Eine guatemaltekische Katholikin äußert sich
„WENN nur Katholiken so wären!“ Mit diesen Worten begann die römisch-katholische Rubrikjournalistin Elly Rodriguez G. die Ausführungen in ihrer Spalte „Menschliche Profile“ in der Nuestro Diario, einer großen Tageszeitung der Stadt Guatemala. Sie schrieb über die Watch-Tower-Missionare, die die spanische Ausgabe des Wachtturms, La Atalaya, auf den Straßen ihrer Stadt verbreiten:
„Mehr als einmal hatten die Leute in der Hauptstadt Gelegenheit, die Propagandisten der Zeitschrift La Atalaya zu beobachten. Einige beobachten nicht nur. Solche, die die hübschen amerikanischen Mädels bewundern, die diese Publikation anbieten, gehen hin und kaufen die Zeitschrift von ihnen, obwohl sie von vornherein wissen, daß sie sie nicht lesen werden. Diese Verkäuferinnen sind eigentümlich. Sie sind eigentümlich, weil für uns, Kinder dieser trägen Länder, die Art, wie sie den Glauben öffentlich äußern, außergewöhnlich erscheint. Andererseits beziehen diese Mädel ihre Stellung auf der Sechsten Straße und bieten die Veröffentlichung mit wahrem Stoizismus an.
Man kann sehr leicht erkennen, daß sie Glauben haben, ja einen großen, ernsten und starken Glauben, der sie in die Lage versetzt, der öffentlichen Meinung zu trotzen, eine Überzeugung, daß das Wort, das sie predigen, wahr ist, eine absolute Sicherheit, daß die Zeitschrift, die die Gedanken über die Werte ihrer Religion enthält, gut ist und außerdem ein Glaubensbekenntnis darstellt. So denken sie darüber, und sie sind für Kampf und Sieg sowie Opfer organisiert, das Opfer des eigenen Ichs, der eigenen Interessen, zugunsten der Gruppe, zu der sie gehören.
Das Werk, das sie ausführen, ist nicht auf diese Tätigkeit beschränkt. Sie gehen von Haus zu Haus und predigen und bieten mit wirklicher Ausdauer all die Schriften an, die sie veröffentlichen … Die Einstellung, die Persönlichkeit und die Treue dieser Meister in ihrem Fach haben mich veranlaßt, über das furchtsame und falsche Gewissen der Katholiken etwas nachzudenken …
Es fehlt uns an sittlicher Integrität. Der Mut, dem Feinde entgegenzutreten, fehlt uns gänzlich. Wir können unsere Religion nicht verteidigen. Wir können es nicht zufolge unserer Unwissenheit — oh, diese Unwissenheit der Katholiken! —, und wir können es nicht, weil wir uns vor Menschen scheuen oder weil wir kleinmütig sind. Laßt uns noch weitergehen: In gewissen mehr oder weniger antireligiösen Kreisen verleugnen wir sogar, zu unserer Beschämung, den Glauben, den wir ererbt haben, und wenn wir ihn nicht verleugnen, werden wir von irgendeinem Neunmalklugen zum Schweigen gebracht, der einige gegen die Religion gerichtete Argumente kennengelernt haben mag …
Persönlich äußern wir unseren Glauben nur in kleinstmöglichem Maße: in der Messe am Sonntag, durch Teilnahme an der vornehmsten Prozession in der Karwoche, durch einige besondere Andachtsübungen, durch das Geben eines Minimums an Almosen ohne christlichen Geist, und — das Paradies ist unser! Nichts weiter. Dies genügt, uns zu überzeugen, daß ewige Segnungen auf uns warten. Geistliche Bestrebungen, ein inniger Wunsch, vorwärtszukommen, ein Interesse, uns selbst zu unterrichten, zu lernen, welches der Glaube ist, den wir bekennen, ein Wunsch, etwas zu opfern, die Dahingabe unserer selbst — all dies sagt uns nichts in dem bequemen und falschen Leben, das zu führen wir gewohnt sind …
Die katholische Presse wird unter uns nie gedeihen, und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil solche, die ihr Hilfe zuteil werden lassen könnten, ihr aus Habsucht nicht helfen, zweitens, weil jene, die sie schaffen, indem sie die Werte, die in der Welt Geltung haben, falsch darstellten, die katholische Presse mit den kleinen Kirchengemeindeblättern verwechselt haben. Man meint, daß man, um den Glauben Jesu Christi zu verteidigen, nur die Santoralen [Sammlung der Lebensgeschichten von Heiligen], die Geburtstage der Geistlichen, Rundschreiben, die Zensur der Filme veröffentlichen muß, die gerade den Wunsch wecken, das zu sehen, was verboten ist. Kitsch, Blindgläubigkeit, Übersentimentalität, Engherzigkeit, moralische Beschränktheit, intellektuelle Armut und öde Langweiligkeit ist in den Veröffentlichungen zu finden, die das katholische Siegel tragen. Daher gedeiht unsere Presse nicht. Aus diesem Grunde interessiert sie nicht einmal Katholiken, und noch viel weniger kann sie solche ansprechen, die sich außerhalb der Kirche befinden.
Wenn Katholiken nur so wären! — nämlich wie die Protestanten, wie diejenigen, die La Atalaya verkaufen, wie die Kämpfer anderer Religionen, wie alle jene, die aus ihrem Glauben nicht einen Personenkult und die Anbetung des Ichs gemacht haben, wie wir sie ausüben.
Wenn wir diese unnütze Bürde weltlicher Interessen, absurder Selbstsucht, sittlicher Negierung abwerfen würden; wenn wir die geistige Unwissenheit beseitigen könnten, die uns überwältigt; wenn wir nach 2000 Jahren lernen würden, aufmerksame Katholiken zu sein, der Lehre Jesu Christi zu folgen, so würde das Schicksal des Katholizismus, dessen Fehlschlag die heutige Welt alarmiert und ängstigt, ein ganz anderes sein.“
All dieses ist von einer Artikelschreiberin verfaßt, die sagt: „Ich bin katholisch, und deshalb weiß ich, was und wo die Wahrheit ist.“