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„Weide meine Schäflein“Der Wachtturm 1957 | 15. Februar
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Gottes, Jehovas, betrifft? Hörst du, wie Jesus zu dir sagt: „Weide meine Schäflein“? Und wird es deinem Herzen wahrhaft Freude bringen, den Text im Sinn zu behalten, den Jehovas Zeugen ihnen im Jahre 1957 vor Augen halten werden: „Tag für Tag erzählt die gute Botschaft der von ihm bewirkten Rettung“, und danach zu leben? Erfaßt du deine Verantwortung als Aufseher, als Diener mit einem Dienstamt, als Prediger in der großen Versammlung Gottes? Jesu Worte, „Weide meine Schäflein“, gelten dir, dem Christen!
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Berichte aus dem Jahrbuch 1957 der Zeugen JehovasDer Wachtturm 1957 | 15. Februar
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Berichte aus dem Jahrbuch 1957 der Zeugen Jehovas
WESTDEUTSCHLAND
Wie der Bericht zeigt, herrschte in Westdeutschland in diesem Jahre intensive Tätigkeit. Das Werk wurde während des Jahres besser organisiert. Überall in Deutschland erkannten die Brüder die Notwendigkeit, sich in abgelegene Gebiete zu begeben, in Gegenden von Westdeutschland, die zuvor nicht durchgearbeitet worden waren. Die Brüder beteiligten sich eifrig an den Wachtturm- und Erwachet!-Feldzügen, und jede Gruppe im Felddienst, die Versammlungsverkündiger, die Pioniere und die Sonderpioniere, erreichte ihre Jahresquote. Westdeutschland verzeichnete eine Verkündiger-Zunahme von 7 % und erreichte im April 1956 eine neue Höchstzahl von 50 530. Die Gesellschaft faßt Pläne für eine noch größere Ausdehnung. Eine neue Druckpresse ist bestellt worden, damit die künftige Arbeit hier bewältigt werden kann. Neue Gebäude sind geplant, und all dies hoffen wir während des Dienstjahres 1957 zu verwirklichen. Wir wünschen die Austeilung der geistigen Speise unter der Bevölkerung Westdeutschlands nicht zu verlangsamen. Der Zweigdiener berichtet uns einige sehr interessante Erfahrungen, die unseren Herzen Freude bereiten.
Die Arbeit in den Ferngebieten war ein weiterer Höhepunkt im Predigtdienst. Durch den Informator und durch Briefe wurden die Versammlungen auf die wunderbare Gelegenheit aufmerksam gemacht, mittels eines Dreibücherangebots den Menschen guten Willens in nichtzugeteilten Gebieten zu helfen, Jehovas Vorhaben zu erkennen. Mit einer Begeisterung ohnegleichen gingen sie an die Arbeit, und diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß mindestens 80 % unseres nichtzugeteilten Gebietes bearbeitet wurde. Es gibt also nur wenig Menschen in Westdeutschland, die in diesem Jahr nicht von einem Prediger der guten Botschaft vom Königreich aufgesucht wurden. Entsprechend war auch das Ergebnis. Während im Jahr 1955 in den Monaten Juli und August 35 824 Bücher abgegeben werden konnten, verbreiteten die begeisterten Königreichsverkündiger in den gleichen zwei Monaten des Jahres 1956 95 392 Bücher; das bedeutet eine Steigerung um 166 %.
Ein Versammlungsdiener berichtet von der Arbeit in einem Dorfe und bemerkt, alles, was sie erlebten, erinnere sie an das finstere Mittelalter: „Die ganze Ortschaft war in voller Aufregung. Die Dorfjugend zog vor uns her von Haus zu Haus und meldete uns an, mit der Absicht, daß man uns abweise. Es war uns nicht möglich, auch nur ein Buch in dieser Ortschaft zu lassen.“ Eine Woche später arbeiteten sie in einer anderen Ortschaft des gleichen Gebietes. Die Verkündiger versammelten sich am Bahnhof und betrachteten, bevor sie in den Dienst gingen, gemeinsam den Tagestext. Anschließend gab der Versammlungsdiener einige Anregungen für den Dienst und machte den Vorschlag, ein Verkündiger möge noch ein Einführungszeugnis geben. Darauf sagte ein Verkündiger, daß sie sich freuen würden, wenn er dies heute täte. Dies tat der Versammlungsdiener dann auch. Doch er hatte kaum begonnen, da kam ein Mann über die Straße, stellte sich zu den Verkündigern und hörte zu. Der Versammlungsdiener ergriff die Gelegenheit und sprach gleich zu diesem Mann, wie das Jehovas Zeugen sonst an den Türen der Menschen tun. Als er geendet hatte, holte der fremde Mann seinen Geldbeutel hervor und sagte: „Diese Bücher möchte ich haben.“ Das war ein guter Start für den Dienst, den die Verkündiger an diesem Tage verrichten wollten, und als sie sich mit dem Manne näher bekannt machten, erfuhren sie noch, daß er aus dem Dorfe kam, in dem sie eine Woche früher nicht ein Buch zurücklassen konnten.
Ein guter Fortschritt wurde ferner in der Zeitschriftenverbreitung erzielt. Es konnten 5 583 403 Exemplare abgegeben werden, das sind 60 % mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Sonderpioniere stieg von 58 auf 103 an. Sie leisten gute Arbeit und legen den Grund für neue Versammlungen.
Zu all den Segnungen wurde uns in diesem Jahr noch eine große Freude zuteil. Wir konnten das Gebäude des Bethels kaufen, das wir aus einem Rohbau, der einer Ruine glich, zu dem gemacht haben, was es heute ist. Wahrlich, Jehova ist ein fürsorglicher Vater. Er vermag uns alles zurückzugeben, was uns seine Feinde rauben mögen. Das haben wir in diesem Lande erfahren. Wir haben nicht nur ein schönes Bethel zurückerhalten, sondern dazu viele Brüder und Schwestern, ja mehr als je zuvor.
BERLIN
Die Gesellschaft unterhält ein schönes Zweigbüro in Berlin, das sich des Werkes in dieser kleinen Inselstadt innerhalb der Grenzen Ostdeutschlands annimmt. Es dient auch dazu, den Brüdern in Ostdeutschland auf jede mögliche Weise Hilfe zu bieten. Den Geist des Volkes Jehovas zu sehen, den es an den Tag legt, wenn es unter Druck steht, ist wunderbar, und dies veranlaßt uns, an die Worte des Paulus zu denken, der sagte: „Wir werden auf jede Weise bedrängt, sind aber nicht bewegungslos eingeengt; wir sind ratlos, aber nicht unbedingt ohne Ausweg; wir werden verfolgt, aber nicht im Stiche gelassen; wir werden niedergeworfen, aber nicht vernichtet.“ (2. Kor. 4:8, 9, NW) Dieses Empfinden haben viele unserer Brüder hinter dem Eisernen Vorhang, und das zeigt, daß sie wirklich auf Jehova Gott vertrauen und darauf, daß er ihnen zu seiner eigenen Zeit und auf seine eigene Weise Befreiung schaffen wird. Weil ihnen von den totalitären Herrschern unablässig nachgestellt wird, führen unsere Brüder in diesem Teil der Welt ein Leben wie die frühen Christen, mehr als jene im westlichen Teil der Welt oder dort, wo die sogenannten freien Nationen leben. Gottlose Menschen möchten alle Christen ausgerottet sehen; denn diese Kommunisten sagen, es gebe keinen Gott, und sie hassen Menschen, die an Gott glauben. Die Wahrheit aber, die Christus Jesus der Welt brachte, wird nie von der Erde verschwinden. Als Beweis dafür besitzen wir einen ganz wunderbaren Bericht vom Zweig Berlin. Hier folgen nur einige der interessanten Erfahrungen.
Es scheint nicht ratsam zu sein, viel von der Entwicklung des Werkes innerhalb des Gebietes des Berliner Zweiges zu erzählen, wozu auch Ostdeutschland gehört, wo das Werk immer noch unter dem Verbot der kommunistischen Herrscher steht. Doch kann gesagt werden, daß es sich als etwas sehr Gutes erwiesen hat, eine enge, organisatorische Verbindung zwischen West-Berlin und Ostdeutschland zu besitzen, denn dies gestattet den Verkündigern in West-Berlin, mit ihren Brüdern in Ostdeutschland in vollem Umfang zusammenzuarbeiten. Wenn diese nach der „Insel“ West-Berlin kommen, um geistige Speise für sich und ihre Brüder daheim zu erlangen, erkennen es die Berliner Brüder als ihr Vorrecht, die christliche Tugend der Gastfreundschaft zu pflegen, und sie ihrerseits werden sehr ermutigt durch das treue Ausharren und die Ergebenheit, die ihre Brüder in Ostdeutschland bekunden.
Es stimmt uns sehr froh, mitzuteilen, daß seit dem Sturz des Götzen Stalin die direkte Verfolgung merklich abgenommen hat. Neue Verhaftungen von Brüdern verringerten sich bis auf einige wenige Fälle im Monat, und das erste Mal in den sechs Jahren, seitdem das Verbot besteht, übertrifft die Zahl der aus dem Gefängnis freigelassenen Brüder jene der neueingesperrten. Es wurden 102 neue Fälle berichtet, in denen Verkündiger eingesperrt wurden, doch wurden dagegen 211 freigelassen, 48 davon schon vor Ablauf der vollen Haftzeit, zu der sie verurteilt worden waren. Es wäre aber zu früh, von einer Beendigung der Verfolgung zu sprechen. Immer noch mehr als 1300 Brüder und Schwestern leiden in ostdeutschen Gefängnissen. Sie sind jedoch guten Mutes, da sie wissen, daß Jehova sie zu seiner bestimmten Zeit befreien wird, wenn Menschen verfehlen, das ihnen bisher zugefügte Unrecht zu berichtigen. Ziemlich oft kommt es vor, daß freigelassene Brüder uns sagen, die durchlebten schweren Prüfungen hätten sie nur zu noch größerer Wertschätzung für Jehovas Wahrheit und für den ihnen anvertrauten Dienst angespornt, und sie seien aus dem kommunistischen Gefängnis geistig stärker herausgekommen, als sie zu der Zeit waren, wo sie hineingingen.
Aber auch anderen Menschen gereicht es zum Guten, wenn Jehovas Zeugen ins Gefängnis geworfen werden. Ein Bruder berichtete, daß bei einem allgemeinen Quartierwechsel in einem Zuchthaus ein Gefangener zu der Gruppe der Brüder hinzutrat. Als der Wärter ihn fragte: „Seit wann sind Sie denn ein Zeuge Jehovas?“ antwortete der Gefangene: „Ich wurde ein solcher im Jahre 1953.“ Der Wärter rief aus: „Ist es denn sogar im Gefängnis möglich, ein Zeuge Jehovas zu werden? Sie wurden doch wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt bestraft.“ Der Gefangene antwortete: „Ich bin jetzt einer von ihnen geworden, weil sie die Wahrheit sagen.“ In einer freundlichen Anwandlung schloß ihn daraufhin der Wärter mit den Brüdern zusammen ein. Die Brüder, die Zeugen davon waren, wie dieser Gefangene Stellung für die Wahrheit bezog, erkannten, daß es sich lohnt, in unruhvoller Zeit weiterzupredigen, und sie wurden sehr gestärkt.
Die Wahrheit wird in Ostdeutschland nicht nur innerhalb der Gefängnismauern gepredigt, sondern viele Tausende von Verkündigern befinden sich draußen und sind ebenso begierig und emsig dabei, Menschen guten Willens behilflich zu sein, Jehovas Botschaft zu hören. Sie haben weder Dienstversammlungen noch eine Predigtdienstschule. Sie sind genötigt, allein mit ihren Bibeln zu wirken, da die Schriften verboten sind. Sie können sich keine Notizen machen und müssen jeden Anschein einer organisierten Tätigkeit meiden, wenn sie nicht verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden wollen. Dennoch fahren sie fort, ihren geistigen Zehnten zu zahlen, indem sie regelmäßig in den Königreichsdienst ziehen, und Jehova segnet ihre Bemühungen.
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