scheint urplötzlich aufzutauchen. Ich kämpfe dagegen an — indem ich in die andere Richtung blicke und schneller gehe.

      Siebzehn Jahre lang war ich vom Spielteufel besessen. Das Wetten beherrschte mein Leben. Ich mußte einfach wetten. Es war für mich wichtiger als Essen, Trinken, Schlafen, Sex — ja wichtiger als alles andere.

      WIE ICH LEBTE

      In jenen Jahren verbrachte ich ganze Nächte mit „Handicapping“, der Auswahl derjenigen Pferde, auf die ich am nächsten Tag setzen wollte. Oder ich arbeitete Nächte hindurch, um mich tagsüber auf dem Rennplatz aufhalten zu können. Ich bettelte, borgte und stahl mir Geld zum Wetten. Alles Wertvolle, was wir hatten, landete im Pfandhaus.

      Wenn ich meinen Lohn erhielt, ging ich zum Rennplatz. „Ich werde 10 Dollar einsetzen und sehen, ob ich gewinne“, sagte ich mir gewöhnlich. Verlor das Pferd, dann pflegte ich zu sagen: „Ich muß mein Geld unbedingt herausholen, wenigstens den Einsatz.“ Immer und immer wieder verwettete ich auf diese Weise meinen Lohnscheck.

      Das bedeutete, daß ich kein Geld für Nahrung, Kleidung und Miete besaß. Oft war ich hungrig, aber nicht nur ich, sondern auch meine Frau und meine beiden Töchter. Wir hatten wenig anzuziehen, und mehrmals wurden wir von Hausbesitzern aus der Wohnung gejagt, weil wir die Miete nicht bezahlen konnten. Oder wir wechselten die Wohnung, um einem hartherzigen, erpresserischen Geldverleiher aus dem Wege zu gehen.

      Praktisch alle Spieler, die ich kannte, hatten Geldverleihern Abzahlungen zu leisten — meistens mehreren gleichzeitig. Gesetzlich anerkannte Kreditgeber würden niemandem, der hoch verschuldet ist, Geld leihen. Doch jene Geldverleiher der Unterwelt sind dazu bereit.

      Oft ging ich zu einem Geldverleiher und erhielt vielleicht 25 Dollar. Für einen Kredit von 25 Dollar hatte man 30 Dollar zurückzuerstatten. Die Rückzahlungen konnten sich in wöchentlichen Raten von 6 Dollar über fünf Wochen erstrecken. War es jemandem in einer Woche nicht möglich, den bestimmten Betrag zu entrichten, so konnte ein Aufschlag erhoben werden — ungefähr 2 Dollar auf einen Kredit von 25 Dollar. Doch diese Zahlungen in Höhe von 2 Dollar wurden nicht auf den ursprünglichen Betrag angerechnet. Man konnte also eine unbestimmt lange Zeit wöchentlich 2 Dollar Aufschlag bezahlen und immer noch den ursprünglichen Betrag schulden. Natürlich mögen heutzutage 2 Dollar nichts Besonderes mehr sein, doch damals, in den 1920er und 1930er Jahren, war es schon etwas.

      Jene Geldverleiher konnten grob werden. Sie hatten ihre Schläger an der Hand. Ich erinnere mich noch, wie sie einen meiner Freunde schrecklich zurichteten, weil er nicht zahlen konnte. Ich lebte daher oft in Furcht. Wenn ich der Verzweiflung wirklich nahe war, packte ich meine Sachen und machte mich aus dem Staub. Glücklicherweise trugen weder ich noch meine Angehörigen jemals körperliche Verletzungen davon.

      DAS GLÜCKSSPIEL IST ÜBERALL

      Es ist kaum zu glauben, wie viele Leute Wetten abschließen. Überall, wo ich arbeitete — gewöhnlich in Restaurants und Bars —, war nur von „den Pferden“ die Rede. Doch man pflegte auch andere Glücksspiele.

      Die Unterwelt hatte dafür überall in New York vornehm ausgestattete Räume. Man mußte Verbindungen haben und „anerkannt“ sein, um zugelassen zu werden. Es gab dort alle Arten des Glücksspiels — Roulette, Poker, Würfeln usw. Auch ich suchte solche Orte auf. Aber meistens wettete ich auf Pferde.

      Oft ging ich zur Rennbahn, doch noch häufiger schloß ich Wetten bei den Buchmachern in der Nachbarschaft ab. Das war aufregender, denn es war mehr los. Ich meine damit, daß die Buchmacher alle möglichen ausgetüftelten Pferdewetten boten; man konnte auf Pferde verschiedener Rennplätze setzen, und das in „Parlays“ (Schieberwette), „back to back“, „Round Robin“ und „Numbers“. Konzessionierte Buchmacher bieten diese Möglichkeiten nicht. Das ist einer der Gründe, weshalb sie für erfahrene Glücksspieler nicht so attraktiv sind.

      Die „Numbers“-Wette (Zahlenwette) hat einen besonderen Reiz. Ich wettete gewöhnlich an sechs Tagen der Woche. Die Zahl für einen Tag setzte sich aus drei Ziffern zusammen, zum Beispiel 8-3-9. Als erste Ziffer nahm ich die Einerstelle des Dollarbetrages der Gesamtausschüttung nach den ersten drei Rennen eines Tages. Betrug die Gesamtausschüttung nach jenen Rennen 359.73 Dollar, so war die erste Zahl 9. Die anderen beiden Zahlen entnahm ich auf die gleiche Weise jeweils der Gesamtausschüttung nach dem fünften und dem siebenten Rennen.

      Meistens zahlte ich meine Wetten durch einen Mittelsmann ein, der für einen Buchmacher arbeitete. Lange Zeit bediente ich mich unseres Milchmanns als Mittelsmann für die Zahlenwetten. Gewöhnlich setzte ich 50 Cent ein, und allmorgendlich gab ich ihm das Geld und einen Zettel mit den Zahlen. Ich erinnere mich, daß ich mit der Zahlenreihe 8-3-9 einmal einen Volltreffer erzielte und 300 Dollar ausgezahlt bekam — für 50 Cent eine Menge Geld!

      DIE ART DES UMGANGS

      Wir Spieler sprachen alle dieselbe Sprache, da wir vorwiegend die gleichen Interessen hatten und dabei ein und denselben Nervenkitzel und die gleichen Schwierigkeiten erlebten. Doch traurigerweise waren wir nicht aufrichtig aneinander interessiert. Jener Milchmann ist ein Beispiel dafür.

      Ich hatte Vertrauen zu ihm, da ich ihn lange Zeit kannte und er stets meine Gewinne ausgezahlt hatte. Ich schöpfte daher keinen Verdacht, als er mich, nachdem ich jene 300 Dollar gewonnen hatte, in seine Wohnung zu einem Würfelspiel einlud. Erst als ich den größten Teil meines Geldes verloren hatte, bemerkte ich, daß es ein betrügerisches Spiel war. Er hatte mich ausgenommen! Aber man kann nicht viel dagegen tun — es ist schwer nachzuweisen.

      Das war aber bei weitem nicht das einzige Mal, daß ich von „Freunden“ betrogen wurde. Einmal gab ich einem Arbeitskollegen Geld mit einer Aufstellung von Pferden, auf die er setzen sollte. Er arbeitete geteilte Schicht und ging an jenem Nachmittag zum Buchmacher. Später hörte ich die Rennergebnisse und stellte überrascht fest, daß ich auf vier Sieger gesetzt hatte. Selbstverständlich war ich, als mein „Freund“ an jenem Abend eintraf, aufgeregt und wollte meine Gewinne haben. Doch mit einigen Ausflüchten erklärte er, weshalb er die Wetten nicht abgeschlossen hätte. Ich konnte es ihm zwar nicht beweisen, doch bin ich davon überzeugt, daß er selbst die Gewinne eingesteckt hat.

      Glücksspieler sind wirklich eine unehrliche Gesellschaft! Viele zweitrangige Buchmacher liefen mit dem Geld, das ich gewonnen hatte, einfach davon. Aber Tatsache ist, daß ich nicht besser war. Ich borgte oft und zahlte nicht zurück, ja stahl sogar Geld. Es betrübt mich, wenn ich an einige dieser Erlebnisse zurückdenke.

      VERLOCKUNGEN UND NERVENKITZEL

      Ich wußte, daß das, was ich tat, falsch war. Aber ich war dieser Gewohnheit versklavt. Besonders die verlockende Möglichkeit, leicht zu Geld zu kommen, hatte mich gefangengenommen. Das war es auch, was mich eigentlich bewog, auf Pferde zu wetten.

      An Glücksspielen hatte ich mich schon früher beteiligt. Als Jugendlicher würfelte ich zum Beispiel auf den Straßen Philadelphias, und später, als ich zur See fuhr, nachdem ich mit siebzehn Jahren von zu Hause weggelaufen war, spielte ich Poker. Doch erst 1928, in dem Jahr, in dem ich heiratete, fand ich an Pferden Interesse.

      Damals arbeitete ich an der Theke im Restaurant eines Warenhauses in New York, Ecke der 49. Straße und Lexington Avenue. Die gehobene Stimmung, in der sich die Pferdewetter aufgrund ihrer Gewinne befanden, faszinierte mich. Erst später erfuhr ich, daß sie nie über ihre Verluste sprechen. „Ich sollte mein Geld lieber auch auf einfachere Weise verdienen“, dachte ich.

      Ich hatte beobachtet, daß Wetter ihre Informationen über Pferde aus dem Daily Mirror hatten. Daher suchte ich eines Tages darin zwei Pferde aus und setzte auf sie. Ich erinnere mich noch an ihre Namen: Buck Hero und Sunflower. Mit dem „Glück des Anfängers“ gewann ich auf beide!

      Nun hatte ich gewonnen und konnte deshalb mit den anderen Pferdewettern fachsimpeln. „Zu schade, daß du nicht eine ,Parlay‘-Wette abgeschlossen hast“, sagte einer, „da hättest du wirklich einen Bombengewinn gemacht.“ Bald versuchte ich es mit allen Wettarten. Ich studierte die Pferde regelrecht und begann auch mit „Handicapping“.

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