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  • „Der Name Jehovas ist ein starker Turm“
  • Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1972
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Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1972
w72 15. 9. S. 555-559

„Der Name Jehovas ist ein starker Turm“

Von Heinrich Dickmann erzählt

DIE Gestapo verhaftete mich 1937 in meiner Wohnung in Dinslaken. Man wollte, daß ich meine christlichen Brüder verriet, indem ich Mitteilungen über sie machte. Wenn ich „reden“ würde, könne es leichter für mich abgehen; wenn nicht, so habe die Gestapo Möglichkeiten, mich zum Reden zu bringen, so hieß es. Ich entschloß mich, keine Aussagen zu machen, ganz gleich, wie mich die Gestapo behandeln würde, denn ich vertraute auf den Namen Jehovas.

Ja, die Erfahrungen, die ich während der letzten vierzig der neunundsechzig Jahre meines Lebens gemacht habe, lehrten mich, daß „der Name Jehovas ... ein starker Turm“ ist. — Spr. 18:10.

Als junger Mann fand ich in der evangelischen Kirche, der ich angehörte, keine Sicherheit und auch keine Hoffnung. Obwohl im evangelischen Liederbuch das Lied „Dir, dir, Jehova, will ich singen“ stand, wurde doch dieser Name weder gebraucht noch bekanntgemacht. Meine Frau und ich mußten den Namen Jehova noch kennen- und schätzenlernen.

Im Jahre 1931 hatten wir mit zwei Zeugen Jehovas eine mehrstündige Unterredung. Dabei wurde der Name Jehovas anhand der Bibel ins Blickfeld gerückt. Diese Unterredung war der Anlaß, daß wir uns fortan ernstlich mit der Bibel beschäftigten. Unser Studium dauerte gewöhnlich bis tief in die Nacht hinein. Es wurde uns klar, daß das, was Jehovas Zeugen lehrten, wirklich Gottes Wahrheit war. Bald besuchten wir die Zusammenkünfte der Zeugen. In Dinslaken, unserem Geburtsort, fanden sie in Privatwohnungen statt. Aufgrund der gewonnenen biblischen Erkenntnis traten wir schon nach wenigen Wochen aus der Kirche aus, und einige Monate später bekundeten wir unsere Hingabe an Jehova durch die Taufe.

Nicht alle in unserer Familie waren über unseren Kirchenaustritt glücklich. Mein Vater, der nicht einmal weinte, als er während des Ersten Weltkrieges zum Militärdienst eingezogen wurde, weinte jetzt. Aber wir sprachen weiter über die Bibel, und zwei meiner vier Brüder, Fritz und August, nahmen die biblische Wahrheit an. An meinem Arbeitsplatz, in der August-Thyssen-Hütte in Dinslaken, konnte ich regelmäßig bei einigen meiner Mitarbeiter die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter (jetzt: Erwachet!) abgeben. So ging es, bis im Januar 1933 der Diktator Hitler an die Macht kam. Wie passend war doch der Jahrestext für 1933 aus Sprüche 18:10: „Der Name Jehovas ist ein starker Turm. Der Gerechte läuft hinein und wird beschützt.“!

AUF JEHOVAS NAMEN VERTRAUEN

Immer wieder erfuhr ich während der aufkommenden nationalsozialistischen Ära in schwierigen Situationen, daß der „Name Jehovas ... ein starker Turm“ ist. Trotz Opposition seitens der Nationalsozialisten waren wir in der Lage, die biblische Broschüre „Die Krise“ in ausgedehntem Maße zu verbreiten. Im Juni 1933 verbot die Hitlerregierung dann jede Tätigkeit der Zeugen Jehovas, was ihre Zusammenkünfte und das Verbreiten ihrer Literatur betrifft.

Dann kam am 12. November 1933 der erste Wahltag im „Dritten Reich“. Alle politischen Parteien wurden gleichgeschaltet, und das deutsche Volk ging geschlossen zur Wahl, nur Jehovas christliche Zeugen nicht. Eine Hilfe, hinsichtlich der Politik neutral und Jehovas Königreich treu zu bleiben, war ihnen der Bibeltext für diesen Tag — ja, es war Sprüche 18:10: „Der Name Jehovas ist ein starker Turm.“ Obwohl die SS (Schutzstaffel) in meine Wohnung kam und mich aufforderte zu wählen, vertraute ich auf Jehovas Namen und gab dem Drängen der SS nicht nach.

Im Laufe der Zeit wurde der Widerstand größer. Am 19. August 1934 war erneut Wahltag. Wieder wurde ich von SS-Leuten besucht und aufgefordert zu wählen. Dreimal kamen sie zu mir, und jedesmal war ich in der Lage, ihnen über Gottes Königreich Zeugnis zu geben. Schließlich, am 7. Oktober, sandten die Zeugen Jehovas an die Regierung einen Brief, der eine Resolution enthielt. Zur gleichen Zeit schickten unsere christlichen Brüder aus anderen Ländern 20 000 Telegramme, in denen sie gegen Hitlers Verbot der Zeugen Jehovas protestierten.

An meiner Arbeitsstelle spitzte sich die Lage immer mehr zu. Ich war der einzige unter 2 000 Belegschaftsmitgliedern, der weder der Partei noch der Deutschen Arbeitsfront angehörte, noch den „Deutschen Gruß“ (Hitlergruß) erwiderte.

Im April 1935 bekam ich von der NSDAP und von der Deutschen Arbeitsfront ein Schreiben mit der Aufforderung, ich möchte die Gründe darlegen, warum ich den „Deutschen Gruß“ nicht erwidere, nicht zur Wahl ginge und auch nicht der Deutschen Arbeitsfront beitrete. Diesen Brief beantwortete ich, legte dabei gewisse biblische Grundsätze dar und erklärte, daß ich kein Staatsfeind sei, sondern ein Christ. Am 30. April wurde ich verhaftet.

Stundenlang dauerten die Verhöre der Gestapo. Dann wurde ich vor den Schnellrichter gebracht. Einer der vernehmenden Beamten erklärte mir, er sei auch ein Christ. Darauf antwortete ich ihm, daß ein Nachfolger Jesu unmöglich seine Mitchristen einsperren könne. Nach zehn Tagen wurde ich plötzlich wieder freigelassen.

Als ich wieder zu meiner Arbeit in dem Stahlwerk zurückkehrte, sagte mir der Direktor: „Dickmann, ich werde schon als Saboteur beim Aufbau des Vaterlandes betrachtet, weil ich Sie noch nicht entlassen habe. Heben Sie doch die Hand zum Deutschen Gruß. Die Mitgliedsbeiträge zur Deutschen Arbeitsfront bezahlen wir für Sie. Es geht doch um Ihre Existenz!“ Ich konnte ihm ein gutes Zeugnis geben und erklären, daß es nicht nur um meine Existenz ginge, sondern auch darum, nach biblischen Grundsätzen zu leben. So wurde ich auf Anordnung der Deutschen Arbeitsfront entlassen.

GOTTES WAHRHEIT TROTZ WIDERSTAND PREDIGEN

Ich setzte meine intensive Tätigkeit von Haus zu Haus mit der Bibel fort, bis ich am 7. Juli 1935 wieder verhaftet wurde. Im folgenden Monat wurde ich dann vom Gefängnis in das Konzentrationslager Esterwegen im Emslandmoor gebracht. Bald folgten mir vier Zeugen aus meiner Heimatversammlung. Einer von ihnen war mein Bruder Fritz, der nach Jahren an den Verletzungen starb, die er sich im Konzentrationslager zugezogen hatte. Aber er bewahrte seine Lauterkeit gegenüber Jehova bis zum Tode.

Wenn jemand in dieses berüchtigte Lager eingeliefert wurde, dauerten die Vernehmungen von morgens bis zum späten Nachmittag. Alles, was es an Menschenschinderei überhaupt gab, wurde hier ausprobiert. „Sport“ nannte man das.

Im Oktober kam ich vom Konzentrationslager zu meiner Gerichtsverhandlung in das Gerichtsgefängnis nach Duisburg. Hier hatte ich Gelegenheit, fast eine Stunde Zeugnis über Gottes Wahrheit zu geben. Eine Zeitung schrieb darüber: „Er wollte sogar den Richter bekehren.“

Am 1. Januar 1936 wurde ich plötzlich ohne erkennbaren Grund entlassen. Da ich jetzt keine Erwerbsmöglichkeit hatte, bekam ich für mich, meine Frau und unser achtjähriges Töchterchen Erwerbslosenunterstützung. Dann kam am 29. März 1936 wieder ein Wahltag. Die Redner der Nationalsozialistischen Partei erklärten öffentlich, Jehovas Zeugen seien geheilt und würden jetzt zur Wahl gehen. Doch welche Enttäuschung für sie! Wir alle, die wir gemeinsam im Konzentrationslager Esterwegen gewesen waren, versammelten uns mit unseren Familien frühmorgens im Wald. Es war eine schöne Tagesversammlung, die uns geistig stärkte auszuharren.

Wir predigten Gottes Wahrheiten unterirdisch weiter, und im Dezember 1936 verbreiteten wir eine wichtige Resolution. Ich hatte das Vorrecht, meine christlichen Brüder in mehreren Versammlungen zu fragen, ob sie daran teilnehmen wollten. Dann durfte ich ihnen das Gebiet zuteilen.

BEMÜHUNGEN DER GESTAPO, MICH ZUM „REDEN“ ZU BRINGEN

Am 20. Juni 1937 kam der Tag für die Verbreitung eines „offenen Briefes“, der einen Tatsachenbericht über die Verfolgung der Zeugen Jehovas enthielt. Keiner der Zeugen wußte, wer von den anderen, die noch frei waren, mitmachte. Diese Vorkehrung wurde getroffen, damit niemand in die Gefahr käme, den Namen anderer unabsichtlich preiszugeben. Um 12 Uhr mittags begann die Verteilung. Zwei Zeugen Jehovas, die von mir ihre Gebietszuteilung erhalten hatten, wurden verhaftet. Unter dem Druck der Verhältnisse bei den Vernehmungen gaben sie meinen Namen und den meiner Frau an. So wurde ich am 30. Juni zum drittenmal verhaftet.

Die Gestapo holte mich in meiner Wohnung ab und brachte mich zum Polizeipräsidium in Duisburg. Am nächsten Morgen begann mein Verhör; die Gestapo wollte die Namen der anderen Zeugen wissen, die an der Aktion teilgenommen hatten. Weil ich mich weigerte, Aussagen zu machen, wurde ich geschlagen. Dann wurde ich in eine Einzelzelle gesteckt, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Jeden Tag erschienen einige Male die Gestapobeamten und fragten mich, ob ich denn keine Aussagen machen wolle. Nach acht Tagen wurde ich in eine besondere Vernehmungszelle gebracht.

Zunächst zogen die Gestapobeamten ihre Jacken aus und legten ihre Uhren beiseite. Dann begann die „Vernehmung“. Auf ihre Fragen habe ich nur geantwortet, daß ich im Namen Jehovas und seines Sohnes Jesus Christus jede Aussage verweigere. Daraufhin wurde ich so geschlagen, daß ich von einer Ecke in die andere flog. Mir wurde eine Wolldecke über den Kopf geworfen, und Schuhe und Strümpfe wurden mir ausgezogen. Dann bekam ich mit einem Lederriemen Schläge auf die Fußsohlen. (Noch nach zwei Wochen hatte ich geronnenes Blut unter den Zehennägeln.) Doch keinen Laut des Schmerzes habe ich von mir gegeben. Wahrlich, der Name Jehovas ist ein starker Turm.

Als die Gestapo sah, daß diese Methode nicht zu dem gewünschten Erfolg führte, drohte sie mit noch schlimmeren Mitteln. Aus den Fragen der Gestapobeamten und ihren Äußerungen hörte ich heraus, daß sie nicht wußten, wer an der Verbreitung der Resolution teilgenommen hatte. Sie drohten auch, meine Frau zu verhaften, wenn ich keine Namen nennen würde.

Jeden Tag gab es neue Befragungen, verbunden mit Schlägen. An einem Tag gab es ein „zufälliges Zusammentreffen“ mit den beiden Personen, die meinen Namen genannt hatten. Diese redeten dann auf mich ein und versuchten mich zu bewegen, doch zuzugeben, daß ich ihnen die „offenen Briefe“ gegeben hatte und auch das Gebiet, wo sie verteilt wurden.

Mitten in der Nacht kontrollierten oft Gestapobeamte, ob die Handfesseln noch ordnungsgemäß befestigt waren. Nachdem ich zehn Tage in den rostigen Fesseln gelegen hatte, eiterten meine Handgelenke. Am elften Tag wurden mir trotz meiner Bitten die Fesseln vierundzwanzig Stunden lang nicht abgenommen, nicht einmal, wenn ich zur Toilette ging.

Als die Fesseln zum Frühstück endlich gelöst wurden, waren meine Arme wie abgestorben. Ein Schreibblock mit Bleistift wurde mir gebracht, damit ich darauf schreiben könnte, was ich nicht sagen wollte. Der Block blieb unbeschrieben. Die Fesseln wurden wieder angelegt.

Mittags beim Essenholen standen mehrere Beamte im Flur, um ein von ihnen inszeniertes Schauspiel zu beobachten, denn als ich vom Aufzug zu meiner Zelle zurückging, wurde meine Frau die Treppe hinaufgeführt. Sie hatte mich nicht gesehen, und so ging sie ruhig weiter. Die Beamten waren enttäuscht, als ich zugab, meine Frau gesehen zu haben, ohne sie anzusprechen. Nun wußte ich, daß auch sie in Haft war.

INS KONZENTRATIONSLAGER

Anfang September kam ich mit mehreren Brüdern vor das Sondergericht Düsseldorf, wo ich zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Meine Frau blieb in „Schutzhaft“ und kam schließlich nach Ravensbrück und Sachsenhausen, wo sie bis 1945 blieb.

Im März 1939 wurde ich nach Sachsenhausen gebracht, wo ich als ein „Rückfälliger“ mit den üblichen Schikanen empfangen wurde. Mein Bruder August, der im Oktober 1936 verhaftet worden war, befand sich seit Oktober 1937 in Sachsenhausen. Nun hatten wir Gelegenheit, uns täglich im Umgang mit all unseren Brüdern gegenseitig zu stärken. Eine Zeitlang wurde allen Zeugen Jehovas die Erlaubnis verweigert, Briefe zu schreiben oder zu empfangen, so daß ihre Angehörigen wenig, wenn überhaupt etwas, über sie erfuhren. Nach Aufhebung der Postsperre erlaubte man uns nur, einmal im Monat fünf Zeilen zu schreiben.

Im September 1939 wurde mein Bruder August zur „politischen Abteilung“ gerufen. Er hatte den festen Entschluß gefaßt, Jehova unter allen Umständen treu zu bleiben. Zwei weitere Zeugen, die auch vorgeladen worden waren, erzählten mir abends, daß mein Bruder geschlagen und mit Füßen getreten worden war, weil er den Wehrdienst verweigert hatte.

Am 15. September 1939 war vorzeitiger Arbeitsschluß. Der Lagerälteste — ein politischer Gefangener — erzählte mir, daß mein Bruder noch an diesem Tage erschossen werde.

Nun mußten alle Gefangenen antreten, natürlich auch wir. Wir waren ungefähr 350 bis 400 Zeugen. Als wir in das Hauptlager gebracht wurden, sahen wir dem Haupttor gegenüber einen Kugelfang mit ein paar Sandhaufen davor. Daneben stand eine schwarze Kiste. Die SS war mit Sturzhelmen und Maschinengewehren ausgerüstet. Dann wurde mein Bruder mit gefesselten Händen vor den Kugelfang gebracht.

Jetzt gab der Lagerkommandant durch den Lautsprecher folgendes bekannt: „Der Häftling August Dickmann aus Dinslaken, geboren am 7. Januar 1910, verweigert den Wehrdienst, weil er ein Bürger des Königreiches Gottes sei. Er sagt: ,Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden.‘ So hat er sich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt und wird auf Anordnung des ,Reichsführers SS‘ Himmler erschossen.“

Zu meinem Bruder gewandt, schrie er: „Dreh dich um, du Schwein!“ Dann gab er den Schießbefehl. Den Blick zum Kugelfang gerichtet, wurde mein Bruder von drei SS-Unterführern erschossen. Nachdem er zusammengebrochen war, ging der Lagerführer — ein hoher SS-Offizier — hin und schoß ihm noch eine Kugel durch den Kopf. Jetzt wurden ihm die Handschellen abgenommen, und vier seiner christlichen Brüder legten ihn in die schwarze Kiste.

Zwei Tage später wurde ich zur „politischen Abteilung“ gerufen. An diesem naßkalten Regentag stand ich stundenlang draußen. Der Lagerkommandant und der Lagerführer musterten mich dauernd durch die Fensterscheiben. Dann kam das Verhör. Der Chef der Gestapo stellte viele Fragen, doch plötzlich fragte er: „Hast du gesehen, wie dein Bruder erschossen wurde? Welche Lehre ziehst du daraus?“

Meine Antwort war: „Ich bin und bleibe ein Zeuge Jehovas!“

„Dann bist du der nächste, der erschossen wird“, drohte er.

Bald wurde im ganzen Lager bekannt, daß der Lagerkommandant an einer schrecklichen Krankheit litt. Er starb im Februar 1940. Die SS sagte: „Die Bibelforscher [Jehovas Zeugen] haben ihn zu Tode gebetet.“

Nach der Erschießung meines Bruders waren wir den schlimmsten Schikanen ausgesetzt. Zum Beispiel gab man uns wenig zu essen, und im Winter versagte man uns warme Kleidung. Dann kam eine Wendung.

VORKEHRUNG FÜR GEISTIGE SPEISE

Im Februar 1940 wurde eine Gruppe von uns Zeugen Jehovas in das Konzentrationslager Wewelsburg transportiert. Dort kam ich völlig entkräftet an. Mein Name war durch die Erschießung meines Bruders sehr bekannt. Einige Zeit später wurde das Lager aufgelöst, und ich kam im April 1943 nach Buchenwald. Drei Monate später wurde ich nach Ravensbrück überführt. Hier wurde ich einem Arbeitskommando außerhalb des Lagers zugeteilt. Wir sollten für den General einer Panzerdivision im Wald eine Villa bauen.

Auf diesem Arbeitskommando konnten wir auch Verbindung mit unseren Brüdern aufnehmen, die auf dem Gutshof von Dr. Felix Kersten, dem Leibarzt des Leiters der SS, Himmlers, arbeiteten. Dr. Kersten hatte bei Himmler Fürsprache eingelegt und hatte einige Zeugen Jehovas, Männer und Frauen, aus dem Konzentrationslager holen können, damit sie auf seinem Gutshof in Hartzwalde arbeiteten.

Später nahm er eine Zeugin Jehovas mit Genehmigung Himmlers mit nach Schweden, wo sie in seiner Familie als Hausgehilfin tätig war. Da Dr. Kersten mit dem Flugzeug oft hin und her fliegen mußte, sorgte diese Zeugin dafür, daß in seinem Reisegepäck (das in Hartzwalde wieder von einer anderen Zeugin ausgepackt wurde) nie Der Wachtturm fehlte. Er wurde dann den Zeugen gegeben, die auf dem Gutshof arbeiteten; von dort aus gelangte Der Wachtturm schließlich zu unserem Außenkommando. Trotz Stacheldraht und strengster Bewachung sorgte Jehova für die notwendige geistige Speise.

BEFREIUNG VON DEN VERFOLGERN

Als 1945 die Truppen der Alliierten immer näher kamen, sollten wir noch in ein anderes Lager überführt werden. Um den 1. Mai waren wir gerade unterwegs. Von der einen Seite kamen amerikanische und von der anderen Seite russische Truppen. Aufgrund der bedenklichen Lage, in der sich die SS-Bewachung befand, wurden wir freigelassen. Einige Tage hielten die Russen uns noch fest, aber dann ließen sie uns gehen.

Von zwei anderen Zeugen aus dem Konzentrationslager begleitet, kam ich Mitte Mai bei meinen Eltern in Dinslaken an. Zwei Wochen später kehrte auch unsere Tochter, die man uns fortgenommen hatte, nach Hause zurück. Sie war inzwischen fast achtzehn Jahre alt geworden und ist acht Jahre ohne ihre Eltern gewesen. Nun waren wir jeden Tag von früh bis spät zusammen. Wir besuchten Verwandte und Bekannte, um allen von der wunderbaren Rettung Jehovas zu erzählen. Meine Frau kam im August aus dem Konzentrationslager nach Hause zurück.

Mit acht anderen Zeugen fingen wir an, die Christenversammlung in Dinslaken wiederaufzubauen. Nach kurzer Zeit war sie so groß, daß wir einen Schulraum mieten mußten.

BESONDERE VORRECHTE

Im Jahre 1945 wurde ich zum leitenden Prediger unserer Versammlung ernannt. Trotz verlockender Angebote habe ich keine weltliche Arbeit mehr angenommen. Für meine Frau und mich gab es jetzt nur noch eines: die Verkündigung der guten Botschaft vom Königreich! Besondere Vorrechte folgten. So hatte ich zum Beispiel das Vorrecht, das Büro der Wachtturm-Gesellschaft in Wiesbaden in der Röderstraße mit einzurichten. Im Jahre 1946 wurde ich dann zum Sondervollzeitprediger ernannt.

Dann gab es weitere besondere Vorrechte: eine Einladung nach Magdeburg zu einer zusätzlichen Schulung für den Predigtdienst. Und im März 1947 begann ich, als Kreisdiener Versammlungen zu besuchen, um diese zu ermuntern und aufzuerbauen. Dank der unverdienten Güte Jehovas erfreue ich mich dieses wunderbaren Vorrechts bis zum heutigen Tage.

Unsere Freude nahm von Jahr zu Jahr zu, und wir lernen und erleben weiterhin neue Dinge, die unser Verhältnis zu Jehova, unserem starken Turm, vertiefen. Alle Probleme, seien es finanzielle oder gesundheitliche, wurden durch Jehovas unverdiente Güte gelöst. Es hat sich stets und in allen Situationen gezeigt, daß der Name Jehovas wirkliche Sicherheit bietet.

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