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Wir wollen unsere fremdsprachigen Nachbarn besser kennenlernenErwachet! 1980 | 8. Januar
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Wir wollen unsere fremdsprachigen Nachbarn besser kennenlernen
GEHÖRST du zu den Millionen Touristen, die es jedes Jahr nach Süden zieht, in das Land des Weins und der Musik, in die Heimat der Apfelsinen, Feigen, Mandeln und Melonen? Ja, „kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“, wie es Mignon in der gleichnamigen Oper besingt? Oder kennst du Italien nur, weil einer seiner Bürger seit ein paar Jahren dein Nachbar oder dein Arbeitskollege ist?
Vor 170 Jahren zählte Italien 18 Millionen Einwohner. Heute sind es mehr als 56 Millionen. Hier leben die Nachkommen von Römern, Etruskern, Byzantinern, Albaniern und Griechen, und alle haben auf irgendeine Weise den Charakter und das Brauchtum des italienischen Volkes geprägt.
Die Vielfalt der Sprachen, Traditionen und Mentalitäten zeigt deutlich, daß Italien nicht überall „Italien“ ist. In den Abruzzen und auf Sizilien haben ganze Dörfer ihre eigene Sprache, und wenn die Einwohner in die Kirche gehen, verrichten sie ihren Gottesdienst nach griechisch-orthodoxem Ritus. Die Dialekte — Ausdruck des eigenen Empfindens und der jahrhundertelangen Isolation — unterscheiden sich voneinander so sehr wie der Norden vom Süden. Die Mentalität der Menschen ist von Region zu Region verschieden; der Unterschied ist manchmal krasser als der einst in Deutschland bestehende zwischen Bayern und Preußen. Doch haben die Ereignisse seit dem Zweiten Weltkrieg sowie das Fernsehen und die Emigration von Millionen von Bürgern dazu beigetragen, daß die Unterschiede allmählich zu verblassen beginnen.
Diese klimatisch gesegnete Halbinsel im Mittelmeer mit ihrer charakteristischen Stiefelform bietet weit mehr als die achttausend Kilometer lange Küste, die Jahr für Jahr von Millionen, insbesondere von deutschen Touristen, als Ferienziel angesteuert wird. Wichtige Industrieunternehmen von internationalem Ruf haben Niederlassungen in Italien. Namen wie Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Ferrari sind nicht nur auf dem deutschen Automobilmarkt bekannt; sie sind zum Symbol italienischer Betriebsamkeit geworden. Von Rom und Mailand aus nehmen Impulse kultureller Art ihren Weg um die ganze Welt. Die Haute Couture italienischer Modeschöpfer hat ihren unbestrittenen Platz. Die italienische Sprache ist aufgrund ihres Wohlklangs sogar zur Sprache der Musik geworden. Namen wie Enrico Caruso, Giacomo Puccini und Giuseppe Verdi kennt fast jeder, und es gibt kaum einen Opernliebhaber, der nicht weiß, welche Bedeutung die Musikwelt der Mailänder „Scala“ beimißt.
Auch für seine gastronomischen Spezialitäten ist Italien berühmt. Nach der Meinung von Feinschmeckern zählt die italienische Küche wegen ihrer Vielseitigkeit zu den besten der Welt. Das ist kein Wunder, denn den Einwohnern des Landes steht eine große Auswahl an Gemüsen und Früchten, unter anderem Artischocken, Auberginen, Paprika, Fenchel und Tomaten, zur Verfügung. Und wer hat nicht schon einen der italienischen Weine probiert — Barolo, Lambrusco, Chianti oder Marsala, um nur ein paar zu nennen?
Italienische Speisen sind in Deutschland sehr beliebt. Seit Jahren gehören zum Bild einer deutschen Großstadt unzählige Eiscafés, Pizzerias und italienische Restaurants. Dort trifft man viele Deutsche, die ihre Sehnsucht nach Italien mit einer Pizza, einem Gericht Cannelloni, einer Lasagna oder einem großen Teller Spaghetti mit Tomatensoße stillen. Oder sie kaufen Käse, Teigwaren und Oliven in einem der italienischen Feinkostläden, die man in den letzten Jahren immer häufiger sieht.
Der Italiener ist ein freier und ungenierter Mensch. Italienische Nachbarn kennen sich gut; jeder weiß ein wenig von den Geheimnissen des anderen. An den schwülen Sommerabenden sitzt man oft bis nach Mitternacht unter den Fenstern auf der Straße, um miteinander zu diskutieren. Die Nachbarn helfen sich gegenseitig, heute mit etwas Knoblauch und morgen mit ein paar Tropfen Essig.
Auf den Plätzen der Stadt breiten fliegende Händler ihre Ware aus, und wer je einen italienischen Markt besucht hat, erinnert sich mit Vergnügen an die sich gegenseitig überbietenden Schreie der vielen Fisch- und Obstverkäufer, die ihre Stände gleich neben den Pizzabäckern und den Keramikhändlern haben. All dies ist der Rahmen für die sprichwörtliche, ja klassische Freude eines Volkes, das das Leben so nimmt, wie es ist, ohne sich zuviel Sorgen um das Morgen zu machen. Man soll die Dinge eben nicht immer so tierisch ernst nehmen.
Das Ausland und seine Probleme
In den letzten Jahren sind viele Italiener in andere Länder der Europäischen Gemeinschaft gezogen. Bei den Männern ging es meistens darum, in ein Land zu ziehen, wo sie leichter einen Arbeitsplatz finden konnten, um das tägliche Brot für ihre kinderreiche Familie zu verdienen. Gaetano aus der sizilianischen Industriestadt Gela sagte darüber:
„Mit 18 Jahren hatte ich meine Berufsausbildung als Werkzeugmacher abgeschlossen, und ich nahm mir vor, so schnell wie möglich einen Arbeitsplatz zu finden. Um ehrlich zu sein, ich schämte mich, meinem Vater noch weiter zur Last zu fallen, obwohl er den Wunsch hatte, mich zur technischen Hochschule zu schicken. Es verging mehr als ein Monat, und ich hatte keine passende Arbeit gefunden. Dann hörte ich von einigen Bekannten, die in Deutschland arbeiteten und für ein paar Wochen auf Urlaub waren, daß man dort Arbeit bekommen könne, sogar ohne vorherigen Arbeitsvertrag. So entschloß ich mich, meine Stadt, meine Freunde und auch meine Familie zu verlassen. Nie werde ich die Tränen meiner Mutter vergessen, die sie beim Abschied vergoß.“
Das Leben im Ausland ist nicht ohne Probleme. Nur wer selbst einmal als Gast unter Menschen gewohnt hat, deren Sprache und Mentalität ihm völlig fremd waren, kann so richtig mitfühlen, was es bedeutet, weit von der Heimat entfernt, auf Familie und Freunde verzichten zu müssen. Da der Familiensinn bei den Italienern besonders stark ausgeprägt ist, fällt es ihnen doppelt so schwer, mit der Trennung von den Familienangehörigen fertig zu werden. Dies zu wissen hilft uns, unsere fremdsprachigen Nachbarn besser zu verstehen, denn wir werden sie nicht mit dem Maßstab unseres eigenen Landes messen.
Ein Hauptproblem ist natürlich die Sprache. Die italienische Sprache gehört zu der romanischen Sprachfamilie, die wenig Ähnlichkeit mit der germanischen hat. Bei dem Italiener stimmt deshalb meistens der Spruch: „Deutsche Sprache, schwere Sprache.“ Wegen mangelhafter Schulbildung oder aus Zeitmangel, bedingt durch die Arbeitsverhältnisse, können viele Gastarbeiter sich nicht so mit der neuen Sprache beschäftigen, wie sie dies vielleicht gerne täten.
Auch die Ausbildung der Kinder ist ein Problem. „Die Zahl ausländischer Schüler in der Bundesrepublik ... hat jetzt die Zahl von einer halben Million überschritten.“ So hieß es vor kurzem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 14,5 Prozent dieser ausländischen Schüler sind Italiener. Weil ihre Kenntnisse der deutschen Sprache aber nicht immer ausreichen, um dem Unterricht folgen zu können, enden viele Schüler in Hilfs- oder Sonderschulen. Nur in wenigen deutschen Städten existieren Schulen für Schüler italienischer Zunge. Und dort sind die Klassen meistens überfüllt. Deshalb schicken viele Eltern ihre Kinder nach Italien zur Schule.
Ein weiteres Problem ist der Umgang mit den Behörden und das Ausfüllen von Miet- und Kaufverträgen. Darüber sagte Mario aus der Provinz Campobasso: „Oft ist es unsere Schuld. Vielleicht haben wir uns nicht genügend im voraus informiert. Vielleicht haben wir den Vertrag nicht aufmerksam genug gelesen, bevor wir ihn unterschrieben. Aber in den meisten Fällen ist das Problem doch auf unsere Unkenntnis der deutschen Sprache zurückzuführen. Wie schön wäre es doch, wenn uns jemand helfen würde! Wir sind nicht nach Deutschland gekommen, um nur einen Arbeitsplatz auszufüllen. Wir würden ein wenig mehr menschliche Wärme schätzen.“
Dieser Wunsch kann auch als ein gutgemeinter Rat verstanden werden. In einem Buch über Italien heißt es unter anderem: „Niemand ist weiser als der Mensch, der höflich zu sein versteht. Aber es darf nicht äußere Höflichkeit allein sein. ... Es ist ein Vergnügen zu sehen, wie ungezwungen etwa ein Bauer mit einem Minister zu reden versteht. Nicht die Höflichkeit macht es aus, es ist der Sinn für das Menschliche und für die Würde des Menschen. An dieser Menschlichkeit, an das italienische Herz muß man rühren, wenn man den wahren Italiener kennenlernen will. Gelingt das, so findet man die Leute plötzlich verwandelt ... Dann tun sie alles für einen, sagen plötzlich ,ja‘, nachdem sie vorher stundenlang ,nein‘ gesagt hatten.“
Obwohl die Lebensweise in Deutschland ganz anders ist als in Italien, sind viele Italiener in ihrer zweiten Heimat sehr glücklich. Mario sagte zum Beispiel: „Uns gefällt Deutschland. Es bietet uns nicht nur einen Arbeitsplatz. Wir schätzen die Art, wie man es verstanden hat, die natürliche Schönheit des Landes zu erhalten, seine schönen, grünen Wälder, seine weiten Weideflächen und die malerischen, ordentlichen Dörfchen hier und da. Uns gefällt die Ordnung und die Zusammenarbeit der einzelnen Bürger, die Ehrlichkeit beim Gewähren von Rechten auch dem Geringen gegenüber. Und mir gefällt die Art, wie man hierzulande Kartoffelsalat zubereitet!“
Und warum nicht? Man muß nicht unbedingt Deutscher sein, um Kartoffeln zu essen, oder Italiener, um Spaghetti zu mögen, oder?
Zur Verständigung der Völker
Seit über zehn Jahren gibt es in der Bundesrepublik eine Gruppe von Deutschen und Italienern — mittlerweile ist sie auf zweieinhalbtausend Aktive angewachsen —, die sich ganzherzig um ein besseres Verständnis zwischen den beiden Sprachgruppen bemüht. Ihre Erfahrung lehrt, daß die Probleme unserer fremdsprachigen Nachbarn und die Vorurteile einiger hiesiger Bürger ihnen gegenüber nur durch kompromißlose Anwendung der Grundsätze des Buches der Bücher, der Heiligen Schrift, beseitigt werden können.
Diese etwa zweieinhalbtausend italienisch sprechenden Personen versammeln sich in beinahe 60 Städten der Bundesrepublik regelmäßig in den Königreichssälen der Zeugen Jehovas, um die wertvollen Informationen der Bibel kennenzulernen. Vielleicht ist einer dieser Säle in der Nähe deiner Wohnung. Du bist herzlich eingeladen, die Zusammenkünfte, die dort stattfinden — seien sie in italienischer, deutscher oder einer anderen Sprache —, zu besuchen.
Ein solcher Besuch wird dir helfen, die beglückende Botschaft der Bibel besser zu verstehen: Bald werden alle Völker der Erde in Frieden und Eintracht miteinander leben! Wer sich bemüht, seine fremdsprachigen Nachbarn besser kennenzulernen, trägt schon heute dazu bei.
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Gipfelkonferenz in TokioErwachet! 1980 | 8. Januar
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Gipfelkonferenz in Tokio
Bericht aus Japan
„DIE Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten haben heute mit ihrer Gipfelkonferenz begonnen ..., die den Zweck hat, einen Ausweg aus der sich ständig verschlimmernden weltweiten Ölkrise zu finden“, meldete die Zeitung „Mainichi Daily News“.
Fanden sie einen Ausweg? Was war das Ergebnis dieser eindrucksvollen Gipfelkonferenz in Tokio, auf der Staatsmänner der mächtigsten Nationen vertreten waren? Wie kam es zu diesem Treffen?
Seit der „Ölkrise“ des Jahres 1973, als die ölexportierenden Staaten den Ölpreis drastisch erhöhten, kämpfen die Länder, die Öl importieren müssen, verzweifelt gegen Inflation und Rezession sowie gegen Erschütterungen des internationalen Geldmarktes. Um Lösungen für diese Probleme zu finden, wird seit 1975 jedes Jahr eine Wirtschaftsgipfelkonferenz abgehalten.
Sind die Nationen jetzt besser daran als 1975? Nein, jetzt ist die „Energiekrise“ so groß, daß das Ringen auf der Tokioer Konferenz härter war denn je.
Deshalb konzentrierte man sich auf diesem Gipfeltreffen vor allem auf energie- und erdölpolitische Fragen. Dabei ging es hauptsächlich um Ölversorgung,
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